Kapitel 1 – Neuanfang
Hauptsitz Nankam Aeronatical – 14.40 Uhr, 13. August 2370, Vega-System, Vega III
„Komm schon Dad, nur einen Monat, länger nicht!" Steven Nankam saß lässig im bequemen Stuhl vor dem Schreibtisch seines Vaters, Unternehmensgründer- und leiter von Nankam Aeronautical. Sein Vater, ein gut gebauter, typisch europäisch aussehend Hüne, paffte gemütlich in seinem Stuhl sitzend mit der linken Hand eine Zigarre. Eine Angewohnheit, die es auch im Jahre 2370 noch gab.
Sein Blick wanderte über verschiedene Terminpläne auf dem Display seines Tischmonitors. Was sein Sohn da von ihm wollte war fast unmöglich!
„Steven, ich habs dir doch schon gesagt, mehr als 2 Wochen sind nicht drin. Ich hab hier noch andere in der Warteschlange, soll ich die einfach raus hauen? Gerade jetzt, nach dem Krieg haben wir massenweise neue Aufträge von der GTVA reinbekommen!"
„In 2 Wochen werden wir mit dem Umbau aber nicht fertig, das weißt du genau. Bitte Dad, versuchs doch wenigtens mal, da muss sich doch was machen lassen!" Normalerweise würde er nie so bettelnd zu jemandem sprechen, nicht mal zu seinem Vater, dafür war er zu stolz. Doch dieser spezielle Fall verlangt spezielle Methoden. Deswegen, und nur deswegen, schaute er seinen Vater jetzt schon fast mit einer Art treuaugigem Hundeblick an, um sein Ziel zu erreichen.
„Du bist schließlich der Chef von Nankam, also kannst du alles, was du willst!" fügte er noch an.
Mason Nankam fuhr mit dem Finger mehrmals über das Display auf seinem Tisch, verschob ein paar Termine nach hier, andere nach da.
„Tus für mich, Dad. Du weißt, was das für mich bedeutet."
„Man, diese Hartnäckigkeit hast du echt von mir. Na gut, 1 Monat, keine Pikosekunde länger! Es sieht so aus, also ob ich das hinbekomme. Aber wenn ich mit dem Finger schnippe und ihr schon länger als 2 Wochen drin seit, verschwindet ihr, aber Pronto!" Er lehnte sich grinsend zurück und genoss das strahlende Gesicht seines Sohnes, der vor Freude gleich aufsprang und ihn drückte. Er würde natürlich versuchen, ihm den Monat Zeit zu verschaffen, koste es, was es wolle. Es ist schließlich sein Sohn, um dessen Traum es hier geht.
„Sieh meine Unterstützung deines ‚Projektes' gleich als mein Geschenk zur bestandenen Ausbildung an." sagte er noch, Steven, stand schon auf dem halben Weg zur Zimmertür.
„Danke, vielen Dank. Manoman, wenn meine Freunde das erfahren, die werden platzen vor Freude!" schrie er jubelnd und total aufgeregt.
„Aber pass auf, das ihr nicht ZERplatzt!" warf ihm sein Vater noch ironisch hinterher, als die Tür hinter Steven zufuhr.
‚Mein Sohn…' dachte Mason und schaute durch das Panoramafenster nach draußen in den blauen, fast wolkenlosen Himmel. ‚Willst dich also wirklich da oben rumtreiben…'
Orbitale Schiffswerft Nankam IV – 13.30 Uhr, 14. August 2370, Vega-System, Vega III
Seine kleine Fähre war erst vor wenigen Minuten vom Raumhafen Kintei auf der Planetenoberfläche gestartet, befand sich nun aber schon im Anflug auf die orbitale Schiffswerft Nankam IV. Die Anlage war einfach gigantisch, er liebte solche Anflüge. Der mittlere Teil war geformt wie ein 8-eckiger Zylinder, vorne mit sichtbarer Andockschleuse in den Landebereich im Inneren, hinten eine Dockvorrichtung für größere Schiffe. An der von vorne gesehen linken Seite befanden sich 2 ebenso große Anbauten, die 2 Hauptschiffswerften, in denen Nankam die Hecate-Klasse für die GTVA herstellt. An der rechten Seite waren knapp 50 Werften für Jäger und Bomber untergebracht. Nach den erheblichen Verlusten der GTVA im 2. großen Krieg laufen hier fast alle Werften auf Hochtouren. Das kleine 4-Personenshuttle steuerte zielstrebig, wie an einer Schnur aufgefädelt die vordere, große Schleuse an und flog an den ihr vom Docking Control zugewiesenen Landeplatz. Steven genoss jedes Mal, wenn er in der größten Werft von Nankam den inneren Dockbereich sah, denn dieser war wirklich gigantisch groß, so viele Transporter, Frachter oder zivile Schiffe sah man nur selten auf einem Haufen. Die Fähre dockte mit einem leichten Ruck an einer Schleuse an und Steven bedankte sich beim Piloten für den ruhigen Flug.
Er lief zielstrebig durch den Ankunftsbereich auf einen der kleinen Hauptlifte zu und betrat ihn. Mit einer kleinen Sicherheitskarte, die er in einen Schlitz an der Wand steckte, befahl er dem Lift, sich in Sicherheitssektion 8 zu begeben. Nicht jeder auf der Station könnte auch in jede Sektion, dafür trägt jeder eben eine solche Sicherheitskarte, auf der die jeweiligen Befugnisse gespeichert sind.
„Sicherheitszone 8, Aussichtsraum 2."
Prompt setzte sich der Lift in Bewegung und schoss surrend durch die Station, nachdem er angekommen war folgte noch ein kurzer Fußmarsch zum besagten Aussichtsraum 2. Er betrat den großen Raum, in dem 2 Tische für je 8 Personen standen. Einer davon war mit Getränken gedeckt und in der Mitte stand eine kleine Schale mit 7 sehr kleinen Geräten darin. Steven schaute auf den Tisch und überprüfte alles: Getränke, Schale mit den Empfängern, Monitore im Tisch – alles OK.
„Sehr gut, genau wie erwartet." Er, als Sohn des Geschäftsführers, hatte natürlich Einfluss im ganzen Unternehmen und auch darüber hinaus, so organisierte er gestern, nach dem Besuch bei seinem Vater diesen Raum hier auf der Station. Er musste seinen ehemaligen Klassenkameraden, seinen 7 besten Freunden, das hier zeigen.
Langsam drehte er sich zum großen Fenster, welches vom einen Ende des Raumes ohne Unterbrechung zum anderen lief. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er hinausblickte. Der Aussichtsraum 2 war genau auf der Seite der Werft, wo auch die großen Hauptschiffswerften waren, demzufolge blickte er jetzt genau auf das vor ihm schwebende Schiff. Zielsicher griff er nach einer kleinen Schatulle in der Tasche seines Hemdes und klappte sie auf. Nun grinste er noch mehr.
‚Die werden sich wundern, wenn…' Seine Gedankengänge wurden von einer Stimme aus der Komm-Anlage unterbrochen.
„Mr. Nankam, hier Docking Control, sie wollten benachrichtigt werden, sobald der Transporter ihrer Gäste eintrifft." sagte eine kräftige Bariton-Stimme.
„Ahh, vielen Dank. Bringen sie sie in den Aussichtsraum 2, Sektion 8." Es konnte also bald losgehen.
Orbitale Schiffswerft Nankam IV – 13.52 Uhr, 14. August 2370, Vega-System, Vega III
Er fuhr gerade mit einem Knopfdruck auf dem Tisch den Sichtschutz des Panoramafensters herunter, wäre das Licht im Raum nicht an gewesen, wäre es jetzt stockdunkel. So jedoch war es hell, wie an einen schönen Sommertag auf Vega III.
Gerade als der Sichtschutz einrastete, zirpte die Tür.
„Herein." sagte Steven gewohnt lässig und die Tür öffnete sich.
Seine 7 Klassenkameraden seiner Militärausbildung kamen nacheinander, schon heftig miteinander erzählend, zur Tür herein. Sie waren wirklich ein gutes Team, während des Flugzeit ihrer Ausbildung, hatten sich 2 feste Staffeln gebildet, aber außerhalb verstanden sich alle sehr gut miteinander und waren keineswegs auf 2 Teams beschränkt.
„Also Stevieboy, warum hast du uns herkommen lassen, „ sagte Sao Lei mit erotisch angehauchter Stimme. Sie hatte schon während der Ausbildung ein Auge auf Steven geworfen. „muss ja was höllisch wichtiges sein, wenn du so einen Aufstand drum machst."
„Oh ja, Sao, das ist es. Aber setzt euch doch erstmal." Er zeigte auf den gedeckten Tisch, nachdem er sie alle in gewohnt freundschaftlicher Manier begrüßt hatte, was bei 7 Personen freilich etwas dauerte. Nachdem alle saßen und Minao, oder besser gesagt Min, so nannten ihn sowieso alle, bereits an seinem Getränk nippte, lehnte sich Steven lässig grinsend in seinem Stuhl zurück, schaute nur auf die anderen. Nach ein paar Sekunden sank der Geräuschpegel langsam und alle schauten verwundert auf Steven, der immer noch grinste.
„Hach, schön, dass ihr fertig seid. Darf ich also anfangen, ja?" Nun lächelnd fuhr er fort.
„Also Leute, ich hab euch doch damals was erzählt, von dem was ich später gerne mal machen möchte."
„Du meinst das mit deiner Firma?" fragte Samuel, oder besser Sam.
„Ja, genau das." Erneut machte sich ein großes Grinsen auf seinem Gesicht breit.
„Was zum Teufel hat dieses Grinsen zu sagen, Steven?" Claires Gesicht sah fast wie ein großes Fragezeichen aus, als sie sprach.
„Er führt irgendwas im Schilde, wie immer, wenn er so grinst. Erinnert ihr euch noch an die eine Taktiksimulation, die wir trainiert haben? Da sah das genauso aus…"
„Tja, Jon, da hast du gar nicht so unrecht, und ich will euch auch gar nicht weiter auf die Folter spannen. Also…" Er holte tief Luft für die folgenden Worte.
„Die Firma ist gegründet, von Rechtswegen her ist alles geregelt. Nur bräuchte ich noch Piloten…"
Diese Worte standen für ein paar Sekunden im Raum, keiner sagte etwas, also unterbrach Steven die Stille.
„Naja, und dreimal dürft ihr raten, an wen ich da gedacht habe…"
„Du willst also tatsächlich, dass wir für dich arbeiten?" fragte Mitch berechtigt.
„Jain, ich dachte da eher an eine Partnerschaft, 12,5 der Firma für jeden. Ausputzen will ich euch ja nun wirklich nicht." fügte er leicht lachend an.
„Du meinst das also tatsächlich ernst, Süßer, mhh? Was könnte es für mich schöneres geben, als an deiner Seite zu fliegen…" sagte Sao, mal wieder warf sie ihm einen ziemlich eindeutigen Blick zu…
Sie machte damit den Anfang, die anderen 6 schlossen sich nach kurzen Erklärungen und Gesprächen ebenfalls an, das Angebot schien einfach zu verlockend. Und sie wussten auch, dass es nicht nur heiße Luft war, wenn Steven diese Firma aufziehen wollte. Sein Traum war es, nach seiner Ausbildung eben diese Firma zu gründen, um danach mit seinen besten Freunden das all zu durchstreifen. Ihr Aufgabengebiet würde Dienstleistungen in Form von Frachtereskorten, Erkundungsmissionen etc. umfassen, je nachdem, was ihr Kunde von ihnen wollte. Professionelle Söldner, könnte man fast sagen. Nur klingt Söldner immer so negativ…
„Genauso hatte ich mir das vorgestellt, ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, das ihr alle mitmacht."
„Doch, ich glaube, das können wir, ich persönlich bin ja schon ganz scharf drauf, endlich weg von Vega…" sprach Jon und schaute in die Runde.
„Genau, endlich mal ein bisschen Action…nicht das unsere Ausbildung langweilig war, aber das Leben spielt da draußen, und nicht auf Vega III."
„Stimmt Susan…aber sagmal Steven, wie hast du eigentlich vor, uns da raus zu bringen?" Sam zeigte obligatorisch nach draußen, in Richtung All. „Also, ich meine, mit welchem Schiff?"
„Gute Frage, sehr gute Frage. Lasst mich euch was zeigen…" Schmunzelnd stand er auf und stellte sich neben den Tisch. Seine Finger huschten über ein paar Knöpfe, plötzlich sprach eine weibliche Stimme über den Komm-Kanal.
„Sir, sollen wir anfangen?"
„Ja, genau wie besprochen. Vielen Dank."
Die anderen starrten sich nur verwundert gegenseitig an.
„Achtung Leute, gleich lässt er eine Bombe platzen…" Wie Recht Claire doch damit hatte…
Orbitale Schiffswerft Nankam IV – 14.03 Uhr, 14. August 2370, Vega-System, Vega III
„Seht und staunt…" Kurz nach Stevens Bemerkung fuhr der Sichtschutz des Panoramafensters nach oben und offenbarte allen den Blick nach draußen. Was sie neben herumfliegenden Drohnen und sich bewegenden Reparaturarmen sahen, überraschte sie sehr…
„Eine Deimos-Korvette? Bist du verrückt?" Doch arg verwundert zeigte Min mit der Hand auf das wunderschöne Schiff.
„Dieses Ding ist knapp über 800 Meter lang und für eine Crew von 4000-5000 Personen ausgelegt!"
„Ich weiß Min, ich weiß." sagte Steven beruhigend. „Ihr habt vielleicht mit einer Argo oder Ähnlichem gerechnet. Allerdings wollte ich ein Schiff, das uns im Ernstfall auch beschützen kann. Eine Argo wird doch von einer 4'er Staffel Hercs zerlegt. Nein, das wäre nicht das richtige für uns gewesen, ich wollte schließlich irgendwann auch wieder in einem Stück nach Hause kommen…" Die deutliche Portion Sarkasmus war nicht zu überhören.
„Man, da hätte es aber auch ein Aeolus getan, die hätten wir vielleicht sogar alleine betreiben können!"
„Ich weiß Min, aber lass mich doch erstmal zu Ende erklären. Diese Korvette, die ihr hier seht heißt GTCv Defiant und ist, bzw. wird keineswegs eine normale Deimos-Klasse. Aber bevor ich euch noch mehr verwirre, lieber ganz von vorne." Er stellte sich direkt neben das Fenster und wieß symbolisch auf das Schiff.
„Wie ihr seht, wird gerade heftig an dem Schiff herumgebastelt. Die Defiant hat tapfer gegen die Shivaner im 2. großen Krieg gekämpft und schwer beschädigt überlebt. Normalerweise sollte sie in diesem Dock noch bis übermorgen repariert und gewartet werden. Ich habe allerdings meinen Vater dazu überredet, dass er mir diese Korvette überlässt und der GTVA einen entsprechenden Preis dafür zahlt. Sie sah wirklich ziemlich schlimm aus und liegt jetzt schon seit 2 ½ Monaten hier im Dock. Eigentlich müssten alle Deimos-Korvetten ja bei Triton Dynamics gewartet werden, allerdings sind deren Werften total überlastet, also haben sie uns um Hilfe gebeten. Und durch diesen glücklichen Zufall ist dieses Baby in unseren Händen gelandet." Er ging wieder zum Tisch und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas, um seine trockene Kehle wieder zu befeuchten.
„So, und nun wird sie noch einen weiteren Monat hier liegen und umgerüstet werden, so das wir damit klarkommen."
„Das wir damit klarkommen…" brummte Mitch, „Min hat es schon gesagt…klar, auch wenn mir die Feuerkraft und der Schutz dieses Babys lieber ist, wie sollen wir es steuern und vor allem warten? Wir sind nur 8 Mann! Tschuldigung meine Damen…" fügte er schmunzelnd noch an.
„Gentlemen wie er leibt und lebt…also Mitch, auch daran habe ich gedacht. Dieses Schiff wird in den nächsten Tagen mit automatischen Reparatur- und Wartungssystemen ausgerüstet, die Waffensysteme werden verbessert, der Reaktor ausgetauscht, die Panzerung etwas verstärkt…sprich dieses Ding wird ein fliegender Prototyp. Aber es wird fliegen. Nun, und was die Crew angeht, dafür haben wir eine andere Lösung, frisch aus unseren Labors…"
Langsam, damit es auch alle sahen, griff er wieder in die Tasche seines Hemdes und holte die Schatulle von vorhin heraus. Er öffnete sie und hielt sie den anderen hin, die recht fasziniert darauf blickten. Die Schatulle war etwa 10B7H10T Zentimeter groß, ihr Inneres war ausgekleidet mit rotem Samt. In ihr lag ein gläserner, hell funkelnder Würfel Würfel.
„Wow, ist das schön…ähm, was ist das?" fragte Claire, sichtlich beeindruckt auf den Würfel schauend.
„Das…", er konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen, „ist Sally."
„Sally?" fragte Sao.
„Oh Gott, was kommt denn jetzt wieder…"
„Keine Angst, Jon, sie frisst euch nicht."
„Sie?"
„Jep, sie." Er legte die Schatulle vorsichtig auf den Tisch und griff nach der in der Mitte stehenden Schale mit den 7 kleinen Geräten darin.
„Hier Claire, reich mal rum, nehmt euch bitte jeder eins davon." Claire tat dem auch so und nachdem sich alle bedient haben, fuhr Steven fort.
„Also diese kleinen Dinger hier sind neurale Empfänger. Haltet sie euch mal hinten an den Nacken und drückt mal oben drauf. Nicht erschrecken, piekt etwas."
Steven führte es vor, in dem er sich mit dem Rücken zu ihnen drehte und das Gerät an seinen Nacken hielt. Ein kurzes Piepen ertönte, als er darauf drückte. Aus dem Gerät schossen kleine Miniärmchen heraus, die sich sanft in Stevens Nacken krallten. Ein paar Sekunden später spürte er nicht einmal mehr, dass er etwas auf dem Nacken hatte.
„Oh man, ich spiel doch hier nicht das Versuchskaninchen? Habt ihr das auch getestet?"
„Natürlich Jon, diese Dinger sind ungefährlich. Sie klemmen sich über neurale Impulse in dein Nervensystem ein und ermöglichen so die Kommunikation mit Sally. Absolut ungefährlich, vertraut mir."
Sao warf Steven ein sicheres Schmunzeln zu und drückte das Gerät als erste in den Nacken, nur ein leichtes Zucken in ihren Mundwinkeln war zu sehen, als sich das Gerät festkrallte.
„Und jetzt? Wie kann ich mit ihr reden?"
„Sie ist bereits da, sprech sie doch mal an…"
„Mmhh, wie du meinst." Etwas verunsichert, was sie gleich hören würde, blickte sie etwas merkwürdig in die Augen der Anderen.
„Hallo, Sally?"
"Ja, Sao, ich bin da."
Sao stand vor Schreck auf und stieß ihren Stuhl nach hinten um.
„Was ist los?" fragte Min besorgt, als sie verwundert durch den Raum starrte. So reagierte fast jeder, der das erste Mal mit Sally in Verbindung steht.
„Sie…sie ist in meinem Kopf!"
Orbitale Schiffswerft Nankam IV – 21.38 Uhr, 6. September 2370, Vega-System, Vega III
„Aber danach machen wir Schluss!" Steven und Sao lagen auf dem Rücken in einer Jeffries Röhre und starrten auf eine, für jemanden, der davon keine Ahnung hatte, sehr kompliziert aussehende Schaltkreisplatine. „Ja Süße, sofort, wenn wir hier fertig sind. Aber wir müssen unseren Zeitplan schaffen, bis zum 14. müssen wir hier raus sein, und falls nicht, müssen wir aussteigen und das Schiff per Hand raus schieben!"
Sie hielt ihre Taschenlampe genau drauf, damit er genug Licht zum Arbeiten hatte. Ein blauer, kleiner Laser zuckte aus einer Art Skalpell in Stevens linker Hand und stellte eine mikroskopisch kleine Datenverbindung zwischen zwei der Dipolex-Schaltungen her.
„Steven an Brücke!" Das Komm-System war eines der ersten Systeme, das runderneuert wurde, damit die Kommunikation der Leute, die am Schiff arbeiteten reibungslos klappte. Alle Leute des Personals trugen kleine Kommunikatoren an ihrer Kleidung, die die Kommunikation über die Schiffssysteme ermöglichten.
„Hier Techniker Malno!" tönte es aus seinem Kommunikator.
„Versuchen sie es noch mal!"
„Einen Moment…Flussfaktor 35, 57, 78...100! Das wars, die Verbindung ist stabil, Energiewerte des Strahlgeschützes einwandfrei. Schönen Gruß von Mitch, er konnte die Manövriertriebwerkseffizienz um 22 steigern!"
„Dieser alte Bastler…in Ordnung, wir machen dann erstmal Schluss für heute, es ist schon fast um 10. Bis morgen dann!"
Steven gab Sao den kleinen Skalpell, den sie sofort in den passenden Platz des Werkzeugkoffers neben ihr legte und diesen dann verschloss. Steven hatte schon die Panzerplatte wieder an der Decke befestigt.
„Und was machen wir zwei jetzt noch?" fragte Sao mal wieder mit sehr erotischer Stimme, was sie wirklich sehr, sehr gut konnte.
Normalerweise hätte Steven darauf kühl und besonnen reagiert, wie er es eigentlich immer bei ihr tat. Doch in fast 3 Wochen, in denen man fast ununterbrochen nur auf diesem Schiff arbeitete und lebte, konnte viel passieren, so auch bei den beiden. Während der Ausbildungszeit hatten sie vor lauter Flügen und Pauken kaum Zeit, sich besser kennen zu lernen, hier jedoch schon, da sich Sao (wie Steven erwartet hatte) die ganze Zeit an ihn ranschmiss. Sobald sie einmal ein Ziel vor Augen hat, lässt sie davon so schnell nicht mehr los…
Während einer Routinereparatur in einer solchen Jeffries Röhre am Anfang der 2ten Woche war es dann geschehen. Steven musste sich eingestehen, dass er sich heimlich, still und leise in sie verliebt hatte. Er hatte irgendwie ein Faible für süße Asiatinnen. Und sie war definitiv einer der verdammt süßen Sorte. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, und küsste die Anfangs etwas verwundert schauende Sao, da sie nicht damit gerechnet hatte, so von ihm „überfallen" zu werden. Aber sie dachte auch nicht daran, damit auf zu hören. Und noch etwas hatten sie in diesen Minuten gelernt…Jeffries Röhren können verdammt eng sein…
„Ich habe was vorbereitet…lass dich überraschen…" sagte er schmunzelnd und zwängte sich in der engen Röhre um die eigene Achse um Richtung Ausgang zu kriechen. Kurze Zeit später trafen sich beide in Stevens Quartier um einen romantischen Abend mit Kerzenschein, leiser Musik, einem Festmahl zu verbringen. Was danach noch passierte…nun ja, was würdet ihr wohl in seiner Situation an diesem Abend noch machen? …
Orbitale Schiffswerft Nankam IV – 15.12 Uhr, 9. September 2370, Vega-System, Vega III
„Und, wie siehts aus?"
„Gute Frage, Sam. Die Energiesysteme für die neuen Triebwerke arbeiten, doch aus irgendeinem Grund will die Kernfusion innerhalb des Triebwerkes nicht starten." Mitch schaute auf die Anzeige der Computerkonsole vor ihm. Er und Sam hatten schon die letzten 2 Tage damit verbracht, die neuen Antriebssysteme zum Leerlauf zu bringen. Aber scheinbar gab es noch gewisse Konflikte mit dem neuen Reaktor…
„Das muss was mit dem neuen Reaktor zu tun haben. Laut Steven funktioniert der aber einwandfrei. Vielleicht seine Energiesignatur? Oder die neuen Flux-Wandler?"
„Die Flux-Wandler haben die Techniker schon überprüft, aber das mit der Energiesignatur…Sally, lege mir bitte die Ausgangsenergiesignatur des Reaktors in Form eines Diagramms auf den Schirm." Dem geschah auch so. Mittlerweile hatten sie sich an diese Art der Kommunikation mit Sally gewöhnt. Meisten wurden die Gespräche sogar über die Schiffslautsprecher geführt und nicht direkt über die Geräte im Nacken.
„Und jetzt lege mir die Input-Energiesignatur des Triebwerks daneben und vergleiche beide miteinander! Bin ja mal gespannt…"
Die beiden Grafiken schoben sich übereinander, kurz waberte die Grafik etwas, dann ploppte ein neues Fenster auf und zeigte die Analyseergebnisse, die Sam's Verdacht bestätigten: Der Antrieb konnte die Energie des Reaktors nicht absorbieren und verarbeiten.
„Da haben wirs doch…ich bin im Maschinenraum." sagte er zu Sam und verschwand über einen der Lifts von der Brücke.
Claire war die ganze Zeit auf der Krankenstation gewesen, da ihre Ausbildung stark medizinisch orientiert war, sprich, sie würde die Ärztin des Schiffes werden, wenn sie demnächst starten.
„Stellen sie das bitte dorthin!" sagte sie, und zeigte dem Mann, der eine ziemlich große Gerätschaft trug, den Weg zum Haupt-OP-Tisch. Sie schnappte sich sogleich ein paar High-Tech Instrumente und legte sie auf die große Gerätschaft. Die letzten Geräte standen nun an ihren Plätzen und sie begab sich in ihren Computerbereich, dort, wo ihr Arbeitsplatz und ihr Terminal war. Die medizinische Datenbank war gigantisch groß und enthielt massenweise Anleitungen für Operationen, Daten von Viren und Bakterien etc., alles, was man unterwegs brauchen könnte.
„Boah, ich fass es nicht…" Sam stand im Hangar des Schiffes, was eigentlich gar keinen besaß und schaute total fasziniert auf die vor ein paar Stunden eingetroffenen Jäger.
Der Hangar war eine der größten Umrüstungsoperationen gewesen, die das Schiff hatte durchmachen müssen. Die drei sich in der Mitte am unteren Rumpf der GTCv Defiant befindlichen Triebwerke wurden kurzerhand ausgebaut und in einen modernen Hangar verwandelt, der nun eine Staffel á 4 Schiffe der neuesten urlhttp/freespace. beinhaltete. Diese Schiffe waren zwar recht groß, dafür aber stark beschildet und konnten sehr starke Torpedos transporierten. Für die normalen Einsätze müssten jedoch andere Schiffe herhalten. Dafür standen noch 16 weitere Schiffe zur Verfügung: Zum einen eine 8'er Staffel urlhttp/freespace. die sehr schnell und recht kampfstark waren, zum anderen eine weitere 8'er Staffel urlhttp/freespace. welche direkt für schwere Kämpfe entwickelt und konstruiert worden waren. Demzufolge hatten sie eine sehr hohe Laserfeuerkraft (8 Lasersockel) und konnten auch recht viele Raketen tragen. Der Perseus hingegen (4 Lasersockel) war, wie sein Name schon sagt, zum schnellen Abfangen von Schiffen gedacht, da er ungeheuer schnell werden konnte. Und Sam freute sich schon darauf, endlich mal eines dieser Babies zu fliegen, denn sie konnte man mit den Klapperkisten von urlhttp/freespace. Hercs/url, die sie auf der Akademie flogen, nicht mehr vergleichen. Das hier waren Ferraris…
Orbitale Schiffswerft Nankam IV – 9.52 Uhr, 14. September 2370, Vega-System, Vega III
„Ok Leute, ihr wisst, was hier auf dem Spiel steht. Wir haben lange und hart daran gearbeitet, dieses Baby zu dem zu machen, was es jetzt ist. Alles was wir jetzt noch tun müssen, ist sie dort hinaus zu bringen." Steven saß im Stuhl in der Mitte, während seine Kameraden an den ausgemachten Stationen Platz genommen hatten. Die Brücke war recht groß (12 Meter lang, 8 Meter breit), aber trotzdem nur mit den nötigsten Plätzen ausgerüstet. Sie hatte, von oben gesehen, die Form einer, an der dünnsten Stelle halbierten Ellipse an der Front, der runden Seite also, befand sich der große Bildschirm, gleich davor ein neues Holoprojektorsystem. Zu Stevens linker Seite befand sich über die ganze Länge von etwa 7 Metern die Wissenschaftsstation sowie weiter vorne die Navigation. Ihre Hauptbedienpulte waren aber keineswegs in die Wand eingelassen sonder standen parallel zum Bildschirm aus der Wand heraus, damit die arbeitenden Personen auch auf den Schirm schauen konnten, ohne sich dabei den Hals zu verrenken. Auf Stevens rechter Seite dasselbe Bild. Zuerst kam die Station der Schiffssysteme, davor, näher am Hauptschirm die Waffenstation. Hinter ihm war keineswegs nur flache, nutzlose Wand. Links und rechts hinter ihm befanden sich jeweils eine Tür, durch die man die Brücke betreten oder verlassen kann. Zwischen den beiden Türen an der Wand gab es noch weitere Stehkonsolen, die Informationen anzeigten. Steven hatte um seinen Kommandostuhl jeweils links und rechts eine Konsole stehen, die ihm den Status der wichtigsten Schiffssysteme sofort zeigten, so musste er nicht bei jeder Kleinigkeit seine Freunde fragen.
Alle nickten nach Stevens Worten und konzentrierten sich.
„Komm schon, Sally, enttäusch mich nicht…" murmelte Mitch an der Schiffsystemkonsole sitzend, was Sally jedoch hörte.
"Das habe ich nicht vor, Mitch."
„Gut, genau das wollte ich hören…Bin bereit, Steven, alle Anzeigen grün."
„Also gut, Antrieb auf Normaloutput hochfahren, wenn fertig, die Energieversorgung von der Station abkuppeln." Jetzt hieß es hoffen, dass der neue Reaktor einwandfrei arbeitete und das Schiff selbst versorgen konnte. Ein leises Summen war zu hören, welches immer hochfrequenter wurde und sich schließlich aus den menschlichen Hörfrequenzen verabschiedete. Einige Anzeigen von Mitch's Station zeigten Balkendiagramme, deren Balken nach oben schossen und sich einer Linie näherten, über der ‚Nominal' stand.
„Sieht gut aus…alle Systeme grün…löse jetzt die Energieversorgung der Station und schalte auf autonom." Klackend löste sich ein 30 Zentimeter dicker Schlauch von der Unterseite des Schiffs und wurde zur Werft zurückgezogen.
„Ja!" sagte Mitch zufrieden seufzend. „Min, du bist dran!"
„Gut." erwiderte dieser. „Triebwerksleistung zu 100 verfügbar."
„Dann flieg uns raus 10 MS (m/s) voraus, ganz langsam."
„Okay, Freigabe vom Dock haben wir, also los geht's…"
Etwas nervös schaute Min auf seine Anzeigen und den Schirm. Er hatte während seiner Ausbildung öfters größere Schiffe geflogen wie Frachter oder Bomber. Aber eine Korvette? Das war völlig neu für ihn. Aber alles Neue war auch eine Herausforderung für ihn, die es zu bewältigen galt. Und so ganz unspaßig war es ja nun auch nicht, diese Tonnen durchs All zu manövrieren…
„Triebwerksoutput absolut stabil…und das wichtigste…wir bewegen uns."
Allen huschte ein Schmunzeln übers Gesicht, als sie auf den Schirm starrten und sahen, wie das Schiff sich langsam, aber stetig bewegte.
Vega City – 14.27 Uhr, 15. September 2370, Vega-System, Vega III
„Tschüss, meine Kleine…" Mit etwas zittriger Stimme umarmte Ming Lei, die Mutter von Sao, ihre einzige Tochter. Der Flur ihrer in Familientradition eingerichteten Wohnung war recht groß um luxuriös eingerichtet, ihren Vater konnte man nicht gerade als arm bezeichnen.
„Hey, komm, werd jetzt nicht sentimental, sonst fang ich hier auch noch an zu heulen. Ich weiß, dass ich sehr weit von euch beiden weg sein werde, aber wir kommen ja in 3 Monaten zurück, und ich verspreche euch, mich zu melden?"
Ihre Mutter nickte kräftig, während ihr Tränen die Wange herunter liefen.
„Pass auf die auf, Sao, ok?" Die Stimme ihres stattlich gebauten Vaters war beruhigend kräftig, obwohl er innerlich genauso aufgefühlt war, wie seine Frau. Sich vorzustellen, das die einzige Tochter, in diesem frühen Alter so weit draußen im All herumschwirrt, würde wohl die meisten Eltern beunruhigen.
„Klar, mach ich doch immer, und Steven ist ja auch noch da. Und die anderen."
„Das will ich auch hoffen, scheint ja ganz ok zu sein, dein Freund." Sie hatte ihn natürlich heute mitgebracht, das erste Mal, dass ihre Eltern ihn getroffen haben. Steven war schon runter gegangen, damit Sao sich in Ruhe verabschieden konnte.
„Jep, Dad, dass ist er. Also, ich muss los, unser Transportschiff zur Defiant wartet nicht. Ich melde mich. Hab euch lieb!" Zu ihren Eltern winkend lief sie geschwind die Treppe hinunter und kam bei Steven vor der Haustür heraus.
„Können wir?" fragte dieser.
„Aber immer doch…"
Steven zückte eine Art Funkschlüssel aus der Tasche, ein Piepen und Blinken an seinem Anti-Grav Wagen, die gängigen Transportmittel dieser Zeit, symbolisierte die Entsicherung des Fahrzeugs, oder besser Flugzeugs, denn eigentlich flogen dieser Dinger ja.
Beiden stiegen ein und donnerten zum Raumhafen von Vega City, wo ihre Freunde bereits auf sie warteten…
„Na hey, da sind ja die zwei Turteltauben!" Damit wurden sie gleich freudig von Min begrüßt, der mit den anderen am passenden Startterminal des gigantischen Raumhafens stand.
„Gurr, gurr…" gab Sao nur grinsend als Antwort. Ihr persönlicher Transporter von Nankam Aeronautical wartete bereits mit im Standby laufenden Triebwerken, um die hinauf zur Defiant zu bringen. Auch wenn Steven sich bereits von seinem Vater verabschiedet hatte, so kam dieser doch bis hierhin mit…
„Los Leute, steigen wir ein, ich glaube, hier haben noch zwei was zu erledigen." Claires Worte waren goldrichtig. Sie lief voran, alle, bis auf Steven folgten.
„Steven…ich…" Seine Stimme wurde leiser, dies war eine der wenigen Situationen, wo seinem Vater die Worte fehlen. Steven trat nah an ihn heran.
„Sag nichts. Ich fliege jetzt darauf und werde mit meinen besten Freunden unsere Arbeit erledigen. Das war immer mein Traum, und zu einem großen Teil habe ich das dir zu verdanken."
„Ich…"
„Dad…ich hab dich lieb."
Beide umarmten sich und schauten sich tief in die Augen.
„Viel Glück, mein Sohn, und lass mal von dir hören." Er musste leicht schmunzeln.
„Das werde ich, Dad, also, bis in 3 Monaten dann…"
„In 3 Monaten, ich nehm dich beim Wort."
„Kannst du…ach und…ruf Mom mal an, sie würde sich bestimmt freuen…und ich mich auch." Er schritt langsam zurück, löste seinen Blick jedoch nicht von seinem Vater. Er und seine Mutter hatten schon seit längerer Zeit Probleme, die eigentlich keine waren, aber so war das nun mal, wenn zwei sich streiten…über absolut belanglose Dinge, wie Steven fand.
„Also dann, wir sehen uns, tschüss…" Er drehte sich um und rannte auf den wartenden Transporter zu, dessen Einstiegsluke sich hinter ihm sofort schloss. Sein Vater stellte sich ganz nah an das Schutzglas, welches die inneren Räume von den Startrampen trennte und schaute dem Transporter so lange er konnte nach. Da ging er also, sein Sohn…
