Kapitel 8
Als Tarek auch nach einigen Stunden nicht im Palast auftauchte, begannen sich Legolas und Gandlaf wirklich Sorgen zu machen, obwohl Baras ihnen zum wiederholten Male versicherte, dass der junge König keine Kindermädchen" mehr brauche. Legolas gab ihm insgeheim in der Hinsicht Recht, dass er sich tatsächlich immer mehr wie Tareks Kindermädchen vorkam, aber er war nicht der Meinung, dass Tarek keine mehr brauchte. Und so machten er und Gandalf sich auf den Weg zum Haus der Heiler.
Da es nicht weit war, gingen sie zu Fuß durch die mittlerweile in fast völliger Nacht liegende Stadt. In den meisten Häusern war es ruhig, nur aus den Gasthäusern konnte man das Gegröle von Betrunkenen vernehmen, was Legolas veranlasste verständnislos den Kopf zu schütteln.
Wie können sie nur so ausgelassen feiern. Sollte heute nicht ein Tag der Trauer sein, wo doch einer ihrer besten Krieger an diesem Tag gestorben ist?"
Sie feiern nicht, Legolas."
Nein? Was soll es denn sonst sein, was sie da drin tun?"
Auch wenn man es nicht gleich bemerkt, sie trauern. Nur singen sie keine Klagelieder wie ihr Elben es tut. Sie versuchen zu vergessen."
Aber wieso? Wissen sie denn nicht, dass Vergessen und Verdrängen unsinnig ist, vor allem wenn man sich dafür so sinnlos besäuft?"
Doch. Wahrscheinlich schon."
Und warum tun sie es trotzdem?"
Gandalf zuckte mit den Schultern. Ich weiß es nicht. Aber ich habe es auch irgendwann aufgegeben eine Erklärung für alles zu finden, was die Menschen tun."
Dann werde ich es dir wohl gleich tun müssen.", sagte Legolas aufseufzend, Ich werde die Menschen wohl nie verstehen."
Versuch es lieber erst gar nicht. Ich habe die Befürchtung, dass sie das oft selber nicht tun."
Legolas runzelte die Stirn. Sie sind eigenartige Wesen."
Stimmt. So wie ihr Elben auch. Aber was soll ich sagen? Ich mag sie trotzdem."
Legolas schwieg nachdenklich. Er war sich nicht sicher, was er von den Menschen halten sollte. Sicher, er hatte schon einige kennen gelernt und viele waren sogar seine Freunden geworden. Andere dagegen hatte er in schlechter Erinnerung. Es gab solche und solche, das hatte er gelernt, wie es auch bei den Elben und bei den Zwergen solche und solche gab. Aber bis jetzt wusste er absolut nicht, was er von diesem Menschenschlag hier denken sollte und wie er den Menschen im Allgemeinen gegenüberstand, wie er die Gesamtheit der Menschen beurteilte.
Als die beiden schließlich das Haus der Heiler erreichten, brannte in den Fenstern des weißen Gebäudes nur noch vereinzelt ein schwaches Licht. Alles schien trotz der erst frühen Abendstunden schon zu schlafen und selbst vor dem verschlossenen Tor schnarchte einer von Tareks Kriegern, der bei der Wache anscheinend eingeschlafen war.
Gandalf stupste ihn mit seiner Stiefelspitze leicht in die Seite und versuchte ihn zu wecken. He, Wächter." Der Mann fuhr hoch und blinzelte noch etwas schlaftrunken bis er erkannte, wen er vor sich hatte. Meister Gandalf... Prinz Legolas.." stammelte er und wenn es nicht so dunkel gewesen wäre, hätte man erkannt wie ihm die Schamesröte ins Gesicht schossen. Wie peinlich von zwei so hohen Besuchern bei der Vernachlässigung seiner Pflichten erwischt zu werden! Und Ärger würde es dazu auch noch geben, und zwar ganz gewaltigen.
Trotz allem, er sollte seine Situation nicht noch weiter verschlimmern und so besann er sich, dass er wenigstens der Pflicht der Höflichkeit nachkommen sollte.
Er verbeugte sich tief. Was kann ich für Euch tun?"
Wir wollen nur hinein."
Ähm, jawohl. Sofort." Er suchte in seinen Taschen nach dem Schlüssel und machte sich daran, das Tor aufzuschließen, wobei er ein so zerknirschtes und bedrücktes Gesicht machte, dass Gandalf Mitleid mit dem müden Krieger bekam und ihm, bevor sie hineingingen, eine Hand auf die Schulter legte. Mach dir keine Sorgen. Das bleibt unter uns." Sofort hellte sich die Miene des Wächters auf. Ich danke Euch."
Während Legolas und Gandalf das Haus betraten, brach Legolas sein Schweigen. Vielleicht sind es gerade ihre Fehler, die einem die Menschen sympathisch machen." sagte er leise, eigentlich mehr für sich, aber Gandalf hatte es gehört. So wird es wohl sein. Sie erinnern an uns an unsere eigenen Fehler, daran, dass auch wir nicht perfekt sind, nicht wahr?"
Legolas lächelte breit und lachte dann. Ja. Das wird es wohl sein.."
Sie waren gerade dabei, die Eingangshalle zu durchqueren, als vor ihnen plötzlich eine Tür aufflog und der vermisste Tarek rückwärts aus eben dieser stolperte. Er bemühte sich vergebens um sein Gleichgewicht, ruderte kurz mit seinem Armen, setzte sich dann aber doch äußerst unköniglich auf seinen Hosenboden. Aus dem Raum, aus dem er gerade geflohen worden war, flog ein Schwamm dicht an seinem Kopf vorbei und klatschte an die gegenüberliegende Wand. Ihm folgte ein mordsmäßiges Gezeter und eine ganze Tirade an Schimpfwörtern, von denen Legolas und Gandalf nicht einmal die Hälfte kannten.
Das wollen wir doch erst mal sehen. Nur ein Mädchen, wie? Ich zeig' dir gleich mal was dieses Mädchen mit dir macht, du perverses Schwein. Platzt hier einfach rein und spannst rum, dir werd' ich helfen. Komm ja nicht noch einmal in meine Nähe, sonst kannst du was erleben, das schwör' ich dir."
Die Tür knallte zu, aber das Geschimpfe konnte man selbst durch die geschlossene Türe noch hören. Gandalf half den völlig verdatterten König wieder auf die Füße und noch während er das tat, strömten immer mehr durch den Lärm angezogene Heiler in die Halle. Auch Enna tauchte bald auf Mit einem Blick erfasste sie die Situation. Ihr wart da drin?" fragte sie den König und deutete auf die Tür, hinter der es mittlerweile wieder ruhig geworden war.
Tarek nickte nur, er stand noch immer etwas unter Schock. Was wolltet Ihr denn da? Ah, nein, sagt nichts, ich weiß es auch so." Sie schnalzte mißbilligend mit der Zunge. Ihr wisst doch das das verboten ist, selbst für Euch. Ihr dürft der Zeremonie nicht beiwohnen. Und außerdem findet sie sicherlich nicht in diesem Raum statt. Das ist das Bad."
Legolas musste sich beherrschen um nicht laut loszulachen. Es war nur zu offensichtlich, was passiert war. Tarek hatte versucht, doch noch irgendwie an den Vorbereitungen zu Herims Bestattung beizuwohnen, war aber auf der Suche nach dem Zimmer, in dem sie stattfand, aus Versehen ins Bad geraten, wo er ein weibliches Wesen aufgeschreckt hatte, das nun offenbar ziemlich wütend war.
Tarek hatte inzwischen seine Sprache in vollem Maße wiedergefunden. Wie kann sie es nur wagen so mit mir umzuspringen?" ,schimpfte er, Wie kann sie es wagen, mich so zu behandeln? Ich bin immer noch der König und niemand benimmt sich so mit gegenüber. Niemand! Auch ein Mädchen nicht, nein, ein Mädchen erst recht nicht."
Sie weiß aber nicht, dass Ihr der König seit." sagte Enna ruhig.
Wie, das weiß sie nicht?" Tarek war so erstaunt, dass er von einem Moment zum anderem wieder ganz ruhig wurde. Wieso weiß sie das nicht? Das weiß doch hier jeder."
Sie aber nicht. Fragt mich nicht warum, aber so ist es. Sie hat mir erzählt, dass sie sich ganz plötzlich mitten in Eurer Schlacht gegen die Orks wiedergefunden hat und keine Ahnung hat wie sie dahin gekommen ist. Irgendwie ist sie dann auch verwundet worden und man hat sie hierher gebracht."
Sie wandte sich nun an Gandalf. Ihre Geschichte ist, soweit ich sie mitbekommen habe, sehr mysteriös und deshalb möchte ich Euch bitten, dass Ihr einmal mit ihr redet. Ich werde aus dem, was sie erzählt einfach nicht schlau. Vielleicht bekommt Ihr ja heraus, was das alles zu bedeuten hat und wo sie herkommt."
Gandalf nickte nachdenklich. Hm ja, das klingt durchaus interessant. Ich werde mir mal anhören, was sie mir so zu erzählen hat."
Vielleicht ist sie ja auch ganz einfach nur verrückt." meinte Tarek spitz.
Weil sie Euch ihre Meinung gesagt hat?", fragte Legolas spöttisch, Ich finde so etwas überhaupt nicht verrückt, sonder äußerst vernünftig. Meiner Meinung nach ist dieses Mädchen sogar der vernünftigste Mensch der Welt."
