28. November

3. Maulwurf

Die letzten zwei Wochen hatte er in einem Zustand immer unerträglicher werdender Spannung verbracht. Zum ersten Mal in seinem Leben verfolgte er den Unterricht nur noch mit halbem Ohr, denn das bevorstehende Treffen füllte jeden Winkel seines Verstandes voll und ganz aus.

Er studierte mit noch größerem Eifer als sonst die Dunklen Künste, versank in Formeln und Flüche mit unvorstellbar grausigen Auswirkungen, um den „Dunklen Lord", wie Malfoy ihn nannte, mit seinen Fähigkeiten beeindrucken zu können. Er schlief kaum noch, und die Schatten unter seinen Augen wurden immer dunkler.

Außerdem ließ er seine Geschäfte schleifen, wodurch er sich den Unmut seiner Stammkundschaft zuzog.

Er verlangte höhere Preise als sonst, um die ganzen Kiffer (die auf sämtliche Häuser in Hogwarts verteilt waren) abzuschrecken und von sich fernzuhalten.

Seine Bemühungen nutzen zwar nicht sonderlich viel, aber wenigstens verdiente er ordentlich.

Von dem ersparten Geld hatte er sich im Versand eine Garnitur sündhaft teurer Seidenumhänge bestellt, denn er wollte in der Gesellschaft, die er anstrebte, nicht so schäbig wie sonst erscheinen. In dieser Hinsicht war sein Vater immer geizig gewesen, was Snape nicht selten zum Gespött der Schule gemacht hatte.

Es war halb fünf Uhr nachmittags und die trübe Wintersonne verschwand bereits hinter den Hügeln, als er aus dem Arithmantik-Klassenzimmer heraustrat.

Professor Integra, der Lehrer dieses Faches, hatte ihn nach dem Unterricht noch in ein Gespräch über magische Algorithmen verwickelt, da ihn die Lösungsansätze dieses hellen Kopfes regelrecht in Ekstase versetzten. Er tat Severus fast leid, denn der alte Mann begriff einfach nicht, dass die meisten nur gezwungenermaßen in seinem Unterricht saßen und sich über den kauzigen Kerl, der sich durch eine frappierende Ähnlichkeit mit einer Heuschrecke auszeichnete, nur lustig machten.

Er lief durch den langen, menschenleeren Flur im 3. Stock, nur die magischen Porträts Verstorbener gaben ihren Senf zu seinem verspäteten „Spaziergang" dazu.

„Was treibt der sich noch hier rum",

raunzte das Abbild eines griesgrämigen Zauberers mit spitzer Nase, dessen olivgrüner Hut ihm ständig über die Augen rutschte.

„Kämpfe, du räudiger Hund und stelle dich deinem Schicksal! Sir William Montgomery Cadogan, Earl von Shiring, fordert dich heraus…"

ertönte das schrille Quietschen eines Ritters auf einem bockigen Pony.

"Kennst du eigentlich die Auswirkungen von Alraunensaft auf Leinwand?"

unterbrach Snape den Monolog dieser untersetzten Witzfigur von einem Ritter. Verärgert beschleunigte er seinen Schritt, um wenigstens vor diesen ätzenden Gemälden seine Ruhe zu haben.

Plötzlich vernahm er ein Wispern schräg hinter seinem Rücken. Er drehte sich um und zog rasch seinen Zauberstab aus der Innentasche seines Umhangs.

„Jetzt sitzt du in der Falle, Snivellus",

sagte Sirius Black mit einer Stimme wie Samt und trat aus dem Schatten heraus. Snape sah das triumphierende Funkeln in seinen Augen, und fragte sich, was wohl an Unannehmlichkeiten auf ihn zukam. Die Sache mit Potter und der Rachedrohung hatte total vergessen, da sie ihn in letzter Zeit ignoriert und in Ruhe gelassen hatten. Er hätte es wissen müssen. Die würden so etwas wie die Beleidigung von Potters kleiner Schlammblutfreundin nie auf sich beruhen lassen.

Plötzlich spürte er einen dumpfen, kräftigen Schlag auf den Rücken, der ihn zu Boden fallen und mit der Nase gegen eine Statue von Boris dem Bekloppten knallen ließ. Ihm wurde schwindlig und er spürte, wie ein Rinnsal aus Blut aus seiner Nase an seinem Gesicht und Hals herunterlief. Es durchtränkte seinen Umhang, wodurch dieser sich ekelhaft klebrig anfühlte.

Er hörte das rattenhafte Gekicher Pettigrews und Potters höhnische Stimme:

„Hast du gedacht, du kommst mir so einfach davon? Diesmal ist Moony nicht hier, um mich davon abzuhalten, dir Manieren beizubringen, was deine Erzeuger wohl irgendwie nicht geschafft haben..."

Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, den Mund zu halten. Sicher, sie hätten ihn ein bisschen herumgeschubst, aber es hätte keine ernsteren Probleme gegeben, als ein paar blaue Flecken oder einen unangenehmen Fluch. Doch wie immer konnte Snape einfach nicht die Klappe halten.

„Wenigstens bin kein verweichlichter Loser ohne Rückgrat, der nicht in der Lage ist, sich als Schulsprecher durchzusetzten, wie euer pelziger Freund!"

raunzte er und spuckte ein bisschen Blut auf den steinernen Fuß der Statue.

Potter maß ihn mit einem Blick, in dem sich tiefste Verachtung mit kaltem Zorn vermischte und ließ Seile aus der Spitze seines Zauberstabes schießen, die sich straff um den Hals seines Feindes legten. Snape spürte seine Sinne schwinden, gleich würde er bewusstlos werden, dann wäre es wohl vorbei...

„Um Gottes Willen James, hör auf! Du bringst ihn ja um!"

schrie Black und packt seinen Freund am Arm.

Finite". Der Zauber war beendet.

„Warum hört ihr auf, er hätte es doch verdient",

maulte Wurmschwanz, der regelrecht enttäuscht warüber das vorzeitige Ende dieses vergnüglichen Schauspiels.

„An dem machen wir uns die Hände nicht schmutzig", sagte James beherrscht, „außerdem ist nachher um neun Party angesagt, schon vergessen?"

„Ja. Aber geht schon mal vor, ich glaub´, ich hab mein Verwandlungsbuch irgendwo im Saal liegen lassen, ich komm´ später nach, wenn ich es gefunden habe... „

murmelte Pettigrew und wandte sich in die entgegengesetzte Richtung.

„So was passiert dir ja ständig",

spöttelte Sirius und verschwand zusammen mit James in Richtung Gemeinschaftsraum, jedoch nicht, ohne noch einen letzten hämischen Blick auf die keuchende Gestalt auf dem Boden geworfen zu haben.

Snape beobachtete Pettigrew, und ihn überkam eine waghalsige Idee. Blitzschnell war er wieder auf den Beinen, in seinen Augen die Gier nach Vergeltung.

„Enervate!"

Der kleine Zauberspruch bewirkte, dass sich ein Riss in der Schultasche des unbeholfenen Jungen bildete, und der ganze Inhalt sich auf dem Boden verteilte.

Fluchend suchte er seine Sachen zusammen. Snape schlich sich von hinten an ihn heran, packte ihn an den mausgrauen Haaren und presste ihm eine kleine Phiole auf den Mund. Das Veritaserum rann Wurmschwanz die Kehle herunter, und obwohl er sich vorher heftig gewehrt hatte, entspannte sich sein Körper binnen Sekunden. Nachdem er ihn auf diese Weise gefügig gemacht hatte, drehte er Pettigrew zu sich um und blickte direkt in dessen schlammfarbene Augen.

„Wie lautet das Passwort für den Gemeinschaftsraum deines Hauses?"

fragte Severus.

„Grünkernsuppe"

antwortete sein Opfer ausdruckslos.

„So ist es brav. Oblivate."

Durch den Vergessenszauber schickte er Wurmschwanz für eine Weile ins Nirvana, und schleifte ihn in das nahe gelegene Kabuff des Hausmeisters. Er hoffte, dass dieser nicht auf die Idee kommen würde, dort noch einen Putzlappen oder Ähnliches herauszuholen.

Snape rupfte ihm noch ein paar Haare heraus, bevor er die Tür fest verschloss. In seinem „Labor" hatte er noch ein Fläschchen Vielsafttrank-Grundessenz, und diese würde er nutzen, um heute Abend ein wenig Spaß mit den Gryffindors zu haben.

„Ich glaube, heute Abend habe ich auch Lust auf ein bisschen Party. Mann gönnt sich ja sonst nichts",

dachte er mit einem diabolischen Grinsen auf den Lippen und machte sich auf den Weg in die Kerker.

Ps. So, das ist mein drittes Kapitel, ich hoffe, es gefällt euch. Die Story geht ziemlich langsam voran, aber ich versuche, meine Geschichte möglichst schlüssig und logisch zu erzählen, deshalb sind die Beschreibungen ziemlich detailliert.

Über Feedback freue ich mich immer ;)