Kapitel 9: Liebe und Gift

Elanor stand wie vom Donner gerührt da. Nachdem sie aus Elkanos Gemach marschiert war, hatte sie in ihrem Zorn nichts mehr wahrgenommen. Und somit auch nicht den Tumult, der wegen dem Angriff auf den König ausgebrochen war. Erst Stunden später hatte sich die Nachricht von Elkanos Zustand bis zu ihrem Gehirn durchgekämpft. Schließlich rannte sie los, um nach ihm zu sehen, doch sie verirrte sich nur in den Gängen. Zum Glück gab es einige Diener, die sie zu Elkanos Gemächern führten. Er lag bewusstlos und bandagiert auf seinem Bett. Auf einem Stuhl daneben saß Tinwen und auf dem Tischchen neben ihr lagen die zwei Hälften eines blutverschmierten Pfeils. Als Elanor in Elkanos Gesicht blickte, erschrak sie. Es war banz blass und ausdruckslos.
"Was ist geschehen?", fragte sie, obwohl sie schon ahnte, was der Grund war.
"Jemand hat auf ihn geschossen", teilte ihr Tinwen flüchtig mit. "Doch dies war nicht der einzige Grund. Die Luft in seinem Zimmer war sehr schlecht. Und außerdem war der Pfeil vergiftet."
"Vergiftet!", rief Elanor verzweifelt.
"Wir haben dafür ein Gegengift", sagte Tinwen und flößte ihrem Bruder eine grüne Flüssigkeit ein.
Mit einem Nicken schickte sie die Anwesenden fort, wies Elanor jedoch an, zu bleiben.
"Ich denke, er fiel gerade in Ohnmacht, als er getroffen wurde", wandte sie sich an das Mädchen. "Kurz davor hast du das Zimmer verlassen. Was ist passiert?"
Elanor schilderte kurz ihr Gespräch. Tinwen schien zu verstehen.
"Er ist wegen dem Streit zusammengebrochen", schlussfolgerte sie, als würde sie jeden Tag auf so etwas treffen. "Er kann es anscheinend nicht verkraften, wenn er dir etwas antut und du darauf mit Zorn reagierst. Er ist schwach und er liebt dich. Die Luft und der Pfeil haben ihm nur den Rest gegeben."
Elanor senkte beschämt ihren Blick.
"Du bist nicht schuld", munterte Tinwen sie auf. "Er selbst hat dich ja dazu gebracht. Und außerdem hatte er schon viel schlimmere Wunden überstanden." Tinwen seufzte. "Ich kann mich noch an jede einzelne genau erinnern. Jede ist erstaunlich schnell geheilt. Außer einer. Diese ist ganz tief in seinem Herzen. Ich kann da nichts machen, aber du vielleicht."
"Und wie?"
"Sei einfach du", lächelte Tinwen.

Elkano blieb einige Tage lang im Bett und keiner außer den Dienern, die ihm Essen brachten, durfte sein Zimmer betreten. Tinwen sagte, er brauche jetzt seine Ruhe und selbst die kleinste Aufregung könnte seine Genesung stören. Nach drei Tagen wachte er endlich auf und die Stadt Orodos atmete erleichtert auf. Jemand hatte die Idee, ein Fest zu feiern, sobald der König wieder gesund war. Die anderen fanden diese Idee gut und Elkano stimmte zu, obwohl nichts für Feste zu seinen Ehren übrig hatte. Doch er sah darin eine gute Gelegenheit, um mit Elanor zu reden und sich bei ihr zu entschuldigen.
Auf Tinwens Geheiß wurde für Elanor ein wunderschönes Kleid genäht, denn sie war der Meinung, dass Elanor an diesem Abend besonders schön aussehen musste...
Elanor selbst konnte es bis zum Fest kaum erwarten. Sie würde Elkano dann endlich seit ihrem Streit zum ersten Mal sehen. Aber würde er dann ganz gesund sein? Sie fürchtete, ihr Streit hätte vielleicht Spuren hinterlassen. Oder er könnte zu viel Blut verloren haben.
Doch sie irrte sich, denn, wie Tinwen gesagt hatte, seine Wunden heilten schnell.