Episode 202: Die Prinzessin lehnt sich auf
Was bisher geschah: Der König ist verschwunden, das Chaos ist ausgebrochen. Bei dem Versuch, Kleine Lady zu beschützen wurde Königin Serenity schwer verletzt und von den Sailor Star Lights gerettet. Die drei Gäste werden versuchen, ihren Freunden zu helfen und den vermissten König wiederzufinden... wenn da nicht noch der kleine Funke in Seiyas Herzen wäre...
Zum Frühstück versammelt sich der gesamte Hofstaat im großen Speisesaal. Wie zu jedem Essen tragen die Kriegerinnen ihre Gewänder, sie sitzen schweigend am Tisch, während sie auf Serenity und Kleine Lady warten. Die drei Plätze links der Königin sind für die Three Lights reserviert; unter diesen Stühlen ist auch der Stuhl des Königs, den Sailor Venus Seiya zuweist.
Als Serenity und ihre Tochter den Saal betreten, erheben sich die Freunde und setzen sich gemeinsam mit Mutter und Tochter erneut an den Tisch.
Serenity lässt sich nicht anmerken, dass es sie bedrückt, Seiya auf dem Platz ihres Mannes zu sehen, doch Kleine Lady ist zutiefst empört und sagt: „Das ist Papas Platz! Das ist der Platz des Königs!"
„Hast du etwas gesagt, Kleine Lady Serenity?", fragt ihre Mutter in strengem Ton.
Kleine Lady schaut auf ihren Teller und flüstert: „Nein, Mutter."
„Dann ist es ja gut. Und jetzt wollen wir frühstücken!"
Kleine Lady fühlt sich nicht wohl. Seit sie gesehen hat, dass dieser fremde Mann auf dem Platz ihres Vaters saß, will sie nichts mehr mit ihm zu tun haben. Sie kann gar nicht verstehen, wie ihre Mutter ihn mögen kann, wenn er es sich herausnimmt, sich auf den Platz des Königs zu setzen! Dabei machte er einen so netten Eindruck.
Sie sitzt auf ihrer Schaukel und versucht mit Diana darüber zu reden: „Er hat sich einfach so auf den Platz von Papa gesetzt! Und so jemand soll ein Freund von Mama sein! Wie kann sie nur! Und wie er sie ansieht! Man könnte meinen, er ist mehr als nur ein Freund..." Noch während sie das sagt, merkt sie, wie jemand hinter sie tritt und hört erschrocken auf zu reden.
„Es ist nicht nett, was du da über unseren Gast sagst, Kleine Lady.", sagt Sailor Pluto in strengem Ton und setzt sich auf die andere Schaukel.
„Aber es ist doch so, Puu!", protestiert das Mädchen.
„Kannst du mir erklären, wie du das meinst, was du gesagt hast?", will Puu wissen.
Die Kleine Lady errötet ein bisschen, gibt aber doch eine Erklärung ab: „Ich finde ihn ja auch nett, aber er hat etwas an sich, was mir unheimlich ist! Gestern hat er mir ein Lied vorgesungen. Es handelt von einer Prinzessin, die er sucht und als ich ihn danach fragte, meinte er, er habe seine Prinzessin schon gefunden!"
„Und?"
„Er hat zum Zimmer von Mama geschaut, sie stand an der Tür und lauschte seinem Lied... Aber wie er sie auch sonst anschaut! Als wäre er... als habe er sie sehr gern...oder so."
„Was ist daran so falsch, jemanden gern zu haben?"
„Nichts, aber... Wenn Mama ihn nun auch mehr als nett findet, was ist dann?"
Sailor Pluto schweigt. Was soll sie darauf antworten? Sie weiß ja, wie die Königin empfindet und was sie denkt. Aber einem kleinen Mädchen so etwas zu sagen? Nein, das sollte sie nicht tun. „Kleine Lady, du bist für eine Sechsjährige schon sehr redegewandt und ich bin sehr stolz auf dich. Aber trotzdem darf eine Prinzessin so etwas nicht sagen, das ist nicht fein. Allerdings muss ich dir auch sagen, dass es zum Teil stimmt, was du denkst. Seiya mag die Königin sehr, deshalb ist er auch gekommen... um sie wiederzusehen und um ihr zu helfen. Sag das aber ja nicht in der Öffentlichkeit und bitte, versuche höflich zu sein, wenn du ihn siehst... Dann werde ich der Königin nichts sagen." Lügen ist eine Sünde, aber wenn es zum Schutz der Kleinen Lady und der Königin dient, ist nichts dagegen einzuwenden, oder? Sailor Pluto weiß jedenfalls, was sie der Königin mitteilen muss.
Kleine Lady versucht so gut wie möglich, die Wut und die Traurigkeit zu unterdrücken, doch beim Abendessen kann sie sich nicht mehr zurückhalten.
Wieder sitzt Seiya auf dem Platz des Königs und unterhält sich mit ihrer Mutter, der es anscheinend schon viel besser geht, bis die anderen kommen.
Serenity und Kleine Lady stehen auf und warten bis sich alle gesetzt haben. Als Kleine Lady sich wieder setzen will, fällt ihr der Blick von Seiya auf und sie zischt: „Kannst du dich nicht woanders hinsetzen? Das ist schließlich der Platz des Königs!"
Serenity sieht ihre Tochter streng an und verlangt von ihr, sich bei Seiya zu entschuldigen, da fährt diese hoch und zeigt wütend auf den jungen Mann.
„Nein! Ich werde mich nicht entschuldigen! Er sitzt auf dem Platz des Königs, auf dem Platz von Papa!"
Serenity versucht, die Kleine Lady zu beruhigen, indem sie ihr die Hand auf den Arm legt und leise flüstert: „Beruhige dich. Er ist ein Gast und Gästen gegenüber verhält man sich nicht so. Was ist denn plötzlich los mit dir? Er ist ein guter Freund und hat ein Recht darauf, in meiner Nähe zu sitzen, Papa hätte das bestimmt auch so gewollt!"
Doch die erhoffte Wirkung schlägt fehl. „Papa hätte das bestimmt nicht gewollt! Und es gehört sich nicht! Ich will, dass sie verschwinden! Ich will, dass ER verschwindet!" Kleine Lady funkelt Seiya böse an und hat Tränen in den Augen. Er macht Anstalten, aufzustehen, doch Serenity hält ihn zurück: „Du bleibst sitzen! Kleine Lady, ich verlange von dir, dass du dich bei ihm entschuldigst! Sofort!"
„Nein, niemals!"
„Kleine Lady, sie sind gute Freunde und sie sind gekommen, um uns zu helfen! Verstehst du das nicht?"
„Sie vielleicht, aber er nicht! Wir würden es auch ohne sie schaffen, und ohne ihn! Er ist gekommen, weil er dich sehen wollte, weil... weil er dich liebt!" –Ein Schlag, dann herrscht Stille. Alle schauen sie zur Königsfamilie, die sich einerseits böse, andererseits traurig anstarrt.
Dann das Einatmen der Königin und das leise Schluchzen der Prinzessin. „Ich möchte so etwas nie wieder aus deinem Mund hören, haben wir uns verstanden!", flüstert Serenity gepresst, dann dreht sie sich um und geht hinaus.
Wenige Augenblicke später läuft die Prinzessin weinend auf ihr Zimmer.
Vor dem Schlafengehen geht die Kleine Lady zu ihrer Mutter und entschuldigt sich bei ihr.
„Es tut mir Leid, dass ich so etwas gesagt habe, Mama."
„Du musst dich nicht bei mir entschuldigen, sondern bei Seiya! Er wird sehr verletzt sein, auch wenn er es nicht zeigt."
„Woher weißt du das?"
„Weil ich ihn gut kenne. Und ich kenne dich ebenfalls und weiß, dass du nicht selbst darauf gekommen sein kannst, so etwas zu sagen."
„Doch! Ich habe es mir selbst gedacht, so wie er dich anschaut! Aber ich hab nur mit Puu darüber geredet und sie hat gesagt, er möge dich sehr!"
„Sie hat dir aber auch gesagt, dass du so etwas nie in der Öffentlichkeit sagen darfst, oder?"
„Hat sie es dir also doch erzählt?"
„Ja und ich bin froh, dass du einsiehst, dass du einen Fehler gemacht hast. Du wirst deinem Namen immer gerechter, Kleine Lady Serenity."
„Ja, Mama. Ich werde mich auch gleich morgen bei ihm entschuldigen, ja?"
„Tu das, denn heute ist es schon zu spät."
Vorsichtig streicht Serenity ihrer Tochter über die gerötete Wange. „Es tut mir auch Leid, Kleine Lady, dass ich dich geschlagen habe."
Kleine Lady macht einen Knicks und gibt ihrer Mutter einen Kuss, dann geht sie schlafen.
Wie jeden Abend mach Serenity ihren Spaziergang durch den Palast, wünscht jeder Senshi eine gute Nacht. Im Empfangssaal trifft sie auf Seiya und Sailor Venus.
„Geht es dir besser, Serenity?", erkundigt sich Sailor Venus sofort.
„Danke, es geht. Seiya, es tut mir Leid, wie Kleine Lady sich benommen hat. Sie ist manchmal etwas schwierig, aber das war ich auch, wahrscheinlich hat sie es daher."
Seiya lächelt, Sailor Venus verabschiedet sich leise, denn sie weiß, dass die beiden mehr verbindet, als sie zugeben wollen.
Serenity und Seiya gehen gemeinsam durch den Palast.
„Und das machst du jeden Abend? Wird das nicht langweilig?", will Seiya wissen.
Serenity lacht und schüttelt den Kopf. „Nein, es ist immer wieder aufregend, zu sehen, was man in sechs Jahren alles schaffen kann..." Sie wird ernster. „Seiya, ich glaube, das Chaos hat es diesmal nicht auf die Sternenkristalle abgesehen, sondern auf mich... Verstehst du, es will mir alles nehmen, bis ich mich ihm stellen muss und dann ist min Leid so groß, dass es mich spielend besiegen kann."
Seiya geht still neben ihr her.
„Luna und Artemis haben feindliche Atmosphären in der Nähe des Palastes entdeckt, warum greifen sie nicht an? Warten sie einen bestimmten Zeitpunkt ab? Wollen sie uns nachts überfallen? –Seiya, ich habe eine Bitte!"
Sie waren vor dem Schlafzimmer von Serenity angekommen. Sie stehen sich gegenüber, aber sie sieht ihn nicht an. Leichte Röte überzieht ihr Gesicht.
„Seiya, ich habe Angst! Ich habe Angst, ganz allein in diesem großen Raum zu sein! Kannst du nicht diese Nacht bei mir schlafen?"
Seiya versteht nicht richtig, ist aber doch etwas verunsichert und meint: „Ich habe in deinem Zimmer keinerlei Sofa oder zweites Bett gesehen, wo soll ich denn da schlafen?"
Jetzt schaut sie ihn an, ernst und ehrlich, er schluckt. „Nein, das habe ich auch nicht. Du müsstest schon in meinem Bett schlafen, aber es ist ja groß genug, dass locker noch zwei weitere Personen dazukommen könnten!"
„Du meinst also, ich soll mit dir in einem Bett schlafen?"
Serenity nickt.
„Also, äh,... Nein...das kann ich doch nicht machen... Ich meine, ich... du bist verheiratet und... die Bediensteten...also..." Er bricht ab und schaut sie verlegen an. „Das kann ich nicht."
Sie würde ihm jetzt so gerne über die Wange streichen und ihn beruhigen. „Du fühlst immer noch so, nicht wahr? Aber du brauchst keine Angst zu haben, ich will ja nur, dass du auf mich aufpasst, mehr nicht! Einverstanden?" (jetzt war er in derselben Lage wie sie in der Disco und denkt was völlig falsches...g)
Seiya zuckt mit den Schultern und lässt sich von Serenity durch die Tür ziehen.
„Dort hinten kannst du dich umziehen; ich muss noch mal raus! Schlaf schön!" Dann verschwindet sie.
Serenity geht hinaus in den verglasten Park und wartet. „Vielleicht war es doch ein Fehler?"
Hinter ihr raschelt es und sie dreht sich um. Vor ihr kniet Sailor Pluto. „Hoheit, Ihr wolltet mich sprechen?"
„Pluto, sag, meinst du, wir können das Chaos auch dieses Mal besiegen? Es ist mächtiger geworden, der König ist verschwunden und es gibt soviel mehr zu beschützen."
„Königin Serenity, wenn ich etwas sagen darf: Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen werden! Ich bitte um Verzeihung, dass ich nicht aufpasste, als das Chaos eindrang..."
„Du musst dich nicht entschuldigen, Pluto, denn ich bin mir sicher, dass das Chaos schon viel früher hierher gekommen war! Es ist an uns allen, den Feind zu vernichten."
„Natürlich! Ich habe verstanden, Hoheit!"
„Schlaf gut, Pluto!" Serenity wendet sich ab und steigt die Treppen hinauf.
„Ihr auch, Königin Serenity!"
Seiya kann nicht schlafen, doch als Serenity den Raum betritt schließt er die Augen.
Serenity tritt hinter den Paravent und zieht sich um, die Verbände muss sie noch immer tragen. Neben ihrem Kleid liegen das Jackett und das Hemd von Seiya.
Leise legt sie sich neben Seiya ins Bett, nimmt bewusst Abstand. Lächelnd betrachtet sie ihn: er sieht immer noch so gut aus, wie früher. Auf seinem nackten Oberkörper liegt seine Kette mit dem Verwandlungsstern und der Feder. Er sieht aus wie ein kleines Kind, mit dem halboffenen Mund.
„Gute Nacht, Seiya! Ich weiß, dass du noch nicht schläfst!"
Er grinst und wünscht dasselbe zurück.
Serenity versucht zu schlafen, doch sie findet einfach nicht zur Ruhe, denn bald darauf steht sie wieder auf und tritt auf den Balkon.
Schon einmal lag sie neben diesem Mann und konnte nicht einschlafen! Schon einmal lag er in ihrem Bett, als Mamoru nicht bei ihr war!
Sie sieht durch das Kristalldach und nimmt das Licht des Mondes und der Sterne in sich auf.
„Mamoru, wo bist du? Immer, wenn ich dich brauche, bist du nicht da! Was soll nur aus uns werden? Aus der Kleinen Lady? Wir sind zu schwach, um das Chaos zu besiegen, deshalb sind die Star Lights gekommen. Seiya ist furchtbar nett und meine Gefühle geraten wieder ins Wanken... Ich habe Angst, dass sich meine Gefühle für ihn ändern, so wie damals... Mamoru, ich vermisse dich so sehr..."
Tränen steigen in ihre Augen und als sie Schritte hinter sich hört, wischt Serenity sie schnell weg.
Traurig lässt sie sich auf die Bank fallen und spürt, wie Seiya ihr tröstend den Arm um ihre Schultern legt.
„Hör auf zu weinen, es wird alles wieder gut! Reiß dich doch zusammen, sonst machst du es uns allen nur noch schwerer!"
Serenity horcht auf. „Seiya? Du bist traurig, nicht wahr? Wegen mir, weil ich immer unglücklich bin, wenn du hier bist. Weil du es nicht schaffst, mich zum Lachen zu bringen!"
„Schätzchen, ich..."
Die Versuchung ist groß, sich jetzt einfach in seine Arme zu werfen und diese schöne Wärme zu spüren. Doch Serenity weiß, dass sie das nicht zulassen darf. Sie steht auf und geht zur Tür, aufrecht und lächelnd dreht sie sich zu ihm um.
„Seiya... Ich habe gelernt, dass ich Würde und Ehre zeigen muss, auch wenn es noch so schwer ist. Meine Mutter, die Göttin des Mondes, hat es mir beigebracht und ich werde es versuchen, so gut ich kann! Sie hat mich gelehrt, dass ich stolz darauf sein kann, für das Gute eintreten zu können und so viele liebe Menschen um mich herum zu haben. Ich werde es durchstehen, so wie ich alle anderen Schlachten auch durchgestanden habe, damit die Menschen eine schöne Zukunft haben können. Menschen wie die Bewohner dieses Universums; Menschen wie meine Tochter und der König; Menschen wie meine Freunde, die immer hinter mir stehen; Menschen wie du und ich!"
„Serenity..."
Lachend sieht sie ihn an. „Und nun komm! Es ist spät und morgen ist ein langer Tag!"
Sie gibt ihm einen Kuss auf die Wange und geht wieder hinein.
Als er sich neben sie gelegt hat (mit genug Abstand versteht sich), flüstert sie noch: „Seiya, bitte nenn mich Bunny, wenn wir alleine sind; so wie früher!"
Außer dem König nennt sie jetzt keiner mehr „Bunny".
Fortsetzung folgt...
