Harry fühlte sich krank, wirklich krank...
Seine Haut war heiß und schwitzig. Es gelang ihm erst nach einigen Sekunden die Augen zu öffnen. Es war dunkel, doch er spürte, dass er in einem Bett lag.
Er versuchte sich halbwegs aufzurichten, etwas Feuchtes rutschte von seiner Stirn. Ihm wurde schwindelig und er musste sich wieder zurücklehnen. In seinem Kopf dröhnte es und er stöhnte von den Schmerzen an seinem gesamten Körper laut auf.
Im Dunklen erkannte er eine Hand, die über ihn fasste und das, was gerade von seiner Stirn gerutscht war, wieder dort hin zurücklegte. Harry zuckte zusammen, als die Gestalt ihm etwas hartes, metallisches in den Mund schob.
Er riss den Arm hoch, um die Person aufzuhalten und tatsächlich reichte die wenige Kraft, die er aufbringen konnte, um die fremde Hand von sich wegzuschlagen.
Er richtete sich wieder halb auf und das feuchte Tuch fiel nun endgültig in die Kissen. Der Mann an seiner Seite erhob sich und nach wenigen Augenblicken wurde das Licht eingeschaltet.
Harry musste blinzeln, um zu erkennen, dass Black sich mit in dem Raum befand. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er das ruhige Gesicht des Mörders sah.
„Leg dich wieder hin, Harry! Versuch zu schlafen, du bist schwach!", riet Black ihm.
„Was wollen Sie von mir? Wieso bin ich nicht schon längst tot?", fragte Harry und seine Stimme zitterte. Ihm schwanden langsam die Sinne und er musste sich konzentrieren, um bei Bewusstsein zu bleiben.
„Weil ich nie vorhatte dich umzubringen!"
„Wieso haben Sie mich dann bei der Peitschenden Weide angegriffen?", fragte Harry bissig und versuchte sich weiter aufzurichten, doch dadurch wurden nur seine Kopfschmerzen schlimmer.
„Weil du Peter bei dir getragen hast!"
„Krä-krätze ist.. eine Rat –". Noch ehe er den Satz zuende bringen konnte, brach er aus Schwäche erneut zusammen...
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Als er das nächste Mal erwachte, war er alleine in den Zimmer, doch nun schien es Tag zu sein, denn warmes Licht drang durch die heruntergelassenen Jalousien in den Raum.
Noch immer fühlte er sich schwach und außer Stande irgendetwas zu tun, dennoch versuchte er sich aufzurichten. Im Schatten erkante er neben sich auf dem Boden eine Schale mit Wasser. Ansonsten schien das Zimmer sehr leer, wahrscheinlich ein Gästezimmer. Vorsichtig setzte er sich auf und erkannte, dass die Kopfschmerzen und das Schwindelgefühl nachgelassen hatten.
Als er an sich herunter sah, stellte er fest, dass er einen fremden, viel zu großen Pyjama trug.
Während er sich am Bettposten abstützte, kam er auf die Füße und torkelte sofort einige Schritte vorwärts. Sofort wurde ihm schwarz vor Augen und er verlor das Gleichgewicht. Hart schlug er mit allen Vieren auf den Boden auf und musste einige Sekunden warten, ehe der Schwächeanfall nachließ.
Er zog sich vorsichtig und mit wackligen Beinen an der Türklinge hinauf. Überrascht stellte er fest, dass sie nicht verschlossen war und ihm entgegenkam. Er stolperte zurück. Aus dem Flur drang flutendes Licht zu ihm durch.
Bemüht möglichst wenig Lärm zu machen torkelte er aus dem Zimmer heraus und in einen altmodischen, hellen und länglichen Raum hinein. Es war offensichtlich ein Flur mit mehreren Türen und am Ende des Teppichs eine Treppe, die hinabführte.
An der Wand entlangtastend schritt er langsam auf die Treppe zu, doch eine der Türen gab unter seinem Druck nach und er fiel in ein sehr helles, kleines Zimmer hinein.
Ein dumpfer Laut hallte kurz durch das Haus. Harry sah sich sofort um und stellte fest, dass dies wohl ein Büro sein musste. Und er fand sofort, was er gesucht hatte – ein Telefon! Hier mussten, zu seinem Glück, Muggel wohnen.
Etwas schwerfällig zog er sich an dem Schreibtisch hoch und wieder musste er das Gefühl von Schwäche unterdrücken. Zufällig streifte sein Blick eine Digitaluhr – 16:43, SA 2.07. – und er erschrak. Es waren beinahe drei Wochen vergangen. Sofort griff er nach dem Telefonhörer und begann die einzige Nummer zu wählen, die er kannte.
Es tutete zwei, drei Mal... dann wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen.
„Hallo?", meldete sich eine weibliche Stimme.
„Mrs. Granger?", flüsterte er hastig. „Ist Hermine da? Ich muss mit ihr reden!"
„Ja, sie ist da, aber sie möchte mit niemandem reden", antwortete die Frau unsicher.
„Mit mir wird sie reden wollen! Bitte, holen Sie sie ans Telefon!", bat Harry eindringlich.
Nun hörte er ihre Stimme leiser, so als würde sie den Hörer von sich weghalten. „Hermine, Telefon für dich. Gehst du oben dran?"
„Granger, Hermine!", meldete sich eine müde Stimme. Ihre Mutter legte auf.
„Hermine, ich bin's!"
Stille.
„Ich hab nicht viel Zeit, denk ich..."
„Ha-harry... Wo-wo bist du? Wie geht es dir? Was ist passiert?", fragte sie schnell. Ihr Ton klang, als stände sie kurz vor einem heftigen Heulkrampf, aus Erleichterung.
„Mir geht's ganz gut, 'n bisschen kaputt, aber ich hab keine Ahnung, was passiert ist oder wo ich bin. Ich –"
Eine Hand legte sich über seinen Mund, während ein Arm sich um ihn schlag und ihn so bewegungsunfähig machte. Erstickte Schreie mussten zu Hermine ans andere Ende durchdringen. Er hört ihre hilflose Stimme.
„Harry? Harry! HARRY?!", rief sie.
Die Hand, die Harry umschlungen hatte, ließ ihn kurz los, um den Hörer wieder auf die Gabel zu legen. Dann hob der Mann hinter ihm ihn wortlos vom Boden und trug den sich wehrenden Jungen wieder in das Zimmer zurück, aus dem er geflohen war.
Er stieß die Tür zum Raum einfach auf und beförderte Harry halb schmeißend, halb legend auf das Bett zurück. Erst jetzt erkannte der Junge, dass es abermals Black war, der ihn bemerkt hatte.
„Leg dich hin! Schlaf!", raunte er ihm zu und Harry bemerkt, dass es fast die selben Worte waren wie schon vor wenigen Stunden.
„Das werde ich nicht tun! Was wollen Sie? Wieso werde ich hier festgehalten?", rief Harry zornig und richtete sich im Bett auf.
Black achtete nicht auf seine Worte. „Du bist krank, hast hohes Fieber. Fast 41 °C. Leg dich hin!"
Harry rührte sich nicht auf die Wort Blacks hin, bis der Mann auf ihn zuschritt, ihn auf die Matratze drückte und entschlossen seine Handgelenkt mit einem Zauber an den Eckpfosten heftete. Der Junge wehrte sich nicht dagegen und er ließ es auch geschehen, dass Black den inzwischen trockenen Lappen ins Wasser tauchte und ihn auf seine Stirn legte.
Dann verschwand er zur Tür, zögerte nur kurz, als wolle er noch etwas sagen, ging dann jedoch entschlossen hinaus. Hinter ihm wurde die Tür geschlossen und der Schlüssel zwei Mal im Schloss herumgedreht.
Es vergingen Stunden, in denen das Licht durch die Fensterläden immerweiter verschwand. Die Arme waren ihm schon lange eingeschlafen und das Schwächegefühl und die Kopfschmerzen wieder erschienen.
Erst spät öffnete sich die Tür wieder. Inzwischen nagte ein leichtes Hungergefühl an dem Jungen. Zuerst dachte Harry, dass abermals Black den Raum betrat, doch schnell stellte er fest, dass dem nicht so war. Remus John Lupin trat mit einem Tablett näher.
„Hallo, Harry. Wie geht es dir?", fragte er freundlich. Der Dreizehnjährige antwortete nicht.
Während Lupin den Zauberstab zückte und die Seile von Harrys Handgelenken nahm, versuchte der Junge seinen Lehrer einzuordnen, der Black geholfen hatte, der ihm andererseits jedoch vorher sehr sympathisch gewesen war.
Fürsorglich legte Lupin die Hand auf Harrys Stirn. „Immer noch sehr hoch." Dann stellte er das Tablett neben ihn auf das Bett. Währenddessen starrte der Junge ihn immer noch aus verhassten Augen an.
„Iss etwas, Harry!", meinte der Professor und setzte sich am Ende der Matratze nieder.
„Nein!", in seiner Stimme schwang Trotz.
„Warum nicht?", fragte Lupin und war dabei vollkommen ruhig.
„Sie haben mich belogen! Ich habe Ihnen vertraut und Sie haben mich verraten!"
„In gewisser Weise hast du Recht, aber nicht so, wie du es denkst. Ich half Sirius nicht ins Schloss zu kommen und habe mich ihm erst angeschlossen, als ich seine Erklärung hörte –"
„Und da haben Sie sich wohl auch dazu entschlossen mich zu kidnappen, was?", unterbrach Harry ihn aufgebracht.
„Nein, das war Sirius' Idee."
„Und Sie konnten natürlich nichts tun, um es zu verhindern!", meinte der Junge sarkastisch.
„Weiß du, er kann sehr stur sein...", seufzte Lupin. „Und jetzt iss etwas!"
„Nicht bevor ich wieder in Hogwarts oder wenigstens bei den Dursleys bin", behauptete Harry, verschränkte die Arme vor der Brust und sah seinem Professor stur in die Augen.
„Das wird etwas dauern, fürchte ich.."
„Wie lange?"
„Bis Sirius mit dir geredet hat und im Moment seid ihr Beide noch nicht dazu im Stande."
„Was heißt hier ,ihr Beide'? Er hat mich hierher geschleppt und an die Bettpfosten gefesselt!", sagte Harry zornig. „Was will er überhaupt von mir?"
Den Gedanken, Black wolle ihn umbringen, hatte Harry schon lange aufgegeben. Er wurde zwar gefesselt, aber weder geschlagen noch anderweitig misshandelt. Niemand hatte ihm etwas angetan und eigentlich hatte er Lupin vertraut. Der Dreizehnjährige wollte einfach nicht glauben, dass der Werwolf ihn so getäuscht hatte.
„Er möchte mit dir reden."
„Worüber?"
„Über deine Eltern und deren Tod."
„Er hat sie umgebracht, es ist bewiesen, sonst wäre er wohl kaum nach Azkaban gekommen!", behauptete Harry.
„Das habe ich auch jahrelang geglaubt, aber hör ihm doch wenigstens zu, was er dir zu sagen hat."
„Ich will nicht mit ihm reden, verstehen Sie das nicht? Was erwarten Sie? ER IST DER MÖRDER MEINER ELTERN!"
„Nein, Harry, das... Er sollte am Besten selbst entscheiden, wie er es dir erklärt."
„Wieso? Können Sie es mir nicht erklären und dann kann ich gehen? Vielleicht macht sich Jemand sorgen."
„Oh... ja, also Sorgen machen sich bestimmt eine Menge Leute. Der Tagesprophet hat eine ziemlich hohe Summe ausgelegt, für denjenigen, der dich zurückbringt. Der Orden ist hinter Sirius und mir her und wird bestimmt auch nicht zimperlich umgehen..."
„Der Orden? Welcher Orden?", fragte Harry.
„Ich denke, es bringt nichts, wenn ich es dir vorenthalte... Der ,Orden des Phönix' ist eine Aurorengruppe, die von Albus zum Schutz und Widerstand gegen Voldemort gegründet wurde. Deine Eltern, Sirius und ich waren ebenfalls Mitglieder... und Peter."
„Peter – der Tote?", fragte Harry.
„Er ist nicht tot..."
„Ach ja, ich vergaß, er ist ja jetzt eine Ratte...", verspottete Harry Lupin.
„Für dich mag das ungläubig erscheinen, aber er ist ein Animagus..."
Harry wusste nicht, was er darauf antworten sollte, denn immerhin konnte er nicht hunderdprozentig sagen, dass Krätze eine Ratte war, er kannte das Tier ja kaum.
„Wo sind wir hier?", fragte Harry und nun war seine Stimme ruhig.
„Ich glaube nicht, dass es so gut wäre, wenn ich es dir erzähle... Sirius hat mir von deinem Telefongespräch erzählt, daher weißt du sicherlich, dass wir in einem Muggelhaus sein müssen..."
Harry nickte wortlos und dachte daran zurück, wie erleichtert Hermine am Telefon geklungen hatte.
„Du solltest wirklich etwas essen, Harry. Du hast seit fast drei Wochen keine feste Nahrung mehr zu dir genommen."
„Ich will nichts essen, keinen Hunger..."
Lupin erhob sich langsam und müde wirkend. „Die Fenster sind bruchsicher und in einem Umkreis von fünf Kilometern verirrt sich niemand hierher... Die Tür wird abgeschlossen", meinte er ruhig. „Und trink wenigstens etwas!"
Dann wandte er sich der Tür zu, verschwand dahinter und drehte den Schlüssel bis zum Anschlag um. Nun war Harry wieder alleine. Er trank einige, wenige Schlücke von lauwarmen Tee. Sofort wurde ihm wieder schummrig und er ließ sich in die Kissen zurückfallen.
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Ich sehe meine Hände vor mir und spüre, wie sie etwas halten. Ich hebe meinen Blick und erschrecke, aber ich zucke nicht zusammen.
Meine Hände umschließen hart den Hals eines Jungen, höchstens fünf Jahre alt. Seine Augen sind geweitet, in dem Gesicht steht die blanke Panik, seine Kräfte sind erschöpft, er schnappt entsetzt noch Luft, seine Gegenwehr erschlafft nur langsam.
Ich will ihn loslassen, doch ich schaffe es nicht einmal meinen Blick von ihm zu nehmen. Meine Hände drücken den jungen Hals immer weiter zu, immer stärker...
Plötzlich bricht der Blick des Jungen, doch um sicherzugehen, dass er wirklich tot ist, drücke ich meine Finger noch etwas länger in seinen Hals. Dann lasse ich den Jungen so plötzlich los, dass er einfach in sich zusammensackt und zu Boden stürzt.
Ich stoße ein heiseres Lachen aus und drehe mich einfach weg, um aus der dreckigen Gasse zu gehen. In aller Ruhe betrete ich die Straße und der Vierjährige liegt tot hinter mir.
Ich fühle keine Schuld, keine Gewissensbisse, kein Mitleid – es ist, als sei ich tot, innerlich tot, als habe ich keine Seele. Die Straße ist überfüllt und doch wird man das Kind nicht so schnell finden.
Ich versuche stehen zubleiben, umzukehren, dem Jungen vielleicht noch helfen zu können, doch meine Beine bewegen sich unabänderlich dem Ende der Einkaufsstraße zu. Keine einziger Rückblick, immer noch kein Schuldeingeständnis – er hat mich doch ausgelacht! Er hat mich ausgelacht und ich musste mich rächen, das kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen, wo kommen wir denn hin, wenn die Jugend so frech bleibt?
Ich gehe weiter und jedes Mal, wenn ich ein kleines Kind sehe, möchte ich es packen und ihm die Kehle zerquetschen und es belehren, doch ich habe heute bereits zum zweiten Mal gemordet...
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Harry zitterte, als er erwachte. Er hatte geträumt, doch es war so unglaublich real...
Es kam ihm vor, als hätte er es schon einmal erlebt.
„Ist alles in Ordnung, Harry?", fragte eine aufgeregte Stimme, die versuchte ruhig zu werden. Lupin stützte sich am Bettrand und hielt seine Arme. Langsam ließ er sie wieder los.
„Was.. was ist passiert?"
„Du hast geschrieen... hast du oft in den letzte Wochen..."
„Ich habe jemanden umgebracht." Er zitterte immer noch am ganzen Körper.
„Nein, nicht du... aber... Du wirst es noch herausfinden!"
Lupin wich seinem Blick aus, als habe er Angst, Harry könnte etwas in seinen Augen lesen, dass nicht für ihn bestimmt war.
„War das ein Traum?", fragte Harry unsicher.
„Nein, das denk ich nicht."
Lupin erhob sich und schritt der Tür zu so, als versuchte er vor Harry Fragen zu flüchten. Allein blieb er in den inzwischen wieder verdunkelten Zimmer zurück mit den Erinnerungen, die ihm so unglaublich wirklich erschienen...
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Danke an Vroni, Tarivi, TheSnitch, Sam Black, Lea, deatheater, blub, vero, kathleen potter, pirat, LillyAmalia, skateZ
Das nächste Update wird noch recht lange auf sich warten lassen, da ich auf Studienfahrt nach Prag, dann ins Zeltlager und nach Norderney fahre...
