22. Maraudertime
Sarah stand im Korridor vor der großen Halle, presste die Hände in ihre schmerzenden Seiten und rang verzweifelt nach Luft, Tränen rannen über ihr Gesicht und brachten ihren Blick zum Verschwimmen.
Schade eigentlich, denn den Anblick von Argus Filch, der mit wutverzerrtem Gesicht auf dem Kopf stehend die hohe, gewölbte Korridordecke entlang rannte und panisch versuchte, wieder auf den Fußboden desselben zu gelangen, war einfach unbezahlbar.
Besonders weil ihm dabei eine ebenso gehandicapte Mrs. Norris direkt auf dem Fuße folgte.
Nicht das Sarah Katzen nicht mochte – im Gegenteil, kuschelige, fellbedeckte Kreaturen weckten immer eine spontane Zuneigung in ihr, ein schon fast pathologischer Effekt, der offenbar nicht mal vor Werwölfen halt machte –, aber Mrs. Norris war die Ausnahme von der Regel. Sie war ihrem sauertöpfischem Herrn einfach viel zu ähnlich, um liebenswert zu sein.
Bedauerlich, dass weder Sirius noch Remus in der Nähe waren, um das hier zu sehen, dachte Sarah und verstärkte japsend den Druck ihrer Hände. Allerdings war sie sich ziemlich sicher, dass die beiden einen guten Grund dafür hatten, in der kleinen Menschenansammlung zu fehlen, die sich im Korridor vor der großen Halle gebildet hatte.
Zum Beispiel ihren Selbsterhaltungstrieb.
Filch brüllte und drohte von der Korridordecke her mit den furchtbarsten Sanktionen und Höllenqualen für denjenigen, der ihn und seine Katze mit diesem Gravitations-Umkehrungszauber belegt hatte. Angesichts seiner zur Zeit etwas würdelosen Position wirkte das Ganze allerdings eher heiterkeits- als angsterregend.
Neben Sarah hatte Willow Woods beide Hände vor den Mund gepresst und kämpfte tapfer einen offensichtlich aussichtslosen Kampf gegen ihr haltloses Kichern, Professor Flitwick, der eben von seiner hochgewachsenen Kollegin McGonagall über den Haufen gerannt worden war, als diese mit in den Nacken gelegtem Kopf und lachtränenfeuchten Augen durch den Korridor gesegelt war, saß noch immer auf dem kalten Steinfußboden und kämpfte in den Pausen zwischen seinen Lachanfällen vergeblich darum, seine Lunge mit genug Luft zu füllen, um die Kraft zum Aufstehen aufzubringen. Hagrid eilte gerade mit heftig zuckenden Schultern zum Ausgang, um irgendwo eine Leiter aufzutreiben und Professor Dumbledore ließ sich in eben diesem Moment von Sybill Trelawney kräftig auf den Rücken klopfen, weil er sich beim Anblick des tobenden, kopfhängenden Hausmeisters an einem Zitronenbrausebonbon verschluckt hatte.
Natürlich trug das schallende Gelächter über?... unter?... diesem nicht gerade dazu bei, Filchs Laune zu verbessern, der jetzt gerade versuchte, wie eine überdimensionale Fliege die Korridorwand herauf?... herunter?... zu krabbeln. Ein Unterfangen, das nicht gerade einfacher wurde, als die aufgebrachten Bewohner der Portraits, an denen er sich dabei festzuhalten versuchte, in lautstarke Beschimpfungen ausbrachen und teilweise sogar versuchten, seine Hände von den Bilderrahmen wegzuschlagen.
Filch war bei den Gemälden von Hogwarts wahrscheinlich genauso beliebt wie bei den Schülern.
Mrs. Norris, die sich schließlich – reichlich verspätet – auf ihre Identität als Katze besann, versuchte einen Riesensatz in Richtung Fußboden, konnte aber gegen die umgekehrte Schwerkraft an der Korridordecke nichts ausrichten. Sie kollidierte statt einer sauberen Landung unsanft mit einem der riesigen, staubigen Kronleuchter, nieste zweimal heftig, stieß dann ein frustriertes Fauchen aus und fixierte die lachenden Menschen unter?... über?... sich mit einem fies funkelnden Blick, den sie ganz offensichtlich aus dem Repertoire ihres Besitzers übernommen hatte.
Sarah rutschte kichernd und japsend an der Korridorwand hinab und blieb dort sitzen, direkt neben Willow, die schon ein paar Sekunden eher zu Boden gegangen war; nämlich als Filch bei seiner Portraitkletterakrobatik versehentlich einer Dame im Ballkleid an den Busen gefasst hatte und nun dem wütend geschwungenen Degen ihres Ehemannes, eines aufgebrachten Zauberers aus dem siebzehnten Jahrhundert, ausweichen musste und dabei einen seiner Schuhe verloren hatte, der jetzt einsam an der Korridordecke klebte.
Er blieb nicht lange allein.
Mit einem wütend gebrüllten Fluch landete der aufgebrachte Hausmeister direkt neben seiner verlorengegangenen Fußbekleidung und verbrachte dann einige Zeit damit, kopfüber an der Decke hängend auf einem Bein herumzuhüpfen, um sich wieder vollständig zu bekleiden.
Willow röchelte nur noch schwach neben ihr und Sarah begann, um einen schnellen, möglichst schmerzlosen (Erstickungs)tod zu beten.
„Was zum Troll...!" Professor WerZumDonnerwetterFindetDennSoEtwasLustig Snape stand plötzlich im Korridor, die Brauen über den zornig blitzenden, schwarzen Augen drohend zusammengezogen. Sein Blick schweifte über die sich würdelos kugelnde Lehrerschaft der so überaus angesehenen Einrichtung, in der auch er unterrichtete, und blieb schließlich feindselig funkelnd an Sarah hängen.
Die drohende Erstickungsgefahr verflüchtigte sich ausgesprochen schnell. Danke, dachte sie inbrünstig, sie hatte ja schon immer gewusst, dass auch der gute Tränkemeister zu irgendetwas gut sein musste.
Langsam beruhigten sich auch die anderen, so dass Filch und Mrs. Norris schließlich mittels der von Hagrid geholten Leiter und eines Fluch-Umkehrzaubers, den Professor Dumbledore – noch immer mit einem kleinen Kieksen in der Stimme – sprach, sicher wieder auf den Boden zurückgeholt werden konnten.
Sirius und Remus tauchten erst zur nächsten Mahlzeit wieder auf, wo Siris mit einem vorsichtigen Seitenblick auf Sarah gewissenhaft den Inhalt der Zuckerdose überprüfte, bevor er seinen Tee veredelte.
Sarah lächelte nur still in sich hinein.
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Lasst mich und meinen Reviewknopf bitte nicht an mangelnden Streicheleinheiten sterben...
