Kapitel 1 – Shopping ala Winkelgasse
„Ich muss nächste Woche unbedingt nach London", stellte Petunia Dursley beim Frühstück fest. „Ich sollte langsam wirklich meine Wintergarderobe auf den neuesten Stand bringen – schließlich haben wir schon Ende August."
„Oh, das ist praktisch. Da können wir dann auch gleich in die Winkelgasse gehen und meine Schulsachen für das nächste Jahr besorgen. Ich brauche ewig viele neue Zauberbücher und einen neuen Umhang und noch mehr Kram. Ein Besen wäre auch nicht schlecht."
Die Gesichter des Ehepaars Dursley wurden starr, als ihre 12jährige Tochter Diane demonstrativ auf ihre „Abnormität" hinwies. Es war ein schwerer Schlag für die Dursleys gewesen, als vor knapp einem Jahr der Brief aus Hogwarts gekommen war. Und ein noch größerer Schock war gewesen, dass Diane sich entschieden hatte tatsächlich an „diesen Ort" zu gehen und dafür ihren (teuer erkauften, schließlich war sie Schwester von Dudley Dursley) Platz in Smeltings aufgegeben hatte.
„In die Winkelgasse?", fragte Petunia vorsichtig. „Kannst du deine Sachen nicht auch irgendwo anders besorgen?"
„Na klar, wenn du mir sagst, wo ich sonst noch Zauberbücher finde", sagte Diane spitz.
Dudley, der gerade in die Küche geschlurft kam, wurde bei dem Wort Zauberbücher blass und machte auf der Stelle kehrt. Obwohl seine Schwester 19 Jahre jünger war, hatte er gehörigen Respekt vor ihr. Zu viele seltsame Dinge waren ihm schon in Dianes Gegenwart passiert. Es hatte auch nicht gerade zu seinem Seelenfrieden beigetragen, dass Diane einen gefälschten Tagespropheten mitgebracht hatte, dessen Schlagzeile verkündete, dass die Hogwarts-Schüler nun auch in den Ferien zaubern dürften. Er hielt es für das Beste, Diane tunlichst aus dem Weg zu gehen. Die hatte damit gar kein Problem. Sie hielt ihren Bruder sowieso für den größten Versager weit und breit. Schließlich wohnte er mit 31 immer noch zu Hause (und besetzte damit das große Zimmer, das Diane gerne gehabt hätte), hatte keine Freundin (anscheinend wollten ihn noch nicht einmal die geldgeilen Dummchen, von denen es in Little Whinging nur so zu wimmeln schien) und ließ sich immer wieder das Auto klauen (Diane hegte hier allerdings den Verdacht, dass Dudley die Autos heimlich verkaufte, wenn ihm das Modell nicht mehr gefiel – seine liebenden Eltern schenken ihm dann prompt ein neues). Davon abgesehen war es, falls sie mal Lust hatte, ihren Bruder zu ärgern, im Normalfall auch kein allzu großes Problem ihn zu finden.
Vernon Dursley verschanzte sich hinter seiner Zeitung. „Macht, was ihr wollt. Ich habe nächste Woche keine Zeit um nach London zu fahren. Ich muss den Vertrag mit Mr. Yokohama neu verhandeln. Der will doch tatsächlich zu Potters wechseln. POTTERS!"
Mr. Dursley hatte ein hochrotes Gesicht bekommen, als er den Namen seines Konkurrenten aussprach. Er verabscheute ihn nicht nur, weil er sich einbildete mit Grunnings konkurrieren zu können (was ja an sich schon impertinent genug war), nein, er konnte ihn schon allein deshalb nicht leiden, weil er genauso hieß, wie sein verhasster Neffe.
Dabei war ihm klar, dass diese beiden Potters gar nichts miteinander zu tun hatten. Das hatte Mr. Dursley vorsichtshalber überprüft.
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„Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?" Petunia sah sich besorgt in der belebten Geschäftsstraße um.
„Mum, wir waren vor einem halben Jahr schon einmal hier. Erinnerst du dich?", fragte Diane sarkastisch.
Mrs. Dursley wollte sich nicht erinnern und sie wollte garantiert nicht in diese Winkelgasse.
„Nun komm schon." Ungeduldig zog Diane ihre Mutter in Richtung Tropfender Kessel.
Das Lokal missfiel den beiden Damen Dursley noch immer.
„Sie hätten sich wirklich einen schöneren Eingang in die Winkelgasse ausdenken können, vielleicht eine Parfümerie oder eine Boutique oder so", dachte Diane im Stillen. „Dieses Lokal ist einfach widerlich. Kein Wunder, dass dieser Hagrid sich hier so wohl fühlt."
Nach außen hin ließ sie sich jedoch nichts anmerken. Ihre Mutter und alle anderen Familienmitglieder sollten sie für eine begeisterte Hexe halten, die die komplette Zauberwelt toll fand. Es wäre zu erniedrigend gewesen, hätte einer von ihnen erfahren, dass sie diese Welt für außerordentlich verbesserungswürdig hielt.
Hastig durchquerten Mutter und Tochter den Gastraum.
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„Wo müssen wir überall hin?", fragte Petunia ihre Tochter vorsichtig und umklammerte ihre Handtasche. Auch Diane fühlte sich nicht gerade wohl, die Winkelgasse war doch etwas anderes als Hogwarts. Außerdem wimmelte es hier vor seltsamen Gestalten (Diane meinte traditionell gekleidete Hexen und Zauberer).
„Zuerst zu Gringotts", bestimmte sie. „Wir brauchen schließlich Geld – da fällt mir ein: Ein bisschen Taschengeld, so für das Schuljahr, wäre echt nett. Letztes Jahr war das wirklich peinlich, weil ich mir nichts kaufen konnte." Dass Diane gut damit gelebt hatte, bei ihren Freundinnen zu schnorren hielt sie nicht für erwähnenswert.
„Du hast ja vollkommen recht mein Schatz," sagte Petunia beschwichtigend, „aber dein Vater letztes Jahr..."
Vernon Dursley hatte Diane seinen Unmut deutlich spüren lassen und sich unter anderem geweigert ihr das Taschengeld anders als in guten alten englischen Pfundnoten auszuzahlen – beziehungsweise auf ihr Sparkonto in Litte Whinging einzuzahlen, auf das Diane von Hogwarts aus keinen Zugriff hatte. Doch nun, da alle glaubten, dass sie in den Ferien zaubern dürfte, hatte sie die Oberhand. Und Diane war kein Mensch, der sich einen Vorteil durch die Lappen gehen ließ.
„Wie viel wäre denn angemessen?"
Und eben weil Diane sich keinen Vorteil entgehen ließ, nannte sie jetzt eine äußerst großzügige Summe. Petunia nickte ergeben. Zum einen liebte sie ihre Tochter und wollte das Verhalten ihres Mannes wieder wett machen, zum anderen hatte sie etwas Angst davor, was geschehen würde, wenn Diane ihren Willen nicht bekam. Schließlich war die eine Hexe und da konnte man nie wissen. Wenn sie da an ihren Neffen dachte oder auch an Lily, die hatte manchmal ganz schön biestig werden können. Schnell vertrieb Petunia diese Gedanken aus ihrem Kopf. Sie musste sich hier und jetzt auf ihr Kind konzentrieren.
Nach und nach klapperten die beiden die Geschäfte der Winkelgasse ab. Bei Flourish & Blotts hielten sie sich nur kurz auf. Diane hielt nichts von Büchern.
Länger blieben sie bei Madam Malkins. Diane bekam ihren ersten Festumhang nebst passendem Hut. („Denn man kann ja nie wissen, was so kommt", wie sie weise bemerkt hatte.) Petunia hätte sich fast eine seidene Ansteckrose gekauft, die im Verlauf eines Abends wunderschön aufblühte, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig zurückhalten.
Einen ausgedehnten Halt legten sie auch bei der Filiale von Weasley Zauberhafte Zauberscherze ein, allerdings musste Diane dieses Geschäft alleine besuchen. Ihre Mutter hatte den Namen „Weasley" gelesen und sich daraufhin geweigert es zu betreten. Das war auch ganz gut so, denn so konnte Diane sich ungestört nach einem Abschiedsgeschenk für Dudley umsehen. Nach reiflicher Überlegung entschied sie sich für den bartwuchsfördernden Rasierschaum. Die Packung versprach, dass die einmalige Anwendung innerhalb von drei Stunden zu einem „Bart von dumbledorischer Länge" führen sollte, der dem Opfer eine ganze Woche erhalten bleiben würde: „Rasieren ist absolut zwecklos, dieser Bart ist stärker als die beste Rasierklinge". (Hier rächte es sich für Dudley, dass er seine Toilettenartikel immer noch von seiner Mutter kaufen ließ. Ihm fiel der fremde Rasierschaum gar nicht auf – bis es zu spät war.)
Mrs. Dursley hätte allerdings auch Feelsicks Apotheke besser nicht betreten. Der intensive Geruch von Kräutern und anderen Substanzen (Mrs. Dursley wollte gar nicht wissen, was das wohl war) verursachte Übelkeit und als sie hörte, dass ihre Tochter gehacktes Fliegenhirn und sauer eingelegte Froschschenkel orderte, wäre sie fast in Ohnmacht gefallen. Auch jetzt unterließ Diane es tunlichst, darauf hinzuweisen, dass sie die Zutaten für den Zaubertrankunterricht im Allgemeinen und diese im Besonderen ebenfalls ausgesprochen eklig fand.
Die letzte Station war schließlich der Eissalon von Florean Fortescue. Hier wurde Mrs. Dursley wieder halbwegs versöhnt. Sowohl ihr Eisbecher als auch der Kaffee waren vorzüglich (zum Glück ahnte Mrs. Dursley nicht, dass die Eissorte, die ihr so gut schmeckte, Holunder-Tollkirsche war).
Die beiden Dursleys waren gerade in eine ernsthafte Diskussion zu dem Thema, ob Diane wirklich einen Besen brauchte, verstrickt (Diane war hier nicht ganz so überzeugend wie sonst, schließlich hasste sie das Fliegen), als zwei Schatten über den Tisch fielen.
„Hallo Diane, hallo Tante Petunia. Ist ja ein Zufall, dass wir uns treffen. Wart ihr für das neue Schuljahr einkaufen?"
„Hallo Harry", Diane warf einen schnellen Blick in die Runde. Ja, die Leute registrierten, dass das der berühmte Harry Potter war und dass er freundlich mit ihnen sprach. „Warum setzt ihr euch nicht? Das Eis hier ist echt lecker!" Diane übersah geflissentlich, dass ihr Cousin das wahrscheinlich besser wusste als sie selbst.
„Gerne, wenn du nichts dagegen hast, Tante Petunia?"
Was blieb Petunia Dursley anderes übrig als schicksalsergeben zu nicken? Sie konnte nicht verstehen, was ihre Tochter zu dieser Tat veranlasst hatte. Aber, wie gesagt, in letzter Zeit widersprach sie ihr lieber nicht und vor allem nicht hier, mitten unter den Freaks.
„Ihr erinnert euch doch sicher noch an meine Frau, Ginny?", stellte Harry seine Begleiterin vor.
„Aber ja doch, sehr erfreut", krächzte Petunia, während Diane enthusiastisch nickte.
„Ich freue mich auch." Ginny lächelte warm. „Wie geht es Ihnen beiden?"
„Gut", sagte Petunia und begann vor sich hin zu starren.
„Gut", verkündete auch Diane. „Schließlich habe ich Ferien", setzte sie mit einem boshaften Seitenblick auf Harry hinzu. Der war letztes Jahr ihr Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste gewesen. Allerdings nur vertretungshalber, dieses Jahr würde der reguläre Lehrer, Professor Lupin wiederkommen, nachdem er sich einer erfolgreichen Anti-Werwolf-Kur in der Schweiz unterzogen hatte.
„Ach so", sagte Harry. Er wusste, dass Diane sich nicht auf eine Rückkehr in den Ligusterweg gefreut hatte. Doch in Gegenwart seiner Tante konnte er sich wohl kaum erkundigen, ob die Ferien wohl nicht ganz so schlimm wie befürchtet verlaufen waren. „Na dann", setzte er etwas hilflos hinzu.
Danach entstand eine seltsame Stille. Ginny rettete die Situation, indem sie sich nach Dianes Einkäufen erkundigte. Stolz führte die ihre Errungenschaften vor, während ihre Mutter die ganze Zeit seltsam abwesend schien.
Schließlich mussten sich die beiden Dursleys verabschieden, da sie den Nachmittagszug nach Little Whinging erreichen wollten. Harry verkniff sich in letzter Sekunde ihnen den Einsatz von Flohpulver anzubieten, obwohl ihn der Gedanke an Onkel Vernons Gesicht, wenn Frau und Tochter unverhofft aus dem Kamin auftauchen würden, außerordentlich erheiterte.
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Auf dem Nachhauseweg war Petunia ungewöhnlich schweigsam, doch das fiel nicht auf, da Diane einen Monolog über die Vor- und Nachteile eines Paares hinreißender Drachenlederstiefel, die sie in einem Schaufester gesehen hatte, hielt. Als sie kurz Atem holte ergriff ihre Mutter das Wort.
„Seine Frau – diese Ginny – sie ist schwanger."
„Ja, und?", fragte Diane ungehalten. Sie fand die Vor- und Nachteile der Drachenlederstiefel viel wichtiger.
„Wann das Baby wohl kommt?", fragte Petunia verträumt.
„Soweit ich weiß, um Weihnachten herum. Was hast du den, Mum? Warum interessierst du dich auf einmal für Harry und Ginny?"
„Er ist genauso alt wie Dudley und hat eine hübsche Frau und wird bald Vater. Und mein Dudilein ist immer noch zu hause... Ich glaube, ich wäre gerne Großmutter."
Diane musterte ihre Mutter verblüfft, der Ausflug in die Winkelgasse schien ihr wirklich nicht gut getan zu haben.
„Das ist doch nicht dein Ernst, oder?", fragte sie konsterniert.
„Warum nicht? Ich bin langsam in dem Alter, in dem eine Frau Enkelkinder haben sollte. Du bist ja mittlerweile auch schon groß und die meiste Zeit des Jahres sowieso in – deiner Schule."
So sehr Diane es schätzte, von ihrer Mutter als „groß" bezeichnet zu werden, ging es ihr doch gegen den Strich, dass sie quasi ersetzt werden sollte. Doch dann fiel ihr ein, dass Dudley um Vater zu werden, erst einmal eine Frau brauchte und um eine Frau zu bekommen würde er ausziehen müssen – und dann könnte sie das große Zimmer bekommen. Diane lächelte hinterhältig.
„Weißt du was, Mum? Eigentlich bin ich deiner Meinung, ich würde gerne Tante werden. Aber wenn wir das erreichen wollen, müssen wir etwas unternehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass Dudley eine Frau bekommt."
„Aber wie sollen wir das machen?", fragte Petunia zweifelnd.
„Hmm, wir müssen ihn irgendwie verkuppeln und vor allem müssen wir ihn für eine Frau attraktiv machen."
„Mein Dudilein ist attraktiv", sagte Mrs. Dursley beleidigt.
Diane verdrehte die Augen. „Und deshalb hat er auch an jedem Finger zehn Anbeterinnen kleben, na klar. Nein, Mum, wenn du Enkelkinder willst, musst du schon etwas nachhelfen. Ich habe da auch schon einige Ideen..."
Auf den armen Dudley Dursley kamen harte Zeiten zu.
AN:
Katharina: Na, dann wünsche ich dir alles Gute für deine Prüfungen!
Tamira: Das waren ja schon wieder eine ganz Menge Fragen. Aber ich werde sie nicht beantworten – zumindest nicht jetzt ;-)
Eine Besenversicherung? Daran hatte ich noch gar nicht gedacht, ist auf jeden Fall eine gute Geschäftsidee.
Danke für dein Mitgefühl bezüglich meiner Diplomarbeit. Mein Gefühl schwankt im Moment zwischen „Ich bin genial, das wird eine 1,0" und „Ich habe totalen Mist abgeliefert".
