6. Hundstage (2)

„Ich glaube es immer noch nicht, dass ich das hier tue!" Sarah warf die Reisetasche in den Kofferraum ihres Autos und breitete eine Decke auf dem Rücksitz aus. „Es ist total irre! Weißt du eigentlich, dass mein Leben vollkommen auf dem Kopf steht, seit ich dich in diesem Steinkreis gefunden habe?"

Der Hund beobachtete jede ihrer Bewegungen mit wachsamen Augen.

So hatte er sie schon angesehen, als sie morgens über das Internet den Londoner Stadtplan aufgerufen hatte – ihr Telefon war ja nur noch Schrott – und auch, als sie völlig fassungslos und schockiert auf diesen flackernden Bildschirm gestarrt hatte.

Es gab in London tatsächlich einen Grimmauld-Place.

Er hatte sie den ganzen Tag nicht aus den Augen gelassen, als sie mit nach innen gerichtetem Blick durch ihr Cottage gewandert war und vor sich hin gemurmelt hatte, dass das alles doch vollkommen verrückt wäre und dass sie selbst sich offenbar auf dem besten Wege befände, in eine geschlossene Anstalt eingeliefert zu werden.

Er hatte neben ihr gesessen und sie beobachtet, als sie am späten Nachmittag völlig erschöpft auf der Couch im Wohnzimmer eingenickt und bald darauf mit einem entsetzten Schrei wieder aufgewacht war. Tröstend hatte er die Schnauze auf ihren Oberschenkel gelegt, während sie zitternd um ihre Fassung rang und schließlich doch in Tränen ausbrach.

Und als sie plötzlich neben ihm auf dem Boden kniete, ihn umarmte und hemmungslos in sein dichtes, schwarzes Nackenfell weinte, hatte er ganz still gehalten; die einzige Art von Trost, die er ihr zukommen lassen konnte.

Dann hatte sie sich irgendwann wieder an dieses Computerdings gesetzt und auf die Tastatur eingehämmert. Auf dem flackernden Bildschirm erschienen jetzt Zeitungsausschnitte aus verschiedenen Muggelzeitungen; zerstörte Häuser, brennende Ruinen, tote Menschen. Gasexplosionen, Autounfälle, Brände, Morde. Ab und zu hatte sie geschluchzt.

Und schließlich, gerade als draußen vor dem Cottage die Dämmerung hereinbrach, hatte sie das Gerät ausgeschaltet und war bleich aber entschlossen auf die Füße gesprungen. „Okay, Black! Wahrscheinlich bin ich ja tatsächlich reif für die Irrenanstalt, aber ich werde dieser Sache jetzt auf den Grund gehen!"

Ja, sie nannte ihn tatsächlich ‚Black'. Das erste Mal, als sie ihn so angesprochen hatte, wäre er beinahe vor Überraschung lang hingeschlagen, auch wenn das bei einem Hund bestimmt total irre aussehen musste. Aber ihre Erklärung – vorgebracht, während sie ihm vorsichtig die Kletten aus dem zerzausten Fell bürstete – war völlig logisch gewesen; er war nun einmal schwarz. Und einem Hund seiner Größe ein verniedlichendes ‚y' an den Namen zu hängen – dann hätte sie ihn wohl auch Wuschelchen rufen können.

Nein, ‚Black' war vollkommen in Ordnung – sie konnte nicht einmal ahnen, wie in Ordnung das war!

Es war genauso in Ordnung wie die Tatsache, dass sie gleich darauf angefangen hatte, einige Dinge in eine Reisetasche zu werfen. Eines musste man ihr lassen, wenn Sarah einmal einen Entschluss gefasst hatte, dann zog sie die Sache durch, und zwar unverzüglich.

Sie würden nach London fahren, zum Grimmauld-Place – und zwar noch heute Nacht. Und dort würde sie endlich die Antworten auf ihre Fragen erhalten.

Und vielleicht, so hoffte er wenigstens, würden auch seine vordringlichen Fragen beantwortet werden; die Fragen, die ihn quälten, seit er in diesem Steinkreis aufgewacht war und in Sarah Whites besorgte, bernsteinfarbene Augen geblickt hatte.

Die Fragen, die ihm keine Ruhe ließen, seit er nach seinem Wiederauftauchen den ersten klaren Gedanken gefasst hatte. Den ersten klaren Gedanken, den er überhaupt gehabt hatte, seitdem Bellatrix Lestranges Fluch ihn durch den Vorhang geschleudert hatte.

Wie, um alles in der Welt, war er zurückgekehrt?

Wie war er zu Padfood geworden, ohne sich bewusst zu verwandeln?

Und warum, um Merlins Willen, gelang es ihm nicht, sich in seine menschliche Gestalt zurückzuverwandeln?

Reviews! Reviews! Reviews! – Biiiieeette!