Kapitel 6

Wenige Stunden nachdem der Zaubereiminister mit seinen Angestellten Hogwarts mit dem Versprechen verlassen hatte, dass die Verhandlung in wenigen Tagen stattfinden würde, trafen ganz andere Gäste dort ein.

Harry befand sich gerade in seinem Schlafsaal, als er das Getrommel von mehreren Füßen auf dem Gang hörte. Er stand auf und öffnete die Tür, da warf sich ihm schon ein braunhaariges Mädchen, das er als Hermine ausmachte, um den Hals.

„Her-hermine", stotterte er überrascht.

„Du bist so ein Idiot!", schluchzte Hermine unter Tränen und schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Brust, während sie ihn mit der anderen Hand näher an sich zog. „Was glaubst du, welche Sorgen wir uns gemacht haben!"

„Ich hab das auch nicht freiwillig gemacht", entrüstete Harry sich kleinlaut, doch das Mädchen antwortete nicht, sondern drückte ihren Freund noch enger an sich und ihre Tränen durchnässten sein T-Shirt.

Hermine brauchte geschlagene zehn Minuten, um sich einiger Maßen zu beruhigen, doch schließlich setzten sich die Beiden auf Harrys Bett. Noch immer schniefte das Mädchen ab und an trocken auf.

„Los! Erzähl!", forderte Hermine mit autoritärer Stimme und strengem Blick.

Harry seufzte laut und lang. Die ersten Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen, doch je länger er redete desto leichter fiel es ihm sich Hermine anzuvertrauen. Sie hörte sich alles sehr geduldig an und schwieg nachdenklich, als Harry mit seinen Erzählungen geendet hatte.

„Schockierend", sagte sie nachdenklich.

„Ja, ist ein ganz schöner Schock, dass Sirius meine Eltern nicht verraten hat."

„Nein, ich meine, es ist schockierend, dass Dumbledore gelogen hat", sagte sie nüchtern.

Harry stöhnte. „Hermine, das ist doch jetzt völlig egal! Ich brauche deine Hilfe für den Prozess, ich weiß doch gar nicht, was ich da sagen soll."

„Du willst also nicht, dass die beiden ins Gefängnis kommen", stellte Hermine fest.

„Ich fände das nicht richtig. Ich glaube ihnen und sie haben Azkaban nicht verdient!"

Hermine überlegte kurz, bevor sie antwortete. „Okay, ich denke, ich kann dir helfen!"


Zwei Tage später…

Die Ketten um Hand- und Fußgelenke rasselten laut, als Remus und Sirius von zwei Dementoren und vier Auroren begleitet den dunklen Korridor entlang zum Gerichtssaal gebrach wurden.

Keiner sagte ein Wort und die unangenehme Stille ließ Remus von Sekunde zu Sekunde aufgeregter werden. Er hatte nicht erwartet, dass Fudge so fair war und ihnen ein Prozess ermöglichte.

Der Zaubereiminister war der einzige Mann, den sie in den vergangenen Tagen seit ihrer Ankunft in Hogwarts gesehen hatten und sie wussten, dass ihre Chancen auf eine Freilassung fast bei Null lagen, zumal Harry vermutlich noch immer bewusstlos auf der Krankenstation lag.

Selbst Sirius, der sonst als „Coolness in Person" galt, wirkte nervös. Er beugte sich etwas zu ihm hinüber und flüsterte so leise, dass es nicht viel mehr als ein Hauch war: „Überlass mir das Reden!"

„Damit zu dich noch tiefer in die Schieße reden kannst?", zischte der Werwolf ebenso leise. „Vergiss es!"

Die Türen wurden geöffnet und die Gefangenen kamen mit ihren Wärtern in die Große Halle, die kurzfristig zu einer Art Gerichtssaal umfunktioniert worden war. Dort, wo sich gewöhnlich der Lehrertisch befand, stand ein erhöhter Tisch, an dem eine – ihm flüchtig bekannte – Richterin aus dem Ministerium saß. Zu seiner Rechten sah Remus einen länglichen Tisch mit Gittern, scheinbar für Sirius und ihn selber. Daneben saß Dumbledore mit einem wissenden, beruhigenden Lächeln wie immer.

Zu seiner Linken erkannte er einen Holztisch, an dem Fudge sie mit seinen Blicken gerade zu aufspießte. Neben dem Zaubereiminister, der offensichtlich der Ankläger war, saß ein Staatsanwalt, den Remus nicht kannte.

In den Bänken etwas abseits und gegenüber der Richterin, standen einige Bänke mit fast allen Lehrern, Auroren, Ordensmitgliedern und auch seiner Mutter, wie er überrascht feststellte.

In der Mitte des Ganzen stand ein einziger Stuhl, in dem scheinbar die Zeugen Platznehmen sollten, die sich noch hinter einer der schweren Türen aufhielten. Remus wusste, dass sich das Gericht hier nur sehr wenig von einem Muggelinstitut unterschied.

Er schluckte angespannt und schwieg ergeben, als die Auroren ihn und Sirius auf den Stühlen in dem kleinen Käfig an Fuß- und Handgelenken an das Holz ketteten. Albus beugte sich leicht zu ihnen hinüber.

„Ich bin euer Verteidiger, also überlasst mir das Reden und sagt nicht, wenn man euch nicht direkt dazu auffordert!" Remus hatte das Gefühl, der Direktor schaute vor allem Sirius an.

Die Richterin räusperte sich und gewann so die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. „Die Anklageschrift, bitte!", forderte sie knapp und schaute auf den Tisch der Ankläger.

Der hagere Mann neben Fudge erhob sich und las von einem Papier vor. „Mister Black wird beschuldigt, vor 13 Jahren James und Lily Potter an Sie-wissen-schon-wen verraten und sich somit an ihrem Tod mitschuldig gemacht zu haben. Des Weiteren hat er Peter Pettigrew ermordet und 13, ihm unbekannte, Menschen ebenfalls. Vor fast einem Jahr brach er aus dem Zauberergefängnis Azkaban aus und entführte einen 13-jährigen Schüler aus diesem Internat… Harry Potter, der in Folge dessen beinahe gestorben wäre", schloss der Mann. In Remus' Ohren hörten sich die Worte des Mannes knapp, doch auf den Punkt gebracht und ziemlich professionell an. „Mister Lupin wird beschuldigt, dem Gefangen Sirius Black bei der Flucht und der Entführung geholfen zu haben!"

Er setzte sich wieder und Fudge lächelte grimmig vor sich hin, während die Richterin ihren Blick wieder den Angeklagten schenkte.

„Was haben Sie zu den Anschuldigungen zu sagen?", fragte sie tonlos und streng.

Sirius öffnete den Mund, doch Dumbledore kam ihm zuvor.

„Keiner der Beiden hat eine dieser Anschuldigungen begangen… Nun ja, bis auf die Tatsache, dass Mister Black aus Azkaban geflohen ist", sagte er mit fester, ruhiger Stimme.

„Haben Sie irgendwelche Beweise für die Unschuldigkeit dieser… Personen?", fragte Fudge sofort.

„In unserem Land gilt nach wie vor ,Im Zweifel für den Angeklagten', also sollte ich Sie wohl eher fragen, ob Sie Beweise für die Schuld vorweisen können!", sagte Albus.

Fugde beugte sich zu seinem Anwalt hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr, bevor dieser das Wort ergriff. „Wir rufen hiermit unseren ersten Zeugen auf: Severus Snape."

Der Zaubertrankmeister trat ein und würdigte niemandem eines Blickes, sondern setzte sich auf den Stuhl für die Zeugen. Sirius neben ihm seufzte leise auf und wandte den Blick Unheil erwartend ab. Auch ihm wurde mulmig.

„Mister Snape, Sie haben das Verhältnis von Sirius Black und James Potter, vor dessen Tod kennen gelernt. Sehen Sie einen Grund, warum der Angeklagte nicht der Geheimniswahrer der Potters sein sollte?", fragte der Anwalt mit einem leicht hinterhältigen Lächeln.

„Ja, den sehe ich durchaus!" Das Grinsen auf Fudges Gesicht verschwand so schnell, als hätte man ihn in den Magen getreten. „Potter war ein arroganter und ignoranter Mensch, aber er war nicht dumm."

Der Anwalt gewann seine Fassung schneller wieder, als der Zaubereiminister (Da fehlt was!), und stellte seine nächste Frage. „Sie haben den jungen Harry Potter gefunden, nachdem die Angeklagten ihn hierher brachten. In welcher Fassung befand er sich?"

„In einer sehr schlechten, aber –"

„Okay, danke, keine weiteren Fragen! Ihr Zeuge, Dumbledore!"

„Beenden Sie ihre Antwort, Mister Snape!", forderte Albus seinen Lehrer auf.

„Aber wenn Black und Lupin ihn nicht her gebracht hätten, wäre der Junge gestorben!"

„Danke, Severus!"

„Ich denke, wir können auf eine Vereidigung verzichten", entschied die Richterin. „Danke, Mister Snape! Mister Dumbldeore, rufen Sie ihren nächsten Zeugen auf!"

„Ich rufe hiermit meinen Kronzeugen auf… Harry James Potter!"

Remus Kopf ruckte erstaunt zur Seitentür und erkannten den 13-jährigen etwas hilflos aussehend hineinstolpern. Er schaute sich kurz um ohne Sirius und ihn auch nur anzusehen und setze sich auf den Befragungsstuhl.

„Mister Potter, Sie sind beinahe 14 Jahre, richtig?", fragte die Richterin freundlich.

„Ja", antwortete der Junge knapp. Remus ließ seinen wachsamen Blick über den Körper Harrys wandern. Er war eindeutig zu dünn, aber das war er auch vor seiner Entführung gewesen. Die gespenstige Blässe seiner Haut beunruhigte ihm und die roten Ränder um die trüben Augen trugen nicht gerade zu einer Besserung des Bildes bei.

„Ich dachte er ist immer noch bewusstlos", flüsterte Sirius erstaunt. Remus konnte daraufhin nur mit den Schultern zucken und ihm so zustimmen.

„Wie geht es ihnen, Mister Potter? Körperlich betrachtet", fragte die Richterin immer noch freundlich.

„Gut…", sagte er sofort. Zu schnell, um wirklich der Wahrheit zu entsprechen. „Ich bin oft müde und ziemlich kaputt, aber sonst ist alles okay."

„Es freut mich, das zu hören. Mister Dumbledore, ihr Zeuge!"

Harrys Blick richtete sich auf seinen Schulleiter. Wissentlich vermied er es, Sirius und Remus direkt anzusehen.

„Harry", sprach Albus den nervösen Jungen mit ruhiger Stimme an, „weißt du, warum Mister Black dich entführen wollte?"

Der Blick des Kindes huschte für den Bruchteil einer Sekunde zu Sirius. „Ich denke, er entführte mich, um mir zu erklären, dass er meine Eltern nicht verraten hat."

„Glaubst du es ihm jetzt?", fragte Albus ruhig.

Remus bemerkte, wie Sirius sich neben ihm in seiner Haltung aufsetzte und verspannte. Harry hob seinen Blick wieder zu ihm. Pate und Schützling sahen sich Sekundenlang durchdringend an. Noch während Harry den besten Freund seines Vaters mit diesem Blick fixierte, antwortete er.

„Ja!"

Für Sirius war diese Antwort genug und er lächelte so erleichterte, wie er es mehr als ein Dutzend Jahre nicht mehr getan hatte. Für ihn war dieser Prozess mit diesem einzigen Wort beendet…


Sorry für die Extremlange Wartezeit, aber ich bin in letzter Zeit nicht viel zum Schreiben gekommen!
Aber hier ist es!