Anmerkung von Tasha: Im Vergleich zu den vorigen Kapiteln ein wenig länger. Ob es so weitergeht,... wer weiß! Viel Spaß beim Lesen und ich hoffe auf Rückmeldungen von euch.


Schäumend vor Wut trat Terror ein paar Schritte zurück, bis er neben dem alten Herrensessel, aus dem sich noch vor kurzem der Geist von Snapes Vater erhoben hatte, stand. Während bei den Ordensmitgliedern eine in dieser Situation fast ungesunde Zuversichtlichkeit zu spüren war, blieb Severus bis in den kleinsten Muskel angespannt, bereit jederzeit zu reagieren. Er gestand sich ein, beunruhigt zu sein.

‚Werwölfe, mein Vater, der dunkle Lord – alles Dinge, mit denen ich gerechnet habe.', dachte Snape. ‚Aber was kann jetzt noch kommen?'

Die Tatsache, dass er jetzt unvorbereitet war und deshalb keine perfekte Reaktionsmöglichkeit hatte, machte ihn mehr als nervös. Pure Improvisation lag ihm eigentlich überhaupt nicht.

"Kaum zu glauben...", murrte Terror, "...und dabei hast du doch so viele Feinde, Severus. Tja, Feinde..."

Aus der Betonung dieses letzten Wortes wurde Snape nicht schlau und er erwartete jeden Moment einen Angriff aus einer unvorhersehbaren Richtung, doch anstelle eines Schlages ertönte eine bekannte Stimme in seinem Rücken.

"Ja, wenn man der personifizierte Feind ist, kann man auch nur Feinde haben. Das ist ganz logisch."

Snape fuhr herum und sein Blick fiel auf Hermine Granger, die plötzlich wie aus dem Nichts neben den Mitgliedern des Ordens aufgetaucht war.

"Miss Granger?", fragte Snape etwas ungläubig.

"Oh ja, bleiben Sie ruhig dabei, Ihre Schüler nie beim Vornamen zu nennen, das macht das Ganze ja so viel einfacher."

Die Stimme der ansonsten so wissbegierigen Schülerin wies eine ungekannte Schärfe auf.

"Wovon sprechen Sie?"

"Wovon?"

Ebenfalls wie aus dem Nichts stand plötzlich Ron Weasley neben ihr.

"Sie spricht davon, dass es doch viel einfacher ist, irgendeine Miss oder einen Mr So-und-so zu töten als eine Person mit einem Vornamen."

"Das ist doch völlig abstruß!", wies Snape die Vorwürfe der Gryffindorschüler ab.

"Ach ja?", fragte Hermine Granger. "Sie wussten doch immer perfekt Bescheid und trotzdem musste Cedric Diggory sterben."

"Davon wusste ich nichts."

"Aber sicher nicht!", höhnte nun mit gänzlich fremder Stimme Ron Weasley. "Sie haben Ihren alten Gefährten Barty Crouch doch garantiert gleich erkannt, Sie wussten, was er vorhat und Sie haben zugesehen."

"Das stimmt nicht!"

Snapes Stimme wurde lauter, als wolle er versuchen, die Vorwürfe zu übertönen.

"Genauso wie Sie zugesehen haben, wie etliche von uns in den Bann von Sie-wissen-schon-wem gerieten und ihm dienen oder für ihn sterben mussten."

Erneut starrte Snape in Richtung der Stimmen. Nun stand auch Draco Malfoy da und deutete anklagend auf ihn.

"Sie haben uns in seine Klauen getrieben.", urteilte der junge Slytherin. "Sie haben uns missbraucht, um bei IHM an Ansehen zu gewinnen."

"Das ist nicht wahr!", rief Snape und schüttelte abweisend den Kopf. "Ich habe immer versucht, euch zu beschützen. Ich wollte nie, dass ihr diese Hölle durchleben müsst!"

"Herzlichen Glückwunsch!", spottete Malfoy junior. "Sie haben es geschafft, auch in diesem Punkt zu versagen und haben etliche von uns in den Tod geschickt. Crabbe, Goyle, soll ich weitermachen?"

Wie von einer Peitsche getroffen, zuckte Snape zusammen und kniff die Augen zu. Er hatte sehr viele seiner Slytherins im Zuge des Krieges verlieren müssen. Zu wenige (wie Malfoy) hatte er aus dem Einfluss ihrer Familien reißen und sie so schützen können. Keinen hatte er verlieren wollen, aber zu viele hatten sterben müssen...

"Aber das ist ja kein Wunder, im Opfern warst du ja schon immer gut, Severus."

Noch ehe er es kontrollieren konnte, hatte Snape zur Seite geblickt, um dieser Frauenstimme zu folgen. Voller Schrecken wich er zwei Schritte zurück; weg von der Wand, vor der mit hasserfüllten Blicken Sirius Black, James und Lily Potter standen.

"Du hättest Dumbledore warnen können.", behauptete James Potter. "Du wusstest, was Voldemort vorhatte. Aber es war wichtiger, dass diese schwachsinnige Prophezeihung erfüllt wird. Dafür opfert man doch locker zwei Menschenleben."

"Aber ich wusste nicht..."

"Und nicht nur das!", unterbrach Lily Potter Snape, dessen Stimme schon wesentlich leiser geworden war. "Nicht nur, dass du zwei Menschen geopfert hast, du hast auch ohne mit der Wimper zu zucken einem unschuldigen Kind die Eltern genommen. Harry hatte nie Eltern, in der Muggel-Hölle hat er aufwachsen müssen und das ist alles ganz allein deine Schuld!"

Snape konnte nur einen weiteren Schritt vor dem anklagenden Zeigefinger zurückweichen und hilflos den Kopf schütteln.

"Und als ob das nicht reicht, konntest du nicht mal auf ihn aufpassen!", mischte sich nun Sirius Black ein. "Wenn du ihn nicht mit dieser Umbridge in den Wald gelassen und ihn in Hogwarts behalten hättest, dann hätten wir ihm nicht folgen und ich im Kampf nicht sterben müssen. Aber auch hier hast du wieder eine Glanzleistung in Versagen-auf-der-ganzen-Linie hingelegt, Snivellus."

"Das wäre nicht passiert, wenn du auf mich gehört hättest und im Hauptquartier geblieben wärst!", verteidigte sich Snape, dem die Wut über seinen verhassten Schulspitznamen wieder ein bißchen Kraft gegeben hatte.

"Und mein geliebtes Patenkind in den sicheren Tod rennen lasse?", konterte Black. "Du hast wirklich keine Ahnung von Familienbande."

"Woher auch?"

Erneut schreckte Snape herum. Diese Stimme hatte er heute schon einmal gehört...

"Schließlich hat er uns auch als Opfer geduldet."

"Mutter, ich..."

"Bleib mir fern!", wies sie ihn grob ab. "Dein Vater mag uns zu Tode geprügelt haben, aber du hast zugesehen."

"Was hätte ich denn tun sollen?", fragte Snape der Verzwiflung nahe. "Ich meine, wie hätte ich..."

"Es gibt immer einen Weg. Das Problem war nur: Wir waren dir egal."

Aus dem Schatten der Mutter trat ein junges, dunkelhaariges Mädchen hervor. Snape glaubte, das Blut würde ihm in den Adern gefrieren; dies war seine jüngere Schwester Elisabeth. Der Vater hatte sie mit 10 Jahren vor den Augen des Sohnes von einer der Schlossmauern in die Tiefe gestoßen und sie so getötet.

"Liz, das ist nicht wahr!", beteuerte er kopfschüttelnd. "Ihr seid mir nicht egal und seid es auch nie gewesen. Ihr seid doch das Wertvollste, was ich je hatte. Bitte, Mutter, Liz, glaubt mir!"

"So? Waren sie das? Und ich? Was war ich?"

Snape wandte sich Richtung Orden. In ihrer Mitte stand, so plötzlich wie auch alle anderen aufgetaucht waren, eine junge Frau mit engelsgleichen blonden Locken und blauen Augen. Gehüllt in einen dunkelblauen Umhang stand sie dort und starrte ihn anklagend an. Es war der gleiche Blick, den Snape jedes Mal in seinen schrecklichsten Träumen sah, wenn sich ihr letzter Moment vor seinen Augen abspielte. Diese Frau war Diana Swan, die einzige Frau, die er je von ganzem Herzen geliebt hatte.

"Diana, ich... ich konnte es nicht verhindern. Bitte, du musst mir glauben!"

"Du warst da, Severus, du warst dabei und du hast zugesehen!"

Mit diesen Worten warf sie den Umhang ab. Das weiße Gewand, welches sie darunter trug, war am Bauch dunkelrot gefärbt und zeigte eine grausame, klaffende Wunde. Voldemort persönlich hatte sie ihr zugefügt und Todesser hatten Diana dann noch solange mit Flüchen und Tritten traktiert, bis sie schließlich tot war. Diana hatte Recht, Snape war dabei gewesen, doch ihm war von seinen "Auftraggebern" eingeschärft worden, er dürfe seine Spionagetätigkeit auf keinen Fall auffliegen lassen. Was auch immer das bedeuten sollte.

"Sie es dir an, Severus!", verlangte Diana, als Snape den Kopf wegdrehte. "Es ist dein Werk."

"Nein!"

Snape senkte den Kopf, kniff die Augen zusammen und presste sich die Hände an die Ohren. Er wollte sie alle nicht sehen, er wollte diese Vorwürfe nicht hören. Plötzlich traf ein Fluch seine Hand und riss Snape aus seiner kümmerlichen Schutzhaltung.

"Stellen Sie sich der Wahrheit wenigstens! Wenn Sie schon die Leben anderer Leute zerstören, dann stehen Sie wenigstens dazu!"

Keine Person war aus dem Nichts aufgetaucht, nun war es Harry Potter, der anklagend den Zauberstab auf Snape gerichtet hielt.

"So ist das, Harry.", erklärte dann Remus Lupin in einem gleichgültigen Tonfall. "So ist das, wenn man keine Freunde, kein Rückgrat und keine Persönlichkeit hat. Dann bleibt einem nur übrig, die Leben anderer zu zerstören, um sich nicht gänzlich minderwertig vorzukommen."

"Lupin, was... was soll das? Das ist nicht wahr und ihr wisst das!"

Panisch nach Hilfe suchend sah Snape die Mitglieder des Ordens an, doch egal, wen er ansah, es war immer der gleiche Blick: Verachtung, Anklage, Hass.

"Das könnt ihr doch nicht alle denken. Ich bitte euch, wofür haben wir denn gekämpft?"

Mit eindringlicher und doch von Entsetzen geprägter Stimme versuchte Snape wenigstens zu einem von seinen Gefährten vorzudringen, doch es geschah nichts.

"Tja, Severus, vielleicht war es ein Bauernopfer zuviel."

Mit von Abscheu versteinerter Miene trat Minerva McGonagall, die Person, der Snape nach Dumbledore am meisten vertraute, auf ihn zu. Obwohl er sich gern mit der Hauslehrerin Gryffindors stritt, war sie für ihn nach dem Tod seiner leiblichen Mutter doch wie eine Art Ersatzmutter, eine ältere, anleitende Frau geworden. Auch war sie die Einzige, bei der er sich je für sein Verhalten zu entschuldigen gewusst hatte. Dieser Blick voller Hass lähmte Snape komplett, machte ihn völlig bewegungsunfähig.

"Dabei warst du immer so ein guter Schachspieler.", bemerkte sie abfällig. "Du hättest wissen müssen, dass sich so viele Opfer irgendwann rächen. Nun heißt es für dich: Schachmatt."

Hinter McGonagall drohte alles zu verschwimmen, sodass Snape kurz blinzeln musste. Dann fügten sich hinter ihr Schatten zusammen, in deren Umrissen Snape seine weiteren Kollegen erkennen konnte. Sie sagten zwar nichts, doch auch ihre Schatten deuteten anklagend auf ihn.

"Glaubt mir denn hier keiner mehr?", schrie Snape nun völlig verzweifelt.

"Natürlich nicht. Warum auch?"

Snape fühlte sich, als hätte man ihm pure Eiseskälte in die Knochen gespritzt. Der Orden und auch die Schatten seiner Kollegen wichen zur Seite und an McGonagall vorbei trat Albus Dumbledore auf ihn zu.

"Albus,...nein..."

Die Worte von Snape waren fast nur noch ein Wimmern, dass er von sich gab, während er Schritt für Schritt zurückwich.

"Oh doch, Severus, ich muss dir doch die Wahrheit sagen.", antwortete Dumbledore mit einer Gefühllosigkeit, die nichts mehr mit dem gütigen Direktor von Hogwarts gemeinsam hatte. "Was hast du denn erwartet? Du hast uns alle verraten und dich Voldemort angeschlossen. Dann drohtest du deine Macht bei ihm zu verlieren, also hast du dich uns als Spion geboten und deine ehemaligen Kampfgefährten ans Messer geliefert. Wer sagt mir, dass dasselbe Spiel nicht auch hier wieder uns trifft?"

"Aber, Albus, du hast gesagt, du vertraust mir!"

Verzweifelt suchte Snape einen Funken des alten Dumbledore in diesen eiskalten Augen. Doch Dumbledore stieß nur einen

Lacher aus.

"Vertrauen? Sei doch mal ehrlich, Severus: Würdest du dir vertrauen? Jemandem, der seine Familie geopfert hat, seine Geliebte, unschuldige Schüler, die ihm anvertraut waren? Jemandem, der für einen Auftrag unschuldige Menschen sterben lässt? Jemandem, der jedem für die richtige Gegenleistung folgen würde? Würdest du?"

Nun stand Dumbledore so dicht vor ihm, dass ihre Gesichter kaum eine Hand breit voneinander getrennt waren und der Direktor nur noch flüstern musste:

"Ich nicht."

"NEIN!"

Snape sank auf die Knie und versuchte sich von allem um ihn herum abzuschirmen, doch das Stimmengewirr drag trotzdem zu ihm durch.

"Mörder!" – "Verräter!" – "Versager!" – "Opportunist!" – "Teufel!"

Snape war kurz davor, endgültig zusammenzubrechen, als er zwischen diesen peitschenden Vorwürfen ein unmenschliches Lachen hörte.

‚Terror!', schoss es ihm durch den Kopf.

Den Dämon hatte er völlig vergessen.

‚Das alles ist sein Werk. Aber er darf nicht gewinnen.'

Er nahm einen tiefen Atemzug und hob dann selbstsicher den Kopf.

"Sagt und denkt, was ihr wollt.", verkündete er mit einer Stimme, von deren Selbstsicherheit er selbst überrascht war. "Ich kann euch weder zwingen, mir zu glauben noch mir zu vertrauen, aber eines schwöre ich euch: Ich werde dafür sorgen, dass der dunkle Lord zu Grunde geht, egal was danach mit mir geschieht. Verurteilt mich für das, was ich getan habe, ich bin bereit, jede Strafe anzunehmen, aber zuerst muss der dunkle Lord besiegt werden, damit die Opfer, die ihr betrauert, nicht umsonst waren. Ich werde alles dafür geben, dem dunklen Lord die Vernichtung beizubringen, ihm..."

Snape wandte sich blitzschnell auf dem Absatz um.

"...ihm und dir!"

Mit funkelden Augen und felsenfester Haltung deutete Snape auf Terror und ignorierte die verstummten Ankläger in seinem Rücken. Terror starrte ihn fassungslos an und Snape hielt diesem Blick stand, bis ihn ein Wirbel von den Füßen riss.

"Severus?"

Snape blickte auf, sah Dumbledores Gesicht über und spürte dessen Arme um sich. Es waren wieder die gütigen, hellen Augen, die besorgt auf ihn niederblickten.

"Severus, was war mit dir?"

"Nicht wichtig.", murmelte Snape. "Es ist nur wichtig, dass wir alle einander vertrauen."

"Aber natürlich tun wir das.", stimmte Dumbledore verwirrt zu. "Aber was war los?"

"Zu lange Geschichte.", antwortete Snape, während Dumbledore und Lupin ihm wieder auf die Beine halfen. "Vielleicht wenn wir gesiegt haben..."