ACHTUNG: TEXT ENTHÄLT HP6-SPOILER!
Ich hatte eigentlich nicht vor, nach HP6 noch etwas über „Mors Ante Infamiam" zu schreiben - immerhin ist ein Teil der Handlung hinfällig geworden, und jetzt hat Rowling auch noch ausgeplaudert, dass James' Eltern harmlose alte Leute waren. Grmpf.
Aber ich war so sicher, dass Amelia Bones Zaubereiministerin werden würde. Und ich wusste schon nach dem ersten Kapitel von HP6, dass dieser One-Shot einfach geschrieben werden muss. Also, hier ist er. Und wo das erledigt ist, kann ich mich anderen Geschichten widmen.
Disclaimer von „Der Gast der alten Dame":
Harry Potter gehört JK. Rowling. Entsprechend gehören ihr auch die Inhalte von „Mors Ante Infamiam" und allen verwandten One-Shots. Ähnlichkeiten des Titels zu einem gewissen Dürenmatt-Drama sind rein zufällig (wenn auch ärgerlich).
Zusammenfassung: Amelia Bones ist nur eine alte, einsame Dame aus der Nachbarschaft... und niemand interessiert sich im Geringsten für den Gast, den sie an einem Sommermorgen 1996 empfängt.
Charaktere: Amelia Bones, Alastor Moody
Rating: K+
Der Gast der alten Dame
Es war nur irgendein ordentliches Viertel in irgendeinem der ordentlichen Vororte von Brighton. Welke Petunien und Magnolien lugten unter merkwürdigem Nebel in nahtlos getrimmten Vorgärten hervor wie kleine Seerosen, und man konnte sicher sein, dass auch ohne das seltsame Wetterphänomen kein Fetzen Müll die perfekten grauen Gehsteige verunzierte. Das kleine Häuschen am Ende der Straße stach hervor, weil Ziegel in allen Farben das eigentlich schwarze Dach zersetzten, aber ansonsten unterschied es sich genauso wenig von seinen Nachbarn, wie die rüstige Dame, die darin lebte, sich von ihren Nachbarn zu unterscheiden schien.
Wohl hätte die Dame für einigen Gesprächsstoff bei den Teekränzchen des Bridgeclubs sorgen können, schon weil sie kein Mitglied war; dass sie mit um die fünfzig Jahren dennoch zentimeterkurzes Haar trug und sowieso schon seit erstaunlich langer Zeit um die fünfzig zu sein schien, hätte sein Übriges beitragen sollen. Und sicher konnte den Bewohnern des kleinen Vorortes nicht entgangen sein, dass man sie niemals beim Einkaufen oder auf dem Weg zum Bus traf, dass sie jedoch jeden Morgen ihr Haus verließ, um sich verstohlen umzusehen und in ihrem Hinterhof zu verschwinden, aus dem sie erst spät am Abend wieder erschien, mit der Miene einer Person, die einen harten Arbeitstag hinter sich hatte. Aber ihre Nachbarn interessierten sich einfach nicht für sie; wenn sie an Amelia Bones dachten, pflegten ihre Gedanken nach anderswo abzudriften.
Und so bedachte an diesem frühen Donnerstagmorgen, als die meisten Hausherren sich gerade auf den Weg zur Arbeit gemacht hatten und die meisten Hausfrauen das Frühstück vorbereiteten, auch niemand den Mann eines zweiten Blickes, der aus einer Telefonzelle trat (die er niemals betreten hatte), sich misstrauisch umsah und auf den Weg hinab zu Miss Bones' Häuschen machte. Er war alt und knittrig, trug einen bauschigen Reisemantel, und hätte jemand einen zweiten Blick unter seinen Bowler geworden, hätte das völlig gereicht um zu sehen, dass mit seinem Auge etwas nicht stimmte. Aber wie es so war, mit Miss Bones' Angelegenheiten, bedachten die Damen hinter ihren Küchenfenstern ihn kaum eines zweiten Blickes.
Der Mann hielt das eine oder andere Mal auf seinem Weg inne, stützte sich schwer auf sein altmodisches Holzbein und sah sich aufmerksam um, als wisse er genau, dass er sich eigentlich beobachtet fühlen sollte; erst beim dritten oder vierten Mal zuckte er leicht mit den Schultern und verlegte sich während der letzten Schritten darauf, nur noch hier und da vorsichtig die Straße hinabzusehen, bevor er in die Hofeinfahrt eintrat, in der noch nie ein Auto geparkt hatte, und die wenigen Meter bis zur Tür zurücklegte.
Wieder sah der alte Mann sich vorsichtig um. Er verharrte einige Sekunden, angespannt wie ein witternder Hund. Dann erst glitt seine Hand in die Tiefen seines Mantels. Von den Fenstern der umliegenden Häusern war nicht einsehbar, was er getan hatte; gut erkennen jedoch ließ sich ein merkwürdig weißer Faden, der sich vielleicht aus dem Bodennebel gebildet hatte und geschwind auf die Tür zu, gar durch sie hindurch glitt.
Weitere Sekunden vergingen, während derer die Hand des Mannes weiter vorsichtig in seinem Mantel lag, während der er keine Anstalten machte, zu klingeln. Doch das merkwürdige Signal schien völlig ausgereicht zu haben. Die Schultern des Mannes zuckten angespannt, als sich die Haustür abrupt einen Spalt breit öffnete und das Gesicht der Hausherrin darin erschien. Buschige, tief gefurchte graue Augenbrauen nahmen die Gestalt mit einem Blick tiefster Skepsis zur Kenntnis. Die nächsten Worte, die getauscht wurden, waren außerordentlich seltsam.
„Alastor", stellte Miss Bones mit ihrer tiefen Stimme fest und wirkte ein wenig amüsiert. „Was für eine Überraschung. Wann war das noch, als du mich das letzte Mal besucht hast...?"
„Mai '87 wegen der McLaggen-Affaire", brummte Alastor. Er wirkte lauernd und ließ weder Miss Bones, noch die Nachbarhäuser aus den Augen. „Dein Lieblingswhiskey?"
Die alte Dame lachte leise. „Ich trinke keinen Alkohol. Komm rein."
In den nächsten Sekunden geschah einige mächtige und komplexe Magie, als unterschiedliche Schutzschilde gesenkt und wieder errichtet wurden, ein Zauberstabwinken Amelia Bones' Passwörter auslöste und neu arrangierte, nur um einem Neuankömmling zu erlauben, über ihre Schwelle zu treten ohne zu sterben.
Die anderen Bewohner dieser ordentlichen Straße bekamen davon absolut gar nichts mit. Wie schön, dachte Mrs. Ollister von Nummer fünf, bevor sie sich wieder merkwürdig geistesabwesend ihren Spiegeleiern zuwandte, dass die einsame alte Dame auch einmal Besuch bekommt.
„Es ist lange her", stellte Amelia fest, während ein energisches Wutschen ihres Zauberstabs einen letzten verstärkenden Schildzauber auf ihre Vordertür legte. Mit einer ebenso resoluten Geste wies sie den Flur hinab, und Holz auf Fliesen produzierte eine Reihe von dumpfen Klonk, als Alastor Moody in Richtung des Wohnzimmers schritt, den Bowler lose in der Hand. Sein magisches Auge wirbelte energisch und nahm Familienfotos von lachenden Nichten und verstorbenen Brüdern, von gestapelten Zeitungen in einer Ecke in sich auf. Ein anderer Besucher hätte vermutlich die geschmackvollen Farben der staubigen Couch kommentiert.
„Du hast dich vom Flohnetzwerk trennen lassen", sagte Alastor Moody und kam mitten im Raum zum Stehen. Als er sich umdrehte, sah er, dass Amelia hinter ihm eingetreten war und im Türrahmen lehnte. Keiner von ihnen setzte sich; es erschien nicht passend.
„Seit ein paar Jahren schon", stimmte sie zu und nickte. „Seit Geoffrey Yaxley in der Flohaufsicht arbeitet."
Als der Name fiel, schnitt Moody eine Grimasse, doch er nickte knapp und zustimmend. „Kamine sind Sicherheitslecks. Auch, wenn es wie immer noch niemand für nötig hält, die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen."
„Ah, ich sehe, du hast deine Sicherheitsbroschüre gelesen." Bones hob eine Augenbraue. „Und ja, auch in diesem Krieg raten wir den Leuten zu Vorsicht, nicht zu Paranoia. Die Kamine sind sicher genug."
„Mit Yaxley im Ministerium?" Moody schnaubte.
Bones zuckte mit den Schultern. „Es hat immer Spione gegeben. Letztes Mal hatten wir drei, wenn ich mich nicht täusche. Rockwood, Moon, und, nicht zu vergessen, Rosier direkt unter deiner Nase..."
„Unserer Nase", korrigierte Moody säuerlich.
„Unserer Nase", stimmte Bones friedlich zu.
Man konnte es in ihrem Ton hören; das waren zwei Menschen, bei denen es keine Rolle spielte, wie lange sie sich nicht gesehen hatte, denn sie hatten so viele Jahre miteinander gestritten, dass sich ihre Vertrautheit einer seltsamen Art von Zuneigung näherte.
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Amelia lehnte noch immer im Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt, mit einer gelassenen Körperhaltung, die nicht verriet, dass sie stramm auf die Sechzig zuhielt. Und Alastor mitten im Raum, er einen Arm hinter dem Rücken, wo jemand ihm vor langen Jahren eine gerade Haltung antrainiert hatte, und den anderen nur scheinbar entspannt in der Nähe seines Zauberstabs.
Natürlich erfolgte kein Besuch bei Amelia Bones oder von Alastor Moody ohne Grund - aber es schien, als genießen sie beide nur für einen Augenblick lang die Freiheit, nichts zu sagen.
„So", sagte Alastor schließlich, als das Schweigen lang wurde, und sah sich sehr aufmerksam im Wohnzimmer um. „Mir fällt auf, dass deine Liste von Spionen einen Namen kürzer geworden ist."
Bones verstand sofort, versteifte sich; klares Unbehagen lag in ihren Zügen. „Sirius Black", vervollständigte sie unwillig. „Gott, ja... Ich verstehe immer noch kaum, wie das passieren konnte. Wir hatten über fünfzig Augenzeugen..."
„Alles Muggel", unterbrach Moody sie verächtlich.
„Wer hätte erwarten können, dass Pettigrew ein Animagus ist?", wehrte sie ab. „Nicht einmal eine Gerichtsverhandlung hätte ihn entlasten können. Selbst Dumbledore hat gegen ihn ausgesagt! Und Veritaserum, bei Black? Er war ein verdammter Auror, Moody, er hätte es bekämpfen können..."
„Zur Hölle, ja, er war ein verdammter Auror!", schnitt Moody ihr grollend das Wort ab. Er setzte sich in Bewegung, begann polternd im Raum Kreise zu ziehen, bevor er sich fing und einen Groll zügelte, der so alt war wie der erste Krieg. „Dass er ein Auror war, hätte wenigstens für eine Verhandlung ausreichen müssen", knurrte er. „Wenigstens das. Wenigstens der Verdacht auf Imperius hätte in Betracht gezogen werden müssen..."
„Wir wussten schon, dass er ihn abschütteln kann", erinnerte Amelia ihn ungeduldig. „Du hast es ihm beigebracht, schon vergessen? Außerdem", fuhr sie harsch genug fort, um zu zeigen, dass die Angelegenheit sie nicht so unberührt ließ, wie man glauben mochte. „bist du sicher nicht gekommen, um mir alte Fehler vorzuhalten. Du weißt, dass ich die erste bin, die zugibt, einen gemacht zu haben. Selbst, wenn es damals die beste Entscheidung war."
Moody lachte humorlos. „Bürgerrechte zu verweigern ist nie die beste Entscheidung, Amelia. Hoffen wir nur, dass du und Fudge daraus gelernt habt - für Crouch ist es ja ein bisschen spät, was?" Er runzelte die Stirn. „Und für Black natürlich auch. Wird die Öffentlichkeit informiert?"
Erneut wanderte eine buschige Augenbraue in die Höhe. Amelia schien jedoch bereit, den ruhigeren Tonfall des Mannes als Friedensangebot zu akzeptieren. „Bist du wahnsinnig?", fragte sie geduldig.
„Nein" Moody seufzte. „Nein, und es spielt keine Rolle, weil jeder bescheid weiß, für den es wichtig ist... Aber ich hatte gehofft..."
„Er ist tot." Sie zuckte mit den Schultern. „Es spielt keine Rolle mehr. Besser, die Sache in Vergessenheit geraten zu lassen..."
„So wie das letzte Mal?" Der ehemalige Auror warf ihr einen kurzen, fragenden Blick zu.
„Alastor. Es ist vorbei. Es hat keinen Sinn. Also, wieso bist du hier?"
Moody, der wieder angefangen hatte, mit hinter dem Rücken verschränkten Armen seine Kreise zu ziehen, und einen Pfad aus runden Löchern im Teppich zurückließ, hielt nur kurz inne und klang etwas zu beiläufig. „Ich wollte mich erkundigen", sagte er langsam. „...sicherstellen, dass diesmal alles seine geordneten Bahnen geht." Er sah sie scharf an. „Aus dem Grindelwald-Krieg haben wir gelernt, du und ich und die anderen... Aber diesmal? Nur ein Idiot würde sich keine Sorgen machen, mit Fudge als Minister. Ich sehe es kommen, Amelia... Ein Krieg kommt, und die Leute vergessen, für was sie eigentlich kämpfen, und dann... Unverzeihliche Flüche... abgesagte Verhandlungen... Wer weiß, was sie diesmal unternehmen, um ihre Akten zu polieren..."
„Nichts dergleichen wird passieren", erwiderte Amelia brüsk. Ihre Schultern strafften sich entschieden. „Mag Fudge herumpanschen, wie er will, die AMS wird ihren Job machen, Moody, und es wird ein sauberer Job sein, dafür sorge ich."
„Was ist mit Scrimgeour?" Erneut wurde sie mit einem lauernden Blick bedacht.
„Ein guter Mann. Effizient. Hat viel gelernt, seit du gegangen bist."
Moody verzog sein Narbengesicht zu einer weiteren seiner Grimassen. „Ich mag ihn nicht. Zu sehr Politiker."
„Das hast du auch über mich gesagt, als ich noch die Auroren geleitet habe", erwiderte Amelia trocken.
„Und ich hatte Recht. Hast dich befördern lassen, he?"
„Man nennt das Karriere machen, Alastor" Die Leiterin der AMS verdrehte die Augen. „Alle Leute tun das. Außer dir, meine ich. Sie wollten dich ja oft genug befördern, du warst dir nur immer zu schön für Schreibtischarbeit... Egal." Sie schüttelte den Kopf und fixierte den Mann, der ihr Wohnzimmer zerpflügte, wieder mit ihrem stechenden Blick. „Noch etwas, was du kritisieren wolltest?"
Moody grinste. Dass er Bones aus der Reserve gelockt hatte, schien seinen eigenen allgemeinen Ärger zu vertreiben. Die Frage jedoch schien er keiner Antwort würdig zu erachten. „Also, was meinst du, wenn Scrimgeour gehen würde... jemand da, um ihn zu ersetzen?"
Bones blinzelte. Offenbar hatte sie die Frage nicht erwartet, vermutlich, da Scrimgeour keine Anstalten machte, irgendwohin, geschweige denn von seinem Posten zu verschwinden. Der Posten des Leiters der Auroren war zu prestigelastig, um einfach aufgegeben zu werden. „Nun ja", erwiderte sie langsam, dachte nach. „Ich denke, ich würde Corday vorschlagen."
„Nicht Shacklebolt?" Moody sah sie aufmerksam an.
Diesmal war sie es, die schnaubte. „Nicht Shacklebolt. Corday hat sich als Zweite im Kommando bewährt, und Shacklebolt... nun ja, seine Loyalitäten liegen ja wohl anderswo, nicht wahr?"
Ein Eingeweihter konnte wissen, dass sie auf einen Vorfall in der Mysteriumsabteilung anspielte - einen Vorfall, bei dem sich Kingsley Shacklebolt und Nymphadora Tonks als Mitglieder einer Geheimorganisation entpuppten - zwei ihrer Auroren. Der Verrat musste tief sitzen - man hörte es im bitteren Unterton, der ihre letzten Worte umspielte.
„Man sollte meinen, du hättest mittlerweile gelernt, den Orden zu akzeptieren. Wenn wir schon euer verdammtes Ministeriumsgelände für euch bewachen müssen..."
„Genug." Sie schnitt ihm das Wort ab. „Ich werde das nicht mit dir diskutieren. Du hast das Recht aufgegeben, in unsere Angelegenheiten zu pfuschen, als du in Rente gegangen bist!"
„Ich bin aus Protest gegangen!", erinnerte er sie, wurde etwas lauter. Es gereichte Alastor Moody zu Ehre, dass nur wenige die wahren Gründe seiner Kündigung im November 1981 kannten - dass er seinen Protest nicht an die Presse getragen hatte. So sehr ihn die Methoden seiner Vorgesetzten aufgewühlt haben mussten, die alte Loyalität hatte wohl doch noch tief gesessen und den lädierten Ruf des Ministeriums geschützt.
„Das war deine Entscheidung", konterte Amelia. „Du hättest auch bleiben können. Vielleicht würde Fudge ja auf dich hören, wer weiß." Doch sie klang säuerlich, unwillig. Der Tagesprophet hatte fünfzehn Jahre zuvor genüsslich ausgebreitet, wie viel böses Blut in den höheren Rängen des Ministeriums geflossen hatte und vielleicht heute noch floss. Ein aussichtsloser Krieg hatte viele gute Männer und Frauen gekostet, und die Wunden waren niemals geheilt.
„Fudge hört auf niemanden", kommentierte Moody trocken. „Hat er schon nicht, als er noch in Magische Katastrophen saß und mehr Arbeit gemacht hat als erledigt."
Amelia grinste freudlos. „Es hat sicher nicht geholfen, dass du seine Abteilung behandelt hast, als sei sie eine Art bessere Hilfsorganisation."
Moody zuckte mit den Schultern. „Die Auroren kämpfen, Fudge räumt auf. So war es damals. Hätte ruhig so bleiben können." Sein Tonfall wurde wieder knurrig. „Wir können froh sein, dass Crouch früh genug aus dem Rennen war, damals, aber Fudge ist nicht besser. Erschreckend inkompetent, der Mann... Aber wie man hört, sind wir ihn ja bald los."
Amelia zögerte kurz, während ihre Augen ihm bei seinem Gang durch den Raum folgten. „Der Zauberergamot will ihn absetzen, ja", stimmte sie schließlich zu. Sie schien zu der Entscheidung gekommen zu sein, dass es keinen Sinn hatte, Moody Information vorzuenthalten, die er ohnehin stets aus mysteriösen Quellen und gänzlich ohne ihre Hilfe erhielt. „Es kann nur noch Tage dauern." Sie zuckte mit den Schultern, nicht recht interessiert. „Ich nehme an, dass Dumbledore das Rennen machen wird, was dich vermutlich ungeheuer freut, mir allerdings einen Haufen Mehrarbeit bescheren wird, angefangen mit Auroren, die auf die Unverzeihlichen trainiert sind und dann..."
„Dumbledore wird ablehnen", fiel Moody ihr ins Wort, und ihre Augen wurden groß.
„Er wird ablehnen?", wiederholte sie ungläubig. „Schon wieder?"
Moody hob das, was von seinen Augenbrauen übrig war. „Warum glaubst du, dass er diesmal annimmt, wenn er schon zweimal abgelehnt hat?"
Amelia konterte mit dem Heben einer besonders buschigen Augenbraue. „Nun, da wäre ein drohender Krieg, um einen Anfang zu machen."
Moody schnaubte. „Während der vorletzten Wahl haben wir auch einen Krieg kommen sehen, Amelia. Die Öffentlichkeit nicht und der Zauberergamot nicht, aber du, und ich, und Dumbledore ganz sicherlich, und hat er den Posten damals angenommen, he? Ich würde ihm raten, den Posten zu nehmen, wenigstens der Moral wegen... aber auf mich hört er nicht. Nein, Dumbledore ist raus, und die Frage ist, wen wir sonst zum Minister machen können."
Es schien Amelia Bones nicht sehr zu verwundern, dass ein Auror, der seit fünfzehn Jahren in Rente war, auf einen Sprung vorbeikam und von ihrer Regierung sprach, als sei sie eine Art Puppenspiel. Der Verdacht wurde berechtigt, dass die Machtgefüge im Ministerium zur Zeit eines Alastor Moody nicht ganz so viel mit offiziellen Posten zu tun gehabt hatten, wie man glauben mochte. Wohl aber schien die Leiterin der AMS zu wissen, dass Alastor Moody ein mächtiger Mann war, dessen Spiele man mitspielen sollte, wenn man nicht selbst zur Puppe werden wollte.
„Wellington könnte es wohl versuchen, wenn er wüsste, dass ihm Dumbledore nicht die Stimmen wegnimmt", sagte sie nach einem Augenblick des Nachdenkens schließlich. „Aus der Abteilung für Tierwesen."
Moody machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich kenne ihn. Nicht unser Mann. Ich habe gesehen, wie er mit seinen Möbeln gesprochen hat."
Amelia ließ sich nicht beirren; sie schien sich mit der Rolle der Informantin abgefunden zu haben. „Bertie Higgs wäre ein guter Mann. Leitet seit neustem Missbrauch der Magie, aber das weißt du wohl auch schon. Ich weiß nicht, ob ihn der Posten interessiert, aber er könnte sich überreden lassen, wenn er Chancen hat."
Auch diese Wahl gefiel Moody offenbar nicht. Er schüttelte den Kopf. „Higgs ist nicht schlecht", gestand er ein. „Aber er ist zu weich. Erweckt kein Vertrauen. Er würde verlieren, gegen wen auch immer er antritt."
Sie zuckte mit den Schultern. „Dann Scrimgeour", entschied sie. „Er ist ehrgeizig genug, und dass er ein Auror ist, weckt in den Leuten Vertrauen. Du weißt, wie es läuft - in Friedenszeiten wollen sie einen netten Kerl mit Krawatte, aber wenn ein Krieg droht, können ein paar Fluchnarben nie verkehrt sein."
Diesmal hob der ehemalige Auror abwartend die Augenbrauen, beinahe wie ein Lehrer, und es sprach für eine sehr lange Bekanntschaft, dass Bones bei der herablassenden Geste nicht explodierte. „Er wäre ein guter Minister", beurteilte sie ruhig und beantwortete die stumme Frage. „Stark, energisch, handlungsbereit."
Alastor blieb stehen. Etwas schief auf sein Holzbein gestützt stemmte er die Hände in die Hüften und sah sie an. „Und ist er mehr Politiker, oder mehr ein Kämpfer?"
Bones schnaubte. Sie ließ sich einen Moment Zeit, ihre Haltung zu korrigieren, wo sie noch immer im Türrahmen lehnte und ihre Schulter sicher zu schmerzen begann. „Beides ist wichtig, Moody. Das hast du nie eingesehen."
„Dann hatte Bagnold wohl die falschen Prioritäten, was?" Die alte Ministerin genoss selbst heute noch einen guten Ruf; etwas zögerlich mochte sie eine Kriegserklärung zwar hinausgeschoben haben, hatte dann jedoch umso unerbittlicher das Kriegsrecht zur Anwendung gebracht. Dass Moody sie unterstützt hatte, konnte in den Zeitungen nachgelesen werden.
Doch Bones schien abermals nicht zu einem Streit bereit. „Wenn du also so sehr an meiner Prognose zweifelst, nehme ich doch an, dass du schon ausführlich darüber nachgedacht hast", bemerkte sie spöttisch und zupfte an ihren Roben. „Also, Alastor, verrat mir, wem ich deiner Meinung nach meine Stimme geben soll."
Der alte Mann stand noch immer, wo er zur Ruhe gekommen war, auf der anderen Seite des Zimmers. Seine Arme glitten wieder hinter seinen Rücken, und er wirkte mit einem Mal viel mehr wie ein alter Mann als wie ein Auror. Sein magisches Auge hörte auf zu wirbeln und legte sich gemeinsam mit dem anderen auf sie.
„Lass dich selbst wählen", sagte er fest und bestimmt.
Seinen Worten folgte Schweigen. Bones starrte ihn an und schüttelte dann leicht den Kopf, als habe sie sich verhört, nur um ihn wieder anzusehen, doch Moody hatte sich nicht gerührt. So viele Minuten sie sich schon unterhalten hatten, es war offensichtlich, dass er aus diesem und nur aus diesem Grund gekommen war, und ebenso offensichtlich hatte Bones mit allem außer diesen Worten gerechnet.
„Bitte?", brachte sie nach einer langen Zeit hervor.
Moody sah sie nur an, ohne zu blinzeln, und ein weiterer Moment verstrich. „Ich würde dich wählen", sagte er schließlich ruhig und ohne den geringsten Anflug seines üblichen Grollens und Wetterns und staubiger Trockenheit, für die er so berüchtigt war. „Tu nicht so, als hättest du nicht darüber nachgedacht."
„Natürlich nicht", antwortete sie schwach; plötzlich hielt sie sich am Türrahmen fest, wie um sich zu stützen. „Gott, Alastor, dass kann doch nicht dein Ernst sein."
Doch natürlich war es sein Ernst, und genauso kam der Vorschlag nicht aus dem Blauen; Bones musste es in diesen Sekunden selbst erkennen. Wo Scrimgeour seine Erfahrung als Leiter der Auroren einbringen konnte, hatte Bones zusätzlich ihre Erfahrung mit der gesamten AMS vorzuweisen. Wo er ein recht junges Gesicht im Ministerium war, hatte sie ihre Kindheit im Grindelwald-Krieg verlebt und schon im ersten Krieg täglich ihr Gesicht im Tagespropheten gezeigt. Es war allgemein bekannt, dass sie den Respekt Albus Dumbledores genoss, obwohl sie ihn nicht mochte.
Und selbst Amelia Bones konnte sich nicht vormachen, dass sie in Zeiten wie diesen etwas anderes als eine exzellente Ministerin sein würde.
„Ich muss mich setzen", verkündete sie schließlich schwach und stieß sich von ihrem Türrahmen ab, um sich im nächsten zerschlissenen Sessel niederzulassen.
Alastor Moody schien zu ahnen, dass sein auf und ab Stapfen sie irritieren würde. Gelassen die Hände hinter dem Rücken, betrachtete er wieder verdächtig interessiert die Fotos auf den Regalen, auf denen unterschiedliche Nichten fröhlich winkten. Moody musste wohl Edgar Bones erkennen, der für den Orden des Phönix gekämpft hatte und gestorben war. Die Kinder betrachtete er höflich und ohne das geringste Anzeichen von Erkennen oder Interesse.
Bones seufzte; sie lehnte mit dem Arm auf einer Sessellehne, als sei sie erschöpft, und rieb sich die Schläfen, tief in Gedanken versunken. Die Minuten zogen sich.
„Du glaubst, dass ich es schaffen kann?", fragte sie schließlich leise, als eine sehr, sehr lange Zeit des Schweigens vergangen war.
Moody nickte. „Ja", fügte er bestärkend hinzu.
„Und du würdest mich wählen?", fuhr sie mit einer Spur von Unglauben fort.
Moody zuckte mit den Schultern und nickte erneut.
Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. „Die Auswahl ist wirklich knapp, was?"
Moodys Schultern zuckten erneut. „Du und ich, wir waren nie einer Meinung", erwiderte er schließlich gleichgültig. „Aber zur Hölle, ich habe sehr viel lieber eine kompetente Aurorin als... als einen zweiten Fudge." Er spuckte den Namen beinahe aus. „Fudges Einstellung ist in Ordnung, aber ich bezweifle, dass heutzutage noch jemand seine verdammte Einstellung kennt. Was wir brauchen, ist jemand, der in die Offensive geht. Einstellungen sind zweitrangig."
„Wie schmeichelhaft." Bones verzog das Gesicht. „Du findest wirklich nicht, dass Scrimgeour ein guter Mann wäre?" Es klang wie ein verzweifelter letzter Versuch.
„Nein." Moody verdrehte die Augen. „Er ist..."
„...zu sehr Politiker, ja", schloss Bones für ihn, anstatt ihn ausreden zu lassen. Sie rieb sich wieder die Schläfen, und Moody sah lang und erwartungsvoll auf sie hinab.
„Du machst es?", fragte er schließlich erwartungsvoll, und gequälter als die seiner Frage folgende Stille klangen nur Bones' Worte, als sie sie schließlich herausquetschte.
„Ich habe wohl kaum eine Wahl", sagte sie. „Wenn Dumbledore ablehnt... Und du hast immerhin Recht, dass Scrimgeour jung ist... Es ist im Grunde meine verdammte Pflicht." Sie schnitt eine Grimasse. Es kam selten vor, dass Amelia Bones fluchte; einer der häufigsten Gründe dafür war stets Alastor Moody gewesen.
„Gut." Mehr sagte der ehemalige Auror nicht. Amelia Bones sagte niemals etwas einfach nur daher, und Alastor Moody verschwendete niemals seine Zeit. Er wandte sich nach ein paar Sekunden schon zum Gehen.
„Du bist ein verfluchte, intriganter... argh, Slytherin!", erklang Bones' Stimme hinter der Sessellehne, und er drehte sich um und grinste.
„Hab Spaß beim Wahlkampf!", wünschte er ihr und lachte, als ihr Fluchen ihm in den Flur folgte.
Es war nach wie vor nur irgendeine ordentliche Straße in irgendeinem ordentlichen Viertel von Brighton, als der Mann mit dem Bowler zur Tür hinaustrat und die nahtlos getrimmten Vorgärten hinabwanderte. Wieder sah er sich aufmerksam um und blieb sogar einige Male stehen. Einmal fuhr sein Kopf scharf herum, und wäre man nahe genug, könnte man sehen, wie sich seine Hand unter seinem Mantel bewegte und er leise ein paar Silben murmelte. Doch was auch immer die merkwürdige Geste bezwecken sollte, sie schien ohne Ergebnis zu bleiben und ihn genug zu beruhigen, um ihn seinen Weg fortsetzen zu lassen, bis er dieselbe Telefonzelle betrat, aus der er gekommen war (und sie nie wieder verließ).
Keiner der Bewohner der Straße hatte ihm diesmal auch nur einen zweiten Blick geschenkt. Die Angelegenheiten der alten Dame in ihrem Ziegeldachhaus interessierten einfach niemanden, und es gab so viel Besseres zu tun.
Und genauso bemerkte keiner die beiden Gestalten, die zur entfernten Seite der Straße in einem Gebüsch verborgen standen - gerade so in einem Winkel, dass ein Besucher von Miss Bones keine Möglichkeit hätte, sie zu sehen. Und vor unmagischen Augen musste man sich dieser Tage erst gar nicht in Acht nehmen, denn der Nebel war in der letzten Stunde höher gestiegen und waberte nun um Bäume und Häuserwände gleichermaßen.
„Wurde auch Zeit, dass er verschwindet", fauchte die kleinere Gestalt mit Verachtung und Hass in ihrer Stimme. Es handelte sich um eine Frau mit dichtem schwarzem Haar und einem schmalen Gesicht, das einst schön gewesen sein mochte, nun jedoch eingefallen und ewig wütend wirkte. „Mad-Eye Moody. Wie gern würde ich mit bloßen Fingern..."
„Nicht jetzt, Bella", versuchte die zweite Gestalt, ein hoch gewachsener Mann unter einem weiten Kapuzenmantel, sie zu beschwichtigen. Dann entfuhr ihm ein abruptes Kichern. „Wir können ihn uns als nächstes vornehmen... Oh, ich glaube, das würde dem Dunklen Lord gefallen..."
Bellatrix wirkte zögerlich, gab aber nach. „Ja... ja, du hast Recht. Also, was sagst du zu den Schildzaubern?" Sie nickte in die Richtung des Ziegeldachhauses, plötzlich wieder geschäftig, und ihr Begleiter, Amycus Carrow, rieb sich die Hände.
„Kein Problem, gar kein Problem, nicht für den Dunklen Lord. Benutzt die alten Schutzzauber aus dem letzten Krieg, die dumme, dumme Frau."
„Gut." Die Todesserin lächelte zufrieden. „Dann sieh zu, dass heute Nacht alles bereit ist. Bring Verstärkung mit, aber wähle würdige Diener. Unser Meister will sie für sich selbst."
Während sie sprachen, wandten sie sich um und verschwanden in den Nebeln einer Seitengasse, und ihre Stimmen verklangen in waberndem Nebel.
Am nächsten Morgen begann sich die Nachbarschaft zu fragen, warum sie Amelia Bones eigentlich nie richtig wahrgenommen hatte - diese nette und einsame alte Dame, die für so viele Jahre in diesem Viertel gelebt hatte, und die nie jemand zu einem Tee oder in den Bridgeclub eingeladen hatte. Gab es überhaupt Verwandte, die sich um sie kümmern würden? Arrangierte überhaupt jemand die Beerdigung? Sie musste ja schon so alt gewesen sein, wenn sie darüber nachdachten, und auch so einsam...
Nahezu Schulgefühle entwickelten ein paar ihrer Nachbarn, als die Polizei vor dem Haus vorfuhr und in der unbenutzten Einfahrt parkte, als die Zeitungen über den so mysteriösen Mord berichteten und sogar merkwürdige Männer in Zivilkleidung Fragen stellten, die ganz sicher Scotland Yard geschickt hatte (auch wenn sich später niemand an ihre Gesichter erinnerte). Die gutmütige Mrs. Ollister von Nummer 5 hatte wirklich vor, ihre Beerdigung zu besuchen.
Aber es war einfach ganz komisch, mit dieser Miss Bones. Am einen Tag versetzte der Mord die Nachbarschaft noch in offene Panik - kaum einer in diesem ordentlichen, ruhigen Viertel hatte je einen Mord erlebt! -, und nächsten Tag dachte bereits keiner mehr an die alte Dame. Sie wurde nicht vergessen, sicherlich, aber... aber die Gedanken schweiften einfach wieder ab, zu den Spiegeleiern, und zu den spielenden Kindern.
Sie war ja auch nur eine allein stehende Frau gewesen, ohne Freunde hier in der Gegend, hatte nicht einmal den Bridgeclub besucht. Amelia Bones, dachten sich ihre Nachbarn und zuckten etwas schuldbewusst mit den Schultern, war ja eigentlich nicht wichtig gewesen, und es war auch nicht so, als würde ihr Tod etwas verändern.
Die ruhigen und ordentlichen Bürger dieses Vorortes in Brighton hatte das Leben von Amelia Bones schließlich nie berührt.
Ihre Welt war immer noch dieselbe.
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