Epilog

Ich friere.

Mir ist bitterkalt und ich zittere – sitze irgendwo im Dunklen und weiß nicht wo.

In irgendeine Ecke gepresst, die Arme um meine angewinkelten Beine geschlungen. Wenn man sie denn Beine nennen kann... schließlich habe ich meinen Körper verloren. Existiere nur noch als eine Art Geist..

Trotzdem kann ich noch so viel wahrnehmen... Hitze, Kälte, Angst, Hoffnung oder Schreck.. Ich scheine noch spüren zu können. Ich sollte mich freuen...

Und trotzdem fühle ich mich hilflos, unbeachtet und verraten..

Verraten vor allem von der Außenwelt...

Ich sitze irgendwo in der Schwärze – wahrscheinlich ist es eine Stufe oder ähnliches und warte ab. Was anderes kann ich hier und ohne Körper sowieso nicht tun... zu viel habe ich mich in den letzten Wochen darum bemüht, habe ergebnislos meine Kräfte verschleudert... Denn man lies mich hier sitzen. Der Mensch, der mir am Nächsten stand, hat mich im Stich gelassen.. Mit ihm ist auch jegliches Licht aus meinem Leben gewichen..

Dort wo die Nacht kein Morgen kennt
Vermiss ich dich

Ein Poltern und Krachen – als ob etwas Schweres verschoben wird.

Ich höre Stimmen, viele Stimmen. Helle und Dunkle... aber jede sagt nur ein oder zwei Wörter. Kurze, stockende, tiefe, angsteinflößende Laute.

Und dann passiert es.

Die ersten Sonnenstrahlen seit Wochen dringen durch die Dunkelheit hervor. So grell, dass ich selbst vor diesen wenigen die Augen zukneifen muss. Erst allmählich und blinzelnd gewöhne ich mich an diese hellen Boten, die nicht nur Licht, sondern auch eine gewisse Wärme mit sich bringen.

Hier wo die Sonne nie mehr scheint
Verfolgst du mich

Mein Raum erhellt sich, ich kann wieder Umrisse und schemenhafte Abzeichnungen erkennen. Andeutungen der Ortes, an dem ich mich befinde.

Ich zwinkere weiter mit den Augen – nach all den Stunden in der Finsternis war ich fast schon überzeugt davon, mein Augenlicht verloren zu haben. Was man nicht braucht bildet sich doch zurück, oder? Um Energie zu sparen.

Überall diese graubraunen Steine... hier hat sich auch wirklich nichts verändert.

Aber wo bist du? Ich erkenne deine Stimme nicht!

Das Puzzle wird anscheinend angehoben, denn ich registriere eine schwache Schwankung. Und schon taucht man es wieder ins vollkommene Tageslicht ein. Mit einem Mal ist es wieder komplett hell in meinen Räumen.

Nachdem ich mich auch an dies wieder gewöhnt habe, scheint es einfach nur noch normal zu sein. Ich sehe wieder alles um mich herum, erkenne jeden Stein wieder – ich kenne das Labyrinth im Raum meines Herzens auswendig. Es ist beleuchtet wie früher, als du mich noch als Kettenanhänger tagtäglich um den Hals trugst.

Wo bist du? Ich warte doch schon so lange auf dich! Bist du es nicht, der mich aus dieser Dunkelheit gerade befreit? Genauso wie damals..?

Nur, dass du sie dieses Mal selbst herbei geführt hattest...

Ich habe nicht viel mitbekommen... Du reagiertest ja nicht mehr auf mich...

Ich konnte schreien, brüllen, weinen, verzweifeln... doch du hörtest mich nicht. Einmal habe ich dich sogar geschlagen... Ja Aibou, es tut mir leid... Ich habe dir eine Ohrfeige verpasst, damit du bei Horus endlich auf mich aufmerksam wirst!

Habe mit Fäusten gegen die Wand getrommelt und mit Füßen auf dem Boden herumgestampft.

Alles nur für Aufmerksamkeit von dir.

Doch du hast mich nicht ein Mal angesehen! Mich keines Blickes gewürdigt... mir nicht zugehört... mich nicht beachtet.

Und ich habe deine Worte nicht verstanden.

Habe gesehen, wie du den Mund bewegtest... habe deine Tränen gesehen... deine bodenlose Verzweiflung und Trauer... Dabei hättest du mich nur ansehen müssen, verdammt!

MICH anschauen!

Nicht die Ärzte – nicht die Schwestern – nicht die anderen Patienten...

Ich habe dich nicht weiter erreicht, Aibou. Bin auf dich getroffen, wie gegen eine Mauer aus Stahl... Und von außen hin war diese Mauer noch versehen mit Spiegelglas.. Ja, all meine Bemühungen, zu dir durchzudringen wurden auf mich zurück geschleudert.. Ich vergeudete erfolglos meine Kraft... Wurde schwächer und schwächer... kämpfte weiter – und entfernte mich weiter von dir.

Ich kam nicht durch deine Mauer... durch dein Schutzschild aus Angst, mich gäbe es gar nicht. Das haben dir die Ärzte eingeredet... ich habe es doch gehört... Du hast es nicht gemerkt, Yugi, aber du hast dich von ihnen überzeugen lassen...

Hast dich in deiner Verzweifelung und der Angst vor innerem Schmerz völlig selbst verschlossen. Du nahmst mir selbst den Schlüssel aus der Hand..

Den Schlüssel namens Vertrauen, der die Verbindungstüren von Mensch zu Mensch öffnet.

Du hast mir nicht mehr vertraut.

Vielleicht wolltest du es – doch du hast dich von deiner Angst leiten lassen.

Ich habe dein Herz nicht weiter erreicht...

Stattdessen hast du dein Vertrauen in Medikamente gelegt. Hast den Ärzten Glauben geschenkt und angefangen, alles über dich ergehen zu lassen. Sie haben dich mit Medikamenten zugestopft. Mir den letzten Zugang zu dir versperrt... Du begannst zu glauben, die Medizin würde alles wieder richten... Hast angefangen, an meiner Existenz zu zweifeln.

Unbewusst... Natürlich habe ich deine tiefe Verzweiflung gesehen – mir fällt nichts leichter, als in deinen Augen zu lesen. Ich habe dich zwar genauso wenig gehört, doch ich weiß, dass du mich angefleht hast, mit dir Kontakt aufzunehmen.

Aibou, du hast dir selbst widersprochen – hast dir selbst den Weg verbaut.

Wie kannst du dir so sehnlichst wünschen, mit mir zu kommunizieren und gleichzeitig an mir zweifeln?

Ich bin ein Geist deines Puzzles, welches mit deinem Herzen in Verbindung steht. Aibou, dein Seelenraum befindet sich genauso in diesem antiken Schmuckstück – wenn du deine Seele vor mir verschließt, bleibe auch ich dir verborgen!

Milleniumsgeister sind auf grenzenloses und nicht zu hinterfragendes Vertrauen angewiesen...

„Ich kann gar nicht glauben, dass das der Auslöser war..."

Eine flüsternde Stimme dringt zu meinen Ohren vor. Ich glaube es ist Jonouchi. Ich kann ihn nicht sehen, ohne dich ist es mir unmöglich, dieses Puzzle zu verlassen.

Mein Gefängnis.

„Ich... Oni-chan! Ich hätte es ihm niemals bringen dürfen!", ein helles Aufschluchzen nach diesem verzweifelten Vorwurf. Ich erkenne ihre Stimme nicht... aber es muss Shizuka sein, sie brachte Yugi das Puzzle zurück. Das war noch der Moment in dem ich glaubte, alles würde wieder gut...

Als ich noch nichts von deinem Sinneswandel ahnte..

Ich höre sie herzzerreißend weinen. Überhaupt herrscht ansonsten schon die ganzen Minuten über erdrückendes Schweigen. Fast schon als wäre die Luft draußen zu knapp um zu atmen.

Was geht da vor sich? Aibou? Wo bleibst du bloß?

Warum freust du dich denn nicht, dass du endlich besucht wirst?

Ich spüre, wie meine kleine Pyramide aus Gold von Hand zu Hand weiter gereicht wird.. alle sind da.

Plitsch.

Ich kann es fühlen, als sei es meine eigene Haut. Ein nasser Tropfen ist auf die glatte, kalte Außenfläche des Metalls getropft. Rinnt an der Senkrechten herunter, bis zur Spitze – ein Zweiter folgt sofort. Die beiden vermischen sich an der Spitzen und tropfen gemeinsam zu Boden.

Ein leises Gewimmer begleitet den Tränenfluss.

„Gib es her, Anzu...", höre ich eine andere männliche Stimme flüstern, sie klingt jedoch hell und klar – fast schon wie deine!

„Ich würde mich bereit erklären, es an mich zu nehmen.. Ich besitze schon genug Erfahrung. Meine Therapie ist abgeschlossen.. Ich werde morgen entlassen, ich könnte mich um diesen Geist kümmern!"

„Ryou! Ich dachte, du wärest wenigstens geheilt worden! Es gibt keine Geister!", höre ich die Stimme deines Großvaters mürbe krächzen.

„Man muss nur mit ihnen umzugehen wissen...", kommt die offene Antwort.

„Oh nein... Ich werde dafür sorgen, dass es keinen Schaden mehr anrichten kann..."

Ich stehe von meinem Treppenabsatz auf und laufe ziellos durch die vielen Steingänge. Dunkel und kalt... kälter als sonst... obwohl die Sonne wieder scheint.

Ich laufe durch die Steinruinen, Unruhe hat sich in mir ausgebreitet.

Irgendetwas stimmt nicht! Ganz und gar nicht..

Ein dunkler Verdacht keimt in mir hoch, doch ich halte ihn zurück, verdränge ihn ins tiefste Unterbewusstsein. Diese Angst, die in mir hoch kriecht, treibt mir den kalten Schweiß über meine körperähnliche Erscheinung. Hier im Puzzle bin ich zumindest weitgehend materialisiert.

„Aibooooou? Aiiiboooou!"

Ich komme an der Tür meiner Seelenkammer an. Ich habe sie nicht bewusst aufgesucht... aber meine Ungewissheit hat mich hergeführt. Natürlich bin ich nicht ziellos durchs Labyrinth geirrt...

Ich reiße meine schwere Tür auf: schwarz, stählern und es kostet mich mehrere Versuche und Kraft, sie zu bewegen. Früher bekam ich sie mit einer Hand auf...

Ich trete hinaus auf den finsteren Gang – wie oft sind wir uns hier bereits begegnet? Der Eine kam stets dem Anderen entgegen...

Ich überquere den Weg zwischen unseren Türen mit einem Schritt und stehe jetzt genau vor...

Einer langen, schwarzen Wand.

Erschrocken taste ich mit meinen schlagartig kalt werdenden Fingern nach deiner Tür! Sie war doch sonst immer genau meiner gegenüber!

Verzweifelt schlage ich gegen die felsige Barriere.

Nein... nein... das kann doch nicht...

Die eben verdrängte Angst und blanke Panik steigt wieder empor.

Deine Tür ist weg! Einfach weg!

„AIIIIIIIBOOOOUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU!"

In blinder Angst und Verzweiflung hämmere ich weiter gegen den Punkt, an dem sonst deine Tür war.

Kann nicht aufhören, dagegen zu trommeln.. auch wenn mir meine Fäuste bereits bitter schmerzen.

Alles in mir schreit nach dir, will nicht begreifen, was passiert sein soll.

„AIIIIIIIIBOUUUUUUUU!"

Schreie ich meinen Schmerz hinaus, ansonsten würde er mich zerreißen!

Aber das tut er sowieso schon, mein Herz ist zerfetzt und meine Seele blutet.

Das ist nicht wahr! Nicht wahr!

Aibou! Sag, dass du es nicht getan hast! Sag es mir! Komm sofort zurück und sprich mit deinem eigenen Mund, dass es dir gut geht!

Weck mich aus diesem verdammten Alptraum auf!

Ich schlage blind weiter auf die schwarze, kalte Wand ein, mit der ums Überleben kämpfenden Hoffnung, dass sich alle da draußen geirrt haben müssen!

Meine Hände schmerzen, meine Handflächen pochen nur noch, sind mittlerweile rot und geschwollen.

„NEEEEEEIIIIN! Yuuuuuuuuuuugiiii!"

Wo meine Seele einsam weint
Such ich dich

Langsam sickert die Erkenntnis in meinen benebelten Verstand. Der Schmerz dringt in jede Ritze meines Körpers und die so tapfer kämpfende Hoffnung wird grausam von der Realität erwürgt.

Meine Hände werden langsamer, meine Bewegung immer zittriger. Ich höre meinen eigenen Atem in meinen Ohren rauschen.

Mir wird schwindelig... habe sämtliche Kräfte verbraucht.

Aber ich kann das doch nicht einfach so hinnehmen!

KOMM ZU MIR ZURÜCK!

„AIBOOUUUU!", schreie ich die Wand an, mein Atem geht schnell und hektisch, meine Stimme überschlägt sich beinahe.

Ich reiße mich allerdings zusammen und trommele weiter auf deine ehemalige Tür ein.

Schwer keuchend verebben schließlich meine Bewegungen, habe mich völlig verausgabt.

„Aibou...", flüstere ich und sinke zu Boden..

Das kann nur eins heißen... Wenn deine Seelenkammer verschwunden ist... dann... ist auch dein Licht erloschen... Deine helle, bunte, fröhliche Seite aus meinem Leben verschwunden.

Yugi... Was hast du getan? Endlich spreche ich den Gedanken für mich selbst aus.

„Was hast du nur getan.."

Ich weiß zweifelsfrei, dass du es selbst gewesen sein musst... niemand hat dir etwas angetan.

Ich habe es kommen sehen. Habe dich doch all die Zeit beobachtet.

Deinen Worten gelauscht, deine verletzliche Körperhaltung bemerkt und in deine stumpfen Augen gesehen.

Ich habe geschrieen, habe nicht nur einmal an deiner Kleidung gerissen...

Und doch... so ernst es mir auch war... ich will die nackte Erkenntnis nicht einsehen.

Ich kann es mir nicht eingestehen, zähle mir nur selbst immer und immer wieder auf, wie sehr ich versucht habe, zu dir durchzudringen.

Doch tief in meinem Innersten... wusste ich all die Zeit, dass es so weit kommen würde. Du hast ja nicht gerade wenig unbewusste Andeutungen gemacht, Yugi, dass du innerlich am Zerbrechen bist.

Trotzdem habe ich nicht all meine zur Verfügung stehenden Kräfte bis zur vernichtenden Erschöpfung versucht zu nutzen... weil ich dachte... du wagst es nicht.

Die bittere Wahrheit schlägt mir ins Gesicht, peitscht mich aus, als wolle sie sich über mich lustig machen, sie unterschätzt zu haben. Nein, das ist zu ungenau... ich habe Yugi unterschätzt, sonst niemanden.

Bin davon ausgegangen, dass er sich diesen Schritt nicht trauen wird... dass schon bald alles wieder gut werden würde... Er wäre sicher bald hier entlassen worden... Immerhin war der böse Spuk aus seinem Kopf verschwunden...

Ich habe geglaubt, alles würde wieder so wie vorher, wenn er erst hier raus käme... so naiv... so naiv..

Wo meine Seele einsam weint
Such ich dich
Hier wo die Sonne nie mehr scheint
Verfolgst du mich

„I-Ich wäre dafür... dass wir es... mit in seinen.. Sarg legen...", höre ich eine tränenerstickte Mädchenstimme schnäuzen.

Ein bitteres Lachen folgt. „Das hilft ihm auch nicht mehr. Hast du denn vergessen, dass es keine Leiche gibt? Die Feuerwehrleute konnten seine Asche nicht von der der restlichen Sträucher trennen! Sieh endlich ein, dass diese Beerdigung nur symbolisch ist, Anzu!

Das Mädchen jault auf und hastige Schritte hallen über den Boden, dann scheppert eine Tür.

Beiläufig bekomme ich mit, wie auch Sugoroku diese Worte erschüttert haben müssen, denn mein ganzes Puzzle zittert in seinen Händen – er hält es offensichtlich schräg und ich rutsche über den dunklen Gang nach unten.

Ich schlage mir die Hände vors Gesicht, vergrabe mich tief darin, als könne ich flüchten. Flüchten vor der unwiderrufbaren Erkenntnis... Flüchten vor mir selbst, weil ich es nicht wahr haben will... Flüchten vor mir selbst... WEIL ICH AN ALLEM SCHULD BIN!

Es macht mich wahnsinnig – wahnsinnig!

Nein.. ich bin nicht Schuld! Ich habe doch mein Bestes gegeben! Er hat mich nicht hören können! Es hätte jemand von draußen eingreifen sollen!

Ich heule in meine Hände auf. Beiße mir verbittert selbst auf die Lippen und mein Hals schmerzt.. fühlt sich zugeschnürt... die Wahrheit ist immer noch der festeste Strick...

Mir ist es egal, ob sich Yugis Großvater und seine Freunde jetzt erschüttert sind oder nicht.. DANN HÄTTEN SIE SICH MAL EHER UM IHN BEMÜHEN MÜSSEN!

Immerhin habe ich ihn oft genug klagen gehört, wie sehr er sich durch ihre Ignoranz verletzt gefühlt hat!

Sie hätten Yugi aufhalten können! Ich realisiere am Rande, wie mein Zorn zu entgleiten droht, wie sehr ich mir wünsche, hier hinaus zu stürmen und meine Schattenmagie freizusetzen!

Die Luft um mich herum knistert, so sehr scheint sie elektrisch geladen zu sein.

Die da draußen sind doch alles Schuld!

Ich kann doch nichts dafür... Ich bin doch nur ein Geist...

...Und trotzdem habe ich es ihm nicht zugetraut...

Ich spüre, wie meine Handflächen feucht werden. Tränen rinnen an meinen dünnen, hellen, fast schon weißlichen Fingern hinab, über meine Hände... suchen sich ihren Weg an meinen Armen entlang.

Klebrige, ekelhaft nasse Tränen... von jemandem, der dich nicht aufhalten konnte... Der nicht mal wusste, wohin du gehst...

Ich spüre, wie meine anfängliche Wut zu Trauer umschlägt.

Ich bin ich hier drin gefangen... gefesselt, wie an schweren Eisenketten .. Ohne Körper bin ich absolut machtlos... Ohne Yugi.. mein Aibou..

Nein, das ist nicht wahr! Du wirst gleich wieder hier vor mir stehen! Sicher erwartest du mich bereits in meinem Raum!

Aufgebracht renne ich wieder in meine Seelenkammer, schlage die Tür genauso hinter mir zu wie Anzu eben die vom Krankenzimmer.

Ich stehe mitten im Labyrinth. Alleine. Umgeben von Steinen und kalten Mauern.

Kann es nicht akzeptieren. Will es nicht wahr haben.

„AIIIIIIIIBOOOOOOUUU!"

Du bist tot... genauso wie ich... doch trotzdem werde ich dich nie wieder sehen.. ich werde alleine hier weiter existieren müssen.

„Hätte ich es dir doch nur vorher schon gesagt..."

Wo mein Herz für immer brennt
Verlierst du mich

Es wird so warm hier... soo warm...

Seit langem mal wieder... Seit du weg bist, ist es hier einfach nur dunkel und kalt...

Diese Wärme erinnert mich an dich... Hikari. An dein Licht.

Wenn du bei mir warst, strahlte die Welt.

Ich bin ein Geist, einsam, verlassen.. hilflos.. angsteinflößend...

Doch du hast dich nie daran gestört, was ich bin.

Hast mich als vollwertig angesehen.

Wir haben über alles gesprochen...

Ich habe dir mein Herz geöffnet – so sehr, wie ich es bisher noch niemandem gegenüber geöffnet habe.

Mein Vertrauen zu gewinnen.. verlangt eine langwierige Prüfung.

Doch du hast sie bestanden, Aibou.

Alles habe ich dir über mich erzählt, wirklich alles.

Bis auf eines...

I want to die
Each time it hurts
I hear your dying words

Ich sitze – wie solle es auch anders sein – mal wieder in meinem Labyrinth.

Doch ich weiß, etwas ist hier nicht in Ordnung... ganz und gar nicht..

Ich spüre, wie die Kammer meines Herzens zerfällt.

Wie jeder Stein einzeln einstürzt...einfach verschwindet, als wäre er nie da gewesen!

Alles stürzt in ein schwarzes, unendliches Loch hinein... welches sich vergrößert, je mehr es von meiner Seelenkammer auffrisst.

Spiegelt die Leere in mir selbst wieder... ohne dich..

Von weit her höre ich bereits dieses dumpfe Grollen, das Gepolter, von aufeinander stürzenden Steinen...

Und mit jedem fehlenden Stück.. reißt eine Faser meiner Selbst ein.

Ich spüre den Schmerz längst nicht mehr – mein Herz ist bereits kalt und betäubt, als dass es weiterhin bluten würde.

Auch ignoriere ich den Lärm, der stetig lauter wird, je näher dieses Nichts mir kommt... je weniger von meinem Labyrinth übrig bleibt...

Mir ist auch diese Hitze egal... der aufkommende Rauch und Gestank stören mich nicht..

All diese Opfer.. nehme ich nur all zu gerne in Kauf... Denn alles ist nichtig und überwindbar...

Denn ich habe dich verloren..

Jedoch... ich habe ein Ziel vor Augen... ein kleines Licht, fern am Horizont, weswegen ich nicht in meinen Schmerzen und Leiden ertrinke.

Ein zaghaftes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen.

Und es hat einen Namen. Das Lächeln der Hoffnung.

Denn ich weiß, was gerade geschieht, es kann nur diese eine Möglichkeit geben.

Schweiß bildet sich auf meiner Stirn, die Luft wird immer knapper und stickiger.

Mehrere Male muss ich husten, versuche den Impuls aber so gut es geht zu ignorieren.

Nicht mehr lange...

Nicht mehr lange und es tritt ein, was ich mir gewünscht habe..

I still hear your dying words
"Come with me"

Die Luft knistert, ist zum Zerreißen gespannt und ich spüre ein allzu starkes Schwindelgefühl, welches mich mitzureißen droht.

Nein! Ich möchte wach bleiben! Muss alles miterleben!

Ein letztes Mal noch..

Ich huste auf, halte mir die Hand vor den Mund, denn der schwarze, dicke Rauch hat meinen Sitzplatz bereits erreicht.

Er hüllt meine Ecke ein, erschwert es meinen Augen, dass Geschehnis weiter zu verfolgen.

Tränen treten hervor – doch sie rühren nicht von Trauer – nein, es ist diese schwarze, giftige Wolke, die das gesamte Labyrinth verschlingt...

Ich blinzele – und endlich sehe ich es.

Die letzten Mauern und Steine vor mir beginnen erst langsam zu vibrieren, werden dann stärker geschüttelt und stürzen letztendlich wie in ein riesiges, schwarzes, tiefes Loch hinein.

Es erinnert an ein schäumendes, gieriges Meer, wessen Wellen immer mehr und mehr Land verschlingen – es nie wieder freigeben würden.

Das schwarze Nichts kommt näher, verschlingt sämtliche Treppen, Mauern, Gänge... einfach alles. Mein Labyrinth verschwindet, wird um mich herum aufgefressen.

Alles, was bisher noch übrig ist, besteht aus einem Kreis um mich herum.

Und die Finsternis rückt näher... verschlingt die letzten Meter um mich herum.

Meine Augen sind bereits trüb, ich muss sie ständig rubbeln, um ja das gänzliche Finale mit anzusehen!

Der Husten wird stärker, mein Bewusstsein taumelt.

Gleich ist es so weit, gleich!

Die Hitze wird unerträglich – nicht einmal die Kälte und die Dunkelheit, die geradewegs auf mich zurasen können sie mindern.

Und dann ist der Moment gekommen.

Die Treppe unter mir beginnt zu wackeln, die Steine sich aufzulösen.

Ich verliere sämtlichen Halt, die Stufen verschwinden, man reißt mir den Grund unter den Füßen weg.

Mein Herz setzt für eine Sekunde aus.

Dann reißt das Monster namens Finsternis ein letztes Mal seinen riesigen Schlund auf und ich falle.

Falle in seinen Rachen, zusammen mit den letzten Sandsteinen meiner Herzenskammer.

Diese steht nicht mehr... Ich wurde aus dieser Welt verbannt...

Die Finsternis schluckt die Finsternis.

Alles um mich herum ist Schwarz, ich spüre nichts mehr.

Endlich ist diese Hitze um mich herum gewichen... Oder besser gesagt, ich kann sie nicht mehr wahrnehmen.

Denn ohne das Puzzle habe ich keinen Zugang mehr in die Welt der Lebenden...

Das Sennen-Puzzle, ein uraltes Artefakt, welches bereits einst meinem Vater gehörte.

Es wurde zerstört.

Eingeschmolzen in den Flammen.

Lange Zeit war es eine Art zu Hause für mich... Zwar ein erzwungenes Heim – mein Gefängnis – aber du trugst es schließlich stets um deinen Hals, Aibou.

Bei dir war ich in guten Händen

Jetzt hat man das goldene Item verbrannt... Dein Großvater hat es in Auftrag gegeben, Yugi.

Nichts mehr sollte an den Grund deines schmerzhaften Abschieds erinnern...

Und so übergab er mich dem Feuer der Freiheit.

And still deep inside it burns
"Follow me through the raging flames
Where we will feel no pain"

Der Freiheit, die auch zu dir führt!

Ich muss nur noch den richtigen Weg finden..

Aber das wird mir nicht schwer fallen, denn ich höre dich rufen, Aibou. Ich höre dein Herz nach mir schreien...

Wir sind vereint im Schutz der Dunkelheit

„Willkommen zurück, Atemu... Endlich bist du zu uns gestoßen."

„Danke... Vater...", lächele ich sanft und löse mich wieder aus seiner Umarmung.

Wie auch alle Anderen trage ich ein einfaches, bodenlanges, weißes Gewand. Jetzt bin ich also hier, wo ich seit 3000 Jahren hätte sein sollen.

Alle haben mich mit Freuden begrüßt... Alle Freunde und Verwandten von damals... aus meinem früheren Leben.

Ich bin jedoch nicht nur umgeben von bekannten, geisterhaft, durchsichtigen Gestalten, sondern schweben ebenso auch Fremde Personen umher.

In unbekannten Kleidungen... Rüstungen.. und Perücken.

Wir befinden uns in keinem Raum, denn wir sind unabhängig von der Schwerkraft.

Endlos ist die Dimension, die unsere toten Seelen beherbergt.

Nur gefüllt von weißem, sich hier und da auftürmenden Nebel...

Mir ist, als laufe ich auf Watte.

Ich atme tief durch – auch wenn ich keine Lungen habe, jedoch hat es für mich einfach symbolische Bedeutung, als irgend einen Körper damit am Überleben halten zu wollen – es fühlt sich frisch und angenehm kühl an.

Ich fühle mich schlagartig besser und befreiter.

Ja, nach drei Jahrtausenden kann ich hier endlich meinen Frieden genießen...

Jedoch nicht allein...

Wo ich bloß anfangen soll zu suchen?

Mit den Wolken zieh´n die Schatten auf
Wenn ich dein Herz mit meinen Tränen tauf

„Mein Sohn...? Hier ist noch jemand, der ebenso auf dein Eintreffen gewartet hat..."

Verständnislos drehe ich mich wieder zu der Gruppe aus Priestern und Bekannten aus vergangenen Tagen.

„Ja bitte?", lächele ich eher unbeholfen.

Es kann unmöglich... die Person sein, die ich mir gerade am meisten herwünsche...

Er ist sicher irgendwo da draußen... Irgendwo in den Bergen... aus wolkenartigen Nebel...

Ganz allein... so wie er bisher immer alleine war..

Yugi... es tut mir leid, dass ich es nicht ändern konnte...

Die Gruppe vor mir spaltet sich und gibt den Blick auf einen weiteren Menschen frei.

Augenblicklich beiße ich mir selbst auf die Lippen.

Eindeutig...

Diese Frisur... seine schmächtige Statur... das für ihn wirklich übergroße, weiße Gewand lässt ihn noch viel, viel verlorener und gebrechlicher wirken als sonst.

Seine großen, unschuldigen Augen... noch ängstlicher, als ich sie kenne...

Er zittert am ganzen Körper und starrt mich einfach nur wie gebannt an.

Bei Ra, er ist es!

Er ist hier, hier! Hier bei meiner Familie! Er muss nach ihnen gesucht haben! Hat sich den Weg bis zu ihnen durchgeschlagen!

Mein Herz schlägt so schnell vor Freude und ich reiße unwillkürlich meine Augen weiter auf.

Er hat also nach Anhaltspunkten gegriffen – er WOLLTE mich wieder sehen!

Mir wird so leicht in der Bauchgegend... so schrecklich, schrecklich schwerelos und warm!

Riesige Freude und Erleichterung reißen mich mit sich fort!

„Yuugi!", rufe ich aus und stürze auf ihn zu. Kann ihn gar nicht schnell genug erreichen!

Habe unbewusste Angst, er könne es sich innerhalb von Bruchteilen von Sekunden anders überlegen... und davonrennen...

Oder fürchte ich gar, dies alles nur zu träumen?

Er wollte zu mir... ich bin ja soo erleichtert! So schrecklich, schrecklich erleichtert!

Der leicht kühle Nebel unter meinen Füßen wird aufgewirbelt, verändert ein wenig seine Form oder einzelne Schwaden schweben davon.

Jetzt weiß ich es... es hat sich gelohnt, erneut zu sterben... richtig zu sterben...

Ich renne weiter – werfe mich ihm dann einfach nur aus einer Flut von Gefühlen um den Hals.

„Da bist du ja!", flüstere ich gerührt und lehne meinen Kopf gegen den Seinigen.

Ich schlucke, will unbedingt noch ein „Ich bin ja so froh!", hinzufügen, oder irgendetwas Anderes, doch es passiert einfach nichts!

Ich bin viel zu erleichtert, viel zu glücklich... ich kann es nicht in Worte fassen, kann all den aufschwemmenden Gefühlen keinen Ausdruck verleihen!

Yugi dagegen starrt mich einfach nur angsterfüllt, wie ein Kaninchen, aus riesengroßen Augen an und wartet wohl geradezu darauf, dass ich ihn zum Teufel jagen würde...

Dabei zittert er ängstlich und tritt schließlich, nach dem wir beide uns offensichtlich von dieser Überraschung erholt haben, einen Schritt nach hinten.

Sorgt für Abstand und ich bin mir sicher, er selbst erschreckt sich in der nächsten Sekunde wieder selbst über sein Verhalten, denn er legt sich seine hellen, zittrigen Finger auf den Mund, starrt mich misstrauisch und unschlüssig an.

Ohh mein Kleiner... ich bin dir ja so viele Erklärungen schuldig...

Aufmunternd lächele ich ihn an.

Versuche damit irgendwie wieder ein Stück seines Vertrauens zu gewinnen.

Ich möchte mit ihm reden, der Drang, wieder seine Stimme hören zu wollen wird größer!

Ich möchte, dass er meiner Wahrheit glaubt...will auch sämtliche Missverständnisse zwischen uns klären...

Doch kein Wort dringt über seine zierlichen, gerade so schmalen und angespannten Lippen, die zwischen den Abständen seiner Finger hindurch zu sehen sind.

„Aibou... Du hast auch mich gewartet..?", fasse ich nochmal auf, einerseits, weil ich ihn zum Reden animieren möchte, andererseits, weil ich immer noch nicht fassen kann, dass er tatsächlich eine Verwandtschaft hier nach mir gefragt haben muss...

Dieses Zeichen macht mich ja so glücklich...

Yugi tut zunächst gar nichts und ich fühle einen Hauch von Enttäuschung, weil ausgerechnet er mir nicht zugehört hat.. Mich ignoriert hat...

Augenblicklich schüttele ich jedoch innerlich den Kopf, weise mich selbst zurecht: Er wird nachdenken müssen, Atemu!

Er wird sich erst wieder selbst fangen müssen..

Muss sich erst orientieren.. hier, in dieser neuen Welt... Ich darf nichts überstürzen. Doch –

Da nickt Yugi auch schon langsam und geistesabwesend.

Und in mir blüht wieder ein kleines Stück Freude auf, von ihm doch registriert worden zu sein.. und weil er mir bestätigt, dass er mich treffen wollte.

„Schon gut, Aibou... Bitte... Nein, anders...", ich lege meinen linken Arm um ihn, ziehe Yugi an meine linke Seite und drücke ihn sanft vorwärts.

„Lass uns an einen ruhigeren Ort gehen... Wir müssen reden..."

Er nickt nur erneut und ich höre, wie er tief und schwer ausatmet. Ich weiß, nach dem, was er getan hat.. müssen Zentner von Trauer auf seiner Seele lasten...

Doch ich spüre sofort, dass er meine Anwesenheit genießt... Weiß, dass er sich ganz tief in sich freut, dass ich bei ihm bin...

Und ich denke, ich bin der Auserkorene, die Last von seinem Herzen zu nehmen...damit es aufsteigt, aus dem Ozean, in welchen man es geworfen hatte, um an Einsamkeit zu ersticken.

Oh, Aibou.. Ich werde deinem Herzen Schwingen verpassen... damit es sich frei bewegen kann – wo immer es hin will..

Ja, wem auch immer du es eines Tages schenken magst...

Mein eigener Blick wird trüb, ich spüre einen Kloß im Hals sitzen, das atmen fällt mir plötzlich so schwer... Die Traurigkeit darüber, dass ich nicht der Empfänger dieses Geschenks sein werde, schlägt zu.

Steine lagern sich in meinem Bauch ab... Nein! Du musst jetzt deine Freundschaft zu Yugi richten, auf der Stelle!

„Atemu...", haucht er endlich mit seiner weichen, jedoch weinerlich klingenden Stimmlage.

Seine Stimme und mein Name sorgen von allein dafür, dass sich viele der Steine bereits wieder in Luft auflösen – vorerst.

Er spricht mit mir!

Es ist kein Ansatz für eine längere Rede... Er will mir nur bestätigen, dass er meine Nähe genießt.

Freundlich lächele ich ihn an. Und er bemüht sich zurück zu lächeln...

Wenn mein Engel meinen Namen nennt
Ich halt noch immer deine Hand
Es ist vollbracht

Wir stehen uns gegenüber. Reden sehr lange und sehr vertrauensvoll miteinander.

Bis er einsieht, dass er sich hat krank machen lassen.

Denn der Druck der Gesellschaft, unbedingt gesund sein zu müssen, macht letztendlich krank!

Von allen hat er sich einreden lassen, dass seine Meinung und Empfindung nichts wert wäre... dass mit ihm etwas nicht stimme...

Er hörte auf die Anderen... lies sich unter Druck setzen... und verlor dabei das, woran er wirklich glaubte, aus den Augen.

Er gab alle seine Träume und Wünsche auf... gab mich auf...

Die Gesellschaft hatte ihm eine Schlinge um den Hals gelegt... die Schlinge namens Druck.

Und statt sich von ihr zu lösen... drückte Yugi sie letztendlich richtig zu.

Es tut soo gut, endlich wieder richtig offen mit ihm reden zu können...

Gehört zu werden!

Auf Verständnis zu treffen!

Und je länger wir reden, je mehr er mich versteht – desto mehr Glanz kehrt zurück in seine Augen!

Seine ängstliche Blässe lässt nach, das Zittern verschwindet... Ich spüre Vertrauen.

Mein symbolisches Herz klopft schneller, ich spüre in all der Entspannung und dem Glück nach langer Zeit wieder diese Schmetterlinge im Bauch.

Ich möchte für immer hier neben ihm sitzen... seine Nähe spüren... und sein Vertrauen genießen!

Er versteht mich... und er glaubt mir!

Er weiß, dass ich ihn nicht verraten habe...

Selig seufze ich.

„A-Atemu...", beginnt er aus der Stille heraus.

„Hm?", reagiere ich mit einem warmen Lächeln.

„Ich... i-ich...wollte noch etwas... gesagt haben... klären...", stottert Yugi vor sich her und besieht sich mit einer schamhaften Röte auf den Wangen, die sich ebenso über die Nase zieht, den weißen, von allein vor sich hinziehenden Wolkenboden.

Ich schweige einfach neugierig und interessiert, was er wohl noch mit mir zu besprechen hat.

Ich dachte, es wäre nun endlich alles zwischen aus der Welt geschafft...

Nun ja... bis auf eines... Aber damit will ich dir nun nicht zu nahe treten, Aiboulein.

Erst mal sollst du wieder richtig zu mir finden... Selbst die Erfahrung machen, dass ich dich nicht fallen lasse – es auch noch nie getan habe... Auch wenn ich deine Ansicht der Tatsachen, welche dich letztendlich zu dieser Lösung gezwungen haben, gut verstehen kann!

„Atemu... Es... tut mir auch so schrecklich leid, was ich dir alles vorgeworfen habe!

Hörst du? So unendlich leid!"

Scheinbar aufgewühlt tritt er von einem Bein auf das Andere, hibbelt umher und steckt mich beinahe noch mit seiner Unruhe an! Was ist denn bloß los?

Ich... ohh... ich...hänge wirklich sehr an dir.. all die Zeit... schon... Unsere Bindung... Ich – oh, ich bin ja soo mies darin meine Gedanken auszudrücken!"

Er führt seine rechte Hand zum Mund knabbert nervös an seinen Fingernägeln herum, seine Augen ebenfalls auf seine Selbstbeschäftigung gerichtet.

„Atemu...ich...", nuschelt er, ohne die Hand von den Lippen zu nehmen und bekommt auch so seinen Mund nicht richtig auf.

„Yugi, nicht..", weise ich ihn zurecht und greife nach seiner Hand, befreie dessen Fingerkuppen von seinen Zähnen und lege seine flache Hand stattdessen auf meine.

Dabei fällt mir sofort auf, wie kalt und feucht seine Haut eigentlich ist.

Die Lippen meines Hikaris verziehen sich zu einem traurigen Lächeln. „Atemu, mein Pharao.. Ich wünschte.. Ich wäre so mutig wie du... Ich bewundere dich.. du hast so eine Ausstrahlung.. ich..", er dreht seine Hand in meiner, ergreift sie dann und verschlingt seine Finger mit meinen, „du... bist so schrecklich anziehend...", die Röte in seinem Gesicht nimmt zu, verlegen blickt er endlich hoch, in meine Augen.

Endlich sieht er mich an...

Mit seinen wunderschönen, großes Augen. Mir wird heiß, so schrecklich heiß...

Yugi...?

Kann das... wirklich sein...?

Willst du mir wirklich das sagen, was ich gerade vermute...?

Mein Herz hämmert wie verrückt gegen meinen Brustkorb, mein Atem beschleunigt sich.

Ich muss ihn immer wieder und wieder in meinem eigenem Kopf diese Worte sagen lassen – will völlig sicher gehen, mir nichts eingebildet zu haben!

Ich halte die Luft an – Freude sprudelt in Massen hervor, als hätte gerade jemand einen langjährigen Staudamm zum Einstürzen gebracht!

Das... das... wirft mich völlig aus der Bahn...

Macht mich total kribbelig... nervös...

Ständig fahre ich mir mit meiner freien Hand selbst durch das Haar.

Ich hätte es mir nie träumen lassen!

Horus... er...

Ich schließe meine Augen, spüre pure Glücksgefühle durch meine Adern rauschen, die doch hier im Reich der Toten so nutzlos geworden sind.

Genieße diese wenigen Sekunden, in denen ich der Überlegenere bin – denn ich weiß etwas, was ihm noch fremd ist! Bin ihm gegenüber im Vorteil!

Mein Herz hüpft und unwillkürlich drücke ich seine Hand fester. Noch fester... zu fest!

Will ihn gar nicht mehr loslassen! Fühle mich so endlos glücklich!

Er bleibt bei mir – für immer!

Ein Traum wird wahr!

Ein strahlendes Lächeln bildet sich wie von allein auf meinen Lippen.

Ich rutsche seitwärts mit meiner Hand aus den Haaren, bleibe an meinem Ohr hängen. Unruhig spiele ich an meinem Ohrläppchen, drücke ständig darauf herum.

Die Aufregung pulsiert durch meinen Körper – es fühlt sich an, als würde eine ausgedorrte Landschaft seit Jahren wieder von Regen gesegnet... und die in der Erde verborgenen Samen beginnen zu sprießen..

Ein neuer Anfang!

Was wenn...

Atemu, reiß dich zusammen! Wenn er nun etwas völlig Anderes sagen möchte!

Und du bist dir deiner Sache schon soo sicher!

„Wenn ich nur könnte...! Ich... Atemu.. ich... ich ... li...

- Ich kann das nicht!", schluchzt er plötzlich los und schlägt sich seine Hände vors Gesicht.

Es fühlt sich sooo gut an... so gut...

Mir wachsen gerade mentale Flügel und ich spüre meinen Magen Purzelbäume schlagen.

Er erwidert...

Selig lächelnd hebe ich meine Hände an, nehme seinige von seinem tränenüberströmten Gesicht und lasse sie dann einfach los.

Yugi unternimmt keinen Versuch mehr, sie erneut an ihren vorherigen Platz zu legen.

Noch nie waren seine Augen soo ausdrucksstark... dieses dunkle Violett...

Es zeigt mir seinen tiefen Willen, es mir zu offenbaren! Seine aufrichtigen Gefühle für mich – ja, ich kann sie sehen! Ich kann sie endlich sehen!

Trotz allem liegt die Wut auf sich selbst darin – der Zorn, an der eigenen Schüchternheit gescheitert zu sein... Die Verzweiflung, selbst in die Sackgasse gerannt zu sein..

Milde lächelnd hebe ich meine eigene linke Hand an meinen Mund, lege nur Zeige- und Mittelfinger daran.

Dann drücke ich einen vorsichtigen, sanften Kuss auf meine Fingerkuppen.

Wortlos überwinde ich den Abstand zwischen uns mit meiner Hand und lege ihm die beiden Fingerspitzen auf die Lippen.

Eine schöne und passende Metapher.

Und Yugi versteht, denn er schließt wohlig die Augen und seine Gesichtszüge entspannen sich zu einem seligen Lächeln.

Doch unser Licht zerbricht die Dunkelheit
Weil jedes Wort von dir für ewig bleibt

Finished

(Lyrics by: Nu Pagadi: Dying Words)
-

Eeeeeeendlich ist es vollbracht!
- Konnte ich euch schön mit der Perspektive zunächst in Verwirrung bringen? -

Und ich hoffe, es hat euch gefallen Wenn nicht.. (Es soll ja gewisse Leute geben, die auf sad-Ends stehen und denen das hier zu kitschig ist.. keine bestimmte Person ansieht.. O.o ) denkt euch den Epilog eben weg XD'
Bei mir muss es immer mindestens einen Lichtblick in die Zukunft geben.. auch wenn ich dazu neige, das Ende etwas offen zu lassen.. .
Aber es gibt immer positive Hinweise, um eure Fantasie anzuregen! -g-
Ich wollte das nur mal gesagt haben, da viele Leser von "Another Christmas without you.." den scheinbar übersehen haben.. Lasst euch von der subjektiven Ich-Perspektive nicht so hinters Licht führen... XD

Vielen Dank für die lange Lesertreue!
Feedback wie immer sehr willkommen! - Vor allem bei diesem Stück.. Besonders Anfang und Ende haben mir seehr viel abverlangt und ich kann solche heftig emotionalen Szenen gar nicht oft genug üben!
(An dieser Stelle einen lieben Dank und einen dicken Gruß an mein Kagulein! -ihr beides aufn Kopf falln lässt!- -muhaha- XD)

Ihr hört bald wieder von mir - -droh- XD
Eure Polarstern!