Kapitel 3

Die Flucht

Den Schock noch verarbeitend, ging Hermine mit schnellen Schritten weiter den Korridor entlang. Das konnte doch nicht sein! So viel Pech konnte auch nur sie haben! Jetzt musste sie so schnell wie möglich zu Dumbledore!

Die Gedanken schossen ihr wild durch den Kopf, obwohl sie versuchte diese zu ordnen.

Möglicherweise war es ihr auch gar nicht mehr möglich, Harry aufzuhalten. Schon in der siebten Klasse hatte er eine Macht besessen, mit der es ihr nicht mehr möglich war, ihn aufzuhalten.

Vielleicht wusste er auch schon über ihre Pläne bescheid.

Nicht nur seine Okklumentik hatte er trainiert, sondern auch seine Leglimentik war stark geworden. Jedoch musste er sie berühren, um ihre Gedanken lesen zu können, und so war es relativ unwahrscheinlich, dass er schon etwas wusste.

Nun stürmte sie geradezu durch die Korridore und um die nächsten beiden Ecken.

An der Bürotür von McGonagall stoppte sie jäh und klopfte hastig.

„Herein", vernahm sie Minerva McGonagalls Stimme, und öffnete schnell die Tür.

„Ms Granger, was kann ich für sie tun?", fragte sie höflich, sah aber nicht von ihren Akten auf.

Es war ungewohnt von ihr mit „Sie" angesprochen zu werden, in der Zukunft waren sie per „Du".

„Ich muss sofort zu Professor Dumbeldore, sofort", erklärte Hermine.

McGonagall hob den Kopf.

„Sie wissen doch, dass er nicht da ist, Ms Granger."

Hermines Augen weiteten sich.

„Er ist nicht da?", wiederholte sie leise. Doch dann fiel es ihr ein. Wenn sie in ihrem siebten Schuljahr war, dann…

„Der Internationale Zaubererkongress", hauchte sie.

„Ja, haben sie das vergessen?", fragte McGonagall.

Hermine nickte langsam.

Dann war sie tatsächlich in der falschen Zeit gelandet. Der Kongress war in ihrem siebten Jahr gewesen, daran erinnerte sie sich noch ganz genau. Es war ein riesiges Spektakel gewesen, mit Zauberern aus aller Welt und war noch Wochen danach in allen Zeitungen gestanden.

Was sollte sie jetzt tun?

Wenn sie nun wirklich im siebten Jahr war, dann würde sie Harry nicht mehr aufhalten können.

„Fühlen sie sich nicht wohl, Ms Granger, sie sind so bleich?", sorgte sich McGonagall.

Hermine musste wohl auf den ganzen Schreck hin, wirklich ihre Farbe verloren haben.

„Soll ich sie in den Krankenflügel bringen?", fragte McGonagall nach, als Hermine nicht antwortete.

Hermine schwieg. Vielleicht war das gar keine schlechte Idee, dort konnte sie in Ruhe nachdenken.

Sie nickte und McGonagall begleitete sie aus ihrem Büro.

Die Lehrerin geleitete sie langsam durchs Treppenhaus und schließlich in den Krankenflügel.

Madam Pomfrey kam sofort zur Tür gewuselt, als McGonagall und Hermine den Raum betraten.

„Oh Professor, ist was passiert?", fragte sie.

„Nein Poppy. Ms Granger fühlt sich nur nicht besonders", erklärte McGonagall, noch bevor Hermine etwas sagen konnte.

Madam Pomfrey begann Hermine zu untersuchen und fühlte ob sie Fieber hatte. McGonagall blieb noch bis sie fertig war.

„Und fehlt ihr was?", fragte sie schließlich besorgt.

„Nein Professor, aber sie sollte sich etwas ausruhen. Am Besten, sie bleibt für ein paar Stunden hier."

McGonagall nickte und Hermine protestierte nicht. Erst jetzt, als sie etwas zur Ruhe gekommen war, merkte sie, wie müde und schwindelig sie sich fühlte.

Das waren wahrscheinlich die Auswirkungen der Zeitreise.

Sie ließ sich von Madam Pomfrey zu einem der Betten schieben und legte sich hin. Im Liegen merkte sie erst, wie gut es ihr tat, sich endlich auszuruhen.

Die Krankenschwester gab ihr noch ein Kissen und verschwand dann in ihrem Büro.

Nun war Hermine alleine im Krankenflügel und in der Stille spürte sie, wie es in ihrem Kopf hämmerte, und alle ihre Glieder schmerzten.

Hermine ruhte sich aus und dachte nach.

Konnte sie Harry jetzt noch aufhalten? Und, die schwerste Frage war, wollte sie es überhaupt?

Andererseits, hatte sie überhaupt eine Wahl? Wenn sie Harry nicht töten würde, würde diese schreckliche Zukunft eintreten. Es muss noch eine andere Möglichkeit geben, überlegte Hermine krampfhaft, es muss einfach!

Vielleicht konnte sie es schon vorher verhindern. Erst Sirius' Tod hatte den Stein ins Rollen gebracht. Was, wenn Sirius nicht gestorben wäre? Gedankenverloren holte sie den Zeitumkehrer unter ihrem Umhang hervor. Sie nahm die Kette ab, drehte ihn in den Händen, und genoss die Stille im Krankenflügel. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, seit sie zuletzt geschlafen hatte.

Hermine schreckte hoch. Sie war im Sitzen eingeschlafen, aber der Schlaf hatte ihr gut getan. Ihre Kopfschmerzen waren fast weg und sie hatte sich etwas entspannt.

Auf einmal hörte sie Schritte auf dem glatten Steinboden.

Den Zeitumkehrer hatte sie immer noch in Händen und ließ ihn eilig hinter ihrem Rücken verschwinden.

„Hey Hermine."

Es war Rons Stimme und sie war froh, sie zu hören. Möglicherweise konnte sie mit ihm über die Zeitreise reden. Doch als sie sich weiter aufsetzte, sah sie, dass er nicht allein war, Harry war bei ihm.

Automatisch verspannte sich Hermine und versuchte an nichts zu denken.

„Na, wie geht's dir?", fragte Harry freundlich.

„Gut", antwortete Hermine und lächelte unverwandt.

Sie bemühte sich, Harry nicht direkt in die Augen zu sehen und lehnte sich gegen die Rückwand ihres Bettes.

„Bist du sicher?", fragte Ron nach, und sie nickte. Harry setzte sich zu ihr aufs Bett und legte ihr eine Hand auf die Stirn. Noch bevor Hermine reagieren konnte, hatte er sie schon berührt, und wehren konnte sie sich nicht, Jemand hätte Fragen gestellt. Und mal ehrlich, wer hätte ihr diese Story geglaubt?

Jedoch konzentrierte sie sich darauf, an nichts zu denken und sich so gut sie konnte abzuschirmen.

Harry drehte seine Hand auf ihrer Stirn um, und sah sie nachdenklich an. Hermine spürte einen Druck in ihrem Kopf, aber keinen Schmerz, sie musste es ihm sehr leicht machen in ihre Gedanken einzudringen.

„Ich glaube du hast Fieber. Ron, holst du mal Madam Pomfrey?", meinte Harry. Ron nickte und machte sich auf den Weg. Hermines Atem ging schneller, Harry musste nun Bescheid wissen.

Nie hatte sie eine besonders starke Okklumentik besessen. Sie bewegte sich keinen Millimeter und klammerte den Zeitumkehrer hinter ihrem Rücken fest. Die gezackte Einfassung der Kugel drückte sich schmerzhaft in ihre Haut, doch sie nahm es gar nicht wahr.

Doch Harry tat nichts, er lächelte sie an.

„Geht's dir gut?", fragte er abermals, und Hermine nickte hektisch. Sie sah ihm direkt in die Augen.

In dem Moment ging die Tür von Madam Pomfreys Büro auf, und Ron kam mit ihr heraus.

„Wie fühlen sie sich, Ms Granger?", fragte die Krankenschwester sogleich besorgt.

Hermine drehte schlagartig den Kopf, sie hatte die Tür gar nicht zugehen hören.

„Gut", behauptete Hermine, und versuchte dabei möglichst glaubhaft zu klingen.

Madam Pomfrey wuselte zum Bett hinüber und legte Hermine ebenfalls eine Hand auf die Stirn.

„Ich glaube sie irren sich Mr Potter", meinte sie nach einiger Zeit. „Bleiben sie bitte nicht mehr zu lange, lassen sie Ms Granger doch noch etwas ausruhen."

Danach verschwand sie wieder in ihrem Büro.

„Wir lassen dich allein, okay? Harry kommst du?", forderte Ron Harry auf, und ging ein paar Schritte in Richtung Tür, doch Harry winkte ab.

„Geh ruhig, ich bleib noch ein wenig."

Ron nickte und verließ den Krankenflügel.

Jetzt saß Hermine in der Falle. Ihr wäre es lieber gewesen, Ron wäre geblieben. So weit war es nun schon gekommen, sie hatte Angst vor Harry.

Nein, das darfst du nicht, redete sie sich streng in Gedanken ein, und sie setzte sich automatisch gerader hin.

„Was willst du jetzt machen?", fragte Harry in ruhigem Ton und

Hermine schluckte.

„Das, wofür man mich hergeschickt hat", antwortete sie mutig.

Harry sah sie erstaunt an.

„Ach wirklich? Du würdest mich umbringen?"

Er hatte ihren wunden Punkt getroffen. Sie würde ihn niemals umbringen können.

Hermine überlegte krampfhaft was sie tun könnte, sollte sie ihm von der Zukunft erzählen?

„Wenn du wüsstest, was du alles getan hast. Du hast Ron getötet."

Doch diese Worte zeigten keine Reaktion bei Harry.

„Du hast mein Frage nicht beantwortet", sagte er kalt. Er war ihr so fremd, in diesem Moment.

Hermine schwieg. Sie wusste, dass sie es nicht fertig bringen würde es zu tun. Es musste doch eine andere Lösung geben. Sirius Tod war der Anstoß gewesen, was wenn sie noch weiter in die Vergangenheit reisen würde und seinen Tod verhindern?

Das war die beste Lösung, die ihr auf die Schnelle einfiel, hier konnte sie nichts mehr ausrichten.

Harry schien immer noch auf eine Antwort zu warten.

Er sah sie so selbstgerecht und arrogant an, dass er gar nicht daran dachte sie zu berühren, um ihre Gedanken zu lesen.

Sie nutzte das, wickelte sich die goldene Kette ums Handgelenk, und stellte den Zeitumkehrer ein. Der Zauber der darauf lag, musste noch immer aktiv sein.

„Ich warte", forderte Harry.

Geschickt drehte Hermine die Kugel ein und ein knappes, halbes Mal gegen den Uhrzeigersinn.

Sie spürte wie sie ruckartig ein paar Meter in die Luft gerissen wurde, und begann sich rasend schnell um sich selbst zu drehen. Das Letzte was sie mitbekam war noch Harrys Hand auf ihrem Arm, sie sah noch die bunten Blasen und Bilder, die sich um sie drehten. Dann wurde es schwarz vor ihren Augen.