Niedergeschlagen liege ich auf dem Bauch auf meinem Bett und starre seitlich auf meinen Nachttisch. Mein Kopf liegt dabei auf dem feuchten Kissen, aber es stört mich nicht. Es sind ja nur meine eigenen Tränen..
Abwesend betrachte ich das bereits halbleere Wasserglas. Wir haben Abend, ich habe nicht auf die Uhr gesehen, aber aus den Augenwinkeln erkenne ich die Dämmerung im Fenster.
Fast den ganzen Tag habe hier so auf meinem Bett gelegen... größtenteils sind Tränen geflossen.
Meistens stumm.
Hin und wieder auch von stärkeren Emotionen ergriffen und geschüttelt.
Mein kleiner Körper geht ein unter all diesen Schmerzen...
Der stärkste ist wohl die innere Leere der Enttäuschung.
In dem Moment, als Shizuka mir das Puzzle überreichte... Hoffung war in mir aufgekeimt. Unglaubliches Glück und das Gefühl, dass plötzlich all meine Probleme klein und nichtig waren. – Solange du bei mir sein würdest.
Ich dachte, alles würde wieder gut werden! Hatte geglaubt, dass das Glück auch nur einmal auf meiner Seite gewesen war..
Doch du kamst nicht. Hast mich ignoriert, mich aus deinem Leben ausgeschlossen und lässt mich alleine.
Alles habe ich dir gegeben... Vor allem aber mein Vertrauen.
Früher habe mit dir darüber geredet, wie ich mir meine Zukunft vorstelle – meine Wünsche, Pläne, Hoffnungen und Träume habe ich dir offenbart. Du hast mich angesehen und gelächelt. Du hast an mich geglaubt.
Oder sah es etwa nur so aus?
War dein Lächeln falsch? Dein Interesse und Mitgefühl bloß gespielt?
Habe ich mir etwa nur eingebildet, ich sei dir wichtig? – Oder warum meldest du dich nicht?
Nein!
Nein, das kann nicht sein, unmöglich. Kann nicht.
Darf nicht sein.
Habe ich mich etwa so in dir geirrt? Dinge gesehen, die ich sehen wollte, weil du mich so faszinierst?
Schnell rufe ich mir vergangene Situationen in den Kopf. Versuche es haargenau wieder vor mir zu sehen – deine Worte, dein Gesichtsausdruck und deine Gesten.
Solltest das etwa wirklich... nur gespielt sein?
Doch wieso? Wieso?
Wirt – schießt es mir durch den Kopf.
Atemu ist ein Geist, der af einen Körper angewiesen ist. So wie ein Parasit seinen Wirt nur zum eigenen Nutzen anzapft.
Was tun Parasiten, wenn bei ihrem Wirt nichts mehr zu holen ist?
Sie verlassen ihn.
Oder bringen ihn um.
Schnell verlasse ich diesen Gedankengang, lache über mich selbst.
Lachen? Warum lache ich denn? Mir ist einfach nur zum heulen zumute!
Doch mich erschreckt mein eigenes Lachen, es klingt kalt und beißend.
Fast als würde ich jemanden auslachen – einen Schwächeren.
Ich... würde jetzt gerne... nur ein einziges Mal.. jemanden meine Stärke zeigen.. ihn zu Boden werfen und mit dem Finger auf ihn zeigen... so wie andere früher... Nein!
Kopfschüttelt und schwer atmend springe ich vom Bett auf.
Scheiße, ich bin echt krank!
Ich brauche frische Luft! Sofort muss ich hier raus. Ich schnappe meinen Mantel mit meinem Schlüssel darin und verlasse ruckartig mein Zimmer. Renne durch die Gänge und versuche meinen Kopf ein Stück zu klären.
Vor der Klinik angekommen, atme ich tief die frische Abendluft ein. Es ist kalt hier, verdammt kalt. Es ist zwar Frühling – Mitte März – doch davon spüre ich nichts. Tiefer kuschele ich mich in das warme Kunstfell meines beigefarbenen Wintermantels. Er geht mir sogar ein Stück bis über die Knie. Ich habe ihn mir zu Beginn des Winter letzten Jahres gekauft, nachdem ich mit meinen Freunden bereits den ganzen Tag im Einkaufszentrum verbracht hatte. Ich weiß es noch genau, Honda hatte ihn entdeckt und mir vorgehalten. Ich habe ihn dann direkt gekauft, weil ich dort das wunderbare Gefühl hatte, ganz darin zu verschwinden und mich verstecken zu können. Einfach nicht da zu sein.
Ein schwerer Kloß bildet sich in meinem Hals, als ich an meine „Freunde" denke. Ich will ihn schnell hinunter schlucken, will nichts davon wissen – da ist es schon zu spät. Ohne, dass ich Einfluss darauf habe rinnen mir neue Tränen haltlos über die Wangen. Verdammt... es soll aufhören... alles soll aufhören...
I died in my dreams What´s that supposed to mean Got lost in the fire I died in my dreams Reaching out for your hand My fatal desire.
Die ständigen, unerträglichen Gedanken an Atemu, die Erinnerungen an meine Freunde, das Vermissen meines Zimmers.. unserer vertrauten kleinen Wohnung.. das Fernbleiben des Alltags Zuhause, den ich früher immer so gehasst habe...
Alles überschlägt sich in mir, Gedanken und Erinnerungen hageln auf mich ein und vertiefen den Schmerz über Atemus Verlust.
Ich, ich kann nicht mehr! Ich drehe durch, wenn alles so weiter geht!
Es wird einfach alles zu viel, zu viel!
Ich renne los, sprinte über den langen Kiesweg, der die Klinik an die Hauptstraße anschließt. Es tut gut, die angestauten Aggressionen so freizulaufen. Die ein eiskalter Wind peitscht mir im Halbdunklen ins Gesicht und ich fühle mich leicht, unendlich leicht. Keuchend komme ich am Bürgersteig an, stütze meine Hände auf meine Knie und atme erst einmal tiefer durch. Ich war noch nie sonderlich sportlich... aber durch das ständige Rumsitzen oder –Liegen ist meine Kondition wohl endgültig gewichen.
Ich sehe mich noch einmal nervös um, eigentlich dürfte ich hier gar nicht sein! Mir ist es strengstens verboten, das Haus nach vorne hin zu verlassen. Höchstens nach hinten, in den Garten.
Niemand ist hier, niemand scheint etwas gesehen zu haben. Ich bin allein auf der Straße.. allein wie meine Seele.
Ich blicke noch einmal hektisch zurück und verschwinde dann um die nächste Straßenecke.
Ich kenne mich hier nicht wirklich aus, war in diesem Stadtteil äußerst selten, aber ich denke es reicht gerade so, dass ich mich nicht verlaufen würde. Laut einer schwachen Erinnerung befindet sich am Ende der Hauptstraße eine Tankstelle.
Ich weiß zwar nicht, was ich dort soll, aber irgendetwas in mir befiehlt mir, dort hineinzugehen. So komme ich wenigstens wieder unter Leute.
Ich leiste dieser Stimme folge und stehe schon wenige Minuten später auf dem mit Benzinlachen versehenen Vorplatz. Einige sind schon eingetrocknet und glitzern im Dämmerlicht in allen Regenbogenfarben.
Die Luft riecht deutlich nach diesem Kraftstoff und weckt einen Ekel in mir.
Alles in allem ist diese Tankstelle bereits sehr runtergekommen, nicht nur die Pfützen, auch der Ständer mit den Papiertüchern wurde scheinbar offen gelassen und die hellgrünen Tücher liegen verstreut auf dem Boden. Die Jalousie des kleinen Shops dahinter, auf den ich gerade zugehe, ist abgerissen und hängt schief herunter. Kein Kunde weit und breit zu sehen – na kein Wunder.
Ich grinse leicht und spucke auf den Boden, um diesen scheußlichen Geschmack von Benzin aus meinem Mund zu bekommen. Doch es hilft nicht viel – na ja, was solls.
Aus einem Impuls heraus öffne ich schließlich die Türe und das läuten von Glocken verrät dem Verkäufer, dass jemand eingetreten ist. Dieser ist aber in meinem Falle schon ein älterer Herr, mit weißem Bart und einer blauen Schirmmütze, die so gar nicht zu ihm passt.
Doch er scheint mich gar nicht zu bemerken, er sitzt noch immer hinterm Tresen, versunken in seiner Zeitung.
Umso besser, so kann ich mich wenigstens in Ruhe umsehen. Nur mit dem „unter die Leute kommen" wird das wohl nichts. War das nicht von Anfang an klar?
Sarkastisch grinse ich in mich selbst hinein, werde dann aber auf das Regal mit den Spirituosen aufmerksam.
Alles hochprozentiges Zeug... Wohl alles für die kurzfristig organisierte Party.
Meine müden Augen gleiten interessiert an den Flaschen entlang..
Wodka, Rum, Kognak, Whiskey … Ganz hinten in der Reihe steht sogar das einfache Bier.
Ich habe noch nie... so etwas probiert. Gehörte immer zu den „Braven", den einfältigen, die weder geraucht noch getrunken haben..
Wenn meine Clique zusammen gefeiert hat, gab es immer Alkopops oder Bowle.
Einmal auf Anzus sechzehnten Geburtstag gab es Waldmeisterbowle. Ich werde nie vergessen, wie blau Jonouchi hinterher war! Er hat die komplette Schüssel fast allein geleert! Alle hatten aber sicher einen im Tee.
Und ich, ich habe lieb wie eh und je dabeigesessen und habe – ich glaube es war ein einziges Glas – kaum etwas getrunken.
Wie ätzend verantwortungsbewusst von mir!
Und jetzt wundere ich mich, wieso sie sich nicht bei mir melden!
Das habe ich nun davon, dass ich auf Großvater gehört habe... pfff.
Ich habe von Anfang an den falschen Weg eingeschlagen... Ob ich wohl irgendwann mal wiedergeboren werde und eine neue Chance für einen Lebensanfang bekomme?
Vielleicht wandert meine Seele ja zurück zur Zeit der Pharaonen?
Atemu...
I died in my dreams What´s that supposed to mean Got lost in the fire I died in my dreams Reaching out for your hand My fatal desire.
Ich krame in meiner Manteltasche nach meinem Geld, ein paar Yen habe ich immerhin von zu Hause mitgenommen – man weiß ja nie.
Wahllos greife ich nach der Flasche Rum – man kann seinen Lebensstil ja immer noch ändern.
Ich gehe weiter durch den kleinen Gang, von dem es hier nur zwei Stück gibt.
Mir stechen die verschiedensten Cover von Illustrierten ins Auge, fast überall halbnackte Frauen – direkt gegenüber sind Tütenweise Chips sowie andere Knabberein aufgehäuft. Würde mich nicht wundern, wenn die alle schon längst übers Datum wären.
Ich schüttele mich und treibe mich zur Kasse voran, möchte endlich hier raus.
Endlich scheint der Verkäufer mich bemerkt zu haben und lässt die Zeitung sinken. „Guten Abend, der junge Mann..", sein Grinsen treibt noch mehr Falten in sein altes Gesicht. Außerdem sticht eine seitliche Zahnlücke ziemlich hervor, von der er sicher noch mehr hat. Mein Blick fällt um von diesem Anblick loszukommen auf das Regal mit den Zigaretten. „Hmm..", mache ich, auf der einen Seite um dem Mann zu antworten, andererseits nachdenklich. Wenn ich meine Lebensart noch ändern will, dann aber richtig. Ich sollte Dinge tun, die ich sonst nie getan habe... all den Anderen endlich zeigen, dass ich kein Weichei bin!
Ein Blitz schießt mir durch den Kopf.
Vielleicht möchte deshalb auch Atemu nichts mehr mit mir zu tun haben! Vielleicht hat er in der Zeit ohne mich gemerkt, dass ich ihm einfach zu langweilig war?
Zu einfach gestrickt.
Wie ätzend war auch mein ganzes Leben!
Hass und Wut auf mich selbst steigen hoch – ich habe mir selbst alles kaputt gemacht!
„Ich hätte gerne noch eine Packung Zigaretten, die billigste!", immerhin ist mir die Marke egal, ich kenne eh keinerlei davon und mein Geld muss auch noch für ein Feuerzeug dafür reichen!
„Jawohl!", lallt der Alte vor sich hin und steht auf und tritt ans Regal. „Hat der Gastgeber zu wenig von allem besorgt?", beginnt er mich zuzutexten und wirft dabei einen interessierten Blick nach hinten auf meine Flasche, die auf der Theke steht.
„Das ist der sechzigprozentige! Der lässt euch die Sinne rauben", redet er weiter und glaubt wohl nicht, dass ich vorhab, den Abend allein zu verbringen.
Er wirft das Päckchen neben den Alkohol.
Ich schlucke, zögere noch einmal. Sechzig... Prozent?
„Das macht dann-" „Ähm.. ich bräuchte bitte ein neues Feuerzeug... meines ist gerade leer geworden..", lüge ich schnell. Unwohlsein durchfährt mich.
Der Verkäufer greift unter die Theke und befördert ein rosafarbenes ins Licht, legt es zu meinen anderen Sachen.
Nicht gerade eine meiner Lieblingsfarben... aber was soll's..
„Wenn das von Ihnen aus alles ist, kriegen Sie von mir noch etwas dazu!", er zwinkert mir verschwörerisch zu und ich blicke ihn nur verwirrt an.
Er greift wieder unter die Theke und legt etwas blau-weißes auf die Ablage, was ich aber auf den ersten Blick nicht deuten kann. Es sind vier an der Zahl.
Ich komme neugierig einen Schritt näher und betrachte die weiße, eckige Verpackung mit den blauen, runden-
Entsetzen fährt in mir auf. Ich will mich gerade wehren und heftig protestieren, da hat der alte Kerl auch schon eine Tüte in der Hand und packt alles ein.
Schnell verlange ich nach dem Preis und klatsche ihm einen Schein vor die Nase.
Auf das Wechselgeld kann ich verzichten, es wäre eh nur absoluter Kleinkram und ich will hier raus!
Der alte Verkäufer ruft mir noch einen „Wunderschönen Abend!", hinterher, doch dies geht im lauten Glockengeklingel und dem Gekrache der von mir zugeschmissenen Tür unter.
Und sofort wieder der Gestank von Benzin.
Ich verlasse so schnell wie möglich die Tankstelle. In mir brodelt alles.
Scheiße!
Ich stampfe erst einmal mit dem Fuß auf. Alles Mist! Ich möchte schreien!
Tief atme ich durch, halte diesen Drang zurück.
Denn eine Frage drängt sich in den Fordergrund: Wohin soll ich? Was jetzt?
Wieder zurück?
Nein! Nur das nicht..
Mir ist es egal, wohin ich gehe…
Ich laufe ziellos die Straße weiter hinunter. Endlich, ein Mülleimer!
Ich bleibe stehen und wühle in der Tüte nach diesen 4 Gummiringen... pah.. wirklich das allerletzte, was ich jetzt brauchen kann!
Mit verzerrtem Gesicht werfe ich sie in die Tonne.. uhh.. der Alte hatte ja wohl ne Vollmeise!
Ich.. ich... Sehe ich etwa aus, als würde ich gleich mit der nächsten Tussi in die Kiste hüpfen?
Die letzte Verpackung knittere ich in meiner vor Wut geballten Faust.
Mich will eh keine! Mich will auch keineR! Nicht mal den Hauch einer Chance hatte ich bei ihm! Ich, kleiner, naiven Gartenzwerg, bei dem DuelMonsters das einzige ist, was er einigermaßen beherrscht! Ein Kartenspiel... oh ja Yugi, damit wärst du sicher im Leben weit gekommen! Mit ein paar Monstern, die du strategisch korrekt einsetzen kannst...
Meine Hand zittert vor Hass und Wut auf mich selbst, ich werfe noch das letzte dieser.. Dinger in den Papierkorb, dann suchen meine kalten Hände nach der Schachtel Zigaretten.
Danach angele ich ebenfalls nach dem Feuerzeug und ich öffne die Schachtel. Die dünne Plastikfolie leistet mit einem Riss den Gummiringen Gesellschaft und ich stecke mir zum ersten mal im Leben eine Zigarette an. Knapp 2 Monate vor meinem siebzehnten Geburtstag.
Das einzige, was jetzt noch in der Tüte liegt, ist die Flasche mit dem Rum.
Ich beschließe diesen in meine Manteltasche zu stecken, tief genug ist diese ja – und somit auch die letzte lästige Verpackung loszuwerden.
Nachdem ich auch das Zigarettenpäckchen wieder zugeklappt habe und in meine andere Manteltasche deponiert wurde, habe ich endlich freie Hände.
Ich fasse das glimmende Stäbchen zwischen Zeige- und Mittelfinger und ziehe einmal ganz leicht daran. Ich trau mich nicht wirklich.. ich weiß nur aus dem Fernsehen und was man so mitbekommt, dass es ziemlich schwer sein soll, als Anfänger das Mittelmaß zu finden. Meist zieht man zu stark und verfällt einem Hustenanfall.
Vorsichtig ziehe ich das erste Mal. Entgegen meinen Erwartungen schmecke ich gar nichts?
Irgendwie.. gar nichts besonderes? Nur der Drang, es noch einmal zu tun.
Ich nehme mir den Glimmstängel von den Lippen und atme noch einmal die kalte Nachtluft durch.
Ich starre auf die Zigarette in meiner Hand. Es war gar nicht mal so übel.. In dem Moment, in dem man zieht und es einfach auf sich wirken lässt, kann man abschalten!
Schnell tue ich noch einen Zug, probiere es aus. Ein berauschendes Gefühl von Sorglosigkeit..
Ich mache mich weiter auf den Weg, folge die Straße hinunter und rauche dabei die Zigarette immer kleiner.
Es beruhigt mich, fühlt sich an, als wären meine Probleme nur ein kleiner Punkt am Horizont.
Doch der Rauch trocknet meine Kehle aus. Ich spüre, wie ich allmählich wirklich Durst bekomme. Schnell bleibe ich stehen, huste mehrere Male, lasse den Zigarettenstummel fallen und trete ihn mit dem Fuß aus. Mein Hals ist trocken und so setze ich den ersten Gedanken – mit dem Rum das Kratzen zu vernichten – direkt in die Tat um.
Das hätte ich wohl besser bleiben lassen – pfui Teufel, wie das im Rachen und im Magen brennt! Als hätte ich Feuer geschluckt! Verdammt, wieso hat mich keiner gewarnt?
Wie kann man so was trinken?
Mir reichts! Ich verstaue dieses ‚Getränk' wieder in meiner Jacke und halte mir die linke Hand auf den Magen.
Mein Gott, das war ja scheußlich...
Ich setze meinen Weg verbittert und enttäuscht fort. Das unheimliche Durstgefühl wurde nur durch das Brennen des Alkohols in meinem Magen überdeckt. Das Zeug was ungenießbar! Wie machten Alkoholiker das!
Also war ich ein geborener Weichling. Wenn Atemu wüsste, was ich gerade getan habe? Wenn ich das Puzzle doch nur bei mir hätte... Vielleicht hätte ich ihn so herausgelockt..? Er wäre auf jeden Fall erschienen, egal, wie er zu Rauchen oder Trinken steht. Entweder, weil er mich um jeden Preis hätte von abbringen wollen oder andererseits weil er mich für meinen neuen Entschluss hätte loben wollen. Doch ich habe das Puzzle in der Klinik gelassen.. es liegt eingeschlossen in meinem Nachtschränkchen... Ich huste plötzlich auf, da sich wahrscheinlich der Rauch von gerade wieder bemerkbar macht, dann greife ich in meine Hosentasche. Metall. Klein und dünn. Der Schlüssel ist noch da. Niemand wird die Schranktüren öffnen können und mir zwischenzeitlich wegnehmen.
Rede mir ein, er wäre somit in Sicherheit.
Bis ich wiederkomme und mich um ihn kümmern werde.
Wenn ich denn wieder hin gehe.
Mittlerweile bin ich mir da gar nicht mehr so sicher.. Was soll ich dort? Rumliegen, alleine sein und warten, dass es mir immer schlechter geht? Von Atemu weiter ignoriert werden?
In das künstliche Lächeln dieser Schwestern und Pfleger sehen? Die womöglich so tun, als hätten sie mich vermisst und überall gesucht?
Letzteres vielleicht... aber nur, weil es ihr Beruf ist und sie Geld dafür bekommen.
Es ist ihnen doch lieber, wenn ich abgehauen bin und sie einen Irren weniger haben, den sie hinterher künstlich ernähren müssen.
Oooohhh, diese Spinner und Quacksalber!
Sie führen sich auf, als wüssten sie mehr über uns, als wir selbst! Als wären wir ohne sie verloren und so werfen sie uns ständig unser Gnadenfutter vor die Füße!
Sind wir denn wir Zootiere und müssen von den Besuchern beobachtet werden!
Grrrr, gar nichts wissen sie über unsere Seelen... gar nichts! Anzünden möchte ich sie... sie sollen brennen!
Ich...
I died in my dreams What´s that supposed to mean Got lost in the fire I died in my dreams Reaching out for your hand My fatal desire.
Himmel… Habe ich das wirklich gerade gedacht? Meine Gedanken… Das bin nicht ich! Ich erkenne mich selbst nicht wieder... Oh verdammt... Ich bin wirklich wahnsinnig... Ich bin tatsächlich krank… Mein Schritt beschleunigt sich ebenso, wie meine Atmung. Ich verlasse die Häuserreihen, lasse die Stadt hinter mir. Jetzt peitscht mir wieder der eisige Wind ins Gesicht, scheint mich hart für meine unausgesprochenen Worte strafen zu wollen. Ich verdiene es. Schlagt mich, geißelt mich... wie einen Sklaven...
Mein Pharao... wärt Ihr doch hier... du wüsstest, was zu tun wäre... tut und lasst mit mir, was ihr wollt. Ich gehöre Euch..
Meine Füße folgen wie von allein einem Feldweg. Er ist matschig von dem Dauerregen all die letzten Tage und im Nu färben sich meine schönen weißen Turnschuhe braun. Aber es ist egal, ich habe sowieso kein Ziel.
(Lyrics: The Rasmus „Funeral Song")
