An PiaMcKinnon: Danke für deine Review, habe mich sehr gefreut. Und hier geht es auch schon weiter!

3. Das Druidentor

Die Luft war heiß, schwer und schien vor Elektrizität beinahe zu vibrieren, als Sarah den Weg zu ihrem Lieblingsplatz, einen alten Steinkreis, der sich nur wenige hundert Meter von ihrem Cottage entfernt auf einer Waldlichtung befand, antrat. Es war wahrscheinlich keine besonders gute Idee, so kurz vor einem Gewitter das Haus zu verlassen, aber den ganzen Tag lang war sie von einer inneren Unruhe geplagt worden, die sie in dieser Form noch nie zuvor erlebt hatte. Sie hatte einfach das Bedürfnis, an dem Platz, der für sie schon während ihrer Kindheit eine Art Refugium gewesen war, ein wenig Zeit für sich selbst und ihre Gedanken zu finden.

Schon seit Nächten träumte sie immer denselben Traum.

Und wenn sie des morgens erwachte – das Kopfkissen getränkt von Tränen und Schweiß – erinnerte sie sich an jede Einzelheit. So schlimm war es schon seit Jahren nicht mehr gewesen.

Sarah war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sie den Tod ihrer Eltern und ihres Bruders nur schwer verwunden hatte. Zum Teil mochte das damit zusammenhängen, dass sie sich in der bewussten Nacht heimlich zu einem Partybesuch aus dem Haus geschlichen hatte, dachte sie voller Schuldgefühle. Sie hatte ihre Eltern hintergangen.

Und nur deshalb war sie noch am Leben.

Aber das war nicht der einzige Grund für ihre Träume. Sie hatte in jener Nacht Dinge gesehen, die sie sich nicht erklären konnte. Und sie musste diesen Dingen auf den Grund gehen, wenn sie je wieder ruhig schlafen wollte.

Der Steinkreis tauchte in ihrem Blickfeld auf. Der Anblick war geradezu majestätisch, dachte sie, während sie den Hügel hinauflief und sich aufmerksam umsah. Rein rechtlich gesehen war das Land, und damit auch der Steinkreis, ihr Eigentum, sie hatte beides zusammen mit ihrem Cottage vor drei Jahren von ihrer Großmutter väterlicherseits geerbt, aber gefühlsmäßig widerstrebte es ihr, etwas, das schon so alt war, dass man glauben könnte, es hätte schon immer existiert, als den Besitz irgendeines Menschen anzusehen. Diese Steine, die hier aus dem weichen Grasboden aufragten, hatten schlicht etwas magisches. Sie strahlten eine Art von Macht aus... Wunderschön, geheimnisvoll, unerklärlich...

Schon als junges Mädchen hatte sie viel Zeit inmitten der hohen Steinsäulen verbracht, hatte die Präzision ihrer Anordnung bewundert und überlegt, wie es wohl den Erbauern mit ihren begrenzten technischen Möglichkeiten gelungen war, die tonnenschweren Decksteine auf den Säulen zu platzieren.

Zugegeben, dieser Kreis war von der Größe her nichts im Vergleich zu Stonehenge, das sie mal im Rahmen eines Schulausflugs besucht hatte, aber für sie war er trotzdem immer ein ganz besonderer Ort gewesen. Die Schwingungen, die sie hier als Kind zu spüren glaubte, wenn sie sich langsam zwischen den hohen Säulen umherbewegt hatte, hatte sie in Stonehenge nicht einmal ansatzweise gefühlt.

Dies war immer ihr Platz gewesen. Und die Faszination war geblieben.

Sofort als Sarah zwischen die Säulen trat, fühlte sie, wie die Anspannung von ihr abfiel und eine wunderbare Ruhe sie überkam, die sie am liebsten in Flaschen abgefüllt und mit nach Hause genommen hätte. Sie ging zwischen den Säulen hindurch und berührte jede einzelne mit den Fingerspitzen, als begrüße sie einen guten Freund.

Ein prüfender Blick zum Himmel sagte ihr, dass sie noch etwas Zeit hatte, bis das drohende Gewitter über sie hereinbrechen würde. Die schwarzen Wolken ballten sich im Westen zusammen und dort konnte sie auch bereits Blitze zucken sehen, aber über ihr war der Himmel noch hell und klar. Gut, sie hatte nämlich absolut keine Lust, sich schon wieder auf den Rückweg zu machen.

Sie setzte sich ins warme Gras und lehnte sich mit dem Rücken an eine der Säulen. Genießerisch schloss sie die Augen und atmete tief die warme Waldluft ein, die durchsetzt war mit den verschiedensten Gerüchen. Erde, Gras, der harzige Duft der Nadelbäume... Und der Wind raschelte leise im Laub der Sträucher... Eine Biene summte...

Pettigrew, du Ratte... Sie waren deine Freunde, Peter... All die Jahre..."

Die Explosion riss sie von den Füßen, ein Körper bedeckte sie...

Alles in Ordnung?" – Schwarze Augen starrten in ihre...

Irres Lachen, durchdrungen von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung...

Das Gesicht eines alten Mannes mit langen, weißen Haaren und einem ebenso langen Bart tauchte vor ihr auf, blaue Augen blickten bezwingend in ihre. Und als er sprach, hatte sie plötzlich das Gefühl, er würde ihre Hand halten, ja sogar seine Körperwärme schien auf sie überzugehen.

Wir alle werden mit einer Aufgabe geboren, Sarah. Es liegt allein in unserer Verantwortung, diese Bestimmung zu erkennen und ihr zu folgen, wenn wir unser Leben nicht sinnlos an uns vorbeiziehen lassen wollen. Erkenne nun deine Bestimmung! Öffne die Augen, Sarah, und sieh! Öffne die Ohren, Sarah, und höre! Und – was das Wichtigste ist – öffne dein Herz, Sarah! Du musst mit dem Herzen sehen! Denn nur unser Herz kann uns sagen, was richtig und was falsch ist. Sieh, Sarah! Höre! Fühle!"

Eine Flut von Bildern stürzte auf sie ein; zerstörte Häuser, tote Menschen, eine Gestalt mit roten, glühenden Augen, die einen langen Umhang trug, ein grünes Gebilde am schwarzen Nachthimmel, das einen Totenkopf darstellte, aus dessen Mund sich eine Schlange wand...

Sie hörte ihren eigenen entsetzten Aufschrei kaum, als sie erschrocken aus dem Schlaf aufschreckte.

Der Donner war ohrenbetäubend und Blitze zuckten über den finsteren Himmel. Großer Gott, wie hatte sie nur das Heraufziehen eines solchen Gewitters verschlafen können? Jetzt begann es in dicken Tropfen zu regnen.

Der Lärm war unglaublich. Die Blitze zuckten in immer schnellerer Folge auf und der ohrenbetäubende Donner schien überhaupt kein Ende zu nehmen; ein Krachen ging in das nächste über. Es war so laut, dass Sarah nicht einmal mehr das Rauschen des Regens hören konnte, oder das Heulen des Windes, der an den Bäumen und Sträuchern zerrte und an ihrer tropfnassen Kleidung riss.

Sie versuchte, auf die Füße zu kommen, aber das war ein vergebliches Unterfangen. Regen und Wind drückten sie zu Boden und es blieb ihr nichts weiter übrig, als an die Steinsäule geklammert abzuwarten, bis die tobenden Elemente sich wieder beruhigt haben würden.

Und noch immer steigerte sich der Lärm um sie herum. Das Tosen schwoll an, als würde es alles um sich herum verschlingen wollen. Einen Augenblick lang hatte Sarah die Vision, als würde sich zwischen den zwei Steinsäulen, die ihr gegenüber lagen, plötzlich ein schwarzer Tunnel bilden, aber bei all dem Wasser, das hier vom Himmel stürzte und ihr in die Augen lief, konnte das ebenso eine optische Täuschung sein.

Und dann, mit einem ohrenbetäubenden Knall, erreichte das Inferno seinen Höhepunkt. Sarah wurde nach hinten geschleudert, aus dem Steinkreis heraus, und stürzte der Länge nach auf den schlammigen Boden der Lichtung. Sie benötigte einen Moment, um sich zu fassen und festzustellen, das sich etwas verändert hatte.

Stille.

Der Regen hatte abrupt aufgehört. Der Wind, der eben noch beinahe Orkanstärke gehabt hatte, hatte sich von einer Sekunde auf die andere gelegt. Kein Blitz zuckte mehr vom Himmel herab, an dem sich die Gewitterwolken in Sekundenschnelle auflösten. Und der Donner war ebenfalls verstummt.

Benommen kämpfte Sarah sich auf die Füße, die plötzlich eingetretene Stille schien ihr fast ohrenbetäubender, als der Lärm zuvor. Mit zitternden Gliedern näherte sie sich wieder dem Steinkreis, vorsichtig, so als würde sie erwarten, dass etwas Furchtbares passieren würde, sobald sie ihn betrat.

Die einzigen Laute, die sie vernahm, waren ihr eigener, rascher Atem und das saugende Geräusch ihrer Füße auf dem wassergetränkten Waldboden.

Oder... Nein, da war noch etwas. Es klang wie ein leises, kraftloses Winseln.

Zögernd und am ganzen Körper zitternd näherte Sarah sich dem Geräusch und was sie entdeckte, ließ sie erschrocken innehalten.

Vor ihr, genau in der Mitte des Steinkreises, lag ein riesiger schwarzer Hund.