Jeden Tag zwanzig Worte.
'Desperat - Verzweifelt. Wie in 'Ich bin nicht desperat genug, um diese fünf Ameisen in Stecknadeln zu verwandeln, Professor McGonnagal!'
Boudoir - ein Zimmer im Herrenhaus Malfoy, wo Narcissas Schwiegermutter in Spe ihre Freundinnen mit Tee und Sherry bewirtet.'
Transfiguration war an sich eine feine Sache. Viele seiner Besitztümer mussten im Laufe der Zeit 'transfiguriert' werden. Seine Buntstifte, die Bleistifte und die Notizhefte veränderte er, dass sie sich der allgemeinen Hogwarts-Mode anpassten - in ledergebundene Journale und Schreibfedern. Darin war er sehr erfolgreich. Leider versagte diese Gabe völlig, wenn er von dem Ergebnis nicht völlig überzeugt war, wie eben Ameisen in Stecknadeln.
'Konfusion - eine Art Panik. Eine Art Panik, die mich befällt, wenn ich das Mädchen vom Straßenfest auf dem Gang treffe. Eine, die vermutlich weiß, dass ich einmal Steve hieß.'
Lucius Malfoy saß im Gemeinschaftsraum und hatte sich mit einer stattlichen Menge von wichtig aussehenden Büchern umgeben. "Hoffentlich ist das hier bald vorbei!" stöhnte er. In ein paar Monaten würde er seine UTZ ablegen und Hogwarts in Richtung 'richtiges Leben' verlassen. "Fahrt ihr während der Weihnachtsferien heim ?" fragte Bellatrix an niemand bestimmtes gerichtet. "Wir feiern Weihnachten nicht so groß, stattdessen Wintersonnenwende und Neujahr." erwiderte Lucius abwesend. "Wir haben ein großes Essen mit allen Verwandten am 31. Dezember und einen Empfang für Geschäftsfreunde von Vater am 1. Januar. Ehe ich's vergesse, ihr beiden seid auch eingeladen am Neujahrstag und Severus. Wo ist der eigentlich schon wieder?". Bellatrix zuckte mit den Schultern. "Bibliothek?" bot sie vorsichtig an.
In dem Moment kam er schon hereingeschlurft, mit hängenden Schultern und einem trotzigen Gesichtsausdruck. "Ärger?" fragte Bellatrix herablassend. "Geht so." antwortete er. "Ich hatte einen unangenehmen Zusammenstoß mit einem Trupp Gryffindors im Gang. Sie hatten eine Glaubenskrise." "Wie das?" fragte Lucius interessiert. "Ja, sie glaubten, sie müssten mich verkloppen. Wegen Frank. Die haben überhaupt keinen Sportsgeist."
"Und dann?" Severus zuckte mit den Schultern und zeigte auf seine gespaltene Oberlippe, die er gerade mit etwas Heilsalbe einstrich. "Filch ist gekommen und hat rumgebrüllt. Ach und - Strafarbeiten, morgen früh im Gewächshaus." Lucius seufzte. Das alles passte überhaupt nicht in seine Pläne, er brauchte Snape nämlich dringend für seine Hausaufgaben. "Ich rede mit Professor McGonnagal, die muss die Strafarbeit zumindest aussetzen. Zumal die angefangen haben."
Severus sagte darauf nichts und ging an den Türpfosten, wo eine Kerbe seine aktuelle Größe anzeigte. "Wieder nicht gewachsen." stellte er resigniert fest. "Sag' ich doch. Du bleibst so klein. Mach dich schon mal auf ein Leben als Zwerg gefasst. Vielleicht als Kaminkehrer." frotzelte Bellatrix. "Pf! Es gibt einen Spruch, der anzeigt, wie groß man mal wird." erklärte Severus. "Ich habe ihn eben in der Bibliothek nachgeschlagen."
"Tatsächlich?" rief Rosier begeistert, der gerade hereinkam. "Lass uns den sofort ausprobieren. Wer fängt an?" Lucius, dem jede Abwechslung willkommener war als sein Lernstoff, machte den Anfang. "Quo Grandis?" murmelte er und schaute zufrieden auf das Ergebnis. Rosier war nicht so überzeugt von seinen 1,75 m und Bellatrix lachte darüber hellauf. Snape ließ sich auf den Sessel in der Ecke fallen und versuchte die Zahl zu erkennen, die über seinem Kopf tanzte. "Er wird dich um einen halben Kopf überragen." stichelte Bellatrix, "Wie wirst du damit zurechtkommen, Lucius?" Dieser brummte nur etwas unverständliches und wandte sich wieder seinen Büchern zu.
'Wenn ich einmal groß (wirklich groß um die einsneunzig) bin, schreibe ich ein Buch Slytherin in zwanzig Tagen, ein Ratgeber ' schrieb er in sein neues Journal.
Am 20. Dezember kam ein Brief von zu Hause, der lapidar mitteilte, dass es sich nicht lohnte, für die paar Tage über Weihnachten heimzukommen.
'Lapidar - knapp. Ohne viel Drumrum'
Ein Päckchen war noch dabei, mit Keksen und einem Riegel Cadbury's Mandel und ein Buch. "Der Graf von Monte Christo" von Dumas, das hatte er sich schon länger mal gewünscht und jetzt endlich bekommen. Leider waren seine Interessen in der Zwischenzeit auch gewandert und er hätte lieber ein Zaubertrankbuch gehabt. Das bekam er überraschend aus einer anderen Quelle. 'Frohe Weihnachten, dies ist mein altes Exemplar, aber ich brauche es ja jetzt nicht mehr. V' stand auf der beiliegenden Karte. Zusammen mit diesem Päckchen kam eine offizielle Einladung zu Malfoy am Neujahrstag.
Er begann zu bedauern, dass er keine festliche Robe hatte, aber die Schuluniform musste eben genügen. Seine Muggel-Anziehsachen hatte er schon vor Wochen des Nachts im Kamin verbrannt. Er saß auf seinem Bett, er hatte den Schlafsaal während der Feiertage ganz für sich, und eliminierte Schokofrösche per Abzählreim. Bei jedem Frosch, den er verzehrte, dachte er auch an den kleinen blauen, der in seinem Magen gehaust hatte. Seine Mama hatte keine Erklärung dafür gehabt oder nicht gewollt. Nebenbei machte er sich eine weitere Liste mit wichtigen Zielen. Ziel Nummer eins: 'Das Mädchen vom Straßenfest davon überzeugen, dass wir uns nicht kennen.' Er bedauerte, dass er noch keinen Vergessenszauber konnte.
Und irgendwann musste es doch passieren. Gerade in der Weihnachtszeit, als nur knapp zwanzig Schüler in Hogwarts blieben, kam es zur längst überfälligen Begegnung. Er stand vor dem schwarzen Brett und las die Anzeigen, um irgendwie an Geld zu kommen. Manche Professoren suchten Assistenten und auch die Krankenstation schrieb immer mal wieder Hilfsarbeiten aus. Da hielten ihm plötzlich zwei kühle Hände die Augen zu und eine Mädchenstimme rief "Rate wer das ist?" Severus fühlte, wie die Panik von ihm Besitz ergriff. "Helvetia Strauss?" fragte er beklommen, obwohl er genau wusste, das diese Person nicht im Schloss war. "Falsch!" erklang es fröhlich und sie nahm die Hände von seinen Augen und wirbelte ihn herum. "Steve..."
Er hob eine Hand, um sie zu stoppen. "Ich heiße nicht Steve." sagte er mit soviel Würde, wie er gerade aufbringen konnte. "Nicht?" fragte sie erstaunt. "Aber wir kennen uns. Du hast auf dem Rummel Blumen für Petunia geschossen und ..." Er seufzte. Na gut. Er würde das hier und jetzt regeln müssen. "Das kann schon sein , Lily. Aber ich heiße definitiv nicht Steve. Das hast du falsch in Erinnerung. Ganz sicher. Schau, es ist doch schon so lange her, fast ein halbes Jahr und ... ich heiße Severus. Das du dir das nicht merken kannst!" fügte er anklagend hinzu. Ihr Gesicht veränderte sich vom fröhlichen Lächeln zum erstaunten Nachdenken. "Na egal." sagte sie schließlich, "Ich bin froh, dass du hier bist. Die ganzen Zauberer sind nicht so richtig mein Fall. Ziemliche Angeber. Du bist in meiner Klasse in Zaubertränke, Transfiguration und auch in Geschichte der Magie, stimmts? Ich habe dich schon oft beobachtete, war mir aber nicht sicher, ob du es wirklich bist. Wenn Petunia das erfährt! Obwohl..."
'definitiv - endgültig, wie in - ich heiße endgültig Severus.'
"Was ist mit Petunia? Lass mich raten, die Zicke hasst dich jetzt, weil du zaubern kannst?" Lily nickte traurig. Deswegen war sie über Weihnachten in Hogwarts geblieben, damit sich daheim die Wogen etwas glätten konnten.
"Pfeif' drauf." sagte Severus ernst, "Muggel verstehen das sowieso nicht. Ich gehe ohnehin nicht zurück." setzte er hinzu und er fühlte in dem Moment erstmalig, dass er das auch so meinte.
"He, Steißpreller." ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen. "Lass die Gryffindor-Mädchen in Ruhe." Der Neuankömmling war ein stämmiger Schwarzhaariger, der Severus unangenehm an Samuel Lawrence, den Sohn des Fleischermeisters erinnerte. "Wir unterhalten uns nur, Sirius." erklärte Lily ungerührt. "Und ich wüsste nicht, was dich das angeht." setzte Severus ungehalten hinzu. Wieso hatten diese Kerle so einen Hang zum Streit. Samuel Lawrence war auch so ein Raufbold gewesen. Nur hatte dieser nach verschiedenen 'Vorfällen' einen großen Bogen um ihn gemacht. Dieser Sirius schien das Wort 'großer Bogen' jedoch nicht zu kennen. "Lily, die kleinen Schleimbeutel aus Slytherin sind kein Umgang für dich. Der hier" er wies mit seinem tintenveschmierten Zeigefinger auf Severus, "Der hier ist das Anhängsel von Lucius Malfoy. Das sind Schwarzmagier." Severus verdrehte gelangweilt die Augen. "Sie wird schon selbst entscheiden können, mit wem sie spricht. Ich glaube auch, dass sie sich sehr gut selber vor Huhuu! Schwarzmagiern schützen kann!" zischte er. Lily kicherte. Sirius wurde rot und versuchte eine Antwort zu finden. "Sie kann sie gar nicht erkennen!" schrie er, "Sie ist eine Muggelgeborene! Sie Sie..." Severus runzelte die Stirn. Was war das denn für eine seltsame Logik? "Um den Unterschied zwischen nett und stinkig oder schwarz und weiß zu erkennen, braucht man keine fünfzig Zauberer im Stammbaum." erwiderte er. "Und das du nicht ganz dicht bist, erkennt ein Blinder mit Krückstock." fügte er gehässig hinzu. Damit drehte er sich wieder zu Lily um und wollte das Gespräch fortsetzen.
Das widerum passte Sirius überhaupt nicht, er zog seinen Zauberstab und wollte gerade einen Spruch ablassen, da kam eine Horde Hufflepuffs um die Ecke. Unter so viel Zeugen, wollte er nichts riskieren und steckte den Zauberstab wieder ein. "Wir sprechen uns noch!" zischte er und machte sich auf den Weg in die große Halle. "Sicher." sagte Severus. "Sicher."
"Genau das meinte ich." flüsterte Lily. "Die sind so, aufgebracht. Wegen Frank. Du hast doch von Frank Longbottom gehört? Er ist von einem Schwarzmagier angegriffen und schwer verletzt worden. Es muss furchtbar gewesen sein." Severus lachte. Er lachte, bis ihm der Bauch wehtat. "Ich war zufällig dabei." erzählte er dann freimütig. "Glaub mir, er ist nur ausgerutscht. Frag Remus Lupin, wenn du mir nicht glaubst. Er stand neben mir." Lily war erstaunt. "Das erzählen die Jungs aber ganz anders." meinte sie. "Dafür sind es auch Jungs." brummte Severus und hielt ihr die Tür zur großen Halle auf.
