Chapter
7
Confusion
Okay, ich muss mein
Gefühlswirrwar ordnen, sonst werde ich noch wahnsinnig, außerdem
sollte ich einen Weg finden, um Auron zu erklären, warum ich
mich gerade so dämlich verhalten habe.
Nun gut, ersteres hat
Priorität.
Also, mein Stichwort ist Auron.
Was fühle
ich bei seinem Namen?
Was fühle ich bei dem Anblick seines
Gesichts?
Was fühle ich bei dem Klang seiner Stimme?
Was
fühle ich bei seinem Duft?
Auron...
Tidus schloss
seine Augen und konzentrierte sich auf den Wind zwischen seinen
gespreizten Fingern. An was dachte er, wenn er seine Gefühle von
der Leine ließ?
Auron...
Der legendäre
Gardist erschien vor seinem geistigen Auge.
Sein markant
geschnittenes Gesicht, das von graudurchzogenem, schwarzem Haar
gerahmt wurde, welches in seinem Nacken zu einem Zopf zusammenlief.
Die, durch den ständigen Sonneneinfluss, leicht gebräunte
Haut und die Farbe seiner Augen... dieses goldbraun, dass unendliche
Trauer ausstrahlte und gleichzeitig Hoffnung spendete. Feine Fältchen
an Aurons Nasenwurzel machen sein Alter deutlich und kurze
Bartstoppeln säumten seine schmalen Lippen, die in Tidus den
Drang auslösen sie zu küssen.
Der Blondschopf schlug
geschockt die Augen auf.
Oh, Mann, das bringt's nicht. Ich muss
das ganze sachlich angehen.
Also, wer ist Auron? Er ist der Mann,
der mich nach dem Tod meiner Mutter aufgenommen hat. In jungen Jahren
hat er mit meinem Vater zusammen an Braskas Seite gekämpft um
Sin zu vernichten.
Dabei war er der einzige Überlebende.
Hm,
gut, weiter, wo ist Auron? Tja, momentan ist er in der Herberge, aber
sonst eigentlich ... seitdem wir uns in Luka wiedergefunden haben,
immer an meiner Seite. In Zanarkand hat er mich vor Sins Sporen
beschützt, im Stadion von Luka stand er mir gegen die
Flugmonster bei. Im Macalania Wald hat er mich vor der Chimära
gerettet und mich dann verarztet, getragen und vor den Patronen der
Projektileinheit beschützt. Selbst in der Wüste, als ich
dachte, ich wäre mutterseelenallein, kam er mir zu Hilfe ... und
hat mich schon wieder getragen...
Bisher klappt das alles ja
ganz gut, also, nächste Frage:
Was ist Auron für
mich? Er ist der Freund meines Vater und mein ständiger Retter.
Ich will unbedingt mehr über ihn erfahren..., aber nur wegen
meines alten Herren, Tidus Gedankenfluss stoppte. Wenn er sich
selbst verstehen wollte, musste er aufhören sich selbst zu
belügen. Okay, es hat rein gar nichts mit meinem Vater zu
tun. Ich will mehr über Auron erfahren, weil ... weil ich ihn
interessant finde, glaube ich.
Warum regt mich Rikkus Zuneigung
für ihn so auf?
Okay, dachte Tidus und atmete tief ein.
Sich folgendes einzugestehen war sichtlich schwer, Ich bin ganz
einfach... eifersüchtig.
Und wie ist es mit dem Versprechen,
warum wurmt es mich so, dass Auron deswegen bei mir ist?
Jetzt
habe ich den ersten Schritt gemacht, also wird es ab jetzt leichter.
Ich will das Auron mich mag, ich will das er sich um mich kümmert,
um meiner Willen und nicht wegen meinem Vater.
Viele Antworten und
viele Fragen, jetzt muss ich nur noch meine Schlüsse daraus
ziehen...
Ich will, dass Auron mich lieber hat als meinen alten
Herrn,
weil ich... w -weil ich ...
Der Blondschopf
starrte zu Boden und beobachtete das sanfte Wippen des Grases.
Weil
ich meinen Vater hasse, genau, so einfach. Ich hasse meinen Vater und
fertig. Da ist nicht mehr an der Sache dran. Wie konnte ich sowas
überhaupt vermuten? Ach bitte, als ob ich auf Auron stehen
würde. Er ist nunmal ein guter Freund meines Vaters gewesen,
vielleicht sogar der beste und wie sonst kann ich das toppen, als mit
einer Liebesbeziehung. Ja, genau, ich bin vielleicht davon besessen
meinen Vater zu übertrumpfen, aber ich bin nicht schwul.
Nun
gab es wohl keinen Grund mehr, um sich länger von Auron fern
zuhalten, also machte Tidus auf dem Absatz kehrt und schlenderte
zurück zur Herberge. Schon aus der Ferne sah den rotbemantelten
Mann, wie er noch immer auf der Bank neben dem Eingang saß,
aber er war nicht allein. Rikku hockte neben ihm und beide
unerhielten sich. Der Blondschopf konnte es kaum fassen. Der
legendäre Gardist plauderte fröhlich mit der Al Bhed? Hatte
sie ihm etwa alles gebeichtet, weil Tidus sich davor gedrückt
hatte, sein Versprechen ihr gegenüber einzulösen? Würde
Auron dann so reagieren? Angst begann in Tidus zu brodeln und auch,
wenn er es sich nicht eingestehen wollte, Neid. Mit gesenktem Kopf
näherte er sich der Herberge und als Rikku ihn bemerkte,
verstummte sie. Tja, er hatte wohl gar nicht so falsch gelegen.
"Hey, Tidus." grüsste das blonde Mädchen ihn
höflich.
Der Angesprochene schwieg, sah sie nicht einmal
an.
"Was ist -?" begann sie und schloss ihre Hand um
Tidus' Unterarm.
"Fass mich nicht an." keifte er,
schüttelte ihre Hand ab und verschwand in der Herberge.
"Du
hast recht." sagte Rikku an Auron gewandt und dieser
nickte.
Verdammt, dachte Tidus und lehnte sich von
innen, gegen seine geschlossene Zimmertür.
Er verhielt sich
wie ein Vollidiot. Was, zum Henker, war so schlimm daran, dass Rikku
mit Auron redete? Eigentlich laberte sie ihn doch ständig mit
irgendetwas zu. Aber, bisher hat er nie geantwortet..., kam
es Tidus in den Sinn und er erschrak vor sich selbst. Ich glaube,
ich habe professionelle Hilfe nötig...
Plötzlich
klopfte es an der Tür und der Blondschopf sprang, wie ein
aufgescheuchtes Huhn, panisch von ihr weg und setzte sich auf sein
Bett.
"Herein."
Die Tür öffnete sich einen
Spalt breit und ein grünes Auge blitzte dahinter auf.
Langsam
geht mir Rikku aber auf die Nerven, dachte Tidus, zog es aber
vor, diesen Gedanken für sich zu behalten.
"Na, alles
okay bei dir?" Ein blaues Auge gesellte sich dazu und Tidus
erkannte Yunas Gesicht.
"Oh, schon wieder da?" fragte
Tidus ohne auf die Frage des Mediums zu antworten.
"Hm, ja.
Ich hab mich wohl ein bisschen übernommen. Den Rest des Tages
werde ich mich ausruhen, damit ich morgen weiter Monster abschlachten
kann." Sie schlug mit der Faust nach der Luft und lachte. "Ähm,
ich weiß du warst bereits gestern mit, aber würdest du
mich morgen trotzdem begleiten?"
"Klar, ich langweile
mich hier sowieso zu Tode."
Yuna lächelte und verließ
rückwärts das Zimmer.
Den Rest des Tages verbrachte der
Blondschopf auf seinem Bett und als Wakka hereinkam, mimte er den
Schlafenden. Wäre doch alles so wie früher.
"Morgenstund
hat Gold im Mund." sagte Wakka und rüttelte Tidus an den
Schultern wach.
"Lass mich schlafen." stöhnte
dieser und drehte sich zu Seite.
"Yuna hat gesagt, du würdest
sie heute begleiten."
Tidus öffnete die Augen und setzte
sich ruckartig auf.
"Wie eine Schwester, ja?" fragte
Wakka grinsend, worauf der Blondschopf mit einem genervten Blick und
einer herausgestreckten Zunge antwortete.
Schnell schlüpfte
er in Jacke und Hose, trat aus dem Zimmer heraus und erblickte Yuna
in einer Flut von Sonnenlicht, dass durch die Fenster
drang.
"Bereit?" fragte sie und Tidus nickte. "Sir
Auron?" bat das Medium den Gardisten mit einer Kopfbewegung
Richtung Tür, sie zu begleiten.
Na, toll, dachte der
Blondschopf, machen die das absichtlich?
"Pass
auf." rief Auron und Tidus hob im letzten Moment sein Schwert,
das geschmeidig den Tentakelarm eines Morbols abtrennte.
"Danke,
ich habe es selbst bemerkt." brüllte Tidus zurück.
Langsam
ging ihm dieser rote Kerl gewaltig auf die Nerven. Ein "Pass
auf" hier, ein "Vorsicht" da.
Musste er überhaupt
irgendwas sagen? Wieso nahm er sich nicht ein Bespiel an dem
Blondschopf, der, seitdem sie die Herberge verlassen hatten, kein
Wort gesagt hatte, naja, abgesehen von den patzigen Kommentaren, die
er Auron, hier und da mal, an de Kopf warf.
"Können wir
eine kleine Pause machen?" fragte Yuna schwer atmend, nachdem
Bahamut gen Himmel verschwunden war. Auron nickte und Tidus ließ
sich ins Gras fallen.
"Ich glaube, bald können wird in
die Gebirgshöhle vordringen und einen Bund mit Yojinbo
schließen. In den letzten Tagen habe ich viel gelernt."
Tidus
reagierte nicht auf den Smalltalkversuch, sondern starrte
gedankenverloren in den Himmel.
Machte er sich etwas vor? Wollte
er es einfach nicht wahrhaben? Wenn das nicht der Fall war, warum
benahm er sich dann wie ein professionoieller Volldepp? Oh, Mann, es
war zum aus der Haut fahren.
"Uns geht langsam das Antidot
aus." sagte Auron, während er die Aphotekentauglichkeit
seines Mantelsammelsoriums überprüfte.
"Morboljagd
geht echt ins Geld." ergänzte Yuna und seufzte.
"Ich
gehe zur Monsterfarm und besorge ein paar Neue. Wartet ihr
hier."
Tidus war froh, dass Auron für ein paar Minuten
von der Bildfläche verschwunden war.
"Und, wie mache ich
mich?" fragte Yuna und beugte sich über Tidus, der sich ins
Gras gelegt hatte.
"Gut." antwortete dieser
einsilbig.
"Du bist aber auch nicht schlecht." sagte das
Medium und lächelte.
"Danke."
"Trotzdem
können wir beide nicht mit Sir Auron mithalten."
"Hm."
"...sag mal, ist bei dir alles in
Ordnung?"
"Klar."
"Tidus." erhob das
Medium ermahndend die Stimme und der Blondschopf schreckte
auf.
"Ich.. ich weiß es nicht, wahrscheinlich eher
nicht, aber frag mich jetzt bloß nicht warum, okay?"
antwortete er gereizt und bereute es sogleich, als er Yunas
verletzten Blick bemerkte.
"Verzeihung." nuschelte
er.
"Du begleitest mich seit dem ich diese Reise auf mich
genommen habe, dafür bin ich dir sehr dankbar. Wenn du etwas auf
dem Herzen hast, wäre ich die letzte die dich abweisen
würde."
Auron wäre wohl der erste, dachte
Tidus niedergeschlagen, lächelte das Medium aber in seiner
althergebrachten Sunnyboy-Manie an.
Zaghaft beugte das Mädchen
sich über ihn.
Will sie mich etwa küssen? dachte
Blondschopf panisch. Das ist keine gute Idee, ... obwohl, warum
eigentlich nicht? schloss die Augen und spürte die weichen
Lippen des Mediums auf seinen.
Auron...
Tidus riss die
Augen auf und schob Yuna von sich weg.
"Tut ... mir leid,
i-ich ähm."
"Schon gut." unterbrach das Medium
ihn und wischte sich über den Mund, als wollte sie den
vorausgegangen Moment ungeschehen machen.
Warum musste er
ausgerechnet in diesem Augenblick an den legendären
Gardisten denken?
Langsam war es wohl an der Zeit, sich seine
Gefühle einzugestehen...
Die Zeit floss zähflüssiger
denn je dahin und in Tidus' Kopf ergriff ein Gedanke die
Vorherrschaft,
Auron...
Vielleicht war der Blondschopf ja
wirklich...? Oh, Mann, warum einfach, wenn es auch kompliziert ging?
Was sollte er jetzt tun? Auron konnte er sowieso nicht mehr unter die
Augen treten, Rikku würde von ihm wohl auch nicht so angetan
sein und mit Yuna hatte er es sich wohl auch verschissen. Hätte
man in Tidus' Situation mehr Mist bauen können, als er es
bereits getan hatte?
Alles war dahin, nur wegen diesem
schwachsinnigen roten Kerl.
"Ich will seine Stimme
hören..."
"Tidus?" Die schwere Eichentür
schwang auf und Auron steckte seinen Kopf herein.
Der Blondschopf
lag, mit unter dem Kopf verschränkten Armen, auf dem
Herbergenbett und starrte, an die weißverputzte Decke. Beim
Klang seines Namens zuckte er nervös zusammen und nahm sich für
das nächste Mal vor, keine leichtfertigen Wünsche
auszusprechen.
Der legendäre Gardist klärte seine Kehle
und trat ungebeten ein.
"Vielleicht sollten wir uns mal
unterhalten." sagte er monoton. Wieder einmal war keine Emotion
zu erkennen. Wie sehr Tidus das hasste. Bei Auron wusste man nie
woran man war.
Und trotzdem...
"Tidus?" Auron nahm
auf der Bettkante platz. Der Blondschopf drehte den Kopf weg und
fixierte einen Punkt an der Wand. Ob Auron es bemerkt hatte? Immerhin
benahm Tidus sich total dumm, er konnte sich ja förmlich dabei
beobachten, war aber nicht in der Lage es zu kontrollieren. Würde
Auron sein Verhalten auf die wahren Bewegründe zurückführen
können? Er hoffte, dass dem nicht so war. Wie sollte er
reagieren, wenn der legendäre Gardist ihn darauf ansprach? Hätte
bestreiten einen Sinn? Aber die Wahrheit wäre beschämender,
als alles was er jemals zuvor durchlebt hatte.
Nervosität
ließ seine Glieder erzittern.
"Erzähl." bat
Auron schlicht.
Tidus sah ihn überrascht an, und schalt sich
deswegen wenige Sekunden später einen Narren.
Es war bereits
später Abend, natürlich war Auron nicht mehr in voller
Montur gekleidet.
Er war barfuss und hatte seine Brustpanzerung
abgelegt, so dass unter dem lose übergeworfenden Mantel seine
vernabte Brust zu sehen war. Die Einblicke, die in ihm früher
Bewunderung ausgelöst hatten, waren nun für seine Eerregung
verantworlich.
"Da gibt es nichts zu erzählen"
entgegnete der Blondschopf und senkte beschämt den Blick.
Wie
konnte er Auron nur so ansehen und dabei solch ein Verlangen spüren?
Erst jetzt verstand Tidus das Gefühl der Sehnsucht und musste
sich eingestehen, dass er es Auron gegenüber schon länger
fühlte. Nur ein liebendes Wort, eine Umarmug ... ein Kuss. Der
Gedanke niemals etwas davon zu bekommen, war unerträglich...
Träume waren sinnlos, wenn man wusste, dass man sie niemals
erfüllen konnte.
Tidus setzte sich auf und stützte sein
Kinn auf seine Hand, um sein Gesicht ungebetenen Blicken zu
entziehen. Wie wüde Auron auf eine Beichte reagieren? Vielleicht
empfand er ja ebenso... nein, dieser Gedanke war fast lächerlich.
Als ob der legendäre Gardist Tidus... nein. Aber was sollte der
Blondschopf tun? Einfach so neben ihm herleben, versuchen jeglichen
Kontakt zu meiden und irgendwann würde es schon besser werden?
Tidus wollte ihn berühren, wünschte sich Auron wüsste
bereits von seinen Gefühlen, damit er sich die Gedanken machen
musste, wie er mit dem Blondschopf umzugehen hatte und nicht
umgekehrt. Alles abgesehen von angewiderten Blicken war ihm als
Reaktion recht. Doch den würde er wahrscheinlich ernten.
Entweder er lebte mit dieser unerwiderten Liebe oder beichtete Auron
alles und zog bestenfalls Ekel an.
Es schien ausweglos, denn egal
welche Option er wählen würde, am Ende stand er als
Verlierer da.
"Tidus, du hast dich verändert."
Auron strich mit der Hand flüchtig über Tidus goldblondes
Haar.
Das war zuviel für den Jungen. Er hatte sich
zusammenreißen wollen, aber Auron nutzte alle Mittel um es ihm
schwer zu machen. Wieso konnte er sich auf einmal nicht mehr
beherrschen? Tidus schleppte diese Gefühle schon länger mit
sich herum, aber warum stand er nun kurz davor wahnsinnig zu werden.
Vielleicht lag es an dem Blick auf Aurons nackten Oberkörper.
Tidus wollte ihn berühren
"Ich bin verwirrt."
begründete er beklommen sein Verhalten und legte seinen Kopf auf
Aurons Schulter.
"Ich weiß nicht wie ich handeln soll,
denn egal was ich tue, ich kann nicht gewinnen." Er schlang
seine Arme um die Taille des legendären Gardisten und bettete
sein Gesicht in dessen Halsbeuge, um seine feuchten Augen zu
verbergen. Auron umarmte ihn nicht zurück, er legte lediglich
einen Arm auf Tidus' Schulter und tätschelte in grob, wie Männer
es taten, wenn sie alte Freunde trafen.
Er umarmt mich nicht
einmal, dachte Tidus bedrückt. Er wollte kein Schwächling
sein, kein Weichkeks, aber er konnte nicht verhindern, das eine
einsame Träne seine Wange herunterann, einen Moment zögernd
an seinem Kinn verweilte und dann auf Aurons Brust tropfte.
Als
der legendäre Gardist das bemerkte, stellte er das tätscheln
ein und schlang beide Arme um Tidus' Rücken. Wahrscheinlich sah
er sich in der Rolle eines Ziehvaters, was die ganze Situation nur
noch auswegsloser machte. Auron roch so gut. Zögerlich
streichelte der legendäre Gardist tröstend über das
Haar seines Schützlings. Tidus schloss die Augen, versuchte sich
jedes Detail, dieser traumgleichen Szene einzuprägen: Den
Geruch, die Wärme, jede einzelne Berührung, nichts davon
sollte je wieder aus seinen Gedanken verschwinden.
"Ist es
wegen Yuna?" holte Auron den blonden Jungen aus seiner Trance
zurück.
"Was?" fragte dieser verwirrt.
"Nun,
auf einer Ebene kann man weit blicken."
Spitze, Auron hatte
also diese Farce des Nachmittags mitangesehen.
"Nun ja, das
ist auch ein Grund." gab Tidus zu.
Auron runzelte die Stirn,
sagte jedoch nichts und verursachte das aufkeimen von Tidus'
schlechtem Gewissen. Wenn sie keinen Weg finden konnten, Sin ohne die
finale Beschwörung zu vernichten, so würde Yuna ihr Leben
lassen und was tat er? Er tat ihr weh, weil er seine Gefühle
nicht wahrhaben wollte.
Würde ich doch bloss in meinem
Appartement im zwöflten Stock sitzen und mir Gedanken über
die Chancen der Abes auf den Pokal machen, als über meine
Zuneigung zu einem Mann, der mein Vater sein könnte, dachte
Tidus. Aber anscheinend war für ihn ein verworrenes Leben voller
Magie, Waffen, Tod, Leid und Homosexualität vorgesehen. Er
wünschte sich zurück nach Zanarkand, wo er Auron höchstens
alle paar Wochen zu Gesicht bekam, wenn dieser es für angebracht
hielt, mal nach dem Rechten zu sehen. Langsam löste der
Blondschopf die Umarmung und sah sein Gegenüber an.
"Wenn
ich dir alles erzählte, würdest du mich verabscheuen."
Schweigend erhob er sich vom Bett und verließ das Zimmer. Auron
blieb allein zurück.
Es war mitten in der Nacht und der Himmel der stillen Ebene war ein einziges Lichtermeer. Tidus schlich sich zurück in die Herberge. Vermutlich hatte ihn niemand vermisst. Nach dem Gespräch mit Auron, hatte er den Kontaktr zu den anderen gemieden und war ziellos umherspaziert, um seine Gedanken zu ordnen. Natürlich wusste er, dass Yuna sich vermutlich sehr um ihn sorgte und es verursachte ein schlechtes Gewissen in ihm, dass es ihm gleichgültig war. Er öffnete die Tür und spähte in das dunkle Ladenlokal, von dem aus ein Gang zu den Zimmern seiner Mitreisenden führte. Selbst der Herbergsvater hatte sich bereits zur Ruhe gebettet.
Tidus
schlich durch den Raum.
"Wir sollten uns wirklich
unterhalten." erklang eine dunkle Stimme. Tidus erschrak, wandte
sich um und nachdem seine Augen sich einigermaßen an die
vorherrschende Finsternis gewöhnt hatten, erkannte er eine
schemenhafte Gestalt. Ihr Stuhl lehnte schräg gegen die Wand und
ihre Beine lagen leicht über Kreuz auf dem Tisch.
"Ich
bin müde." entgegnete der Blondschopf stirnrunzelnd und
fasste sich an die Schläfe.
Der legendäre Gardist erhob
sich und stellte seine Sakeflasche, die bis dahin noch auf seinem
Schoß geruht hatte, auf die grob gezimmerte Tischplatte.
"Also,
ähm.. schlaf gut." nuschelte Tidus und entfernte sich von
dem Freund seines Vaters.
Unerwartet ließ dieser seine
flache Hand hervorschnellen, presste sie, unmittelbar neben Tidus'
Gesicht, an die Wand und versperrte dem überraschten Jungen so
den Weg.
"Was soll das ganze!" brüllte Auron und
kam Tidus' Gesicht mit seinem gefährlich nah.
Der Blondschopf
errötete und wollte sich befreien, um einen Rückzug in das
Ladenlokal starten, doch Auron löste seinen anderen Arm aus der
bequemen Lage seines Mantels und verwehrte Tidus die Flucht, so dass
dieser zwischen beiden Armen gefangen war.
"Verdammt, Tidus,
du behinderst unsere Mission und gefährdest damit tausende von
Menschenleben." sagte der legendäre Gardist nun etwas
ruhiger, doch ein wütendes Zittern lag in seiner Stimme. Der
Blondschopf schaute ihn verwirrt an.
Ich gefährde unsere
Mission? Mit was...?
"Jeder Tag Verzögerung ist ein
Tag an dem Sin töten könnte, ein Tag an dem dein Vater
Schuld auf sich lädt. Yuna möchte den Berg Gagazet nicht
betreten, bevor du nicht wieder bei Verstand bist und aufhörst
dich wie ein Idiot aufzuführen. Also sag mit entweder was mit
dir los ist oder reiss dich zusammen, damit wir nicht noch mehr Zeit
verlieren."
Tidus schwieg
Hatte er sich Yuna gegenüber
wie ein Idiot aufgeführt? Wahrscheinlich wiesen Idioten Media
ab.
"Bitte, wie du willst." Die Wut war aus seiner
Stimme gewichen und die Emotionslosigkeit hatte ihren Stammplatz
wieder zurück. Er nahm die Arme runter und schob seine
Sonnenbrille zurecht, die durch seine ruckartigen Bewegungen den
Nasenrücken hinunter gerutscht war.
"Wieso trägst
du in der Nacht eine Sonnenbrille?" fragte Tidus leise.
Auron
hatte diese Frage in keinster Weise erwartet.
"Aus
Gewohnheit." antwortete er und zuckte unschlüssig mit den
Schultern.
Der Blondschopf machte einen Schritt auf ihn zu und
nahm ihm die Brille ab. Auron unternahm nichts, um dies zu
verhindern, denn er wollte dem Jungen nicht gerade jetzt vor den Kopf
stoßen.
"Du hast mich also nur gefragt, was mit mir los
ist, weil Yuna sonst nicht weiterreisen will?" fragte Tidus und
faltete die glänzenden Brillenbügel zusammen.
Auron
zögerte einen Augenblick.
"Nein."
Vielleicht lag
ihm doch etwas an Tidus? Wie traurig es war diese These aufzustellen,
nur weil er verneinte, dass er von Yuna geschickte worden war.
"Warum
dann?" hakte der Blondschopf nach.
Auron schwieg. Entweder
hatte er nicht vor etwas zur erwidern, oder er dachte über seine
mögliche Antwort sehr genau nach. Tidus Herz schlug wie wild in
seiner Brust und langsam bekam er Angst, dass der Gardist es hören
könnte.
"Es ist spät, du solltest jetzt zu Bett
gehen." wich der legendäre Gardist aus, nahm Tidus die
Brille aus der Hand und setzte sie wieder auf, als er in sein Zimmer
verschwand. Der Blondschopf seufzte. Wenn er nicht den Mut hatte zu
agieren, würde alles so bleiben wie es war. Inzwischen war es
ihm ganz egal wie Auron reagieren würde, hauptsache er musste
die momentane Situation nicht weiter ertragen. Das ständige
Hoffen und die Ungewissheit ermüdeten ihn. Inzwischen dachte er
wohl genauso wie Rikku.
Auron saß auf seinem Bett und
legte seinen schweren, roten Mantel ab. Tidus wusste nicht, was er
anrichtete. Auch wenn Jekkt die Form Sins angenommen und im Laufe der
letzten Jahre tausende Menschenleben vernichtet hatte, war er ganz
sicher bei Bewusstsein, denn sonst hätte der legendäre
Gardist niemals auf ihm nach Zanarkand reiten können und aus
welchem Grund sonst, reagierte die Geißel Spiras so friedlich
auf die Hymne of Faith? Auron zog seine Stiefel aus. Sein alter
Freund litt und dessen Sohn Tidus, zögerte seine Erlösung
unnötig hinaus. Was war nur in den Jungen gefahren? Natürlich
wollte der Blondschopf nicht das Yuna starb, das wünschte Auron
sich selbst am aller wenigsten. Langsam löste der Gardist die
Schnallen seines Brustpanzers und entblößte vernarbte
Haut. Aber hatte Tidus nicht gesagt, er wolle in den Ruinen seiner
Heimatstadt nach einer Lösung suchen? Warum brachte er das
Medium dann dazu auf den stillen Ebenen zu verweilen?
Jekkts Sohn
hatte sich damit abgefunden, in Spira zu sein und er hatte sich damit
abgefunden, dass sein Vater jetzt zu den Bösen zählte, also
was beschäftigte ihn so sehr, dass er es nicht einfach
akzeptieren konnte, so wie alles andere auch? Welches Geheimnis
hütete er, wodurch Auron ihn, seiner Meinung nach, verachten
würde? Zuletzt nahm der Gardist seine Sonnenbrille wieder ab und
legte sie auf den Nachttisch. Langsam begann er sich um Tidus zu
sorgen.
Er sank auf die weiche Matratze und breitete die Decke
über sich aus. Gerade als er das Licht löschen wollte,
klopfte es an der Tür.
"Auron, bist du noch wach?"
drang es gedämpft hinter der Tür hervor.
"Komm
rein." antwortete dieser schlicht und schob die Decke von seinen
Beinen.
Langsam öffnete sich die Tür und Tidus trat
herein. Schweigend setzte er sich neben den legendären Gardisten
auf dessen Bett, ohne ihn nur einmal anzusehen.
"Ich habe
Angst, dass wir Yuna nicht vor dem Opfertod bewahren können, ich
weiß nicht wie ich auf ihre Liebe reagieren soll, da ich sie
nicht erwidere und ich habe Skrupel meinen Vater zu töten, auch
wenn er... dieses Ding geworden ist." sprudelte es aus dem
Blondschopf hervor.
"Das ist Alles?" Die Frage klang
nicht, als ob Auron der Ansicht wäre, diese Probleme wären
allesamt ein Klacks, sondern eher, als würde er glauben, dass
Tidus seine größte Sorge für sich behalten hatte. Der
Blondschopf sah Auron willkürlich an. Bisher hatte er es
vermieden und als sein Herz begann schmerzhaft zu pochen, wusste er
warum. Er konnte den seltenen Anblick von Aurons unbedecktem Gesicht
genießen. Tidus hatte hier und da einmal einen Blick in Aurons
Augen erhaschen können, aber den Kragen hatte er seit der frühen
Zeit in Zanarkand nicht mehr abgenommen.
"I-ich..., ähm
also, ich..." stotterte der Blondschopf nervös herum. Ein
feiner Dreitagebart säumte die rauhen Lippen. Tidus zog visuell
die feine Narbe nach, die kurz unter dem Haaransatz begann, sich über
das Auge, bis zur Wange zog.
Seufzend strich sich der legendäre
Gardist durch sein leicht angegrautes Haar. Erst jetzt bemerkte
Tidus, dass er sein Gegenüber wie hirnamputiert anstarrte.
"Egal
was ich tue, bitte versprich mir, mich nicht zu verachten."
Tidus
wusste, dass Auron ihm kein Versprechen geben konnte , immerhin hatte
er keine Ahnung worum es sich handelte.
"Ich versuche mein
Wort zu halten." antwortete der legendäre Gardist
warheitsgemäß.
Tidus nahm all seinen Mut zusammen. Aber
ihn überfielen Zweifel: Konnte er dem Gardisten seine wahren
Gefühle anvertrauen? Was wäre wenn er, wider aller
Hoffnungen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach, nichts dergleichen
empfand. Keine Liebe, nicht einmal Zuneigung?
Der Blondschopf
würde niemals von diesen Lippen kosten dürfen und er würde
sich zwingen müssen sie nicht anzusehen, nicht einmal an sie zu
denken.
"Du weisst, dass du darauf vertrauen kannst."
fügte Auron hinzu. Anscheinden hatte Tidus der Mut verlassen,
denn er zögerte schwer.
Nur ein einziges Mal wollte der
Blondschopf Auron küssen, egal welche Folgen das nach sich
ziehen würde. Der Blondschopf legte seine Lippen auf Aurons und
konnte sich glücklich schätzen, dass Überraschungsmoment
auf seiner Seite zu haben, denn der Gardist öffnete den Mund.
Die Frage ob er nun einen Laut des Protests loswerden wollte, oder
ihm schockiert die Kinnlade heruntergefallen war, stieß bei
Tidus nur auf Gleichgültigkeit . Er spürte Aurons heißen
Atem in seinem Gesicht und dessen Lippen auf seinen. Vorsichtig
tastete sich seine Zunge vor, berührte zaghaft Aurons und
erkundete dessen Mundhöhle. Als der Gardist realisierte, was
Tidus gerade tat, stieß er ihn keuchend von sich.
"Ich
liebe dich." gestand Tidus hastig und verließ fluchtartig
das Zimmer.
Auron blieb schweigend sitzen und machte keine
Anstalten dem verwirrten Jungen zu folgen.
Er strich sich
lediglich mit dem Daumen über die Unterlippe.
Damit hatte er
am wenigsten gerechnet.
