4. Deus ex Machina

Während die Dunkelheit die letzten fahlen Lichtstrahlen des Tages geschluckt und die Flure des Schlosses in ein Meer aus kriechenden Schatten verwandelt hatte, hatte Severus die benötigten Utensilien für sein Vorhaben aus seinem Versteck geholt. Einmal wäre er beinahe Professor McGonnagall in die Arme gelaufen, konnte sich jedoch noch rechtzeitig in einem leeren Klassenzimmer verstecken.

Außerdem schwirrte der Blutige Baron durch die Flure, (wahrscheinlich hatte Peeves, der Poltergeist, wieder irgend etwas angestellt) was die Angelegenheit auch nicht gerade vereinfachte, denn der Hausgeist von Slytherin war eine eher unangenehme Erscheinung.

Aber wie durch ein Wunder hatte er es trotzdem ohne Probleme geschafft.

Snape hatte die Befürchtung gehegt, dass die Rumtreiber ihr Schoßhündchen vermissen und Verdacht schöpfen würden. Beim Abendessen in der Großen Halle schien er ihnen offensichtlich nicht zu fehlen, denn die drei spachtelten munter und mit großem Appetit ihre Spaghetti Bolognese.

Potter versuchte Evans zu beeindrucken, indem er eine Nudel der Länge nach herunterschluckte, ohne sie zu zerkauen, nur um sie dann wieder vollständig aus seinem Hals herauszuziehen. Nein, diese einfältigen Trottel ahnten sicher nichts, dachte er, während er die sich ausgelassen unterhaltende Gruppe mit einem Anflug Neid beobachtete.

Wie kann man so was nur lustig finden?",

fragte er sich und stocherte lustlos in seinen Nudeln herum.

Ein dickliches, aber dennoch recht hübsches Mädchen mit blonden Locken schlenderte vom Ravenclaw-Tisch herüber, beugte sich über ihn, als wolle sie sich den Salzstreuer nehmen und flüsterte:

„Hast du nicht noch ein bisschen von diesem grünen Zeugs für mich? Das hat echt geil reingehauen, das ist viel besser als alles, was ich..."

„Hast du sie nicht alle?" unterbrach er sie wütend, ohne sie anzusehen, „Mach das du wegkommst, meine Vorräte sind sowieso leer!"

Unvermittelt legte sie ihm ihre rosige, weiche Hand auf die Schulter und ihr Mund war auf einmal sehr nahe an seinem Ohr. Eindeutig zu nah für seinen Geschmack.

„Komm schon," hauchte sie, „ich weiß genau, dass du noch was hast, wir könnten doch auch zusammen ein bisschen Spaß haben..."

Mit einer heftigen Bewegung schob er sie unsanft von sich weg. Er funkelte sie zornig mit seinen tintenschwarzen Augen an und knurrte:

„Nur über meine Leiche! Und jetzt hau ab, schmier dir ein Butterbrot und hör auf, meine Zeit zu verschwenden!"

Das Mädchen sah ihn verletzt an, murmelte etwas, das sich wie „arroganter Arsch" anhörte und stolzierte hocherhobenem Hauptes zu ihrem Tisch zurück.

Als er wieder zum Gryffindor-Tisch herüber sah, stellte er fest, dass seine potentiellen Opfer schon gegangen waren. Er erhob sich unter den neugierigen, teils amüsierten Blicken seiner Tischnachbarn und machte sich auf in den zweiten Stock, wo er glaubte, dass sich der Gryffindor-Gemeinschaftsraum befand.

Er hatte das Porträt der Fetten Dame entdeckt, jetzt musste er sich nur noch einen Ort für die Verwandlung suchen. Er erblickte die Mädchentoilette, an deren Tür das Schild „Defekt" hing. Zögernd sah er sich um und schlüpfte in den Waschraum, der ihm äußerst trostlos vorkam. Einige Klos waren übergelaufen und er hörte ein hohes Wimmern, das seltsamerweise aus dem Wasserhahn zu kommen schien. Achselzuckend verschwand er in einer Kabine und schloss die Tür.

Er holte die Grundessenz aus einer Tasche seines Umhangs, klaubte Pettigrews Haare aus der anderen und ließ sie vorsichtig in das Fläschchen gleiten. Die vorher braune Flüssigkeit brodelte und nahm eine unappetitliche senfgelbe Farbe an.

„Na dann, Prost...",

murmelte er, setzte die setzte die Flasche an seine Lippen und schluckte den Inhalt, wobei er einen heftigen Würgereiz unterdrücken musste. Während er noch mit dem widerlichen Geschmack (der ihn an ungewaschene Socken denken ließ) kämpfte, setzte die Wirkung des Trankes ein:

Er spürte wie seine Eingeweide sich verknoteten und seine Haut fühlte sich an, als sei sie eine Nummer zu klein. Sein Körper schrumpfte und wurde gleichzeitig dicker, nur seine Füße wurden immer größer und brachten fast seine Schuhe zum Platzen.

Er hatte es geschafft. Mit einem Raffungszauber kürzte er seine Kleidung und vergrößerte seine Schuhe.

Er trat aus der Kabine und besah sich im Spiegel. Ein skeptisch dreinblickender Peter Pettigrew sah ihn an, der prüfend sein rundes Gesicht und den dünnen, mausgrauen Haarschopf berührte.

Sehr zufrieden verließ er den Raum, ohne auf das Gejammer zu achten und hörte eine ihm vertraute und verhasste Stimme.

„Hey, Wurmschwanz, was treibst du denn im Mädchenklo?",

rief Lupin grinsend und patschte ihm auf die Schulter. "Suchst du etwa dort dein Buch, oder willst du nur wieder unter den Kabinen durchgucken?"

„Ich...äh...dachte, ich hätte da jemanden schreien gehört...",

stammelte Snape entschuldigend und versuchte sich so zu geben wie Wurmschwanz, indem er dessen watschelnden Gang imitierte.

„Jaja, du wolltest bloß mit Myrthe flirten, gib´s zu...Grünkernsuppe",

sagte sein „Freund" vergnügt und sie traten durch das aufgeklappte Bild.

Zum ersten Mal sah er den Gemeinschaftsraum von innen. Die roten Ohrensessel und die schönen Eichenholztische waren voll mit ausgelassen feiernden Schülern. Es gab unzählige Flaschen Butterbier und diverse Leckereien, die vermutlich aus der Küche von den Hauselfen stammten. Der verkappte Werwolf, (Lupins Geheimnis hatte er unfreiwillig im letzten Jahr gelüftet) führte ihn zu einer gemütlichen Sitzecke, wo auch Potter, seine Freundin und Black mit irgendeinem Mädchen saßen, das Severus nicht kannte.

„Na, Alter, wo hast du denn so lang gesteckt?",

fragte Sirius und warf ihm eine Flasche Butterbier zu. Er ergriff sie geschickt und James hob die Augenbrauen, offensichtlich hatte er nicht erwartet, dass sein tollpatschiger Freund sie auffangen könnte.

„Ach, ich hab überall gesucht, aber ich hab´s nicht gefunden. Muss wohl irgendwer eingesteckt haben.",

antwortete er möglichst lässig.

„Typisch!" ,

sagte Potter grinsend, wandte sich seiner rothaarigen Schlammblutfreundin zu und die beiden knutschten geräuschvoll herum.

Black strich sich elegant eine Haarsträhne zurück und fing an, von irgendeinem Plan zu reden:

„Wir müssen uns dann am Samstag beeilen, um den Fahrenden Ritter zu bestellen, damit uns niemand erwischt, wir wollen schließlich kein Aufsehen erregen... am allerwenigsten können wir diesen schleimigen, fettigen Snivellus gebrauchen..."

„Was hat er eigentlich gemacht, als ihr mit ihm fertig wart?", fragte Lupin streng, der bei der Aktion am Nachmittag gar nicht dabei gewesen war.

„Och, der hat sich gleich verzogen,"

sagte Snape hastig, um von diesem Thema abzulenken. Als Lupin zu einer „Lasst-doch-den-komischen-Kauz-endlich-in Ruhe-Moralpredigt ansetzte, erhob Snape sich und bewegte sich unauffällig in Richtung des Essens.

„Wurmschwanz, der alte Nimmersatt!",

giggelte Lily Evans und rief ihm hinterher:

„Bring mir noch ein Eclair mit, ja?"

„Mit Vergnügen!",

flötete er. Er würde ihr das Eclair ihres Lebens servieren. Unauffällig öffnete er unter seinem Umhang ein Fläschchen mit ganz speziellem Inhalt:

Hochkonzentrierte flüssige Extrakte der digitalis purpurea, Rotem Fingerhut, gemischt mit der Essenz aus den Fliegenpilzen. Er hatte diese spezielle Mischung zwar noch nicht ausgetestet (meistens mussten die Schuleulen für derlei Experimente herhalten), aber er war sich sicher, dass sie extrem schnell einen starken Rauschzustand erzeugen würden. Er beträufelte schnell sämtliche sich auf dem Tisch befindlichen Nahrungsmittel und offene Getränke, und ganz besonders sorgfältig die Eclairs, von denen er eines nahm und es Potters Freundin in die Hand drückte, die ihn dankbar anlächelte.

Er lehnte sich zurück und wartete, er hatte ja noch eine halbe Stunde Zeit, um sich das Spektakel anzusehen. Nach etwa einer Viertelstunde begann sein Plan aufzugehen. Das Schlammblut hatte inzwischen Pupillen, so groß sie Galleonen und starrte grinsend in die Luft, als sähe sie dort etwas ganz besonders Schönes. Potter sah sie besorgt an. Dann begannen Black und Lupin sich im Raum umzusehen, wo sich die Schüler äußerst merkwürdig verhielten, auf Tische stiegen, herumgrölten, seltsam herumgestikulierten oder scheel glotzend herumsaßen beziehungsweise lagen.

„Was zum Henker ist hier los",

fragte Black, der inzwischen aufgestanden war.

Plötzlich merkte Snape, wie die Wirkung des Trankes nachließ. Seine Nase war schon merklich länger geworden und er fühlte sich irgendwie schlanker als vorher

„Ich muss kurz weg",

murmelte er hastig und kämpfte sich durch die durchgedrehte, chaotische Masse in Richtung Ausgang. Beinahe wäre er auf einer beträchtlichen Lache frischem Erbrochenem ausgerutscht, konnte sich aber noch an einem Stuhl festhalten, auf dem ein Junge saß, der sich scheinbar mit einer Halluzination von seiner Großmutter unterhielt.

Er trat aus dem Porträtloch zurück in den Flur und rannte so schnell er konnte zu seinem Gemeinschaftsraum in den Kerkern. Dort angekommen ließ er sich auf den nächstbesten Stuhl fallen.

Er, Severus Snape, verhöhnt und verspottet, unbeliebt und einsam, eine Niete im Quiddich, hatte die promethische Tat begangen und ohne Hilfe seine Widersacher sabotiert.

Er freute sich sehr auf das kommende Wochendene.

Ps. So, das wäre das vierte Kapitel. Hier ist Snape so richtig fies, ich hoffe es gefällt euch. Please R&R!