Kapitel 6


Zwei Stufen auf einmal nehmend hüpfte Baras die Treppen hinunter. Am liebsten hätte er laut gejubelt. Der Tag hatte mies angefangen aber jetzt schien er immer besser und besser zu werden. Herim war tot! Er trauerte kein bißchen um seinen Bruder. Erstens hatten sie sich nicht besonders nahe gestanden, im Gegenteil, und zweitens war er für ihn nichts weiter als ein Hindernis gewesen, dass ihm im Weg gestanden hatte.


Ohne Herim würde Tarek mit seiner Aufgabe als König völlig überfordert sein. Er würde sich ganz ihm anvertrauen und sich ihm somit ausliefern. Ihm, seinen letzten Verwandten, dem lieben Onkel Baras.


Er war am Ende der Wendeltreppe angekommen. Wenn er jetzt in den Hof hinaustreten würde, müsste er den trauernden Bruder spielen und seinen armen, verzweifelten Neffen trösten. Er straffte sich und bemühte sich seine Freude zu verbergen und eine betrübte Miene zu machen.


Als er nach draußen trat, hatte sich schon der Großteil von Tareks Truppe im großen Innenhof des Palastes eingefunden. Alle sahen sie müde und traurig aus.

Man hätte meinen können, sie hätten gerade eine Schlacht verloren und nicht gewonnen. Und das nur, weil so ein Idiot wie Herim beschlossen hatte sich aus dieser Welt verabschiedet hatte, dachte Baras kopfschüttelnd.


Er versuchte in dem Gedränge Tarek auszumachen und schob sich zwischen den Leibern der Krieger, die auf die Stallburschen warteten, und deren Pferden durch. Aber Tarek konnte er nicht sehen.


Plötzlich packte ihm jemand am Arm. Baras, mein Freund.

Er drehte sich um und blickte in das Gesicht von Gandalf.

Meister Gandalf. Ich bin hocherfreut Euch unverletzt zu sehen. Mögest du möglichst bald verrecken! dachte er.

Gandalf senkte den Blick. Was man von Euren Bruder nicht behaupten kann. Es tut mir aufrichtig leid um ihn. Er war ein tapferer Mann.

Das war er. Ich... ich habe ihn sehr geliebt, auch wenn er nur mein Stiefbruder war. Sein Verlust trifft mich sehr. Es fiel Baras nicht leicht diese Lüge auszusprechen. Seine Freude brodelte in ihm und er hätte sie am liebsten laut hinaus geschrien.


Doch er beherrschte sich und fragte statt dessen: Wisst Ihr, wo Tarek ist? Ich glaube er braucht jetzt etwas... Zuspruch. Gandalf nickte Ja, das denke ich auch. Ich hatte den Eindruck, dass Herims' Tod ihn sehr mitgenommen hat. Er war gar nicht mehr richtig ansprechbar. Außer Euch bleibt ihm jetzt kein Verwandter mehr?

Baras schüttelte den Kopf. Nein. Nur wir zwei sind noch übrig. Und das ist auch noch einer zuviel. fügte er in Gedanken hinzu.


Gandalf strich sich nachdenklich durch seinen langen Bart. Hm, das gefällt mir nicht. Erst der Vater, dann der Onkel. Baras hüstelte leicht nervös. Nun ja, so traurig es ist, im Krieg sterben die Menschen nun mal. Ja, da habt Ihr recht, gab Gandalf zu , aber ich habe trotzdem ein ungutes Gefühl.

Ihr meint, dass Tarek in Gefahr ist?

Das sind wir alle in solchen Zeiten. Aber ich denke wir sollten auf Tarek besonders achtgeben.

Ja, wahrscheinlich habt Ihr recht. Aber dafür müssten wir ihn erstmal finden.


Ich glaube im Moment brauchen wir uns da keine Sorgen zu machen. sagte Gandalf, Ich habe Tarek auf dem Rückweg zwar aus den Augen verloren, aber als ich ihn das letzte Mal sah, war Legolas bei ihm. Er wird auf ihn aufpassen, da bin ich mir sicher.


Im selben Moment in dem Gandalf dies sagte, teilte sich die Menschenmenge um sie herum und die wenigen Elben unter den weranischen Kriegern verneigten sich, als Legolas durch die entstandene Gasse ritt.


, sagte er während er etwas atemlos vom Pferd sprang, ich suche nach dir. Er nickte Baras kurz zu, welcher sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen konnte Wie war das noch? Tarek ist in Sicherheit, weil Legolas bei ihm ist? Gandalf fluchte. Verdammt. Legolas... Der Elb wirkte verwirrt.

Wo ist Tarek?


Oh, ich habe ihn im Haus der Heiler zurückgelassen. Nein, nein ihm geht es soweit gut. Wir haben Herims Leichnam dorthin gebracht, damit man ihn dort für die Bestattung morgen vorbereitet. Tarek wollte dort noch etwas bei ihm bleiben und der Waschungszeremonie beiwohnen.

Das halte ich aber für keine gute Idee.

Die Heiler waren da ganz deiner Meinung. Nach der weranischen Tradition ist es sogar verboten. Also haben sie ihn rausgeschmissen.

Oh, je. Aber er ist trotzdem geblieben?

Soweit ich weiß, ja.

Aber du bist nicht sicher.

Nein, aber was spielt das für eine Rolle? Es sind uns sicherlich keine Orks bis hierher gefolgt, die in irgendeiner Weise eine Bedrohung darstellen könnten.

Gandalf seufzte. Schon, aber trotzdem...


Legolas hat recht. mischte sich nun Baras ein, ich denke, dass Tarek sehr gut auf sich alleine aufpassen kann.

So, glaubt Ihr? Legolas legte den Kopf in den Nacken und schaute in den bewölkten Himmel. sagte er langsam, ich glaube, wir sollten Tarek am Haus der Heiler abholen. Ich bin mir nämlich gar nicht so sicher, ob er wirklich in der Lage ist auf sich selbst achtzugeben. Vor allem jetzt nicht.