Kapitel 2

Zeitreise

Hermine konnte gar nicht glauben, was sie da gehört hatte, aber ihr blieb keine Zeit nochmals nachzufragen. Der letzte Rest Leben schwand aus Dumbledores Körper und sein Kopf fiel zur Seite.

Albus Dumbledore, der größte Zauberer dieser Zeit, war tot.

Hermine saß wie versteinert da. Sie konnte sich nicht bewegen. Es liefen ihr auch keine Tränen über die Wangen, der Schock saß zu tief.

Fassungslos starrte sie auf Dumbledores leblosen Körper, und stellte sich die Frage, die man sich in solchen Situationen immer stellt: Warum?

Warum musste es gerade ihn treffen? Doch sich mit dieser Frage zu quälen, auf die es sowieso keine Antwort gab, half auch nichts, das wusste sie mittlerweile.

Sie ballte vor Zorn ihre Hände zu Fäusten und spürte das kalte Metall der Kette und das des Anhängers in ihrer Hand.

Sie wusste, was es war, und trotzdem hatten Dumbledores letzte Worte sie immer noch nicht ganz erreicht. Sie sah nach unten, um sich den Zeitumkehrer genauer anzusehen. Ein Stundenglas an einer langen, goldenen Kette, das erwartete sie, doch es hing kein Stundenglas an der Kette. Es war eine kleine Weltkugel, in einer goldenen Einfassung, die hell leuchtete.

Er musste magisch verändert sein, so, dass er weitere Reisen durch der Zeit zuließ, da man sonst nur ein paar Stunden, oder höchstens Tage in der Zeit zurück reisen konnte.

Was hatte er gesagt? Sie würde mit der sechzehnjährigen Hermine eins werden?

Aber warum wollte er, dass sie gerade in ihr sechstes Jahr zurück reiste?

Hermine erinnerte sich daran, dass Harry in der sechsten Klasse begonnen hatte, sich immer mehr von seiner Umwelt abzukapseln. Er hatte Sirius' Tod nie verkraftet.

Sie sollte ihn in dieser Zeit töten, bevor er zu mächtig werden würde, und ihn niemand mehr aufhalten konnte.

Aber konnte sie einen ihrer ehemals besten Freunde umbringen? Das würde sie nicht schaffen.

Doch dann fiel ihr Blick erneut auf Albus Dumbledore, und eine noch nie da gewesene Wut stieg in ihr auf, sie musste den Krieg verhindern, koste es, was es wolle.

Plötzlich hörte sie von draußen ein Geräusch und fuhr zusammen. Sie durfte keine Zeit verlieren.

Hermine legte sich die goldene Kette hastig um die Schultern und drehte die Weltkugel viermal gegen den Uhrzeigersinn. Ihre Hoffnung war, dass sie dadurch vier Jahre in die Vergangenheit kommen würde, in ihr sechstes Schuljahr.

Sie spürte, wie sie von den Füßen gerissen wurde, und sich irrsinnig schnell um sich selbst zu drehen begann. Ihre Augen hatte sie zwar geschlossen, aber sie sah tausende bunte Blasen, aller Größen, die in einem großen Kreis um sie rasten.

Da waren Bilder, aus ihrer Vergangenheit, erlebtes, aber auch Bilder, die sie nicht kannte. Alles drehte sich, und ihr begann allmählich schwindelig zu werden.

Dann war alles urplötzlich vorbei, und Hermine öffnete die Augen. Sie saß im Gemeinschaftsraum der Gryffindors, und ein paar Sonnenstrahlen fielen durch das große Fenster in den Raum.

Sie brauchte ein paar Sekunden um sich zu orientieren und das Schwindelgefühl zu verlieren. Unter ihren Händen spürte sie kaltes Leder. Sie saß auf ihrem Lieblingsplatz, in einem der Sessel vor dem Kamin.

Den Zeitumkehrer, der nun schwach leuchtete, hielt sie immer noch in der Hand und ließ ihn schnell unter ihrem Umhang verschwinden.

Sie hörte Stimmen und wurde sich erst jetzt ihrer Umwelt bewusst.

Es war lange her, seit sie das letzte Mal hier gewesen war und sie sah sich fasziniert um.

Der Gemeinschaftsraum war recht voll, und alle unterhielten sich angeregt. Es war fröhliches Lachen zu hören, was sie in letzter Zeit nur selten gehört hatte.

Sie sah an sich hinunter. Sie war sechzehn, trug die Schuluniform, aber eigentlich konnte sie nicht viele Unterschiede zu vorher erkennen. Nur einen, eine Narbe auf ihrer Hand, die sie seit etwa einem Jahr hatte, war nicht mehr zu erkennen, und sie strich gedankenverloren über ihren Handrücken.

„Hey Hermine, ich rede mit dir."

Hermine zuckte zusammen. Sofort drehte sie den Kopf nach rechts, wo die Stimme hergekommen war, und sah Ron im Sessel neben ihr sitzen, der sie besorgt ansah.

„Ron!", rief sie durcheinander. Doch schon im selben Moment wurde ihr bewusst, dass sie das nicht hätte tun dürfen.

Ron sah sie an, als hätte er sie am liebsten sofort auf die geschlossene, psychiatrische Abteilung im St. Mungo Hospital eingewiesen.

„Ja, ich glaube so heiße ich. Ist mit dir alles in Ordnung?"

Hermine nickte hastig. Sie hatte ihn noch vor ein paar Tagen gesehen, bevor Harry ihn ermordete, aber es war trotzdem seltsam. Noch vor ein paar Tagen hatte sie einen zwanzig jährigen Mann vor sich gesehen, und jetzt sah sie einen Jungen. Seine roten Haare glänzten im Licht, und seine Augen leuchteten noch. Wie gerne hätte sie ihn in den Arm genommen, aber danach hätte er sie wahrscheinlich wirklich ins St. Mungo eingewiesen.

Jetzt musste sie zuerst herausfinden ob sie sich in der richtigen Zeit befand.

„Welchen Tag haben wir heute?", fragte Hermine zusammenhangslos, und Ron sah sie noch besorgter an.

„Okay… heute ist Samstag, der 14. November", antwortete er langsam.

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?", wollte eine andere vertraute Stimme neben ihr wissen.

Hermine drehte den Kopf und sah ... Harry.

Sie blickte in die Augen desjenigen, der soviel Schrecken verursacht und so viele ihrer Freunde umgebracht hatte. Und in diesem einen Moment, fühlte sie sich im Stande, ihn umzubringen.

Aber das konnte sie jetzt nicht, nicht an einem Samstagnachmittag im vollen Gemeinschaftsraum.

Doch auf den zweiten Blick, sah sie nicht mehr den Mann, der die gesamte Welt in einen fürchterlichen Krieg gestürzt hatte, sie sah einen Jungen, einen unschuldigen Jungen, ihren besten Freund.

Es musste einen anderen Weg geben, sie konnte und wollte ihn nicht töten.

Sie musste mit Albus reden, sofort.

„Ich bin gleich wieder da", meinte sie und stand auf.

„Und was ist mit dem Aufsatz für Snape?", fragte Harry. „Du wolltest mir doch helfen, ohne dich kann ich es gleich lassen."

Sie schenkte ihm einen entschuldigenden Blick.

„Tut mir leid, ich helfe dir später, versprochen", antwortete sie und ging mit schnellen Schritten zum Portraitloch.

Sie musste zuerst zu McGonagall, denn Hermine kannte das Passwort zu Dumbledores Büro nicht. Die steinernen Wasserspeier würden sie ohne Passwort nicht hinein lassen.

Auf den Weg achtete sie nicht besonders, ihre Füße trugen sie von selbst durch das Schloss, das sie sieben Jahre ihr Zuhause genannt hatte. In den Korridoren begegneten ihr kaum Schüler. Sie waren wahrscheinlich an so einem kalten Novembertag alle in ihren Gemeinschaftsräumen oder in der Bibliothek.

Im Korridor im zweiten Stock traf sie Professor Flitwick, der ein großes, schweres Buch vor sich schweben ließ. Sie grüßte den kleinen Zauberer und ging dann mit schnellen Schritten weiter durch die Gänge.

Ein paar Korridore weiter begegnete ihr noch jemand, jemand, der gar nicht hätte da sein dürfen.

Ein älterer Mann mit kurzen, weißen Haaren und strengen Gesichtszügen kam den Gang entlang. Hermine grüßte ihn, für sie war es selbstverständlich, doch ein paar Meter weiter zuckte sie zusammen.

Der Mann war Professor Robinson, aber er hätte gar nicht hier sein dürfen.

Professor Robinson war ihr Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste gewesen, aber er begann erst Anfang der siebten Klasse, in Hogwarts zu unterrichten.

Vom Donner gerührt drehte sich Hermine um. Vielleicht hatte sie sich getäuscht. Doch sie sah den Professor klar und deutlich mit seinem steifen Gang den Korridor entlang gehen.

„Professor Robinson?", rief sie erschrocken. Der Lehrer drehte sich um und sah sie fragend an.

„Ähm ich, oh, jetzt habe ich vergessen was ich sagen wollte", stotterte sie und lächelte verlegen.

Professor Robinson schenkte ihr einen leicht verärgerten Blick, ging weiter, und bog um die Ecke.

Wenn Robinson hier war, dann bedeutete das, dass sie in der falschen Zeit gelandet war.

bye CarpeDiem