Gegen Abend steigerte sich die Nervosität im Hause Malfoy. Regulus und Severus hatten sich wieder zu Lucius und den jungen Damen gesellt, die sich die Zeit mit modischen Fragespielen vertrieben. Außerdem tranken sie reichlich Likör und hörten Musik.

"Der dunkle Lord kommt gegen neun Uhr." gab Lucius bekannt. "Und danach gibt's gleich Abendessen. Junger Pfau in Pflaumensoße, was ganz Delikates." 'Wenn es Malfoy behauptet, wird es schon stimmen.' dachte Snape, den es bei dem Gedanken schüttelte. "Ehrlich gesagt, mir wäre ein einfaches Hühnchen lieber." dachte Bellatrix laut und wurde deshalb von ihrer Schwester ausgelacht. "Aus dir wird nie eine feine Frau." lästerte sie. "Das will ich - im Gegensatz zu dir - auch nicht werden. Ich bin als Kriegerin geboren und als Kriegerin werde ich auch sterben." antwortete Bellatrix salbungsvoll. Severus war gleichzeitig beeindruckt und amüsiert. Irgendwie wirkte Bellatrix extrem lächerlich, wenn sie sich so dramatisch gab. Dabei war sie ein ganz patentes Mädchen, nicht so wie Lily vielleicht...

Er verdrängte die Gedanken an seine Muggelbekanntschaften und wandte sich wieder dem Tagesgeschäft zu. "Was meint ihr, wird der dunkle Lord mit uns sprechen?" fragte er aufgeregt. "Oder interessiert er sich gar nicht für so kleines Gemüse?". Lucius lächelte huldvoll. "Tja, er wird wissen wollen, ob du gewachsen bist Snape. Da wird es natürlich dünn..." "Ich bin nur äußerlich nicht gewachsen." murmelte er und wurde rot. "Außerdem kann ich ja den Spruch zeigen, dann sieht er ganz deutlich..." Lucius wischte mit der Hand durch die Luft, um ihn zu unterbrechen. "Ja, ja, ja einsneunzig, ich weiß." brummte er. "Er wird vielleicht an den einen oder anderen das Wort richten, aber alles in allem haben wir den Mund zu halten. Im Gegensatz zu anderen armen Irren glaubt der dunkle Lord nicht an Kinderkreuzzüge. Unsere Aufgabe ist, den Abschluss zu machen und uns die Muggelliebhaber vom Hals zu halten. Nicht mehr und nicht weniger. Sollte er wirklich einmal - ich betone einmal - unsere Hilfe brauchen, wird er es uns wissen lassen. Übrigens, Snape, du sollst dich mal bei meiner Mutter sehen lassen. Sie hat ein paar Klamotten von mir für dich, um dich standesgemäß einzukleiden." Severus trollte sich in Richtung Boudoir.

'Standesgemäß einkleiden? Wo soll ich denn Samt und Seide tragen? Im Kohlenkeller, wenn der Alte wieder mal seinen Rappel hat und mich stundenlang dort einsperrt? Oder beim Zeitungsaustragen um fünf in der Frühe? In Hogwarts, nun ja, das ist etwas anderes...'

So vor sich hin murmelnd, klopfte er an die Tür und Madame Malfoy, die dort mit beiden Mesdames Black beim Tee saß, machte auf. "Oh, da ist ja unser kleiner Freund. Weißt du, ich habe mir gedacht, dass es sehr gut wäre, wenn ich dir etwas unter die Arme greife. Ich habe da noch eine Slytherin-Paradeuniform von Lucius. Ich weiß, sie sind nicht mehr so beliebt, beim alten irren Muggelfreund, aber deine Hauskameraden tragen sie zum Trotz noch immer. Besonders an Salazars Geburtstag, der ja bald ist. Ich finde, du solltest auch eine haben." Severus bekam große Augen. Seit er das Haus Salazars betreten hatte, waren seine Augen immer wieder an der Vitrine im Gemeinschaftsraum hängengeblieben. Seine Kameraden hatten in der Tat alle diese Uniform, obwohl sie nicht mehr offiziell hergestellt wurde. Bei der Uniform galt der Grundsatz, je älter desto besser. "Die ziehst du heute abend an, wenn seine Lordschaft erscheint." zirpte Madame Malfoy. "Er wird entzückt sein." Severus' Herz klopfte bis zum Halse. "Eine Uniform, das ist wirklich unglaublich!" jubelte er und küsste Madame die Hand. Das hatte er mal in einem alten Film gesehen. Die Damen waren gerührt über soviel gute Erziehung und brachten dies auch zum Ausdruck.

Severus lächelte verlegen und dachte 'Ja, mit dem Hosenriemen!', bedankte sich nochmals und brachte seine neuen Schätze in sein Zimmer.

Pünktlich 10 vor neun sammelten sich die aufgeregten Teenager in Lucius' Salon. Er bewunderte Snape in seiner fast neuen Slytherin-Uniform und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Narcissa und Bellatrix trugen die Mädchenversion und sahen jede auf ihre Art hinreißend aus, fand Snape. Lucius trug seine Präfektenabzeichen und eine Medaille, die er für einen Sieg im Wettbewerb um den besten Übersetzer für alte Runen erhalten hatte. Sie tuschelten aufgeregt miteinander. Einen Moment später kam der Hauself und holte sie in das große Esszimmer.

Der dunkle Lord war tatsächlich da. Er saß auf dem Ehrenplatz in dem prunkvoll geschnitzten Eichenholzstuhl und schaute auf die anderen Gäste herab. Severus schien es, als sei er im letzten Jahr stark gealtert - nein nicht gealtert, nur sein Gesicht wirkte unlebendig - wie eine Maske aus Wachs. Der dunkle Lord lächelte beim Anblick der jungen Slytherins und winkte sie huldvoll heran. Als erstes wandte er sich an Lucius. "Nun Mr. Malfoy, UTZ in Sicht? Ich hoffe, Sie machen uns keine Schande?" Lucius ging auf die Knie und küßte den Ring des dunklen Lords. "Danke der Nachfrage, Mylord. Es wird alles gut gehen." antwortete er.

'Der küßt seinen Ring! Was nun? Soll ich das etwa auch machen? Oh verdammt!' dachte Severus verzweifelt und holte tief Luft. Narcissa und Bellatrix näherten sich dem Thron-Stuhl. "Meine Damen!" schmeichelte der dunkle Lord, "Sie werden von Mal zu Mal schöner! Ich hoffe, ihre Hogwarts-Karriere ist ebenso erfolgreich wie ihre Frisierkunst?" Narcissa kicherte gekünstelt und machte einen tiefen Knicks. Bellatrix warf sich noch einmal in Positur und antwortete: "Mylord, wenn ich erst Ihnen dienen darf, wird meine Frisur keine Rolle mehr spielen." Der dunkle Lord lachte heiser und wandte sich Severus zu. "Komm her, mein Junge. Wir haben uns lange nicht gesehen. Ich hörte unglaubliche Dinge von dir. Weiter so. Ich zähle auf dich." flüsterte er verschwörerisch. "Danke Mylord, ich gebe mir alle Mühe. Und danke für das Buch, es ist großartig." flüsterte Severus zurück und machte einen Diener, wie er es im Kino gesehen hatte. Lord Voldemort lächelte grimassenhaft und winkte die Kinder an ihre Plätze. Während des opulenten Mahles wurde wenig gesprochen, einige grotesk verkleidete Hauselfen machten Kammermusik.

Lord Malfoy schickte seine jungen Gäste nach dem Essen ins Bett. "Ihr werdet müde sein und morgen mittag sollt ihr wieder in Hogwarts eintreffen." sagte er gnädig und wünschte ihnen eine gute Nacht. Sie verabschiedeten sich ehrfürchtig vom dunklen Lord und zogen sich in ihre Zimmer zurück.

Regulus schlief fast sofort ein, er war es nicht gewohnt so lange aufzubleiben. Severus las unter der Bettdecke mit Hilfe seines Zauberstabes einen von Lucius' Romanen. Er lauschte hin und wieder, ob er irgendwelche Laute aus dem Speisezimmer oder dem Kaminzimmer erhaschen konnte, aber es war nichts auszumachen. Seufzend schloss er schließlich das Buch und drehte sich auf die Seite. Er starrte eine Weile ins Dunkle und schlief endlich ein.

Oh nein! Er hätte die letzte Limonade doch nicht trinken sollen. Jetzt musste er auch noch raus, leider hatte Lucius' Zimmer kein eigenes Badezimmer. Das nächste erreichbare Klo war, wie in alten Herrschaftshäusern nicht anders zu erwarten, eine Treppe tiefer. Severus nahm seinen Zauberstab und schlich sich barfüßig hinunter. Er fand zum Glück das verdammte Klo sofort und als er herauskam...

Murmeln, Flüstern, schleifende Geräusche und plötzlich! Ein gedämpftes Wimmern! Severus schlich sich vorsichtig um die nächste Ecke und schaute durch das Treppengeländer. Zwei maskierte Männer zogen etwas hinter sich her und verschwanden in einer Eichenholztür. Severus atmete heftig und versuchte sich unter Kontrolle zu bekommen. Schließlich war er soweit, dass er beinahe lautlos nährer schleichen konnte.

Er kroch beinahe auf allen Vieren an die Tür heran und lugte hindurch. Ein paar Fackeln hingen an den Wänden, aber sonst schien es nur ein langer Gang zu sein. Vorsichtig huschte er hinein. Er tappte wachsam den Gang entlang, wobei er sich hin und wieder in einer Nische ausruhte, um seinen Atem wieder ruhig zu stellen. Schließlich hörte er Stimmen. Eine davon gehörte dem dunklen Lord, die anderen wohl verschiedenen Gästen. "Es ist nur ein symbolischer Akt." hörte er, "Sie werden das nicht verstehen, Mister. Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort." Eine ängstliche Stimme antwortete gequält: "Was - was wollen Sie von mir? Ich habe kein Geld, wirklich nicht! Und die Polizei - ich habe die Polizei gerufen, sie werden bald hier sein!" Als Antwort kam nur höhnisches Gelächter.

Severus reckte sich behutsam, um in den Raum hineinsehen zu können. Drinnen standen der dunkle Lord und einige andere Männer um einen Muggel herum. Der Muggel war ein kleiner grauer Mann mit einem billigen grauen Anzug und einem Second-Hand Aktenkoffer. 'Ein Vertreter' schätzte Severus fachmännisch. Der Mann hatte quer über das ganze Gesicht eine blutende Scharte und ein Ärmel hing lose über seinem gelblich-weißen Oberhemd. Sein Schlips war von abscheulicher Buntheit. "Was wollen Sie?" kreischte er nochmals und seine Stimme war dabei unnatürlich hoch geworden. "Sie können alles haben! Hier - mein Geld, meine Kreditkarte, Gutscheine für Marks & Spencer..." Die Zauberer sahen sich alles sehr interessiert an. 'Wie die Indianer im Western, wenn sie Glasperlen und Feuerwasser bekommen.' fuhr es Severus durch den Kopf.

"Gut Gut." sagte der dunkle Lord, "Nur - uns interessieren ihre Muggeldinge nicht." "Nicht." flüsterte der kleine graue Mann panisch. "Nein. Wir wollen EUCH ausrotten!" erklärte der dunkle Lord ruhig. Severus hinter der Tür schluckte.

Dann hob der dunkle Lord seinen Zauberstab und flüsterte ein Wort. "Crucio". Der kleine graue Mann wand sich auf dem Boden und schrie fürchterlich. Severus biss auf seine Fingerknöchel, um nicht auch zu schreien. Als der dunkle Lord den Fluch löste, blutete der graue Mann aus Nase und Ohren, ja selbst aus den Augenwinkeln floss Blut.

Severus drehte sich um und rannte. Er rannte wie von Sinnen, ohne darauf zu achten wohin. Als er schließlich stehenblieb und sich umsah, seufzte er glücklich auf, er war im richtigen Stockwerk, nur wenige Schritte vor seiner Zimmertür. Er riss sie auf und stolperte schwer atmend auf sein Bett zu. Bevor er sich darin verkroch, öffnete er seine Tasche und holte Floppy, den Strickhasen hervor. Er presste das schmuddlige Tier an sich und flüsterte in sein Langohr: "Wir sind angeschissen, Floppy. Ich bin ganz allein. Ganz - allein. Keiner kann mir helfen, Floppy. Jetzt heisst es einfach nur..." Ja was? Er flüsterte immer wieder in das Hasenohr: "Allein, allein, allein."