Kapitel 14
212 Schäfchen, 213 Schäfchen, 214 Schäfchen. 215 Orks, , 216 Orks...
Orks?
Was hatten denn jetzt bitte Orks zwischen den Schafen zu suchen? Konnten sie sie jetzt nicht einmal im Schlaf in Ruhe lassen? Okay, sie schlief zwar nicht, noch nicht, und das war ja gerade das Problem, aber sie arbeitete daran und es war sicherlich nicht hilfreich, wenn diese verfluchten Orks sich immer wieder mir ihrer hässlichen Visage zwischen die armen Schäfchen drängten.
Wenn sie da wenigstens bleiben würden. Jedes Mal, wenn sie nämlich gerade dabei war ins Land der Träume hinüber zu dämmern, schreckte sie wieder hoch, weil sie sich einbildete das Knacken von Zweigen oder gar Orkgestank wahrzunehmen. Aber immer wenn sie alarmiert und wieder sehr wach lauschte, war da rein gar nichts mehr.
Iris fand dieses Roulette-Spiel, das ihre Sinne mit ihr trieben, gar nicht komisch.
Sie seufzte und drehte sich auf die andere Seite, was aber auch nicht viel brachte. Der Boden war überall gleich unbequem. Und gleich kalt. So warm und sonnig der Tag gewesen war, so kalt und ungemütlich war die Nacht geworden und Iris fror erbärmlich. Sie klapperte zeitweise sogar mit den Zähnen und das ließ sie befürchten, dass ihre Zehen am nächsten Morgen abgefroren sein würden, oder schlimmer noch, auch noch ein paar andere Körperteile, die sie noch dringend brauchen würde. Wie ihre Beine zum Beispiel. Zum Weglaufen.
Iris wickelte sich noch fester in ihre Decke und presste sie fest auf ihren Körper, was aber so gut wie überhaupt nichts nützte. Sie seufzte zum zweiten Mal und setzte sich entnervt auf. Das hatte ja doch keinen Sinn. Ihre Augen tasteten in der mondhellen Nacht nach den anderen. Irgendwo musste Legolas Wache halten, aber sie konnte ihn nicht entdecken. Baras allerdings war unüberseh-, besser unüberhörbar. Er lag schnarchend nur ein paar Meter weiter, neben ihm Gandalf, der auch tief und fest zu schlafen schien, was Iris mit stillem Neid erfüllte. Was hätte sie darum gegeben, wenn sie jetzt ebenfalls so friedlich schlafen könnte.
Iris Blick glitt zu dem kleingehaltenen Lagerfeuer, wo eine zusammengekauerte Gestalt gedankenverloren in die Flammen starrte und sie fühlte eine leise Befriedigung. Sie war wohl doch nicht die Einzige, die nicht schlafen konnte.
Umso besser. Sie stand schwankend auf und schlurfte mit ihrer Decke um den Schultern Richtung Lagerfeuer. Dort war es sicherlich wenigstens ein bisschen wärmer und ein wenig Gesellschaft würde sie vielleicht auch ein wenig von den Orks, die ihre Gedanken terrorisierten, ablenken.
Als sie den Feuerplatz erreicht hatte, konnte sie erkennen, dass es Tarek war, der ebenfalls schlaflos war und wenn Iris nicht so gefroren hätte, hätte sie wahrscheinlich auf dem Absatz kehrt gemacht. Als sie aber den warmen Schein auf ihrem Gesicht spürte, erwog sie das nicht mehr eine Sekunde.
Tarek rückte sogar ein Stück um ihr Platz zu machen, schaute dabei aber nicht auf, sondern war weiterhin in den Anblick des Feuers vertieft. Iris war zu müde und fror zu sehr als dass sie sich über diese plötzliche Anwandlung von Höflichkeit gewundert hätte und sie ließ sich mit einem Aufseufzer (dem dritten) neben dem jungen König zu Boden plumpsen.
Der schaute immer noch nicht auf. Ob er sie überhaupt richtig wahrgenommen hatte?
Sie betrachtete ihn eine ganze Weile unverhohlen und jeder normale Mensch hätte diese bohrenden Blicke bemerkt oder wenigstens angefangen sich unwohl zu fühlen. Tarek schien aber nicht zu diesen Menschen dazu zu gehören.
Weißt du, was dein Problem ist?
Tarek hob mit einem abrupten Ruck den Kopf. Die Frage war so unerwartet und plötzlich in die Stille hinein geplatzt, dass er nun erst einmal völlig überrumpelt war, das hieß im Klartext, er wusste absolut nichts mit ihr anzufangen.
Wie? Was soll... Mein Problem? Ja, aber... weiß nicht... Häääh?
Dieses Gestammel entsprach nicht gerade der gepflegten Ausdrucksweise eines Königs, aber das war nicht sein derzeitiges Problem und auch nicht das, welches Iris gemeint hatte. Es war ganz einfach schlicht und ergreifend, dass sein Gehirn noch hinter dem Sinninhalt von Iris' Frage hinterher hinkte.
Iris hatte aber nicht vor so lange zu warten bis Tareks graue Zellen die Zielgerade erreicht hatten.
Du bemitleidest dich selber. ,fuhr sie unbeirrt fort, Du glaubst, dass du ein ganz armes kleines Kerlchen bist, das völlig allein auf dieser Welt ist und dem niemand helfen will. Dabei übersiehst du aber eins. Sie beugte sich zu ihm vor bis ihre Nasenspitze fast die seine berührte. Alle versuchen dir zu helfen. Nur, du lässt dir nicht helfen.
Tarek starrte sie an. Sein Gesicht bestand jetzt fast ausschließlich aus drei großen Os. Mittlerweile hatten er und sein Gehirn zwar das Ziel passiert, das änderte aber nichts daran, dass er noch immer überrumpelt war. Nur war es diesmal nicht, weil er nicht mitkam, was Iris ihm da gerade erzählte, sondern es war gerade das, was sie sagte, das ihn so fassungslos machte. Sie hatte ihm gerade auf den Kopf zu gesagt, wie er sich fühlte und was er dachte und es war ihm mehr als unheimlich, dass sie das wusste.
Nichts desto trotz war er mit Iris' letztem Satz nicht so recht einverstanden.
Wer versucht mir zu helfen? Alle kritisieren doch nur an mir herum, du mit eingeschlossen. maulte er beleidigt, aber Iris wischte seinen Einwand mit einer einzigen schnellen Handbewegung beiseite.
Eben, das ist es ja. Man versucht dir zu sagen, was du besser machen könntest oder welchen Fehler du gerade machst und du.. , sie bohrte ihren Finger so fest in Tareks Brust, dass dieser hinten überkippte, ...du kommst dann immer mit deinen blöden 'Ich-bin-der-König-und-habe-mir-nichts-sagen-zu-lassen-Spruch. Nur, mein Lieber, König zu sein macht einen nicht fehlerlos, und wenn du auf das, was man dir sagt, auch eingehen würdest, dann könnte man es dir auch freundlicher sagen. Aber so kann man dich ja nur anbrüllen, damit vielleicht ein bisschen was über dein Arroganz hinweg an dich heran kommt.
Sie unterbrach sich und holte einmal zischend Luft, wollte fortfahren, ließ nach kurzem Nachdenken dann aber die angehaltene Luft wieder entweichen. Nein, ich glaube, jetzt habe ich das Wichtigste gesagt. Jetzt bist du dran.
Aber Tarek war einfach nur geplättet. Die Worte sirrten in seinen Kopf herum und richteten dort ein absolutes Chaos an. Ein Teil von ihm sagte: Lass dir von der doch nicht so einen Mist einreden! Die will dich doch nur kirre machen., während ein anderer Teil das Gegenteil behauptete: Oh nein, sie hat völlig recht. Du solltest da mal drüber nachdenken. Das Ergebnis dieses Disputes waren wahnsinnige Kopfschmerzen.
Iris klang nun beinahe ein wenig besorgt, Alles in Ordnung?
Tarek war so bleich, dass seine Gesichtsfarbe fast der des Mondes entsprach. Ich glaube, mir ist schlecht. murmelte er und stand vorsichtig auf, wobei er aber ein-, zweimal heftig Schlagseite bekam.
Iris fühlte sich nun fast ein wenig schuldig. Soll ich...
Tarek schüttelte den Kopf. ,antwortete er, Ich bin jetzt einfach nur sehr, sehr müde. Und damit schwankte er davon.
Iris biss sich auf die Lippe. Vielleicht war das doch zu viel für ihn gewesen. Aber wer hätte gedacht, dass Tarek der Große so empfindlich reagieren würde?
