Kapitel 3: Der Weg in das Reich der Kriegerhalblinge

"Aber ich will auch mitkommen!", schrie Elanor und stampfte wütend mit dem Fuß.
"Dein Vater hat Recht", sagte Elkano leicht genervt. "Du hast außerhalb des Auenlandes nichts zu suchen."
"Aber -"
Elkano seufzte und drehte sich zu Elanor um.
"Versteh' es doch", bat er. "Weder er noch ich wollen, dass dir etwas zustößt. Sobald dein Vater und die Herren Meriadoc und Peregrin das Auenland verlassen, ist es wieder sicher."
"Aber", nuschelte Elanor und ihr rannen Tränen über's Gesicht. "Ich will nicht, dass euch etwas zustößt. Dir etwas zustößt."
"Du bist jung, Elanor", antwortete Elkano. "Zu jung, um dich in eine solche Gefahr zu begeben."
"Aber du bist auch jung!", schluchzte sie. "Und außerdem war Pippin viel jünger als ich, als er das Auenland verließ."
"Ja, ich bin jung", sagte Elkano. "Doch wir haben eine verschiedene Vergangenheit. Ich habe genug gesehen. Im Auenland hoffte ich, meine Ruhe zu haben. Deshalb habe ich die Krone abgelegt. Das war zu viel für mich... Viel zu viel... Und was Herrn Peregrin angeht, so ging es damals um die Rettung von Mittelerde."
"Aber -"
"Ich werde nicht zulassen, dass du mitkommst, und das ist mein letztes Wort!"

Elanor schäumte vor Wut den ganzen Abend lang und erschien auch nicht zum letzten Abendessen vor der Abreise. Warum mussten alle sie wie ein kleines Mädchen behandeln? Ihr Vater, ihre Mutter, Merry und Pippin. Wenn sie mit Tinwen sprach, dann kam sie sich vor, wie ein Kind, das seiner Großmutter zuhörte. Und jetzt auch noch Elkano, der doch nicht besonders viel älter als sie war. Gut, er hatte als Junge den Ringkrieg miterlebt und musste mitansehen, wie sein Vater getötet wurde und wie seine Mutter sich opferte, damit Tinwen und er fliehen konnten. Aber merkte er nicht, dass er sie verletzte, wenn er wie ihr Vater redete?
"So viel zum Thema 'erste große Liebe'", brummte sie sich vor die Nase.
Da Elanor sehr schön war, hatte sie viele Verehrer, doch keinem von ihnen hatte sich ihr Herz je zugewandt. Elkano war kein Verehrer. Und sie mochte ihn sehr. Ihre Freunde und Geschwister sagten alle, sie sei verliebt, doch Elanor selbst hatte Zweifel. Sie war noch nie verliebt gewesen. Sie wusste nur eins ganz sicher: Für Elkano empfand sie etwas, was sie noch für niemanden empfunden hatte.
Was mochte sie an ihm so sehr? Er war anders. Wenn sie ihn sah, dachte sie an die großen Könige von Beleriand. Uraltes, königliches Blut floss in seinen Adern. Elbisches Blut. Da war sie sich inzwischen sicher. Und dann hatte er noch diesen Blick. Weise, ruhig und mit einer Spur von Trauer...
Doch dann kam ihr wieder die Erinnerung an ihr letztes Gespräch mit Elkano wieder in den Sinn. Sie grollte in sich hinein und murmelte dauernd etwas vor sich hin. Sie würde allen zeigen, dass sie jetzt erwachsen war.

"Elanor?" Jemand klopfte an der Tür. Elanor hatte die ganze Nacht über kein Auge zugemacht. Sie war nichteinmal ins Bett gestiegen. Zornig saß sie am Fenster und starrte auf die Bäume draußen, ohne die Schönheit des Sonnenaufganges zu bemerken.
Der jemand kam herein. Es war Elkano.
"Elanor?", wiederholte er.
"Geh' weg", zischte Elanor.
"Ich wollte mich entschuldigen..."
"Geh' weg!"
"Gut... Dann..." Elkanos Stimme klang enttäuscht. "Lebe wohl..."
Er verließ das Zimmer und ließ sie allein zurück. Elanors Zorn war gestiegen, doch nicht auf Elkano, sondern auf sich selbst. Gerade hatte sie eine gute Gelegenheit gehabt, sich mit ihm zu vertragen, und sie hat ihn einfach fortgeschickt. Er war mit seiner Schwester gekommen, um Sam, Merry und Pippin abzuholen. Und um sich von ihr zu verabschieden.

"Pass' auf dich auf, Sam", sagte Rose zu ihrem Mann und gab ihm einen Abschiedskuss. Merry und Pippin hatten sich von Estella und Juweline bereits verabschiedet. Der Freund der drei Abreisenden, Fredegar, wollte sie bis zum Dorfrand begleiten. Tinwen und Elkano saßen bereits auf ihren "Pony-Pferden" und warteten, während vier Ponys neben ihnen grasten. Eins von ihnen war mit Nahrung, Decken und was man sonst noch für eine Reise braucht, beladen.
Als Sam sich von seiner Familie verabschiedet hatte, besteigen die drei Helden aus dem Ringkrieg ihre Reittiere. Fredegar tat es ihnen nach und die sechs Reiter begaben sich in den Norden.
Sam, Merry und Pippin schmerzte die erneute Trennung vom Auenland tief im Herzen, doch wenn sie wollten, dass es nicht von Orks zerstört wird, mussten sie es verlassen. Elkano war ebenfalls traurig, doch nicht, weil er das Auenland verließ, sondern eher, weil Celebhîth ihn an die Vergangenheit erinnerte, die er vergessen wollte. Tinwen dagegen schien sich mit ganzer Seele auf etwas zu freuen. Etwas größeres als die Rückkehr in ihre Heimat.

Der Morgen war wunderschön, doch von den Reisenden bemerkte es nur Tinwen. Die anderen waren in traurigen Gedanken versunken. Sie lächelte verträumt und blickte in Richtung Norden. Sie würde ihn endlich wiedersehen. Tinwen blickte zu ihrem Bruder und ihr Lächeln verblasste ein wenig. Sie machte sich Sorgen um ihn. Warum wollte er seine Vergangenheit vergessen? Er verheimlichte etwas, das wusste sie ganz genau.