Am anderen Morgen hatte er den Vorfall vergessen. Madame Pomfrey scheuchte die Slytherins aus den Betten, um Platz für die vereinzelten Fälle von Ravenclaw, Hufflepuff und Gryffindor zu machen. "Ihr legt euch jetzt in eure eigenen Betten, ich kümmere mich um euch unten in den Kerkern. Das mir das nicht gleich eingefallen ist! Ihr seid ja sowieso alle betroffen." schimpfte sie dabei.

"Hätte ich ihr auch sagen können." murrte Snape, den das freute, weil er dort wenigstens an seine Bücher rankam. Als sie rausgingen, sahen sie die Gryffindorfälle kommen. Black war dabei und Potter auch. "Oh Oh Oh!" jammerte Lucius gespielt, "Selbst die größten Muggelfreunde werden von der schröcklichen Krankheit nicht verschont. Es gibt keine Gerechtigkeit unter der Sonne!" Sie kicherten und James Potter zeigte ihnen seine belegte Zunge.

Unten angekommen überlegten sie, was sie sonst noch machen könnten. Beschwerden hatten sie ja keine und so beschlossen sie, noch ein wenig auf zu bleiben. Sie vertrieben sich die Zeit mit Zauberschach, bis die Schulschwester hereinplatzte und sie endgültig in die Betten scheuchte.

"Es ist wirklich zum Mäusemelken!" wetterte sie. "Ausgerechnet jetzt muss Professor Slughorn zu einer Konferenz aufs Festland. Wer macht mir denn jetzt die ganzen Antifiebertränke! St. Mungos hat schon abgewinkt."

"Fiebertränke könnte ich machen." erklärte Snape und fügte schnell hinzu: "Wenn was für mich rausspringt." Die Schwester sah ihn stirnrunzelnd an. "Du kleiner Erpresser bleibst gefälligst im Bett. Obwohl, die roten Punkte sind bei dir schnell abgeklungen. Kannst du den Fiebertrank überhaupt? Du bist doch Erstklässler." Snape war beleidigt und drehte sich zur Wand.

"Natürlich kann er den Fiebertrank." mischte sich Evan Rosier ein. "Wer glauben Sie, macht uns den Krempel, wenn wir nicht zu Ihnen gehen?" Lucius, der noch im Türrahmen stand bestätigte das. "Er kann noch ganz andere Sachen. Weingummi zum Beispiel." erklärte er. Madame Pomfrey zögerte. "Ich rede mit Professor Slughorn. Der muss es ja wissen. Und wenn das so stimmt, dann bist du im Geschäft. 1 Galleone pro 1,5 Liter ist der gängige Preis." Snape drehte sich wieder um. "Slughorn kann mich nicht leiden." jammerte er. "Der läßt mich bestimmt nicht ran." Madame Pomfrey klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. "Kommt Zeit, kommt Rat. Ich frage ihn nur, ob du es kannst, nicht ob du es darfst. Ab morgen hat Professor Dorsey Dienst und der läßt dich bestimmt."

"Na siehst du." sagten Rosier und Malfoy wie aus einem Munde.

So wurde Severus innerhalb eines Tages zum Assistenten von Madame Pomfrey in Sachen Masern ernannt. Er braute von frühmorgens bis zum Mittag Tränke und nach dem Mittagessen brachte er die Flaschen nach oben und "verfütterte" sie an die Patienten. Das machte ihm besonderen Spass, wenn James Potter und Sirus Black misstrauisch auf den Becher starrten, ihnen aber nichts anderes übrig blieb, das Zeug hinunterzuschlucken.

"Schmeckt tatsächlich so schlecht, wie beschrieben." sagte Potter einmal und das sollte wohl ein Kompliment sein. "Ich darf nicht damit experimentieren." antwortete Snape, "Aber ich verspreche, dass er irgendwann nach Himbeere schmecken wird." Zwischen ihm und Potter war eine Art Waffenstillstand entstanden, das lag auch daran, dass Lily jeden Tag zu Besuch kam und die Hausaufgaben und Kopien des Unterrichtsstoffs verteilte, Sie brachte jedesmal auch eine Kopie für Severus mit, der obwohl schon ganz gesund (!), aber freigestellt war.

"Kannst Du das tatsächlich?" fragte Potter als sie sich gemeinsam an der Transfiguration eines Kopfkissens in einen Goldhamster versuchten. "Den Trank ändern, dass er nach Himbeere schmeckt? Ich meine, diese Rezepte stehen doch seit Jahrhunderten fest." Severus hob den Kopf und hielt das haarige Kissen fest. "Eben drum." antwortete er. "Seit ein paar hundert Jahren hat keiner mehr was dran gemacht. Sie wirkten und da hat man aufgehört zu probieren. Ich habe mir neulich selber einen Trank gebastelt und das hat gut funktioniert. Eigentlich muss man nur ordentliche Notizen machen, jede Änderung festhalten und bewerten. Dann wird irgenwann aus etwas Altem etwas völlig Neues. Das etwas funktioniert, heißt doch noch lange nicht, dass es gut ist." Potter ließ sich rückwärts auf sein Kissen fallen. "Das wäre nix für mich." seufzte er. Snape grinste. 'Du bist nicht hungrig, Potter!' dachte er. 'Und das ist es, was uns unterscheidet.' In dem Moment sprang der Hamster aus seinen Händen und unter das Bett von Peter Pettigrew. Und in kürzester Zeit tobte die wildeste Kissenschlacht und Hamsterjagd, die der Hogwarts-Krankenflügel je gesehen hatte.

Abends saß Severus auf seinem Bett und zählte Geld. Die Masern fingen an, sich auszuzahlen. "Fantastisch! Ich kann mir endlich ein paar neue Bücher kaufen und Schuhe und sogar ..." er hörte auf, laut vor sich hin zu sprechen und nahm ein Stück Pergament. Er diktierte leise:

'Lieber Großvater, ich habe neulich etwas Geld verdient, kannst du mir helfen, ein Konto bei Gringotts zu eröffnen? Ich möchte Mama nicht damit belasten und auch nicht, dass mein Vater etwas davon erfährt. Du weisst ja... Viele Grüße auch an Großmutter, Severus."

Er stiefelte noch am selben Abend in die Eulerei und schickte seinen Brief ab. Nun musste er nur noch jemanden finden, der öfter in der Knockturn Gasse zu tun hatte. Die Gebrüder Lestrange waren seine erste Wahl. Rabastan nahm die vier Galleonen entgegen und versprach, am Wochenende das fragliche Buch mitzubringen. Die beiden durften zwar offiziell noch nicht apparieren, setzten sich aber darüber regelmäßig hinweg.

Am anderen Tag kam eine Eule mit einem Brief und einem kleinen goldenen Schlüssel. Großvater hatte ihm seinen Wunsch erfüllt. Ein längeres Pergament erklärte, wie er Einzahlungen und Auszahlungen vornehmen konnte und ein kurzer Abschnitt über den gesellschaftlichen Umgang mit Kobolden war auch dabei.

'Lieber Severus, du ahnst gar nicht, wie glücklich Deine Großmutter ist, dass du in ihre Fußstapfen treten willst. Sie hat versprochen, Dir ihre Rezeptbücher zu geben, wenn Du in den Ferien zu uns kommst. Ich habe mir erlaubt, eine kleine Summe auf Dein neues Konto einzuzahlen, damit Du in Slytherin anständig leben kannst. Sprich aber mit keinem darüber. Der kleine Schlüssel ist der Zugang zu deinem eigenen Gringotts-Verlies. Es hat die Nummer 747.

Alles andere erklärt das beigelegte Pergament. Ich wünsche Dir viel Erfolg.

Viele Grüße

M. Prince'

Severus strich liebevoll über den kleinen Schlüssel. Jetzt war er ein richtiger Slytherin!

Je mehr die Masern abklangen, desto mehr Zeit hatte er im Labor. Er war dort ziemlich allein, denn Slughorn war noch nicht zurück und Roderick Dorsey, sein Vertreter und heimlicher Hauslehrer von Slytherin, schaute nur hin und wieder nach ihm. Er arbeitete konzentriert an einem Fiebertrank mit Himbeergeschmack, als Dorsey wieder einmal hereinkam. "Na. Was forschen wir denn heute?" fragte er mit schnarrender Stimme. Severus blickte kaum hoch und murmelte: "Fiebertrank mit Himbeergeschmack." Dorsey schüttelte den Kopf. "Wofür soll das denn gut sein?" fragte er spöttisch. "Für Kinder." erwiderte Severus knapp. Der Lehrer nickte verständnisvoll. "Apropos Kinder, ich sehe dich nie spielen oder mit den anderen herumalbern. Machst du nur solche" er wies mit der Hand auf den Versuchsaufbau, "ernsten Sachen?".

Severus hielt erstaunt inne. 'Wovon redet der?' fragte er sich. "Das ist doch nichts Ernstes!" rief er empört. "Das ist Spielerei! Wenn ich was Ernstes machen wollte, würde ich am Vielsafttrank arbeiten oder am Veritaserum." brummte er noch.

Dorsey lachte leise. "Ich frage mich nur, warum du nicht in Professor Slughorns Club bist." murmelte er. Severus Kopf schoss wieder in die Höhe. "Weil er mich nicht leiden kann?" bot er schnippisch an. "Macht es dir was aus?" fragte Dorsey sachte. "Nein." Snape überlegte kurz. "Nein, wirklich nicht. Zeitverschwendung. Was er mir dort beibringen könnte, kann ich zur Not auch nachlesen. Und wer nicht will, der hat schon." schloss er brüsk die Diskussion endgültig ab.

Dorsey klopfte ihm auf die Schulter, stand auf und verließ das Zimmer. Severus stupste seinen Zeigefinger in den Trank und kostete. "Himbeer." murmelte er zufrieden.

Florence Wilkes war sein Testobjekt. Sie hatte noch Fieber und wollte zuerst nichts von dem Trank. Als er ihr aber zwei Schokofrösche und einen Aufsatz für Zaubertränke versprache, machte sie mit. Eine halbe Stunde später sprach er einen Fiebermess-Zauber und über ihrem Kopf erschien die eindeutige Zahl 37,5. "Hurra!" schrie Snape. "Er wirkt und schmeckt." Florence schrieb einen Bericht für ihn und beschrieb den Geschmack als 'himbeerig-süß'. "Fein." er rieb sich die Hände, nahm den Trank, seine Notizen und rannte hinauf zu Madame Pomfrey.

"Er schmeckt nach Himbeere." ächzte er außer Atem und hielt ihr den Trank unter die Nase. Sie nahm erst die Notizen und las sie ruhig durch. "Klingt gut. Lass mal kosten." Sie nahm einen kleinen Schluck und bewegte den Trank im Mund, als würde sie Wein verkosten. "Gut. Himbeere." Severus strahlte. "Er wirkt auch." erklärte er stolz. Madame Pomfrey runzelte zwar die Stirn, aber sie nahm einen Löffel und gab Ernest Brocklehurst eine Ration. "Er hat jetzt 39,0." sagte sie, "In einer halben Stunde sollte er dann 37,0 haben. Hilf mir inzwischen mit der anderen Medizin." Sie drückte ihm ein Tablett mit 15 kleinen Becherchen in die Hand und schickte ihn auf seinen Rundgang.

Eine halbe Stunde später war Madame Pomfrey überzeugt. "Du solltest das Rezept einschicken und schützen lassen. Geh zu Professor Dorsey, der kann dir sicher helfen. Und lass' es lieber nicht Professor Slughorn sehen, er denkt nämlich, dass alles was seine Stundenten machen auch ihm gehört." Sie strich ihm über den Kopf und ließ ihn hinaus.

Der Waffenstillstand erlosch in dem Moment, als der Unterricht wieder aufgenommen wurde. Wieder einmal trafen Severus mehrere Papierkügelchen im Genick und wieder errichtete er seufzend eine unsichtbare Barriere um sich herum.

Schlimmer war es in Zaubertränke. Ständig passierte irgendetwas in seinem Kessel, rauchte es plötzlich, explodierten Feuerwerkskörper und immer wieder stand er vor Slughorn als kompletter Trottel da. Er nahm sich eines Tages vor, diesen Idioten einen Denkzettel zu verpassen. Er setzte sich mit Evan und Bellatrix zusammen und bastelte an einem ultimativen Racheakt.