Kapitel 5

„Severus…" Für einen Moment zögerte Remus, doch schließlich erhob er seine raue, heisere Stimme erneut. „Harry geht es sehr schlecht."

„Das sehe ich!", meinte Snape unbekümmert ohne seinen Blick von Remus Augen zu nehmen.

„Was haben Sie mit ihm gemacht?", fragte Hagrid besorgt und trat näher.

„Er wurde von einem Dementor beinahe geküsst und –"

„Sie haben sich reichlich Zeit gelassen, um ihn hier her zu bringen!", stellte Snape nüchtern fest.

„Wir wussten nicht, wie weit der Dementor gehen konnte, bevor wir ihn aufgehalten haben", verteidigte sich der Werwolf.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren richtete der Tränkemeister seinen Zauberstab auf den Jungen und hob diesen mit Magie vom Boden. „Pomfrey wird am besten Wissen, wie ihm zu helfen ist", meinte er kühl, doch als Remus sich aufsetzte, reichte Snape dem Halbriesen Lupin's Zauberstab und befahl ihm kalt. „Passen Sie auf ihn auf! Wenn er sich rührt, wissen Sie hoffentlich, was Sie zu tun haben!"

„Warte!" Remus behagte der Gedanke nicht, Harry mit dem verhassten Professor allein zu lassen, doch was konnte er jetzt noch tun?

In dem Moment tauchte seine Rettung in Form des Schulleiters auf. „Hagrid, du kannst Remus seinen Zauberstab zurückgeben", sagte die ruhige und autoritäre Stimme Albus Dumbledores. Der alte Mann trat zügig zu ihm, an seinen Seiten die Krankenschwester und ein großer, zottiger Hund.

„Albus, was –", wollte Snape wissen, wurde jedoch von dem Angesprochenen unterbrochen.

„Es ist im Moment vorrangig, dass Harry den Trank bekommt!", unterbrach Albus ihn schnell.

Sichtlich unzufrieden damit warf Snape den Zauberstab zu seinem Besitzer zurück, während die Heilerin sich neben dem Bewusstlosen niederließ und vorsichtig die Lebenszeichen untersuchte.

„Ihr habt ihn spät hierher gebracht", sagte sie besorgt und Albus überreichte ihr einen farblosen Trank, den sie Harry sofort an die Lippen setzte und einflößte. „Wir werden abwarten müssen, ob es ihm noch helfen kann. Wir können jetzt nichts mehr für ihn tun…"


Drei Tage später…

Als Harry erwachte, fühlte er sich merkwürdig entspannt und gleichsam benommen. Es fühlte sich alles unwirklich und irreal an, sogar das Bett, auf dem er lag.

Er war allein und im Krankenflügel, doch er glaubte, dass jemand im Raum nebenan mit Papier arbeitete. Vorsichtig setzte er sich auf und stellte fest, dass seine Brille auf dem Nachttisch lag. Er setzte sie auf, seine Umwelt wurde dadurch jedoch nur ein wenig klarer.

„Mister Potter…" Harry wandte sich der Herkunft der Stimme zu und erkannte Madam Pomfrey in der Tür zu ihrem Büro stehen.

„Was.. was ist passiert?", fragte er leise und mit heiserer Stimme.

Die Schwester kam mit einem erleichternden Lächeln näher. „Es wurde auch langsam Zeit, dass Sie endlich aufwachen", sagte sie milde.

„Was ist passiert?", stellte Harry die Frage erneut.

„Black und Lupin wurde in der Nähe von Hogwarts gefasst. Im Moment befinden sie sich in den Kerkern, doch in wenigen Stunden werden sie direkt nach Azkaban gebracht, du brauchst keine Angst mehr vor ihnen –"

„Wieso kriegen sie keinen Prozess?", fragte Harry sofort.

Pomfrey schaute verwirrt und zögerte mit ihrer Antwort. „Black ist ein verurteilter Mörder, der ausgebrochen ist und Lupin hat ihm zweifellos geholfen bei seiner Flucht."

„Aber Dumbledore –"

„Hat versucht ihnen zu helfen", beendete eine andere Stimme den Satz und Harry sah Dumbledore näher kommen. „Der Zaubereiminister war gestern hier und hat sie verurteilt, noch ehe er sie angehört hat."

Der Junge schwieg, benommen von den harten Worten.

„Harry…", versuchte der Schulleiter den Jungen zum Reden zu bewegen.

„Ich.. ich finde das nicht richtig", sagte er unvermittelt.

„Wenn du mit Fugde reden würdest, würde er vielleicht einen Prozess aufnehmen und mit sehr viel Glück würde er ihnen sogar zuhören."

„Sie haben doch die Ratte, heißt das nicht, dass sie unschuldig sind, wenn man erfährt, dass Pettigrew lebt?"

Dumbledore lächelte auf eine merkwürdige, ironische Weise. „Ich habe gelogen, um Sirius und Remus hierher zu bekommen, obwohl ich annehme, dass sie auch so gekommen wären, um dich zu retten. Sie sind sehr besorgt um dich."

Harry zögerte unschlüssig. „Wird Fugde hierher kommen, wenn die Beiden abgeholt werden?"

„Ja, er muss die Papiere unterschreiben."

„Dann.. dann werde ich mit ihm reden. Ich glaube nicht, dass.. dass Black meine Eltern verraten hat", sagte er unsicher.

Dumbledore lächelte großzügig. „Eine weise Entscheidung, Harry!", sagte er und wandte sich wieder zum Gehen.

„Wann kann ich gehen?", fragte Harry die Krankenschwester.

„Jederzeit. Sie werden sich vermutlich etwas schwach fühlen, aber körperlich sind Sie vollkommen gesund."

„Schön!", meinte Der-Junge-der-überlebte und schwang seine Beine aus dem Bett. „Wo sind meine Sachen?"

„Noch immer in Ihrem Schlafsaal vermute ich. Ich möchte Sie jedoch bitten, sich die nächsten Tage jeden Abend bei mir untersuchen zu lassen."

„Okay", sagte Harry schlicht und machte sich dann im Pyjama auf den Weg zum Gryffindorgemeinschaftsraum.

Als er dort, ohne jemandem zu begegnen, ankam, suchte er sich einige Anziehsachen zusammen und ging ins Bad. Er erschrak vor seinem eigenen Spiegelbild so sehr, dass er die Klamotten beinahe fallen gelassen hätte.

Er war blass, wahnsinnig blass, beinahe kalkweiß und die Ränder seiner Augen waren rot und wirkten geschwollen, so als habe er tagelang nur geweint. Seine Augen an sich schienen merkwürdig trüb, das durchdringende smaragdgrün war einer matten undurchdringlichen Farbe gewichen, die er nicht zuordnen konnte.

Er seufzte. „Wird sich schon wieder geben", murmelte er und stieg unter die Dusche, wo er feststellte, dass nicht nur sein Gesicht eine unnatürliche Färbung angenommen hatte. Seine gesamte Haut war farblos und wirkte unecht.

Nach der ausgiebigen Dusche fühlte er sich immer noch matt, doch gleichzeitig sehr viel wohler. Er kehrte in seinen Schlafsaal zurück und freute sich, als er Hedwig auf seinem Bett hocken sah.

Sie überwand die wenigen Meter zwischen ihnen und setzte sich auf seine Schulter, um ihn zärtlich ins Ohr zu zwicken. „Ich hab dich auch vermisst", sagte er leise und streichelte ihr übers Gefieder.

Etwas unentschlossen wanderte er langsam zur Großen Halle, ohne wirklich zu wissen, was er dort wollte. Doch schon vor den Türen, hörte er mehrere Stimmen, die eine hitzige Diskussion führten. Er glaubte den Zaubereiminister und Professor McGonagall herauszuhören.

Leise öffnete er die Tür einen Spalt breit und betrat den Raum. Er sah den Zaubereiminister und mehrer Ministeriumsangestellt, unter ihnen auch Arthur Weasley. Ebenfalls erkannte Harry einige Lehrer, unter ihnen auch Snape und seine Hauslehrerin, die sich gerade einer erregten Disskusion mit Fudge leistete.

„Remus hat das Recht auf eine Verhandlung. Dass Sie Black damals keine gestattet haben, verstehe ich, aber bei Remus liegt die Lage doch wirklich anders", sagte sie gerade empört.

„Das ist nun wirklich nicht ihre Angelegenheit, Verehrteste!", meinte der Minister kühl und wollte sich offensichtlich an Dumbledore wenden.

„Vielleicht wurde Remus von Black verschleppt! Wir wissen doch nicht, was passiert ist. Sie wollen niemanden zu den Beiden lassen und postieren sogar Wachen hier und selber beachten Sie ihre Worte gar nicht. Wenn sie ihnen nicht zuhören wollen, dann warten Sie wenigstens bis Potter erwacht", forderte sie hartnäckig.

„So viel Zeit haben wir nicht! Black und Lupin werden spätestens heute Abend in Azkaban schmoren… Die Öffentlichkeit fordert das einfach von mir. Niemand entführt Harry Potter und kommt ungeschoren davon", versuchte der Minister sich zu verteidigen.

An diesem Punkt schaltete Albus sich in die Diskussion ein. „Vielleicht sollte die Öffentlichkeit dazu erst mal erfahren, warum man den Jungen entführt hat."

„Aber Albus, das wissen wir doch gar nicht", meinte Fugde wie zu einem Fünfjährigen.

„Nein, wir wissen es nicht, aber möglicherweise weiß Harry es." Während er dies sagte, schaute er stur an allen Beteiligten vorbei in Harrys Richtung. Wenige Augenblicke hatten sich alle zu dem Jungen umgewandt.

„Harry", schrie Mr. Weasley erleichtert aus, doch der Junge erkannte in den Augen des Mannes, daes er erschrocken war über sein Aussehen, denn auch die Dusche hatte nichts von den Folgen des Beinahekusses genommen.

„Du bist wach", begann der Zaubereiminister überrascht, „Ich hoffe es geht dir besser…"

„Ich finde es nicht richtig, dass Sie kein Verfahren einleiten wollen gegen die Beiden."

„Sie werden nach Azkaban kommen, dass ist doch viel besser für dich, nach all dem, was sie dir angetan haben!"

„Sie haben mir nichts getan… Sie haben mir nur ein paar Sachen erklärt und –"

„Und sie haben dich in Lebensgefahr gebracht!", behauptete Fudge hartnäckig.

„Aber das haben sie nicht absichtlich getan."

„Man sollte fast meinen, du verteidigst diese.. diese Personen."

„Vielleicht sind Mister Lupin und Mister Black gar nicht so schuldig, wie Sie das glauben, Cornelius", half Dumdledore seinem Schützling.

„Das ist doch Blödsinn. Black ist ein verurteilter Mörder und Lupin hat ihm geholfen!"

„Dass Sie Sirius keinen Prozess geben wollen, versteh ich, denn damit würden Sie einräumen, dass das Ministerium vor zwölf Jahren einen Fehler gemacht hat, aber das mit Lupin erscheint mir irgendwie nicht sehr logisch, es sein denn, Sie hätten etwas gegen Werwölfe!", sagte Harry kühl und beobachtete reglos, wie das Gesicht das Ministers sich vor Wut rot färbte und einige der Menschen im Raum zu Tuscheln begannen, während Dumbledore ihm heimlich zuzwinkerte.

„Stellen Sie sich einmal das Empören ihrer Wähler vor, wenn die herausbekommen, dass Sie Vorurteile gegen Werwölfe hegen", forderte McGonagall, deren Augen temperamentvoll glitzerten.

Der Minister brauchte einige Momente, ehe er seine Wut verarbeitet hatte. „Okay", sagte er leise, „Black und Lupin sollen ihren Prozess haben, aber glauben Sie nicht, dass die beiden auch nur minimale Chancen auf eine Freilassung haben."

Harry lächelte milde. „Ich denke mit etwas Wahrheitsserum und mich als Kronzeugen wird sich da einiges machen lassen", meinte er in einem zuckersüßen Ton, der klang, als könne der Junge kein Wässerchen trüben.


Danke für die Kommi! Habt mich sehr ermutigt...