Sie hockten missmutig im Gemeinschaftsraum und warteten auf das große Donnerwetter. Dorsey kam gut zehn Minuten später, Slughorn glänzte durch Abwesenheit. Sie schauten auf. Er ging einen Moment vor ihnen auf und ab und versuchte, sich zu sammeln.

Dann schlug er die Hände gegeneinander und begann: "Also. Das war eine ziemlich miese Angelegenheit. Jetzt erzählt mir erst einmal jeder Beteiligte, wie es dazu gekommen ist."

Florence begann. "Wir wussten nicht, was da los ist. Wir hörten Severus schreien und rannten hin. Da war es aber schon zu spät. Potter hat einen Entflammungsspruch losgelassen und Snapes Hase brannte lichterloh."

Dorsey drehte sich zu Avery und Rosier, die bestätigend nickten.

"Und du?" fragte er Snape. Severus saß in einem Sessel nahe am Kamin und hatte den Kopf auf den Tisch gelegt. Er rührte sich nicht. "Ich kam vom Fliegen und suchte meine Tasche. Dann sah ich die Gryffindors um etwas rumstehen." flüsterte er. "Und ich habe keine Lust mehr, darüber zu reden. Hat ja doch keinen Zweck."

"Ist gut." erwiderte Dorsey. "Ich gehe jetzt hoch zu Professor McGonnagal und sehe, was ich für euch tun kann." Er drehte sich um und verließ den Raum.

"Was soll das heißen - hat keinen Zweck?" schrie Florence. "Jetzt ist Krieg, mein Lieber!". Sie stapfte wütend in Richtung Mädchenschlafsaal und riss die Tür auf. "Bella! Kommst du mal?" rief sie hinein. Bellatrix, die wohl gerade in irgendwelchen Büchern kramte, kam widerwillig hinzu. "Ich erzähl' Dir jetzt mal was." wütete Florence und wiederholte die ganze Geschichte nochmal. "Das ist doch nicht wahr!" ereiferte sich Bellatrix. "Die können was erleben!".

Severus fühlte sich unendlich müde. "Ich leg' mich hin." sagte er. "Wir denken morgen drüber nach."

"Das sollte schnell geschehen, schließlich ist das Schuljahr so gut wie zu Ende." murmelte Bellatrix. Sie winkte die anderen drei heran und begann ihnen flüsternd einen Plan zu erklären. Als eine Stunde später Lucius hereinspazierte fand er die Erst- und Zweitklässler in einer ernsthaften Diskussion über einen 'Krieg'. "Hey, Kinder." sagte er in seinem gönnerhaft-schnarrenden Tonfall, "Welchen Krieg meint ihr denn? Den gegen die Kobolde oder gegen Grindelwald?" Sie schauten hoch und erklärten ihm lautstark, um was es ging. "Merlins zerzauster Bart!" rief Lucius, "Snapes schmuddliger Hase! Der war doch längst überfällig. Was uns nicht umhaut, macht uns stärker. Glaubt mir Kinder, wenn Severus aus seinem Bettchen gekrochen kommt, wird er ein furchtbarer Gegner sein für dieses muggelknutschende Pack! Lasst den Quatsch erstmal ruhen und im neuen Schuljahr könnt ihr den Pöbel aufmischen."

Damit setzte er sich in seinen Lieblingsstuhl und zündete sich eine Mentholzigarette an. Das war eigentlich verboten, aber bei Lucius wagte niemand etwas dagegen zu sagen. Er hatte eine Zigarettenspitze aus Elfenbein, die mit einer silbernen Schlange verziert war. Er legte die Beine auf den Tisch und brachte eine seiner Reden zu Gehör. "Diese Muggelfreunde, " sagte er, "tun sich selber keinen Gefallen. Sie werden diesen Schlammblütern und Muggelgeborenen, wie sie alle heißen, langsam aber sicher hörig. Und wenn das Gefühl der Gemeinsamkeit seinen Höhepunkt erreicht, dann schlagen die Muggel zu. Und hast-du-nicht-gesehen, sitzen rechtschaffene Zauberer in Muggelgefängnissen und werden verhört, wie denn dieser oder jener Zauberspruch funktioniert. Sie nennen das dann wissenschaftliches Interesse, ich nenne es Inquisition. Von mir aus können die sich gegenseitig umbringen, kein Problem. Aber uns sollen sie in Ruhe lassen. Dämliches Pack!".

Die Erstklässler hatten bereits bei den ersten Sätzen begonnen, sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Lucius störte das nicht. Er referierte noch eine Weile weiter, bis die Tür aufging und Dorsey wieder hereinkam. Er wirkte verstört und war blass.

"Ruft alle zusammen." sagte er, "Ich habe euch etwas zu verkünden." Sie tauschten besorgte Blicke und gingen dann, die anderen zu holen.

Sie setzten sich im Kreis auf den Fußboden und schauten erwartungsvoll auf Dorsey. Sie hofften heimlich, dass er Haus Slytherin im neuen Jahr übernehmen würde, aber seine Körpersprache sagte etwas anderes.

"Professor Dumbledore hat mich heute zum Ende des Schuljahres entlassen." erklärte er ohne Einleitung. "Wir werden uns also im neuen Schuljahr nicht mehr wiedersehen." Ein verständnisloses Japsen war zuerst zu hören, dann entlud sich die Verärgerung als Tumult. "Wieso?" fragte Bellatrix stellvertretend für alle. Sie verstummten augenblicklich und richteten ihre Augen auf den Professor. Der zuckte die Schultern. "Es gab Differenzen. Unterschiedliche Ansichten in Bezug auf die Behandlung von Studenten und Beanstandungen meines Lehrplans. Diese Mißhelligkeiten konnten nicht geglättet werden und so hat der Direktor beschlossen, sich von mir zu trennen. So ist das nun mal. Da kann man nichts machen."

Sie schauten sich stumm an, bis jemand in die Stille hinein "Scheiße!" sagte.

"Wir machen ein Abschiedsfest." erklärte Bellatrix mit zitternder Stimme. "Das ist das Wenigste, was wir tun können." Snape ließ sich aus dem Hintergrund vernehmen: "Nein. Erstmal schreiben wir einen Protest und unterschreiben alle. Dann gehen wir zu Ravenclaw, Hufflepuff - Gryffindor und sammeln dort Unterschriften und dann geben wir das dem Direktor und schicken eine Kopie an die Schulräte. Wollen doch mal sehen..." Lucius grinste unfroh. "Versuchen können wir es ja." gab er zu.

Eine halbe Stunde später standen Bellatrix und Severus vor dem Porträt, das den Eingang zu Gryffindor versperrte. "Wen willst du fragen?" flüsterte Bellatrix, "Lily Evans." gab Severus selbstbewusst zurück. "Sie ist nicht so übel für eine Gryffindor. Ich habe ihr mal in Zaubertränke geholfen." fügte er noch hinzu, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Er klopfte. Ein ihm völlig unbekannter Gryffindor schaute heraus. "Was'n los?" grunzte er. "Lily Evans, wir möchten Lily sprechen." erwiderte Severus. "Hm. Evans!" rief er nach hinten. "Besuch für dich!".

Lily kam heraus und war überrascht. "Hey." sagte sie, "Euch hätte ich hier nicht erwartet." Severus verzog das Gesicht, um sein Lächeln zu verbergen. "Es ist auch eine dringende Angelegenheit." sagte er und erklärte, worum es ging. "Oh." sagte Lily. "Das ist traurig, ich mag Dorsey eigentlich ganz gern."

Sie nahm das Papier und wandte sich zum Gehen. "Sag nicht, von wem es kommt." mahnte Severus vorsichtig. Lily lächelte und winkte ihnen zu. "Keine Angst." flüsterte sie.

Bellatrix und Severus setzten sich auf die Stufen und warteten geduldig. Schließlich kam Lily wieder heraus und setzte sich dazu. "Es haben fast alle unterschrieben. Bloß die Marodeure nicht, die haben irgendwas mit Dorsey." sagte sie mitfühlend. "Glaubt ihr, dass das was nützt." Severus schüttelte unsicher den Kopf. "Glaub' nicht. Aber versuchen musste ich es. Kommst du mit zum Direktor?". Lily nickte und zu dritt machten sie sich auf den Weg zum steinernen Wasserspeier, hinter dem das Büro versteckt war.

Bellatrix ging voran und klopfte. Nach einem kurzen Moment sprang der Eingang auf und sie spazierten hinein. Innerlich war Severus froh, dass wenigstens ein Gryffindor dabei war. Er hatte die Befürchtung, das ihre Attacke alles nur noch schlimmer machen würde.

Der Direktor empfing sie mit Verwunderung. "Was führt Sie denn zu mir?" fragte er angesichts der seltsamen Mischung. "Wir möchten etwas abgeben." erklärte Bellatrix mit verkniffenem Gesicht. "Professor Dorsey soll hierbleiben." platzte Severus heraus. "Alle sind dafür. - Fast alle." und er legte das Pergament mit dem Text und den Unterschriften auf den Tisch.

Dumbledore stand auf und nahm das Schriftstück in die Hand. Er las den Text, den Bellatrix mit Lucius sorgfältig ausformuliert hatte, und besah sich die Unterschriften. Er hob die Augenbrauen, als er sah, dass viele davon von Ravenclaws und Hufflepuffs kamen und staunte noch mehr, als er an die Gryffindor-Spalte kam. "Ich verstehe." sagte er. "Aber hier kann ich leider keine Ausnahme machen. Eines Tages werdet ihr verstehen, warum ich Professor Dorsey nicht behalten konnte. Er wird übrigens nicht in Armut gestürzt, meine Herrschaften, er geht nach Durmstrang." Bellatrix seufzte. Durmstrang war das Trauminstitut für viele Slytherins, aber es war viel zu teuer und auch zu weit weg. "Und es gibt nichts, was Sie umstimmen könnte." bohrte Severus, der das nicht einfach so hinnehmen konnte.

"Nein." sagte Dumbledore. "Professor Dorsey gehört einer Organisation an, die der Zauberergemeinschaft Schaden zugefügt hat. Deshalb ist hier für ihn kein Platz mehr. Die meisten Eltern befürworten mein Vorgehen. Deshalb müssen wir das tun, was für euch das Beste ist." Sein Ton wurde etwas versöhnlicher. "Schließlich seid ihr jetzt doch schon groß, nicht wahr. Und Professor Slughorn hat mir versprochen, sich mehr um euch zu kümmern. Wenn es Probleme gibt, kommt ihr einfach zu mir. Ich bin immer für euch da."

Enttäuscht zogen die drei wieder ab. "Das war vielleicht ein Reinfall." meinte Bellatrix. "Also doch ein Abschiedsfest." Lily war auch traurig. Sie hatte auf Dumbledore vertraut. "Ich würde euch gern dabei helfen." sagte sie, "Und ein paar andere auch. Nicht-Marodeure sozusagen." Bellatrix schien lange zu überlegen, ob sie sich wohl mit einer Muggelgeborenen soweit einlassen konnte. Schließlich sagte sie: "Warum eigentlich nicht."

Sie trennten sich an der großen Treppe und Bellatrix zerrte Severus hinunter in die Kerker. "Das ist vielleicht ein Mist!" schimpfte sie, "Jede Wette, Dorsey gehört zum dunklen Lord. Was meinst Du?" Severus war sich da zwar noch nicht so sicher, aber es hatte sich so angehört. "Versteh' ich nicht!" wetterte Bellatrix weiter, "Er will doch die Zauberwelt retten. Manchmal könnnte ich alles niederbrennen!". Severus seufzte. Die Kriegerin war zurück.