"Igitt!" Narcissa rümpfte ihr feines Näschen. "Wie soll ich sowas anfassen! Und überhaupt, wieso soll ich das lernen? Das kann man doch alles kaufen." Sie war mit sich und der Welt unzufrieden. "Ich kann dir das Zeug zwar hier und heute kleinschneiden." erwiderte Severus und schaute dabei nicht einmal von den zermanschten Flubberwürmern auf, die er gerade in Arbeit hatte. "Aber in der Klasse wirst du es selber machen müssen. Es sei denn, du willst durchfallen." setzte er gelassen hinzu. Narcissa schüttelte sich wieder. "Brr!".
Er lachte dazu. "Gibt Schlimmeres. Yak-Kotze für den Schwindelfrei-Trank beispielsweise." "Oh hör auf Du! Es kann ja sein, dass du dieses Ekelzeug hochinteressant findest, aber verschone mich damit. Heute ist Quidditchauswahl für die neue Mannschaft. Gehst du hin?" fragte sie, um von dem unerfreulichen Thema wegzukommen. "Glaube nicht." kam prompt die Antwort. "Ich bin nicht so der - Sportler." Narcissa nickte verständnisvoll. "Verstehe auch nicht, was die alle daran finden. Ich wette aber, Lucius wird dich hinschleppen."
Zwei Stunden später waren sie auf dem Weg zum Quidditch-Feld. "Du kannst es ja mal probieren." meinte Lucius gönnerhaft. "Hab' keinen Besen." brummte Snape. "Ich hatte daheim ein Veloziped." fügte er hinzu. "Ah ja." antwortete Lucius, dem dieser Begriff gar nichts sagte, was er sich natürlich nicht anmerken lassen konnte. 'Vermutlich ein schwarzmagisches Objekt.' spekulierte er, ließ den Gedanken aber gleich wieder fallen. Snape beobachtete ihn genau dabei und freute sich heimlich, dass der große Malfoy ein Fahrrad nicht erkennen konnte, selbst wenn man es ihm vor die aristokratische Nase hielt.
Während die Slytherin Cheerleader heftig über die Zusammenstellung der Mannschaft diskutierten, zog sich Severus auf eine Zuschauerbank zurück und packte ein kleines Heft aus. Ein Muggelnotizheft, um genau zu sein. Nachdem er sich kurz vergewisserte, dass ihm auch keiner zusah, begann er zu schreiben. "1000 nützliche Flüche und wie man sie verwendet." stand als Überschrift. Ungefähr dreihundert waren in dem Heft schon beschrieben. Jetzt setzte er einen neuen hinzu. "Schmierseifenhex. Kurze Zauberstabbewegung nach oben und Spruch Labi Lapsus." Er schüttelte amüsiert den Kopf. Ein Hausfrauenspruch, der den Fußboden einseifte, um ihn anschließend mit dem Scheuerspruch 'peniculus' zu bürsten. Wenn man natürlich nicht aufpasste und den Spruch jemanden vor die Füße warf, dann wurde der Boden für denjenigen ziemlich glatt und man rutschte aus. Für das Verwirren eines Gegners sehr geeignet, entschied Severus und klappte sein Heft zu. 'Ich frage mich, ob man mit 'peniculus' auch potentielle Gegner abbürsten kann.' dachte er und nahm sich vor, dies am Abend mal mit Rosier auszuprobieren.
Lucius war inzwischen vom Kapitän Charles Mulciber als Jäger ausgesucht worden. Seine Frisur war zerwühlt und seine edle Kleidung mit Schlammspritzern bedeckt, aber er war hochzufrieden. Wenigstens hatte er sich nicht in die Mannschaft kaufen müssen, wie die Lestrange-Brüder.
"Hast du gesehen?" rief Lucius, "Der scharfe Bogen, den wir Jäger am Ende fliegen, um zu verwirren und den Gegner um den Verstand bringen?" Severus hob den Kopf und zwang sich, interessiert zu nicken. "Heute nacht haben wir was vor." flüsterte ihm Lucius zu, als er wieder auf der Bank Platz nahm, um die B-Mannschaft zu begutachten. "Eine Frage der Ehre." Severus sah ihn neugierig an. "Was genau?" fragte er. "Frank Longbottom hat die Zusage für ein Auroren-Probetraining erhalten. Er hält heute nacht ein feierliches Duell mit uns ab. Es stimmt doch, was in dem Brief steht?" fragte er noch einmal eindringlich. "Jaha." erklärte Severus zum tausendsten Mal. "Dann möchte ich, dass du mitkommst. Ich will Longbottom mit einem Erstklässler düpieren." Snape schnaufte missbilligend. "Düpieren?" Lucius grunzte unwillig. "Düpieren heißt soviel wie beleidigen. Feine Leute nennen das so." erläuterte er herablassend. "Was soll das heißen, feine Leute! Mein Vater ist ein Hexenmeister mit einem Wissen in den dunklen Künsten, von denen selbst der dunkle Lord nur mit größter Hochachtung spricht!" zischte Severus wütend.
'In Wirklichkeit war er Buchhalter in dieser verdammten Spinnerei, bis die zugemacht haben und jetzt sitzt er zu Hause und flucht und säuft und schlägt, wen er gerade erwischt.' dachte er bitter.
"Ist ja schon gut." wehrte Lucius ab. "Das weiß ich natürlich." Lucius wußte natürlich nichts, aber er konnte das unmöglich zugeben. Wie stünde er dann da? Und schließlich hatte der dunkle Lord erst neulich wieder bei einem Diner mit Lord Malfoy nach dem Jungen gefragt...
Kurz vor zwölf schlichen sie vorsichtig auf Socken durch die Korridore. "Wo geht's denn hin?" wisperte Severus. "Sh! In das Musikzimmer." flüsterte Lucius zurück. Sie waren gemeinsam mit drei anderen Slytherins unterwegs. Eine weitere Gruppe nahm einen anderen Weg. Glücklicherweise schienen die Gänge heute nacht unbewacht. "Flitwick hat Geburtstag." murmelte Mulciber, "Wahrscheinlich feiern die irgendwo." "Hogwarts hat ein Musikzimmer?" wunderte sich Severus. "Ja, aber das wird wahrscheinlich auch bald gestrichen, jetzt wo die ganzen Proleten von Muggels hier sind." zischte Lucius zurück. "Ich bin erstaunt, was du für Worte kennst, Malfoy." erwiderte Mulciber angewidert.
Sie betraten das Zimmer und wurden von einer recht beträchtlichen Menge von Gryffindors in Paradeuniform begrüßt. Ein paar von den anderen beiden Häusern waren auch dabei. "Toll was los." flüsterte Snape, der neben einem blassen Gryffindor zu stehen kam, den er flüchtig aus dem Unterricht kannte. "Ja." flüsterte der zurück. "Es ist eine große Ehre für das Probetraining zugelassen zu werden. Ich bin Remus Lupin." Snape schaute ihn an und kicherte. "Lustiger Name. Bist du auch ein Wolf? Ich bin Snape." fügte er noch hinzu. Der Junge wurde puterrot und antwortete heiser: "angenehm.".
"Gut, Jungs." rief ein Siebtklässler aus Gryffindor. "Ihr kennt die Regeln. Immer einer nach dem anderen. Ein Slytherin fängt an." Lucius schob seinen Schützling nach vorn. "Der fängt an." sagte er in seinem arroganten Tonfall. "Ich bin doch kein Kinderfresser, Malfoy." erwiderte Frank. "Habt ihr nichts Besseres?". "Wenn ich mir's recht überlege - nein." antwortete Malfoy mit einem Haifischlächeln.
Dann ging es alles recht schnell. Der Schiedrichter zählte bis drei und Frank Longbottom, der nicht wußte was ihn wann getroffen hatte saß auf dem Boden. "Argh!" schrie er und schlug sich gleich darauf auf den Mund. "Was ist?" fragt der Schiedsrichter. "Hilf mir auf." ächzte Longbottom, "Ah, diese Schmerzen!" Der andere Junge zog ihn hoch und bemerkte schlau: "Du hast dir wohl den Steiß geprellt, Frank." Die Zuschauer kicherten hämisch. "Was war es genau?" fragte Lucius leise und versteckte Severus in der Menge der anwesenden Slytherins. "Wespenstichhex in beide Waden und Schmierseifenhex auf dem Fußboden." erwiderte Severus leise, "Lass uns abhauen, ehe sie es auch wissen wollen!".
Sie wählten einige Umwege, um den empörten Gryffindors auszuweichen und im Gemeinschaftsraum angekommen, brachen sie in brüllendes Gelächter aus. Verschlafen kamen die Mädchen aus ihren Zimmern und fragten, was denn dieser Heiterkeitsausbruch solle. Lucius holte Sekt aus seinen unergründlichen Vorräten und erzählte alles noch einmal genau und voll ausgeschmückt, was seine Rolle dabei betraf. "Siehst du?" sagte Narcissa weise und nippte an ihrem Glas.
Am anderen Morgen kam Frank Longbottom mit saurem Gesicht zum Frühstück. Die Schulschwester, Madam Pomfrey, hatte sich geweigert, ihn magisch zu heilen und ihm einfach eine Salbe verschrieben. Nun trug ein Gryffindor-Erstklässler, ein kleiner, strubbelhaariger mit Brille, dem Auror in spe einen Sitzring voraus, auf dem er sich dramatisch stöhnend niederließ.
Von den anderen Tischen kam Gelächter und ein paar Pfiffe. Frank trug ein stoisch nichtssagendes Gesicht zur Schau.
"Sie werden dich jetzt ins Visir nehmen." stellte Narcissa fest, die gerade mit Bellatrix im Schlepptau heranschwebte. "Was ist daran wohl neu?" fragte Severus zurück, der in der ersten Woche schon einige seltsame Begegnungen gehabt hatte. Gerade als er hochschaute, sah er offensichtlich ein Gespenst. Das Mädchen vom Straßenfest! Hier? 'Hier sind nur Hexen.' beruhigte er sich selbst. Allerdings - er selbst war auch hier und er war auch auf dem Straßenfest gewesen. Was nun?
