Irgendwie war es ja doch lustig, als wir uns so durch das dichte Buschzeugs schlugen. Der mächtigste dunkle Zauberer aller Zeiten mit Umhang um die Taille gebunden, schob keuchend (wegen der ansteigenden Temperatur) Zweige beiseite und stolperte hin und wieder über eine Baumwurzel.
Ich finde, im gewissen Sinne passen wir perfekt zusammen – er war ohne seinen Zauberstab und seiner Horde Todesser mindestens genauso tollpatschig wie ich (wobei er nicht ständig in diverse Treibsandkuhlen reintaperte und sich auch in keiner Liane fast erwürgt).
Die ganze Zeit ging es so – Trampelei durch einen nahezu undurchdringlichen Urwald, Hitze die einen fast zum Kreislaufkollaps brachte und die ganze Zeit glühte die Sonne unerbittlich durch das Blätterdach auf uns nieder.
Es musste gegen Mittag sein, als mir der erste Punkt auf Voldemorts Gesicht auffiel, ungefähr dort, wo sein Nasenrücken sein müsste, immerhin hat er ja keine Nase…
Sommersprossen!
Wir machten gerade eine Pause von der Rennerei und er beklagte sich gerade darüber, dass sein Magen keine Bananen vertrüge.
Er war tatsächlich braun geworden…
Ob es am Mangeln seines Zauberstabs lag oder an der Tatsache, dass er normalerweise keine Sonnenbäder machte, aber er hatte wirklich Sommersprossen…
Ich muss ihn ziemlich fasziniert angeglotzt haben, denn er unterbrach seinen Vortrag über Bananen und sah mich ziemlich finster an.
„'Tschuldigung", sagte ich hastig und sah weg.
„Auf jeden Fall – Bananen! So was essen doch nur so Trottel wie Dumbledore, die freuen sich sicher über diese gelbe Farbe, ich hasse Gelb! Das ist so hell! Schwarz dagegen…"
Ich ließ ihn reden, es lenkte ihn davon ab, Rachegedanken gegen den Schuldigen zu schmieden, der uns in dieses Verschwindekabinett geschickt hatte und Mordgedanken gegen mich zu hegen, weil ich eben das einzige Lebewesen war, das er bisher hier getroffen hatte.
Schließlich half sein Gejammer über freundliche gelb - strahlende Bananen aber nichts, der Hunger wurde inzwischen unerträglich und es weit und breit nur Essbares in Form von Bananen gab.
Ich hab ein einziges Mal in meinem Leben ein derartig ekelerfülltes Gesicht gesehen, wenn jemand etwas essen musste, das er nicht mochte und das war Mungundus, als man ihm anbot, einen frischen gesunden Salat zu kosten.
Ich mein, was ist an einer Banane so ekelig, dass man gucken musste wie ein Hund, der einen üblen Geruch in die Nase kriegt?
Ich mampfte glücklich an meiner Frucht (man, ich hatte noch nie so ne leckere Banane gegessen – ich hoffte nur, das sie nicht einfach aus meinem Bauch verschwand oder sich in einen Gletscher oder so verwandelte…
Voldemort hingegen hielt sich angeekelt die Hand vor die Nasenschlitze (andere hätten an dieser Stelle die Nase mit den Fingern zusammengedrückt) und biss Stückchen ab, auf die eine Maus stolz gewesen wäre und würgte sie wie widerliche Medizin runter.
„Du verdirbst mir den Appetit", sagte ich säuerlich.
Er würdigte mir nicht mal einen Blick. „Dein Problem."
Na danke auch…
„Eine Banane kann auch sehr lecker sein…"
„Sei still du wertloses Schlammblut!"
Hui hatte der schlechte Laune.
„Okay, okay... Selber Schlammblut", antwortete ich.
Seine Augen flackerten kurz zornig zu mir rüber, aber dann wendete er sich wieder seinem Essen zu.
Den Rest des Tages passierte nichts Erwähnenswertes mehr. Gelatsche und nochmals Gelatsche, ich versank bis zur Hüfte in Treibsand, bis Voldemort sich endlich mal dazu bequemte, heldenhafter Retter zu spielen und mich wieder herauszuziehen.
Wir übernachteten unter einem großen Stein, dessen Vorsprung uns ein wenig Schutz vor der wieder eintretenden Kälte gab.
Praktischerweise gab es hier auch kleine Steine, mit denen ich ein Feuer machen konnte.
Dann gab es wieder Gerangel.
Es gab nun keine Möglichkeit, sich weit voneinander wegzusetzen, wenn man gleichzeitig nah am Feuer sein wollte und natürlich wollte jeder seine klammen Finger wärmen…
Schließlich saßen wir trotzig Schulter an Schulter an dem Feuer und sprachen mal wieder kein Wort.
Als uns schließlich die Müdigkeit überkam, merkte keiner von uns, dass unsere Köpfe langsam auf die Schulter des jeweilig anderen sackten…
Am nächsten Morgen wachte ich auf und bemerkte erstaunt, das Voldemort verschwunden war.
Das Feuer war zu einem kleinen Aschehaufen runter gebrannt und ich wunderte mich fast ein wenig, das wir immer noch in einem tropischen Wald waren und nicht inzwischen unter Wasser oder sonst wo.
Mit steifen Fingern rieb ich mir den Morgentau vom Umhang.
Wo war der Kerl bloß?
Voldemort war weit und breit nicht zu sehen.
Ein wenig beunruhigt stand ich auf.
Was, wenn auch wilde Tiere hier einfach auftauchen? Ich hab noch nie von einem so seltsamen Verschwindekabinett gehört (ich bin in meiner Hogwartszeit mal versehentlich in eins gestolpert…).
Keine Ahnung, warum ich mich jetzt so um ihn sorgte, aber ein wenig unwohl war mir schon bei dem Gedanken, ihn nicht meckernd herumsitzend zu sehen, irgendwie hab ich mich sicherer mit ihm gefühlt – er war ja trotz Fehlen des Zauberstabs ein mächtiger Zauberer…
Sollte ich nach ihm rufen?
Morgentau lief mir nun die Nasenspitze runter.
Wütend rieb ich mir mit dem Ärmel über das Gesicht und erstarrte.
Etwas brach dort durch das Gebüsch und kam direkt auf mich zu!
Vor Panik drehte ich mich um und wolle davonlaufen – und krachte natürlich mit Karacho gegen den großen Stein, an dem wir genächtigt hatten.
Ich purzelte auf den Boden und blieb erst einmal benommen liegen.
Dann hörte ich Schritte näher kommen und ein spöttisch blickendes Gesicht erschien über mir.
„Gut geschlafen?"
Ich versuchte zu antworten, doch mein Schädel tat mir derartig weh, dass ich einfach nur trocken schluchzen konnte.
Und dann tat Voldemort etwas, was ich nie von ihm erwartet hatte; er nahm meine Hand und zog mich wieder hoch, lehnte mich gegen den Stein und reichte mir ein feuchtes Stück Moos, das ich mir auf die Stirn presste. Eine herrliche Erleichterung machte sich in meinem schmerzenden Kopf breit.
Dann vielen mir die Fische auf, die nun vor dem Aschehaufen lagen.
„Was…"
„Ich hatte keine Lust auf Bananen", war die schlichte Antwort.
„Ah." Ich tupfte ein wenig mit dem Moos an meiner Stirn herum. „Aber roh können wir die nicht essen – warte einen Augenblick, bis meine Kopfschmerzen weg sind…"
Er beachtete mich nicht, sondern griff zu zwei Steinchen und machte Feuer.
Ich musste unwillkürlich grinsen. Selbst er lernt also dazu.
„Du hast da was am Kopf!"
Er starrte mich zornig an. „Was?"
Ich deutete auf seine Glatze. „Da!"
Er tastete über seinen Kopf und seine Miene wurde steinern.
„Und am Kinn auch."
Er fummelte sich am Kinn rum und seine Miene verdüsterte sich zunehmend.
„Und Augenbrauen kriegst du auch!", fügte ich hinzu.
Es war wirklich zum schießen. Scheinbar war Voldemorts Haarlosigkeit Zauberkraftbedingt und ohne Zauberstab…
Er seufzte schließlich wütend und stampfte zornig weiter durch den Wald.
Ich kicherte leise und ging hinter ihm her.
„Hast du das gehört?"
Er drehte sich genervt zu mir um. „Was?"
Meine Knie schlotterten. „Da! Da war es schon wieder!"
Er rollte mit den Augen. „Das war nur wieder irgendeine Erscheinung oder ein Gegenstand, der verschwindet…"
„Nein! Es hörte sich eher an wie… atmen!"
Er kicherte bösartig. „Aber aber Tonks, das ist doch nur der Voldemort, der muss genauso atmen wie jeder andere Mensch auch! Und jetzt halt die Klappe."
Er drehte sich um und ging weiter. Ich war mir ziemlich sicher, dass der Voldemort nicht so atmete, als würde er einen 3 Tonnen-Körper mit sich rumschleppen.
Verdammt zögernd trampelte ich ihm hinterher.
„Da war es…"
„Verdammt noch mal, kannst du mich nicht endlich in Ruhe lassen?"
Ich nickte eingeschüchtert. „Aber…"
„Kein Aber, ich werde…"
Keine Ahnung was er wird, auf jeden Fall krachte es plötzlich hinter uns im Gebüsch und ein riesiges Vieh brach daraus hervor und landete mit einem mehr oder weniger eleganten Satz vor uns.
Ich wusste nicht was es war, aber es sah verdammt hungrig aus und hatte einen grünen Schuppenpanzer und lange spitze Fangzähne.
Ein paar Sekunden der Stille verstrichen, dann stieß das Vieh ein markerschütterndes Brüllen aus und rannte mit langen Sätzen auf uns zu.
Geistesgegenwärtig griff ich Voldemorts Ärmel und zog ihn beiseite und das Tier krachte mit Schwung gegen eine Bananenstaude, worauf es von dutzenden von Bananen beregnet wurde.
Ein ersticktes Kreischen tönte unter dem Haufen, ich nahm mir einen dickeren Ast, der auf dem Boden herumlag und haute ihn mit Schmackes auf die Birne des Monstrums. Das Gebrülle erstarb mit einem Mal.
„Komm, wir hauen besser ab, bevor er wieder wach wird", sagte ich hastig zu Voldemort.
Das ließ er sich nicht zweimal sagen und wir liefen davon. Ich bemerkte beim Davonlaufen, wie er mir einen Blick zuwarf – allerdings nicht sonderlich bewundernd sondern spöttisch.
Man, der gönnt mir meinen Erfolg nur nicht, weil Bananen uns gerettet haben…
Dennoch, als wir nach ein paar Minuten unser Tempo verlangsamten, schworen wir uns halbherzig, die ganze Zeit über im Verschwindekabinett zusammenzubleiben und uns gegenseitig zu helfen – weil wir davon eben beide profitieren, falls uns wieder so ein Brülltier angreift. Der Gedanke, dass auch Tiere hier einfach so kommen und gehen können, war uns nicht sonderlich geheuer…
