Mir gehört wie immer gar nichts, alle Figuren sind von J. K. Rowling
2. Kapitel
Geraubte Herzen
Voller Zweifel stehe ich hier am Fenster und höre sie, die Stimmen in meinem Innern, doch mich, mich quälen sie. Jede einzelne von ihnen. Sie erinnern mich stets daran, wer ich bin. Sie sind es, die mich nachts des erholsamen Schlafes berauben, mich durch die vielen Gänge treiben, immer und immer wieder. Ich bin es so leid, sie zu hören, jede einzelne von ihnen. Und es sind viele, mehr als irgend jemand ahnt. Ich kann sie immer noch hören, die Schreie jener, dessen Leben ich zerstörte. Ihr Bitten und Betteln, ihr Flehen um Gnade. Sehe immer noch ihre angsterfüllten Augen vor mir, die in den Tod blicken.
Meine Hände fahren über mein Gesicht, als könnte ich damit die quälenden Bilder aus meinem Gedächtnis vertreiben.
Doch sie lassen sich ebenso wenig vertreiben wie du, die mich zurzeit am meisten leiden lässt. Du, die leuchtet und strahlt, wie einer dieser Sterne da draußen. Sogar deine Augen haben dieses eigenartige Glitzern. Wenn sie sich mit den meinen vereinen und du mich mit deinen Worten zu verführen versuchst, dann spielen meine Sinne verrückt. Dein Blick weckt Sehnsucht in mir, die ich schon lange verloren glaubte. Verloren an jenem dunklen Ort, der mich all die Jahre überstehen ließ. Es ist ein gefährliches Spiel, das du mit mir treibst. Und ein Entkommen gibt es nicht, ich gebe mich dieser Illusion nicht einmal hin. Dein Bild, ich werde es immer in meinem Herzen tragen, wo immer ich gehe und stehe.
Ja! Ich muss mir eingestehen, zum zweiten Mal in meinem Leben hat mich jemand meines Herzens beraubt. Und das Wissen darum schmerzt umso mehr, da es mich an meinen Vater erinnert. Er, der nicht fähig war, Liebe anzunehmen, und sie noch weniger vermochte zu geben.
Ja, ich muss mir eingestehen, auch ihn geliebt zu haben, mehr als er es verdiente. Alleine seine Hiebe schmerzten tausendmal mehr als es ein Cruciatus des Dunklen Lords es jemals vermochte. Seine Worte waren Messerstiche, die mein Herz bluten ließen. Es schmerzt mich immer noch, wenn ich daran denke.
Gerade das Wissen darum, ihm ähnlicher zu sein als ich will, ist es, das mich handeln lässt.
„…verzeih mir! Doch… ich kann nicht."
Ich muss einige Male tief durchatmen, um meine Fassung wieder zu erlangen, wenigstens einen Teil davon. Jene Worte, sie schmerzen mich mehr als du ahnst. Mein ganzer Körper scheint davon ergriffen, doch wohl am meisten mein Herz. Es ist, als würde es zerspringen, in tausend Stücke zersplittern und jede Faser meiner selbst mit sich reißen. Und dennoch habe ich sie gesprochen!
Mein Innerstes hat wohl Recht, wenn es meint, ich hätte mir mein eigenes Gefängnis erschaffen. Stück für Stück, Stein für Stein.
Und diese Mauern sind zu stark, zu fest, als dass ich sie einreißen könnte. Ich spüre, wie deine Nähe mir die Luft zum Atmen raubt. Spüre, wie die Mauern, die ich mir selbst erschaffen habe, mich erdrücken.
Wortlos drehe ich mich um. Meine Augen stur auf die Türe gerichtet, schreite ich an dir vorbei. Schließe sogar kurzzeitig die Augen, damit du den Schmerz in ihnen nicht siehst. Jeder weitere deiner Blicke würde ihn nur verstärken.
Hermine war augenblicklich stehen geblieben. Aber nicht weil er darum bat. Nein! Das hatte er schon so oft getan. Es waren eher die Wort die darauf gefolgt waren. Die mehr schmerzten als all seine Beleidigungen in den sieben Jahren, in denen er ihr Lehrer war. Weshalb musste er gerade heute so etwas wie Gefühl zeigen, gerade heute, am letzten Abend? Morgen würde sie der Zug in eine andere Welt bringen, eine Welt, in der er nicht mehr in ihrer Nähe sein würde, in eine Welt ohne ihn. Weshalb gerade heute? Fast wünschte sie sich, er hätte sie in jenem herablassenden Ton behandelt wie immer.
Seit dem Endkampf, jener Nacht, in der so viel geschehen war, und die schwerer als alles andere auf ihrem Herzen lag, hatte er sie schlimmer als je zuvor behandelt. Fast so, als hätte sie Schuld daran, dass er seinen Gefühlen in jener Nacht freien Lauf ließ.
Jene Nacht, wie oft hatte sie sie seither in langen Nächten wieder und wieder durchlebt? Doch nicht der überraschende Angriff, die Schreie, der Anblick der vielen Toten und Verletzten war es, der sie so oft nicht schlafen ließ. Nein! Er war es. Hätte er nicht eingegriffen und sein Leben aufs Spiel gesetzt, wäre sie mit größter Wahrscheinlichkeit nicht hier und hätte ihren Abschluss mit Auszeichnung bestanden. Er war es, der verhinderte, dass die Todesser, die es auf sie abgesehen hatten, ihr Werk nicht vollenden konnten. Er hatte sie vor dem sicheren Tod befahrt und war dafür schwer verletzt worden. Ja, auch sie war verletzt gewesen, jedoch nicht so schlimm wie er. Sie hatte damals befürchtet, dass er die Nacht nicht überleben würde und auch er schien dies zu denken. Unter größter Gefahr hatten sie sich im dem nahen Wald in Sicherheit gebracht. So verletzt, wie sie waren, wären sie für alle eher eine Belastung als eine Hilfe gewesen.
Sie hatten die Bäume kaum erreicht, als er vor ihren Füssen zusammenbrach. Einen leichten Heilzauber hatte sie damals gesprochen, um ihm wenigstens einen Teil der Schmerzen, die ihn plagten, zu nehmen. Mehr konnte sie für ihn nicht tun, da sie nicht genau wusste, von welchen Flüchen er alles getroffen worden war. Er war jedoch mehr als dankbar für das wenige, das sie für ihn tun konnte. Sie hatte sich zu ihm gesetzt und seinen Kopf in ihren Schoss gebettet. Mit gequälter brüchiger Stimme hatte er sich bei ihr bedankt und ihr nahe gelegt, sich um ihn keine Sorgen zu machen. Er hätte sein Leben gelebt und hätte es verdient, so und auf diese Weise zu sterben. Er danke den Göttern dafür, hier so weich gebettet in ihrem Schoss die Welt verlassen zu dürfen, und dass er sich keine schönere Art und Weise vorstellen könne.
Er hatte ihr damals gestanden, wie sehr er sie bewundere, dass er es bedauere, nicht mehr erleben zu dürfen, wozu sie alles noch fähig wäre. Er hatte ihr auch gestanden, dass er mehr für sie empfand, als gut für ihn sei, dass das jedoch keine Rolle mehr spiele, da er diese Welt eh verlassen werde. Danach hatte ihn die Nacht umfangen und sie hatte geweint.
Ja! Auch damals hatte sie geweint, so wie heute, geweint um ihn.
