Der Fluch
Remus hatte gerade die Eingangshalle durch die Schwingtür auf der anderen Seite der Marmortreppe betreten, als sich ein schwarzer Arm um seinen Hals legte und die Spitze eines Zauberstabs sich in seinen Rücken bohrte. An seinem linken Ohr ertönte ein diabolisches Kichern.
„Also wirklich, Lupin! Von dir hätte ich mehr erwartet. Aber ich muss dir danken. So haben wir wenigstens ein neues Spielzeug."
Hätte Remus gekonnt, hätte er Malfoy eigenhändig umgebracht. Inständig betete er, dass Tonks nichts passiert war.
„Sag mir, Werwolf, wer war bei dir?"
Remus wurde leichter ums Herz. Sie war in Sicherheit. Jetzt konnte er sich um sich selbst Sorgen machen.
„War wohl nicht sehr mutig, was? Aber wer wollte auch sein Leben aufs Spiel setzen, um eine Missgeburt wie dich zu retten? So viel bist du wirklich nicht wert."
„Du hättest bei deinen „Forschungen" eigentlich lernen müssen, dass Werwölfe nicht als solche geboren werden. Scheint, als wäre dein Geist auf der Strecke geblieben. Aber bei Geschwistern als Eltern soll das ja öfter vorkommen. Tja, muss schwer sein, sein Blut rein zu halten."
„Du wertlose Bestie, ich werde die Welt sofort von dir befreien!"
Gerade als Malfoy seinen Zauberstab in Remus' Wange bohrte, öffnete sich die Tür erneut. Eine kleine schwarze Gestalt kam herein und blieb überrascht stehen, als sie die Szene vor sich sah. Sie hatte lange schwarze Haare, schwarze Augen und ein diabolisches Lächeln auf den Lippen.
„Großartig," dachte Remus, „vom Regen in die Traufe!"
„Lucius! Da will man nach einem harten Tag einem alten Freund noch einen kleinen Besuch abstatten, und du bist hier am spielen! Auch noch ohne mich! Das könnte ich dir fast übel nehmen!"
Langsam schwebte Bellatrix Lestrange in ihrer tranceartigen Weise auf die Beiden zu.
„Meine Liebe! Als würde ich eine Party ohne dich veranstalten! Dieser Gast kam ungebeten in mein Haus. Ich wollte uns gerade von seinem Anblick befreien."
Malfoy bohrte seinen Zauberstab tiefer in Remus Wange und setzte zum Verbotenem Fluch an.
„Nein!"
Die beiden Männer zuckten zusammen.
Bellatrix hatte die Hand gebieterisch ausgestreckt und einen Moment glaubte Remus, Angst in ihren Augen zu lesen. Doch sofort schmückte wieder dieses verabscheuungswürdige Lächeln ihr kaltes, bleiches Gesicht.
„Du hattest schon den Spaß der Jagd. Jetzt lass mir wenigstens das Vergnügen, die Bestie zu erlegen."
Bellatrix hatte die Beiden erreicht. Malfoy kicherte wieder.
„Aber natürlich, meine Liebste! Verzeih meine Unhöflichkeit."
Er trat zurück, den Zauberstab wieder in Remus Rücken.
„Ausnahmsweise...Also Lupin, bereit zu sterben?"
Remus war bereit. So bereit, wie man sein konnte. Er würde nicht um sein Leben betteln.
Bellatrix hob ihren Zauberstab und richtete ihn auf sein Herz. Remus schloss die Augen und dachte an Tonks. Sie war in Sicherheit...
Er hörte Bellatrix eisige Stimme...Doch nichts geschah. Dann hörte er, wie etwas neben ihm mit einem dumpfen Laut zu Boden ging. Remus öffnete die Augen und sah Malfoy reglos am Boden liegen. Ruckartig drehte er seinen Kopf. Vor ihm stand Bellatrix und blickte auf Malfoy.
„Ich hätte ihn töten sollen. Aber Auroren ist es ja nicht gestattet, die Verbotenen Flüche zu benutzen. Dies ist das erste Mal, dass ich das bedaure. Geht es dir gut?"
Bellatrix sah ihn sorgenvoll an. Doch es waren nicht Bellatrix Augen. Auch nicht ihre Stimme.
„Tonks?"
„Natürlich! Dachtest du, ich lass dich im Stich? Eine Sekunde hab ich geglaubt, ich sei zu spät. Da ist mir das Herz ganz schön in die Hose gerutscht!"
Die Metamorphin schüttelte ihren Kopf und sofort nahm er wieder seine tägliche Erscheinung an.
"Wuäch! Dieses Gesicht ist abscheulich!"
Remus konnte immer noch nicht fassen, dass es die ganze Zeit Tonks gewesen war, die ihm gegenüber gestanden hatte. Diese Bewegungen und ihre eisige Stimme, schienen so echt gewesen zu sein.Tonks fing seinen Blick auf. Sie schien seine Gedanken zu lesen. Ein kleines Lächeln umspielte ihre wieder vollen Lippen.
„Ich war gut, was? Tja, ich habe nicht umsonst eine Auszeichnung für Tarnung bekommen. Hab ich dir Angst gemacht?"
Remus fand endlich seine Stimme wieder.
„Ich glaube, ich brauche eine neue Hose."
Tonks lachte.
„Komm, lass uns hier abhauen. Ich bin hundemüde."
Remus nickte. Bevor Tonks sich jedoch zum Gehen wandte, trat sie Malfoy noch mal kräftig in die Seite. Sie hörte ein lautes „Knack".
„Geschieht dir Recht, du Bastard!"
Tonks überlegte gerade, ob sie noch mal zutreten sollte, als Remus ihre Hand nahm.
„Lass uns gehen, Tonks."
Die beiden waren einige Meter von dem dunklen Haus entfernt, als Tonks' Sinne sich plötzlich meldeten. Alle Alarmsirenen in ihrem Kopf schrillten los. Tonks sah sich um und sah eine weiße Maske im Mondlicht aufblitzen. Dann ein Blitz. Ohne Nachzudenken warf Tonks sich vor Remus. Das Letzte, was sie fühlte, war eine Explosion in ihrem Kopf, die hinunter zu ihrem Arm wanderte und ihn durch eine brennende Hand verließ. Dann wurde alles dunkel um sie herum...
