Jeder hat seinen liebsten Feind, ohne den er sich verlassen vorkommen würde."
(Romain Gary)

Die Kerzen in den Lampen entlang der Brücken waren schon entzündet worden und ihre Lichter spiegelten sich auf der Wasseroberfläche der träge fließenden Seine. Das tagsüber schon trübe Wasser war jetzt tiefschwarz und man wollte sich gar nicht vorstellen, was alles darin schwamm. Der Fluss trug nie nur sich selbst zum Meer und er roch auch nie nur nach sich selbst. Trotzdem lehnte der Leutnant der Musketiere jetzt, die Arme verschränkt an der Brüstung und starrte gedankenverloren hinunter auf die Seine.

Hinter den Brücken, irgendwo in den Gassen der Stadt läutete eine Glocke und jemand rief etwas. Nachtwächter. Sie rückten aus, wenn niemand sonst mehr auf den Straßen sein wollte und verkündeten, alles sei gut. Damit vertrieben sie immerhin streunende Katzen und beruhigten die Mörder und Diebe darüber, dass sich die Wächter weit genug entfernt von allen verbrecherischen Geschäften aufhielten.

D'Artagnan hörte es nur am Rande seiner Aufmerksamkeit. Irgendwie hatten ihn seine Beine hier hergetragen und irgendwie waren sie bisher noch nicht wieder fort gegangen. Dabei gab es hier absolut nichts interessantes zu sehen, höchstens alte Erinnerungen und der Leutnant hielt sich selbst nicht für jemanden, der lange an der Vergangenheit festhielt. Sorgen über die Zukunft hatte er auch nicht und eigentlich stand alles bestens für ihn. Aber er wusste nicht mehr, wie es um die anderen stand.

Oh, Porthos war schon zum zweiten Mal verheiratet. Er hatte zu diesem Anlass einen Brief geschrieben. Keinen sehr persönlichen, es war ein allgemeiner Brief, den jeder Bekannte erhalten hatte. Und da sich Monsieur du Vallon für sehr bekannt hielt, musste er gleich mehrere Schreiber beschäftigt haben, um allen gerecht zu werden.

Aramis betete wahrscheinlich noch immer in irgendeinem Kloster. Sein Kontakt zu der Außenwelt war abgerissen, nachdem sich die schweren Pforten hinter ihm geschlossen hatten. Aber es war zweifelhaft, ob sich der Klosterschüler nicht doch ab und zu einmal davonstahl um ganz weltlichen Dingen nachzugehen. Nun, das vermochte niemand recht zu sagen.

Aber von den alten Freunden am spurlosesten verschwunden blieb Athos. Er hatte nicht gesagt, warum oder wohin er ging und eine Weile hatte d'Artagnan sogar vermutet, es stecke eine Verschwörung dahinter, Athos sei in Schwierigkeiten und sein Abschied nur erzwungen. Immerhin hätte er d'Artagnan doch sonst eine Nachricht geschickt, oder? Aber Monsieur de Tréville machte seinem Leutnant bald mit einigen klaren Worten begreiflich, dass es an dem Rücktrittsgesuch absolut nichts auszusetzen gäbe und die Mission, auf die er Athos geschickt hatte und von welcher der Graf nicht zurückgekehrt war, gänzlich ungefährlich und weit entfernt von jeder Intrige gewesen sei. Nebenbei erwähnte der Hauptmann noch etwas von einer Erbschaft und damit war für ihn wohl jeder weitere Zweifel ausgeräumt.

Ein kalter Wind zog an d'Artagnans Mantel und er schlang ihn sich etwas fester um die Schultern. Der Oktober schickte dieses Jahr schon früh die ersten Vorboten des nahenden Winters. Nebel bildete sich über dem Wasser und kroch am Ufer entlang. Bald würde er kalt und feucht in den Straßen hängen.

D'Artagnan trat einen Schritt von der Brüstung zurück und wandte sich um. Es war spät genug geworden, er sollte nach Hause gehen und sich ausschlafen. Sicher hatte Monsieur de Tréville nichts dagegen einzuwenden, wenn sein Leutnant morgen eine Stunde später zum Dienst erschien und dafür eine Stunde länger blieb, um den gesamten Stapel von Berichten allein zu bearbeiten.

Sporenklirren. Beinahe enerviert sah d'Artagnan vier bekannte Gardisten aus der Richtung kommen, in die er nun aufbrechen wollte. Von ihrer guten Laune hatten die jungen Männer noch nichts eingebüßt, im Gegenteil schien Wein keine geringe Rolle bei ihrer offensichtlichen Heiterkeit zu spielen. Zumindest hielten zwei von ihnen entsprechende Flaschen in der Hand, während sie, einander untergehakt und nebeneinander gehend die gesamte Breite der Straße einnahmen. Zu beiden Seiten ließen sie kaum Platz, um vorbeizukommen.

Vielleicht wäre es klug gewesen ihnen auszuweichen, indem d'Artagnan nicht gegen sie, sondern mit ihnen die gleiche Richtung einschlug und den Umweg über eine andere Brücke in Kauf nahm. Aber, Teufel noch mal, er ließ sich doch nicht von ein paar Grünschnäbeln und noch dazu Gardisten des Kardinals seinen Weg diktieren!

Entschlossen zog er den Hut etwas tiefer in die Stirn und schritt den grölenden, sich köstlich amüsierenden jungen Männern entgegen. Oh, der Leutnant hatte nicht die Absicht, sich weiter mit ihnen abzugeben und sie vielleicht zum Ausweichen zu zwingen, indem er selbst die Mitte der Straße für sich beanspruchte. Er wollte nur friedlich vorbeigehen und sich ihre Gesichter einprägen. Vielleicht ließ sich d'Ébilitéauch irgendwann einmal allein und ohne seine Freunde antreffen...

Niemand sonst war in der Nähe, die Brücke lag, halb beleuchtet von den spalierstehenden Lampen, in der Dunkelheit. D'Artagnan ging den Gardisten nicht besonders eilig, sondern eher lässig entgegen. Sollten sie sich stark fühlen, den Gascogner beeindruckte das herzlich wenig – und sie durften gerne sehen, wie wenig es ihn beeindruckte.

Erst, als er auf wenige Schritte herangekommen war, zeigte sich so etwas wie Erkennen in der Miene von d'Ébilitéder in der Mitte der Prozession ging. Seine Augen glänzten noch nicht ganz so trüb vom Alkohol wie die seiner Kameraden, aber auch er konnte nicht leugnen, einige Gläser intus zu haben. Er grinste verschmitzt vor sich hin, wandte sich dann aber seinem Kameraden rechts von ihm zu, während d'Artagnan nach links hielt um an dieser Seite zu passieren.

Alles ging soweit gut und unbehelligt trat der Leutnant der Musketiere neben die Gardisten. Aber d'Artagnan hatte d'Ébilité eindeutig falsch eingeschätzt. Statt sich allein an der Überlegenheit ihrer Anzahl zu erfreuen und zu genießen, dass der Mann in der Uniform der Musketiere gezwungen war, wortlos an ihnen vorbeizuschlüpfen, stieß der junge Gardist seinen Freund links an, sodass der unumgänglich gegen d'Artagnan stolperte.

„Heeee", rief der angerempelte Gardist mit eindeutig alkoholschwerer Stimme aus. Zu weiterer Äußerung schien er kaum mehr fähig zu sein und quälend langsam legte sich ihm eine neue Wortfolge auf die Zunge. „W-was soll'n das?" Allerdings fragte er dies nicht denjenigen, der ihn gestoßen hatte, sondern den Leutnant der Musketiere.

D'Artagnan hatte genug. Sein Geduldsfaden war ohnehin nicht der längste und bisher hatten die Gardisten von Glück sagen können, dass sie noch junge Tölpel waren. Aber nun waren sie zu weit gegangen und gegen jede Vernunft – allein auf der Brücke mit gleich vier Feinden, keine Hilfe in der Nähe, die Häuser auf der anderen Seite noch weit entfernt in tiefster Nacht – fuhr d'Artagnan den Betrunkenen verärgert an: „Fragt das Euren Kameraden da, sofern er noch im Stande ist zu antworten."

„Warum sollte ich das nicht sein, Monsieur?" ergriff d'Ébilitédas Wort und löste sich von seinen Freunden, um direkt vor den Leutnant zu treten. Der Gardist war etwa gleich groß wie sein Gegenüber und d'Artagnan fragte sich, wie lebensmüde der junge Mann noch sein konnte.

„Zum Teufel, so wahr ich d'Artagnan heiße", knurrte der Gascogner warnend, „wenn Ihr Eure Unverfrorenheit nicht zügelt, werdet Ihr erst wieder in einigen Wochen in der Lage zum Antworten sein. Und jetzt zieht eurer Wege, Messieurs."

Während es in zwei Gesichtern – nämlich in denen der beiden jungen Männer hinter d'Ébilité, die ihren völlig betrunkenen dritten Freund stützen mussten - bei der Nennung d'Artagnans Namens plötzlich arbeitete, schien d'Ébilitéselbst nicht zu begreifen, mit wem er sich eingelassen hatte. Oder er wusste nur allzu gut, bei wem es sich um Monsieur d'Artagnan handelte, aber er wollte es nicht recht glauben, ihn in diesem Musketier wirklich vor sich zu haben, weil er sich einen Leutnant älter vorstellte. Kein Wunder, wenn man bisher nur Jussac kannte.

„Und wenn wir das nicht tun, unserer Wege ziehen, Monsieur? Zuerst fordere ich eine Entschuldigung für Euer Benehmen und Eure Worte" verschränkte der junge Gardist die Arme vor der Brust und warf seinen Kameraden einen bedeutungsvollen Blick zu. Einer von ihnen schüttelte sacht den Kopf, er schien mittlerweile begriffen zu haben. Leider war er auch der Einzige, der in dieser Hinsicht klüger als seine Freunde war.

„Dann steht ihr bis morgen früh noch hier", hielt d'Artagnan die Antwort zurück, die ihm tatsächlich auf der Zunge lag. Sie hatte etwas mit breitbeinigen Standbildern zu tun, die unter gewissen Umständen nicht sehr fest auf ihrem Sockel standen. Der Nebel vom Fluss her hatte die Brücke jetzt in einer dünnen Schicht für sich eingenommen.

„Ah, aber wenn es mir nun einmal nicht gefällt bis morgen hier zu bleiben?"

„Dann ist das wahrlich nicht meine Sorge, Soldat."

Der Gardist, der schon eben schnell Namen, Rang und Aussehen zuordnen konnte, raunte d'Ébilité jetzt leise etwas zu, was d'Artagnan nicht verstand. Aber er konnte sich denken, was es sein musste, denn die Augen des händelsuchenden Hohlkopfes weiteten sich etwas, während er seinem Freund wohl Glauben schenkte. Nun, ganz dumm konnte d'Ébilité nicht sein, wenn ihm immerhin die Konsequenzen dämmerten.

Einen Moment später änderte d'Artagnan diese Meinung auch schon wieder. Der junge Gardist war der größte Dummkopf, der ihm je untergekommen war. Denn statt nun endlich einen Rückzieher zu machen und einzusehen, dass er sich hier unendliche Schwierigkeiten einhandelte, legte er es tatsächlich auf eine weitere Auseinandersetzung an, indem er sagte: „Es könnte durchaus Eure Sorge werden, wenn Ihr Euch als echten Edelmann seht. Monsieur le lieutenant."

D'Artagnan bedauerte es ein wenig, dass die Angelegenheit sich auf diese Weise weiterentwickelte. D'Ébilité glaubte wohl, jetzt nicht mehr zurück zu können, sondern nur immer weiter vorwärts, um sich vor seinen Freunden keine Blöße zu geben. Gleichzeitig war der junge Gardist etwas blass um die Nasenspitze, doch zum Äußersten entschlossen blieb er standhaft. Der Mithilfe seiner Kameraden konnte er nun nicht mehr sicher sein, die sich an einen anderen Ort zu einer anderen Zeit zu wünschen schienen und zurückwichen, als d'Artagnan seine Hand nur leicht auf den Degengriff legte. Der junge Tölpel vor ihm ließ dem Leutnant kaum eine andere Wahl, als einige Dinge nachdrücklich klarzustellen.

Trotzdem wollte d'Artagnan eine Auseinandersetzung mit Waffengewalt möglichst vermeiden. Zwar scheuten die anderen drei – eigentlich zwei, der Dritte war viel zu betrunken – davor zurück ihrem Kameraden offen zuzustimmen. Aber wenn es doch zu einem Kampf kam, würden sie gewiss nicht weglaufen. Sie waren sogar zu feige, um ihren Freund aufzuhalten, der unbedingt tapfer sein wollte. Oder was er dafür hielt.

„Und was versteht Ihr wohl unter einem echten „Edelmann", Monsieur? Jemanden, wie Ihr es seid?" spöttelte d'Artagnan gelassen. Wenn ihm die Konfrontationen mit Rochefort eines gelehrt hatten, dann handelt es sich wohl darum, noch so provokante Worte von hitzköpfigen Grünschnäbeln an sich abprallen zu lassen.

„Allerdings, jemanden wie mich", rief der junge Gardist zornig und zog seinen Degen. Drohend fuchtelte er vor d'Artagnans Gesicht damit herum, doch der Leutnant machte keinerlei Anstalten seine eigene Waffe in die Hand zu nehmen. Ah, ja, eines hatte er vergessen. Rochefort pflegte immer irgendwo einen oder mehrere Verbündete in der Nähe zu wissen, die einem Hitzkopf hinterrücks eins über den Schädel gaben. Nun, damit konnte der Gascogner seinerseits nicht dienen und zum ersten Mal wurde d'Artagnan der Ernst seiner Situation bewusst. Früher konnte er sich kopflos in solche Streitereien stürzen, immer hatte ihm jemand beigestanden. Früher wären vier junge Gardisten nicht einmal auf den Gedanken gekommen, sich mit ihm anzulegen, denn die Unzertrennlichen waren da, wenn man sie brauchte. Früher war bekannt gewesen, dass, wo sich einer befand die anderen nicht weit entfernt waren. Ja, früher...

„Ich verstehe. Ein echter Edelmann, wie Ihr es seid, hat also schnell seinen Degen in der Hand und seinen Kopf im Wirtshaus. Ich fürchte, Ihr habt noch einiges zu lernen, besonders was die Wahl Eurer Gegner betrifft, Monsieur. Gute Nacht." wandte sich d'Artagnan nur scheinbar ruhig ab. In Wirklichkeit zitterte Zorn in ihm. Irgendwann kam die Gelegenheit und er würde sich in einem Duell mit d'Ébilité wieder finden. Es brauchte nur drei neue Sekundanten.

„Nicht so schnell, Monsieur!" sprang der junge Gardist hinter ihm her und drohte weiterhin mit seiner Waffe. Betont langsam drehte sich d'Artagnan um und sah seinem neuen Feind fest in die Augen. „Ich pflege nicht, mich zu wiederholen, Herr Gardist, auch wenn Ihr bedauernswerter Weise und im Gegensatz zu Euren Kameraden noch immer nicht verstanden habt. Nun, sie werden es Euch sicher erklären, wenn Ihr es wohlbehalten nach Hause geschafft habt."

Mit diesen Worten machte der Leutnant erneut auf dem Absatz kehrt – und wieder kam er nur einen Schritt weit, denn hinter ihm rief d'Ébilité aufgebracht: „Wenn Ihr es wohlbehalten nach Hause schafft, meint Ihr wohl."

„Wer sollte mich daran hindern?" warf d'Artagnan einen Blick über die Schulter zurück und lächelte dünn. Manchmal half nur noch selbstbewusstes Auftreten, um den Gegner bis zur Aufgabe hin zu verunsichern. Oder damit das Gegenteil zu bewirken, denn der junge Gardist ließ sich nicht verunsichern. „Ich!" schrie er wie von Sinnen und d'Artagnan konnte sich gerade noch rechtzeitig umdrehen, um einen gegen ihn geführten Hieb zum Geländer hin auszuweichen. Dem Leutnant blieb keine Zeit und an der Brüstung auch kein Raum, um seinen eigenen Degen zu ziehen, so konnte er nur die nächste Attacke d'Ébilités abwarten, der völlig den Verstand verloren haben musste und in seiner Raserei zustach.

Die nächsten Dinge schienen alle gleichzeitig zu geschehen, sodass sich kaum sagen ließ, was genau passierte. Die Klingenspitze des Degens raste auf d'Artagnan zu, gleichzeitig bewegte sich der Leutnant aber auch der Waffe entgegen und zog etwas unter seinem Gürtel hervor. Dann war auch schon wieder alles vorbei und die beiden Kontrahenten standen sich wie erstarrt gegenüber.

„Eine Bewegung genügt, und Ihr werdet den Morgen nicht mehr erleben", sagte d'Artagnan schließlich beinahe freundlich und drückte seinen Dolch noch etwas mehr gegen den Bauch des jungen Gardisten.

Der wiederum machte keinerlei Regung und hielt weiterhin seine Waffe fest. Schweiß stand ihm auf der Stirn. „Gleiches gilt für Euch. Wenn Ihr mich tötet, werden meine Freunde mich rächen."

„Oha, welche Freunde meint Ihr, Monsieur?" lächelte d'Artagnan kalt.

Jede Farbe wich aus den Wangen des jungen Gardisten. Seinen Degen fallen lassend, taumelte er einen Schritt zurück und d'Artagnan atmete erleichtert auf. Er hatte geblufft. Die anderen Drei standen noch immer da, von wo aus sie erschrocken und fassungslos dem kurzen Kampf zugesehen hatten. Als auch d'Ébilité das erkannte, wirbelte er zornig herum. „Eine Lüge! Ihr habt verloren, Monsieur!" rief er triumphierend.

„Und Ihr habt keine Waffe mehr", gab der Leutnant liebenswürdig zurück und hinderte den jungen Gardisten mit bereit gehaltenem Dolch daran, dass er seine Klinge aufheben konnte. Erst jetzt zog d'Artagnan mit der anderen Hand etwas umständlicher als sonst seinen Degen und richtete ihn auf d'Ébilité. „Ist verletzter Stolz wirklich unser beider Tod wert?"

„Nur zu sehr", zischte der Gardist durch die Zähne.

D'Artagnan musterte ihn stumm. Der Kerl war wirklich bereit, einen närrischen, sinnlosen Ehrentod zu sterben und nach seinem oder gar einem anderen Degen zu greifen, sobald ihm der Leutnant ein weiteres Mal den Rücken zuwandte. Eine kalte Klinge legte sich an seinen Hals und ritzte ihm fast die Haut. Einer der anderen Drei war wohl zu dem Entschluss gekommen, seinem Freund endlich beizustehen. „Die Waffe weg, Monsieur", verlangte er mit zitternder Stimme. D'Artagnan tat nichts dergleichen, sondern erwiderte ruhig: „Seid Ihr wirklich bereit dazu? Ihr werdet einen Mord begehen, Messieurs."

Schreckliche Augenblicke lang rührte sich niemand, in denen d'Ébilité dem Musketier hasserfüllte Blicke zuwarf, sein Freund weiterhin unschlüssig d'Artagnan bedrohte und der Leutnant selbst eine wachsende Taubheit von seiner Schulter ab im Arm verspürte. Lange würde er seinen Degen nicht mehr gegen den jungen Gardisten richten können. Was geschehen würde, wenn er die Waffe senkte, vermochte er nicht zu sagen. Was geschah, wenn er sie weiterhin hielt, ebenfalls nicht. Sie waren alle auf dieser Brücke und in der grotesken Situation ohne Ausweg gefangen. Und d'Artagnan ahnte, dass er tatsächlich verloren hatte.

„He!" rief es unvermittelt und vom Bodennebel gedämpft aus der Nacht. Die klamme Feuchtigkeit setzte sich allmählich in den Kleidern fest, aber das war wohl nicht der Grund für das plötzliche Frösteln der Gardisten.

„Weg mit dem Degen. Er ist es", flüsterte d'Ébilité seinem Freund zu, der diese Aufforderung nicht zweimal benötigte. Auch d'Artagnan ließ erleichtert seine Waffe verschwinden und fragte sich zugleich, wer „er" sein mochte. Seine Frage wurde bald beantwortet. Der Mann, unter dessen Schritten sich der Nebel nun teilte, war niemand anderes als Jussac, Leutnant der Gardisten seiner Eminenz - und ausnahmsweise zur richtigen Zeit am richtigen Ort.