"So." Professors McGonnagal ließ ihre dürren Finger knacken. "Jetzt stellt euch mal alle in einer Reihe auf und dann zeigt mir jeder, was ihr im ersten Jahr gelernt habt. Ich habe hier verschiedene Dinge, die ihr verwandeln sollt. Also dann; Avery fängt an." Es war eine kurzweilige Stunde, sie strengten sich an, dass ihre Becher keine Beinchen mehr hatten oder die Nadelkissen nicht davonliefen.
Bei P wie Potter reckte Severus unwillkürlich den Kopf, um besser sehen zu können. Potter stelzte arrogant wie ein Hahn nach vorne und schwenkte lässig seinen Zauberstab. Der Igel auf dem Tisch zuckte zusammen und verwandelte sich dann in ein Nadelkissen. McGonnagal schürzte anerkennend die Lippen. "Talentiert, Mr. Potter, ohne Zweifel." sagte sie. Rosier hatte wie immer weniger Glück. Sein Nadelkissen hatte bis zuletzt eine spitze Schnauze. "Na ja." meinte McGonnagal verkniffen, "Könnte besser sein." Ein paar Mädchen kicherten schadenfroh.
Severus musste eine Ratte in einen Weinkelch verwandeln, was ihm trotz des erheblichen Lampenfiebers auch gelang. Der Kelch hatte zwar ein etwas exzentrisches Muster, aber die Lehrerin gab ihm trotzdem ein 'Erwartungen übertroffen'. "Mit etwas mehr Konzentration würde es noch besser aussehen." bemerkte sie. 'Konzentration! Wie denn, wenn eine so schreckliche Person die Prüfung abnimmt!' dachte Severus erbost. Er hatte, aus Gründen, die er selbst nicht nennen konnte, immer ein wenig Schiss vor McGonnagal. Er ging ihr gerne aus dem Weg, wenn es möglich war.
Was ihn besonders wurmte war, dass Potter auf dem ganzen Weg zum nächsten Unterricht mit seiner Leistung prahlte und sich von seinen Anhängern bewundern ließ. 'Ich muss hin und wieder mal Verwandlungen üben.' beschloss er vergnatzt. Glücklicherweise konnte er bei Leistungskontrolle in Zaubersprüche glänzen und ließ dort den guten James Potter und auch Sirius Black weit hinter sich. Fein. Professor Flitwick quäkte ein "Wundervoll, Junge, ganz wundervoll!" und schrieb eine entsprechende Bewertung in seine Unterlagen.
In Zaubertränke gab ihm Slughorn zähneknirschend ein "Ohnegleichen" und auch in Herbologie heimste er eins ein. Muggelkunde war ein Spaziergang gewesen und wurde auch nicht bewertet. Das würde er im nächsten Jahr abwählen können und dafür etwas 'Handfestes' belegen. Am liebsten alte Runen, die brauchte er für die Bibiliothek seines Großvaters, die er in den Ferien zu plündern gedachte.
Apropos Plündern, die Gryffindor-Gang hatte sich einen Namen zugelegt. Sie nannten sich jetzt offizielle 'Die Marodeure". Severus hatte mit dem Kopf geschüttelt, als er das zum ersten Mal hörte. "Die Knallköpfe würde besser passen." sagte er zu Evan und Florence, die seit kurzem wieder mit ihm sprach. Das hatte ihn ganze vier Zaubertrank-Hausaufgaben gekostet, aber was tut man nicht alles! "Irgendwie haben die lange nichts ausgeheckt." flüsterte Florence, die immer das Schlimmste befürchtete. "Ach was! Nur noch zwei Wochen, dann sind wir die erst mal los." knurrte Rosier, der die Ferien bei Verwandten in Frankreich verbringen wollte. Alle redeten jetzt andauernd von den Ferien und was sie dann alles machen wollten. Severus war unsicher, er hoffte, dass er bei seinem Großvater abgeladen würde. Daheim bleiben schien ihm das Grausamste überhaupt zu sein.
Malfoy hielt eine Rede nach der anderen, wie er den Malfoy-Clan regieren würde und was er alles ändern würde. Vielleicht konnte Severus ein paar Tage bei ihm unterkommen. Er versuchte sich, ein wenig bei ihm einzuschleimen, indem er ihm beim Lernen half, so gut es eben ging. Malfoy wurde mit jedem Tag nervöser und fieberte seinen letzten Prüfungen entgegen. Schließlich kam er eines Abends freudestrahlend herein und schwenkte seine Apparationslizenz. "Große Dinge werfen ihre Schatten voraus." erklärte er salbungsvoll. "Ab jetzt beginnt die Zukunft des großen Lucius Malfoy." Severus applaudierte wie der brave kleine Soldat, den er zur Zeit spielte und gratulierte ihm auch. "Ist Apparieren eigentlich schwer?" fragte er. "Für mich nicht." erwiderte Lucius hochnäsig. "Aber für dich Krümel wird es natürlich noch eine Weile dauern." Severus seufzte tief. "Wieso?" sagte er dann "Je kleiner man ist, desto weniger gibts es doch zu materialisieren?" Lucius lachte gönnerhaft. "Weißt du was?" meinte er, "Komm doch in den Ferien eine Woche rüber zu mir. Wir können's ja dann mal versuchen. Außerdem habe ich ein paar Tränke zu brauen."
'Na bitte!' dachte Severus, 'Mehr wollte ich doch gar nicht.' "Klar" sagte er laut, "Warum eigentlich nicht?".
Die letzte Prüfung der Erstlklässler war der Flugtest. Der bestand im Wesentlichen aus drei Dingen: Aufsteigen und eine Runde fliegen, ein Hindernisflug durch die Torreifen des Quidditch-Feldes und zum Schluss eine astreine Landung. Wer das nicht konnte, musste den Lehrgang in der zweiten Klasse mit den neuen Erstklässlern wiederholen. Was natürlich keiner wollte. Severus hatte im Laufe des Jahres seine Höhenangst überwunden und war nun ein passabler Flieger. Mehr wollte er auch nicht. Quidditch hatte er gelernt zu verabscheuen, da es mehrfach Unfälle gegeben hatte, die wirklich nicht schön anzusehen waren. Natürlich waren die Marodeure quidditchverrückt und ließen kein Spiel aus. Es war schon abgemachte Sache, dass James Potter im zweiten Jahr der Mannschaft beitreten würde.
Severus packte sorgfältig seine Tasche, er nahm einige Bücher mit, damit er in der Zeit, in der er nicht dran war, etwas zu tun hatte. Nach einigem Überlegen packte er auch Floppy ein, als Talisman. So ausgerüstet machte er sich mit Florence, Evan und Thomas auf den Weg zum Quidditch-Feld.
Viele Erstklässler hatten schon ihre eigenen Besen mit am Start, nach der Prüfung würde ihnen erlaubt sein, sie zu benutzen. James Potter zeigte jedem der es sehen oder nich sehen wollte, seinen funkelnagelneuen 'Nimbus Seventies Pride' das allerneueste Modell auf dem Markt. Auch Sirius Black hatte ein ähnliches Modell, Pettigrew und Lupin hingegen begnügten sich mit Schulbesen.
Severus hatte sich noch nie Gedanken über einen eigenen Flugbesen gemacht. Er kriegte erst jetzt mit, dass dies eine Art Statutssymbol sein musste. "Wie teuer ist denn so ein Pride?" fragte er Florence wie nebenbei. Sie seufzte begehrlich. "Etwa 1000 Galleonen." antwortete sie bedrückt. "Das ist ja Wucher." antwortete Severus und ließ den Gedanken an einen eigenen Besen wieder fallen. Dafür würde er sicher kein Geld ausgeben!
Es ging alles recht einfach. Sie flogen ihre Runden, beantworteten ein paar Fragen und bekamen ihre Urkunde. Als sie fertig waren, atmeten sie gemeinsam auf.
Gerade als Severus wieder zu seiner Tasche gehen wollte, bemerkte er die Marodeure, die sich um etwas geschart hatten. "Unglaublich, was manche so mit sich herumschleppen." hörte er Potters raue Stimme. Er begann zu rennen. Noch im Laufen zog er seinen Zauberstab. Tatsächlich! Die verdammten Gryffindors hatten seine Tasche ausgeschüttet und waren jetzt dabei Floppy hin- und herzuwerfen.
"Wagt es ja nicht!" schrie Severus verzweifelt und völlig außer Atem. Potter schaute hoch und schloß messerscharf von seinem Verhalten auf den Besitzer der Tasche. Er setzte Floppy auf den Boden und holte seinen Zauberstab hervor, deutete auf den Strickhasen und flüsterte mit bösem Grinsen: "Inflammare!".
Inzwischen hatte Sirius Black Snape im Schwitzkasten, so dass er hilflos zusehen musste, wie Floppy in Flammen aufging. Er schrie, laut genug, dass sich Florence und Evan in Bewegung setzten. Sie kamen aber zu spät. Er wand sich unter Sirius' Griff und biss ihn in den Unterarm. "Autsch!" schrie der und ließ los. "Dafür - wirst - du - sterben!" keuchte Snape. Florence hielt ihn inzwischen fest, sie hatte Angst, dass etwas wirklich Schlimmes passieren würde. Sirius lachte höhnisch. "Das glaube ich nicht, du Schwächling!" brüllte er zurück.
Snape hob den Zauberstab und versuchte sich zu konzentrieren. Er merkte gar nicht, dass sein Gesicht tränenüberströmt war und seine Nase lief. Er atmete tief und rief dann: "peniculus".
Die Augenzeugen sahen atemlos zu, wie sich Sirius Black verzweifelt auf dem Boden wand und der harten Scheuerbürste auszuweichen versuchte. Sein Gesicht war schon über und über mit Kratzern bedeckt, als jemand rief "Finite Incantatem!" und die Bürste stoppte. Es war Roderick Dorsey, der zufällig in diese Richtung gegangen war. "Was ist hier eigentlich los?" fragte er laut, um den Tumult zu übertönen. "Schniefelus Snape hat Black abgebürstet." stellte James Potter ungerührt fest und genoß das brüllende Gelächter seiner Freunde.
Dorsey schaute sich das Schlachtfeld an. "Und das hier?" fragte er und zeigte auf den kleinen Aschehaufen, der einmal Floppy gewesen war. "Das..." Potter war plötzlich nicht mehr so gesprächig. "Ja?" fragte Dorsey scharf nach. "Das war ein schwarzmagisches Artefakt." erklärte Potter eifrig. "Wir haben es zerstört." Lupin im Hintergrund wurde rot, er schien sich zu schämen. Pettigrew keckerte wie ein Fuchs.
Dorsey reichte Snape ein Taschentuch. "Und was sagst du dazu?" fragte er. Snape zuckte mit den Schultern. "Macht das einen Unterschied?" fragte er kraftlos. "Für mich schon." antwortete Dorsey. Dann straffte er sich und wandte sich wieder an die Gryffindors. "Gut. Ihr habt also nichts dazu zu sagen. Mag sein, dass euch das genügt. Den Ansprüchen, die euer Haus stellt, genügt das sicher nicht. Für mich seid ihr einfach ein paar kleine Feiglinge. Ihr meldet euch alle bei Professor McGonnagal. Sie wird entscheiden, was mit euch geschieht. Sofort! Und ihr" damit wandte er sich an die Slytherins, "kommt mit ins Haus. Wir reden nachher weiter."
Die Slytherins standen noch einen Moment untätig herum, dann vergruben sie das Aschehäufchen hinter dem Quidditchfeld. "Tja, das schreit nun tatsächlich nach Rache." stellte Evan fest. "Und nicht zu knapp." ergänzte Florence. "Ja." schloss Snape. Mehr sagte er nicht. Sie schlurften gemeinsam hinter Dorsey her.
