Es geht nun endlich weiter. Da jetzt Ferien sind, habe ich mehr Zeit zum Schreiben.


Kapitel 8: Elkanos Vorhersage

Seit ihrem Besuch in der Halle der Ruhmreichen behandelte sie Dagorheru mit größter Ehrfurcht. Dem Heerführer fiel ihre plötzliche Meinungsänderung über ihn natürlich sofort auf. Er fragte das Mädchen nach dem Grund und Elanor erzählte ihm von dem Gespräch. Vor allem, dass Tinwen ihn trotz seiner Hässlichkeit liebte, versuchte sie ganz deutlich zu betonen. Dies hatte eine außergewöhnliche Wirkung: Zuerst war er sehr gerührt, doch dann änderte sich etwas, Elanor wusste nicht was. Er war nun nicht mehr der erfahrene Heerführer, den sie kennengelernt hatte, sondern mehr der schöne Krieger in der Halle der Ruhmreichen.
Elkano dagegen verwelkte wie eine aus der Erde gerissene Blume. Der Selbsthass hatte ihn wieder befallen und er kam nicht mehr in den Garten, wo Elanor einsam die Tage verbrachte. Sie dachte über mögliche Gründe für seine Schmerzen nach. Was konnte ein so unglücklicher, doch edler Krieger verbrochen haben? Ihr fiel nichts ein.
Aus irgendeinem Grund kam ihr wieder Elkanos Zeichnung von Tinwen in den Sinn. Würde sie, ein junges Mädchen aus dem Auenland, es schaffen, den langsam und schmerzhaft zugrunde gehenden König zu retten?
Sie machte sich auf die Suche nach seinen Privatgemächern. Sie war noch nie dort gewesen und keiner hatte ihr je den Weg dorthin gezeigt. Doch zum Glück traf sie Dagorheru.
"Kann ich Euch helfen?", bot er ihr an. "Ihr seht aus, als würdet Ihr nach etwas suchen." Und mit einem Blick in ihr Gesicht fügte er hinzu: "Oder nach jemandem."
"Ja, danke", antwortete sie langsam. "Ich suche Elkano."
"Kommt, ich führe Euch zu ihm", sagte Dagorheru und lächelte. Seitdem Elanor nämlich ihm die unsterbliche Liebe Tinwens deutlich vor Augen geführt hatte, waren sie zu sehr guten Freunden geworden.
Er führte sie durch ein Labyrinth von Korridoren und ließ sie dann an einer Ecke stehen. Er beschrieb ihr noch kurz den weiteren Weg und riet ihr, leise zu sein, denn der König war nicht in bester Stimmung.
Elanor befolgte Dagorherus Anweisungen und gelangte zu einer mit Gold verzierten Tür. Sie trat geräuschlos ein und ohne zu klopfen. Obwohl es Tag war, war es im Zimmer sehr dunkel, denn die Fensterläden waren geschlossen. Das wenige Licht kam von einigen Kerzen. Es war heiß und stickig. Hier hatte seit Tagen keiner das Fenster aufgemacht. Und so sah auch Elkano aus, der mit einem krummen Rücken auf seinem prächtigen Bett saß. Sein goldenes Haar fiel ihm schlapp auf die Schultern und sein Hemd klebte an seinem vollgeschwitzten Körper.
Anscheinend hatte er ihre Anwesenheit gespürt, denn er regte sich kaum merklich. Elanor setzte sich zu ihm und sagte mit einer bemüht fröhlichen Stimme: "Du solltest vielleicht die Fenster öffnen. Es ist so -"
Doch Elkano unterbrach sie: "Seit einigen Tagen schon habe ich einen Traum. Es wird bald Krieg geben."
"Und du wirst uns in den Sieg führen", beendete Elanor. "Soll es doch Krieg geben... Ist doch egal. Hauptsache, wir verlieren den Mut nicht."
"Mut... Hast du jemals einen Krieg miterlebt? Hast du jemals gespürt wie es ist, in der vordersten Reihe zu stehen, während die Feinde auf dich zu marschieren? In geraden Reihen und schwer bewaffnet. Mit dem Wunsch, das Leben in dir auszulöschen."
Elanor ließ beschämt den Kopf sinken. Elkano fuhr mit seinem Traum fort, wobei ein aufstand und auf und ab ging.
"Vor mir war eine Leere, ein alles verschlingender, schwarzer Abgrund. Hinter mir starb mein Vater und ich stand in den Flammen des Krieges. Hinter mir war meine verfluchte Vergangenheit, Ich befand mich im Krieg... Gegen die Feinde meines Volkes und gegen mich selbst... Und die Zukunft... Die gab es nicht. Das bedeutet wohl, dass ich wieder versage und der Fluch meines Blutes über mich die Oberhand nehmen wird."
Elanor stand auf und stellte sich ihm in den Weg. Ihren besorgten Ausdruck erwiderte er gelassen.
"Ich denke anders darüber", sagte sie streng und dennoch sanft. "Deine Zukunft ist noch nicht geschrieben. Du kannst sie bestimmen. Wie jeder andere auch."
"Weißt du", schnaubte er. "Es ist besser, wenn ich keine Zukunft habe. Das bedeutet nämlich, dass ich mich nicht mehr mit meinem Leben rumplagen muss."
"Du wünschst dir den Tod", warf Elanor beleidigt zurück. "Doch du hast dabei nicht an mich gedacht!"
"Es wäre besser, wenn du dein Herz einem anderen schenken würdest", knurrte er.
Elanor brach in Zornestränen aus und verpasste Elkano eine Ohrfeige. Darauf stampfte sie kochend vor Wut zur Tür. Dort drehte sie sich noch ein Mal um und zischte: "Du hast kein Recht, mir solche Ratschläge zu erteilen!"
Elkano fiel in einen schwarzen Nebel. Erinnerungen an seine glücklichen Momente mit Elanor tauchten vor ihm auf, vermischt mit den Bildern jener Schlacht, in der er seiner Eltern beraubt wurde. Er spürte Schmerzen in seiner Brust und in seinem Kopf, doch er konnte sich nicht rühren.
Zur gleichen Zeit hörte ein Diener, der sich zufällig in der Nähe des Gemachs befand, wie dort etwas auf dem harten Steinboden aufschlug. Er eilte hinein, um nachzusehen, was passiert war, und fand den König bewusstlos und in einem schlimmen Zustand mit einem Pfeil in der Brust vor.