01.

Sechs Jahre später...

„Harry! Pass auf, hinter dir!" Harry Potter fuhr herum und riss dabei seinen Zauberstab hoch. Er spürte einen kalten Windzug an der Wange, als der Fluch an ihm vorbei raste und in den Baum schlug, an dem er eben noch gestanden hatte. Der Todesser, der sich um ein Haar unbemerkt an ihn herangeschlichen hatte warf sich zur Seite und versuchte hinter einem Busch in Deckung zu gehen. Harry schrie einen Fluch und entlaubte damit den Busch, ein Schrei zeigte ihm, dass er den Mann dahinter ebenfalls getroffen hatte. Dann warf er sich hinter den geschundenen Stamm der alten Eiche. Er konnte seinen Gegner keuchen hören. Der Fluch hatte den anderen verletzt, wie schwer wusste er nicht, aber er war noch am Leben. Harry schloss für einen Moment die Augen und lehnte den Kopf gegen die raue Rinde des alten Baumes. Er sah sich nach Seamus um, dessen Warnung ihn vor wenigen Minuten vor dem Schlimmsten bewahrt hatte. Der junge Ire hockte neben einem Felsvorsprung am Seeufer und beobachtete etwas im Wasser. Sein Umhang hing in Fetzen, die hellroten Haare waren mit Blut und Schlamm verklebt. Harry wusste, dass er ähnlich schlimm aussah. Die schmutzigen, zerrissenen Kleider hingen um seinen Körper und boten kaum Schutz vor der herbstlichen Kälte. Seine schulterlangen schwarzen Haare waren voller Kletten, die Brille zerkratzt und verbogen. Er blutete aus mehreren kleinen Wunden, die Haut war schmutzverkrustet und mit zahlreichen Blutergüssen übersät. Aber am schlimmsten war die Müdigkeit. Harry konnte sich kaum mehr erinnern, wann er die letzte Nacht durchgeschlafen hatte. Die Sorge um seine Freunde und Verbündeten, die Angst, dass wieder einer von ihnen sterben könnte und das Gefühl die Verantwortung für all das Leid zu tragen ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.

Kurz nach Ende des siebten Jahres war der Krieg offen ausgebrochen und hatten in den fünf Jahren seither unzählige Opfer gefordert. Freunde wie Feinde waren gestorben und Harry wurde das Gefühl nicht los, dass sie letztendlich seinetwegen umgekommen waren. Voldemorts Macht war längst über die Grenzen Englands hinaus gewachsen. Er hatte Muggelstädte dem Erdboden gleichgemacht, hatte ihre Bewohner getötet oder versklavt. Zauberer wurden gnadenlos gejagt und grausam hingerichtet, außer sie schlossen sich der Dunkelheit an.

Aber es gab noch Menschen die ihm Widerstand leisteten: Die letzten Angehörigen des Phönixordens, eine Handvoll Auroren und etliche Flüchtlinge hatten sich hinter den Mauern von Hogwarts verschanzt und bekämpften von dort aus den immer weiter wachsenden Einfluss des dunklen Lords. Ein Kampf, der jeden Tag vergeblicher schien.

Vor drei Tagen hatte eine Gruppe Todesser das alte Schloss angegriffen. Es war nicht das erste Mal und auch diesmal war es den Verteidigern gelungen den Angriff zurück zu schlagen. Die letzten überlebenden Anhänger Voldemorts wurden in diesem Moment gnadenlos gejagt und zur Strecke gebracht.

Der Todesser hinter dem Busch war plötzlich still geworden. Harry atmete tief ein, wappnete sich innerlich für eine weitere Runde und schlich vorsichtig aus seinem unzureichenden Versteck. Sein Gegner war verschwunden. Eine deutliche Spur im weichen Waldboden verriet seinen Fluchtweg. Er steuerte direkt auf das Herz des verbotenen Waldes und somit sein Verderben zu. Harry lächelte grimmig. Sollten die Geschöpfe im Wald sich um ihn kümmern. Er sah sich nach seinen Freunden um. Seamus zog gerade den reglosen Körper eines Todessers aus dem See. Er grinste Harry schief an und kümmerte sich wieder um seinen Gefangenen.

„Was hast du mit dem vor, Seam?"

„Keine Ahnung. Vielleicht zum Abendessen grillen. Bastarde! Ich denke wir überlassen ihn Kingsley und seinen Leuten. Vielleicht kriegen die was aus dem Kerl raus. Aber viel Hoffnung hab ich nicht. Du siehst übrigens grauenvoll aus."

„Danke, gleichfalls. Kommst du klar, oder soll ich dir helfen?"

„Nein, den schaff ich schon allein. Sieh lieber mal nach den anderen. Ron hatte einige Probleme hinten bei den Gewächshäusern."

Die Gewächshäuser der Schule, einst Professor Sprouts ganzer Stolz waren ein Haufen Ruinen. Die gläsernen Wände waren in tausende von Scherben zersprungen, die Pflanzen wucherten wild und ungezügelt durch die kaputten Dächer. Der Anblick hätte der Lehrerin das Herz gebrochen, aber auch sie war schon lange tot.

Ron saß mit dem Rücken gegen den ehemaligen Geräteschuppen gelehnt und schien relativ unversehrt zu sein. Etwas abseits lagen zwei schwarz gekleidete Gestalten. Der Anblick seines besten Freundes versetzte Harry einen Stich. Der fröhliche, unbekümmerte Junge war einem verbitterten jungen Mann gewichen, der den Verlust nahezu seiner gesamten Familie zu verschmerzen versuchte. Er war als einziger von Arthur und Molly Weasleys Kindern übrig. Bill und Charlie waren tot. Ginny ebenfalls. Die Zwillinge wurden seit drei Jahren vermisst und die Hoffnung sie lebend wieder zu sehen schwand von Tag zu Tag. Percy hatte zu den Mitgliedern des Ministeriums gehört, die zusammen mit Cornelius Fudge die Seiten gewechselt hatten. Dieser Verlust war für die Weasleys wahrscheinlich am schwersten zu verkraften. Es war Percy gewesen, der Bill getötet hatte. Ron hatte geschworen seinen Bruder für diesen Verrat an der Familie büßen zu lassen.

„Hey, alles klar bei dir?"

Ron hob den Kopf und grinste schief.

„Ja. Hab die Schweinekerle erledigt. Wie sieht's bei dir aus?"

Harry ließ sich neben seinen Freund auf den Boden sinken.

„Einer ist mir entwischt, aber im Wald kommt er nicht weit. Seam hat einen lebend erwischt. Aber ich schätze wir werden nicht viel aus ihm rausbekommen."Er lehnte den Kopf gegen die Rückwand des Schuppens und schloss die Augen. Jeder Knochen und jeder Muskel in seinem Körper schien zu schmerzen und er war so unendlich müde.

„Du solltest dich endlich mal ausruhen, Harry. Wir gewinnen im Moment alle keinen Schönheitswettbewerb, aber du siehst aus wie eine wandelnde Leiche."

„Ich kann mich nicht ausruhen. Ihr ruht euch auch nicht aus."

„Doch, tun wir. Du konzentrierst dich nur auf den Kampf, alles andere geht vollkommen unter. Hermine hat recht, weißt du. Du musst am Leben teilnehmen. Such dir ne Freundin oder meinetwegen auch 'nen Freund, hab ein bisschen Spaß. Du vergräbst dich nur in deine Arbeit und richtest dich damit selbst zu Grunde."

Harry seufzte. Er hatte diese Ansprache schon hundertmal gehört. Jeder hatte ihm diesen Vortrag schon gehalten. Angefangen bei Ron und Hermine, über Dumbledore und Remus bis hin zu Mrs. Weasley. Selbst Snape hatte ihn vor ein paar Wochen wegen seiner Besessenheit in die Mangel genommen. Es stimmte ja auch irgendwie. Die übrigen Bewohner des Schlosses schafften es in den Wochen und manchmal sogar Monaten zwischen den Angriffen ein halbwegs normales Leben zu führen. Sie verliebten sich, stritten und vertrugen sich, heirateten, bekamen Kinder und versuchten diese so gut es ging aufzuziehen. Sie lachten und erzählten Geschichten, sangen abends in der großen Halle und bemühten sich positiv in die Zukunft zu sehen. Ab und zu verließen sie Hogwarts um die zu besuchen, die in den Städten und Dörfern zurück geblieben waren. Es stimmte, manchmal kam jemand von so einem Ausflug nicht zurück, aber alle gaben sich Mühe ein normales Leben zu führen und die dunklen Zukunftsaussichten zu ignorieren. Aber Harry gelang das einfach nicht.

„Müssen wir das unbedingt jetzt und hier besprechen, Ron?"

„Nein. Lass uns rein gehen. Hermine macht sich sicher Sorgen und langsam wird's zu kalt. Ich hab nicht vor noch ne Nacht hier draußen zu verbringen."

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„Da seid ihr ja endlich! Ich dachte schon es wär etwas passiert. Seid ihr alle ok?"

Kaum dass sie die Halle betreten hatten, fiel Hermine über Harry und Ron her. Sie umarmte beide und musterte sie dann streng von Kopf bis Fuß.

„Ihr seht furchtbar aus. Aber das wisst ihr sicher. Ron, du blutest ja!"

Besorgt begann sie damit die Platzwunde an seiner Stirn zu untersuchen. Ron ließ sie gewähren. Während sie behutsam an dem schmalen Schnitt herumdrückte, küsste er sie auf die Wange und ließ seine Hände über ihre gerundeten Bauch gleiten. Hermine war im siebten Monat schwanger und ziemlich frustriert, weil ihr Ehemann sich weigerte sie aus dem Schloss zu lassen. Aber in dem Punkt verstand er keinen Spaß. Ron verteidigte seine kleine Familie mit aller Macht und er war nicht bereit sie irgendeiner Gefahr auszusetzen.

„Wo ist Lexie?"

„Schläft."

„Gut."

„Ja dann, guten Nacht."murmelte Harry und wand sich zum gehen. Hermine schien ihn kaum zu hören, sie war völlig auf Ron fixiert.

„Nacht. Komm Liebes, das muss ausgewaschen werden..."

Harry sah den beiden mit einem wehmütigen Lächeln nach und ging dann langsam zu seinem Zimmer. Er wusste, dass Ron und Hermine im Moment nur Augen füreinander hatten. Sie waren drei Tage getrennt gewesen und während dieser Zeit hatte Hermine ununterbrochen Angst um das Leben ihres Mannes haben müssen. Jetzt war er sicher wieder in ihren Armen und sie würden sich für den Rest des Tages in ihre eigene private Welt zurückziehen. Als seine beiden besten Freunde vor vier Jahren heirateten, hatte Harry sich für sie gefreut. Er war ihr Trauzeuge und auch der Pate ihres ersten Kindes geworden. Alexandra war drei und ein kleiner, von allen geliebter Engel. Als eins der wenigen Kinder, die seit Kriegsbeginn in Hogwarts geboren worden waren, war sie ein Zeichen der Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit. Gerade deshalb wurde sie von ihren Eltern mit aller Macht beschützt und sie war auch der Grund, warum Ron die Todesser mit solchem Hass bekämpfte. Er wollte, dass seine Tochter irgendwann ein friedliches Leben führen konnte.

Harry erreichte sein Zimmer ohne jemandem zu begegnen. Er schloss die Tür hinter sich und zog sich aus während er den Raum durchquerte. Die schmutzigen, zerfetzten Kleider ließ er achtlos auf den Boden fallen. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken sofort ins Bett zu gehen, aber dann rang er sich doch dazu durch vorher zu duschen. Eine halbe Stunde später lag er sauber und halbwegs entspannt im Bett und starrte an die Decke. Das heiße Wasser hatte ihn angenehm schläfrig werden lassen, aber Harry wusste, dass es noch Stunden dauern würde, bevor ein einschlief, wenn überhaupt. Auch wenn sein Körper nach Ruhe und Schlaf schrie, fiel es ihm schwer seine Gedanken zu beruhigen und die ständig nagenden Schuldgefühle in der Griff zu bekommen. Er fühlte sich für alles verantwortlich und immer wenn er versuchte sich auszuruhen, kam ihm der Gedanke, dass man ihn genau in diesem Augenblick vielleicht brauchen würde. Dieses Gefühl beherrschte sein ganzes Denken und verhinderte schon seit Ewigkeiten, dass er fest einschlief oder sich völlig entspannte.

Manchmal beneidete Harry Ron und Hermine um ihren kleine Welt. Er missgönnte ihnen ihr Glück nicht, aber es machte ihn traurig, dass er auf einmal nicht mehr Teil ihres Lebens war. Nicht im gleichen Maße wie früher. In der Schule waren sie ein unzertrennliches Trio gewesen, hatten alles gemeinsam gemacht und waren immer füreinander da. Jetzt gab es einen Teil im Leben seiner Freunde, an dem Harry nicht teilhatte. Er gehörte nicht dazu. Und in Momenten wie diesen, wenn Ron und Hermine sich ihre Liebe so offen zeigten und nur einander sahen und alles um sie herum vergaßen, kam er sich sehr einsam vor. Vielleicht lag es auch daran, dass er nicht nachvollziehen konnte, was es bedeutete vollkommen in einem anderen Menschen aufzugehen. Harry hatte bisher für niemanden derart starke Gefühle entwickelt. Er war ein paar Mal verliebt gewesen, hatte einige kürzere Affären und sogar zwei längere Beziehungen gehabt, aber niemals hatte jemand seine Seele berührt. Er hatte nie das Gefühl gehabt, den anderen zu verlieren würde schlimmer sein als selbst zu sterben. Ron und Hermine hatten diese Art von Beziehung. Sie verstanden einander ohne Worte, waren seelenverwandt und trotz aller Unterschiede eine Einheit. Harry dachte kurz an die Menschen, denen er eine Weile gestattet hatte sein Leben zu teilen: Cho Chang war kurz nach Ausbruch des Krieges zusammen mit ihrer Familie nach Australien geflohen, er wusste nicht, ob sie noch lebte und es berührte ihn auch nicht wirklich; die kurze Beziehung zu Ginny hatte ihm vielleicht am meisten bedeutet und es hatte gedauert bis ihm klar wurde, dass diese Zuneigung eher brüderlich war. Ginny war es gewesen, die Harry klar gemacht hatte, dass er sich nicht für Mädchen interessierte. Sie hatte Verständnis gehabt und ihm keinen Vorwurf gemacht, hatte ihm geholfen seine anfängliche Unsicherheit bei der Suche nach einem Freund zu überwinden. Jetzt war sie tot. Sie war wenige Wochen nach ihrem Schulabschluss umgekommen, als Todesser den Fuchsbau angegriffen und vollkommen zerstört hatten. Sie war allein zu Hause gewesen und ihre Eltern machten sich noch immer Vorwürfe, ihre Tochter allein gelassen zu haben. Die Weasleys lebten jetzt im Hauptquartier des Phönixordens am Grimauldplatz. Der Tod fast all ihrer Kinder hatte sie beinahe zu Grunde gerichtet.

Der erste Junge, den Harry geküsst und mit dem er eine erste schüchterne Beziehung geführt hatte, war ausgerechnet Colin Creevey gewesen. Auch Colin hatte den Krieg nicht überlebt. Er starb in Harrys Armen, nachdem er einer Todesserpatrouille in die Hände gefallen war. Und schlimmer als sein Tod, war die Tatsache, das Harry in dem Moment fast nichts gefühlt hatte. Nichts außer dem Bedauern einen Freund zu verlieren. Der nächste war Blaise Zabini gewesen, einer der wenigen Slytherins, die sich auf die Seite des Ordens gestellt hatten. Sie waren mehrere Monate zusammen gewesen, aber Blaise hatte seine eigenen Dämonen zu bekämpfen und war nicht stark genug mit den düsteren Stimmungen und Selbstvorwürfen seines Liebhabers zurechtzukommen. Sie trennten sich ohne Streit und ohne Bedauern. Eine zeitlang schliefen sie gelegentlich miteinander, aber auch das hörte irgendwann auf. Mittlerweile begegneten sie sich mit höflicher, distanzierter Freundlichkeit, wie zwei flüchtige Bekannte, die sich nur gelegentlich trafen. Trotzdem war Harry froh, dass Blaise am Leben und in Hogwarts in Sicherheit war. Es folgten eine unbestimmte Anzahl One-Night-Stands und flüchtiger Affären, die nie länger als ein oder zwei Wochen dauerten. Hermine und Ron beobachteten seine zunehmend verzweifelten Suche nach Zuneigung und Geborgenheit und fingen an sich um ihren Freund zu sorgen. Vor etwa einem Jahr dann hatte Harry es aufgegeben einen Gefährten zu finden. Justin Finch-Fletchley, der letzte mit dem er eine Weile verbracht hatte, weigerte sich zwar diese Tatsache zu akzeptieren und betrachtete ihn weiterhin als seinen Freund, aber Harry machte sich nicht die Mühe etwas dagegen zu unternehmen. Es war unwichtig. Seither war er allein. Allein und sicher, dass sich an diesem Zustand nichts mehr ändern würde. Und irgendwie war es auch besser allein zu sein, dann würde niemand um ihn trauern müssen, wenn ihm irgendwann etwas zustieß und er würde nie wieder diesen Schmerz erleben müssen, jemanden zu verlieren, den er liebte.

Harry sah auf die Uhr und stieß einen frustrierten Seufzer aus. Halb zwei in der Nacht. Er hatte noch keine Sekunde geschlafen, sondern sich nur seit Stunden ruhelos hin und her gewälzt. Seine Freunde hatten recht, er musste schlafen, aber das war leichter gesagt als getan. Madame Pomfrey hatte ihm vor ein paar Wochen ein ziemlich starkes Schlafmittel gegeben, aber es zu nehmen bedeutete das Risiko einzugehen, nicht rechtzeitig wach zu werden, wenn man ihn brauchte. Also stand die kleine Flasche unberührt auf seinem Nachttisch und schien ihn Nacht für Nacht zu locken und gleichzeitig zu verhöhnen.

Er drehte sich wieder auf die andere Seite, schloss die Augen und versuchte an nichts zu denken. Eine Weile schien ihm das Kunststück zu gelingen, aber dann glitten seine Gedanken unweigerlich wieder zu jenen, die nie wieder aufwachen würden. Er war diese Liste in Gedanken so oft durchgegangen, dass sie zu einer Art Mantra geworden war. Hin und wieder musste er ihr einen neuen Namen hinzufügen und so war sie mit der Zeit immer länger geworden: Seine Eltern, vor so langer Zeit; Cedric Diggory, das erste Opfer des neuen Krieges; Sirius, von allen Verlusten einer der Schwersten; Charlie Weasley, der im selben Jahr getötet worden war, von dessen Tod sie aber erst drei Jahre später erfahren hatten; Draco Malfoy der sich seiner Herkunft und Erziehung zum Trotz den Todessern und seinem Vater entgegengestellt hatte und der dafür einen langsamen, qualvollen Tod gestorben war; Professor Sprout, die fröhliche Kräuterkundelehrerin, die man eines Tages tot inmitten ihrer Pflanzen gefunden hatte, erwürgt von einem Rankengewächs, das sie nie gepflanzt hatte; die Dursleys, auch wenn er sie niemals wirklich gemocht hatte, doch die einzigen Blutsverwandten die ihm geblieben waren und die aus genau diesem Grund zu den ersten Muggeln gezählt hatten die von Voldemort getötet wurden; Hagrid, der eine Gruppe Zweitklässler mit seinem Leben gegen eine Gruppe Dementoren verteidigt hatte; Madame Hooch, die während eines Quidditchspiels von ihrem verhexten Besen gestürzt war und sich das Genick gebrochen hatte; Oliver Wood und Katie Bell, die zu den Opfern des Angriffs auf die Quidditchmeisterschaft gehört hatten; Ginny Weasley, die süße, geliebte Ginny, deren Tod Ron das Herz gebrochen hatte; Bill Weasley, der von seinem eigenen Bruder ermordet wurde; Professor Flitwick, dessen kleiner Körper wie eine zerbrochene Puppe vor dem Tropfenden Kessel gefunden wurde, nachdem er seinen Vetter in Gringotts besucht hatte; Dean Thomas, seine Frau Rochelle und ihre beiden kleinen Söhne, die im letzten Winter ohne Warnung in ihrem Haus überfallen worden waren; die Patil-Zwillinge, die bei einem Brand in der Winkelgasse umkamen und all die anderen, die Harry nur kurz oder gar nicht gekannt hatte. Schlimmer vielleicht als all diese Toten, waren die Vermissten. Die, deren Schicksal ungewiss blieb: die Weasley-Zwillinge, die vor drei Jahren auf dem Weg zum Grimauldplatz verschwanden und von denen seither jedes Lebenszeichen fehlte; Greg Goyle, der den grausamen Tod seines besten Freundes mitangesehen hatte und kurze Zeit später entführt wurde, wenn man Luna Lovegood Glauben schenken wollte, von einem Drachen; Angelina Johnson-Wood, die den Tod ihres Mannes Oliver hatte rächen wollen und die von dieser Mission nie zurückgekehrt war. Manchmal geschahen kleine Wunder, kamen Menschen die man tot geglaubt hatte zurück. Wie Neville Longbottom, der neun lange Monate verschwunden blieb, bis man ihn halb verhungert und auch sonst mehr tot als lebend in einem Hinterhof in Hogsmeade fand. Er hatte einem seiner Kerkermeister den Zauberstab entreißen und apparieren können bevor man ihn erneut fasste. Nachdem er sich von seinen Verletzungen und den Entbehrungen der Gefangenschaft erholt hatte, wurde er zu einem mutigen und unerbittlichen Kämpfer, der jetzt, zwei Jahre später, zu den besten Nachwuchs-Auroren gehörte und der ganze Stolz seiner Großmutter war.

Viertel vor fünf. Harry stöhnte. Es war fast Morgen und er hatte noch immer kein Auge zugemacht. Er blieb noch einen Moment liegen, gab dann aber jeden Versuch zu schlafen auf und kletterte aus dem Bett. Eine Weile kramte er in seiner Kleidertruhe herum um etwas zum Anziehen zu finden, dass noch halbwegs intakt war. Er hatte sich in letzter Zeit nicht um sein Aussehen gekümmert und darum nicht daran gedacht seine Sachen flicken zu lassen. Nachdem er sich angezogen und halbherzig gewaschen hatte, warf er zum ersten Mal seit langem wieder einen kurzen Blick in den Spiegel. Ihm blickte ein fremdes Gesicht entgegen. Schmal, blass und ausgezerrt, von struppigen, schulterlangen Haaren umgeben, deren Farbe irgendwo zwischen dunkelbraun und schmutzigem Schwarz variierte, hinter der zerkratzten Brille ein Paar grüne Augen, die tief in ihren Höhlen lagen und von blauschwarzen Schatten umrandete waren. Kinn und Wangen waren mit kurzen, dunklen Stoppeln übersät. Der dunkelgrüne, löchrige Pullover und die zerrissenen Jeans schlabberten um seinen viel zu dünnen Körper. Er vergaß oft zu essen und der ständige Stress und der Schlafmangel taten ein Übriges.

„Du siehst müde aus, Liebes." schnurrte der Spiegel.

„Ja."Der hübsche Junge, der früher mal aus diesem Spiegel geschaut hatte, war einem erschöpften, jungen Erwachsenen gewichen, den die Sorge und die Verantwortung auffraßen. Er fuhr sich ein paar Mal mit den Händen durch die Haare und zuckte dann mit den Schultern. „Was soll's. Besser wird's nicht."

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In der große Halle war es still. Nur wenige Frühaufsteher und Ruhelose waren dort. Die Ablösung der Wachen am Tor hatte vor einer halben Stunde stattgefunden und die Nachtschicht gönnte sich jetzt noch einen kurzen Imbiss vor dem Schlafengehen. Kingsley Shacklebolt hockte am ehemaligen Huffelpufftisch und starrte in seinen Tee. Harry nahm sich eine Scheibe Toast und eine Tasse Kaffee und setzte sich dem älteren Auror gegenüber.

„Morgen."

„Oh, Morgen Harry. So früh schon auf den Beinen? Du siehst nicht besonders ausgeschlafen aus."

„Kingsley, bitte. Halt du mir jetzt nicht auch noch diesen Vortrag. Ich weiß, dass ich nicht gerade aussehe wie das blühende Leben."Er nahm einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. Dobby hatte wie üblich mit dem Zucker übertrieben. Eine Weile knabberte er an der trockenen Toastscheibe herum ohne wirklich etwas zu schmecken.

„Was macht Seam's Gefangener?"

Shacklebolt schüttelte den Kopf.

„Aus dem kriegen wir nichts raus. Wir haben ihn die ganze Nacht verhört. Nichts zu machen. Diese Kerle haben viel zuviel Angst vor ihrem Boss um zu quatschen. Severus würde sie am liebsten foltern, wie sie es mit unseren Leuten machen, aber das lässt Dumbledore natürlich nicht zu."

„Severus Snape würde niemanden wirklich foltern. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Er sagt das nur um diese Kerle einzuschüchtern."

„Mmm, ich wär mir da nicht so sicher. Früher hätte ich dir zugestimmt, aber seid Severus mitangesehen hat, wie sie den Malfoy-Jungen getötet haben, hat er sich verändert. Er macht sich noch immer bittere Vorwürfe, dass er damals nicht eingegriffen hat."

„Das hätte niemandem was genützt. Er wäre jetzt ebenso tot."

„Ja, und das weiß er, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass er sich für den Tod des Jungen verantwortlich fühlt. Doch dabei kann ihm niemand helfen. Wir müssen uns alle unseren eigenen Dämonen stellen. Und du solltest das auch tun, Harry. Du richtest dich zu Grunde wenn du so weitermachst. Und tot nützt du niemandem was. Ich werde jetzt schlafen gehen. Gute Nacht."

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Zwei Wochen später...

„Harry, wo willst du hin?"

„In Hogsmeade sind mehrere Todesser gesichtet worden, wir müssen sofort los."

„Warum musst du denn mitgehen? Harry, du hast versprochen dich heute mal auszuruhen und es den anderen zu überlassen, Krieg zu führen."

„Hermine! Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ich kann doch nicht zulassen, dass die anderen ihr Leben riskieren während ich auf der faulen Haut liege."

„Harry. Das tust du doch nicht. Und außerdem, du nützt niemandem etwas wenn du vor Erschöpfung zusammenbrichst. Denk daran was gestern passiert ist."

Harry schüttelte wütend den Kopf. Einen Tag zuvor war ihm in der Eingangshalle plötzlich schwarz vor Augen geworden und er wäre beinahe umgekippt. Hermine hatte ihm daraufhin das Versprechen abgenommen, dass er sich ein paar Tage ausruhen würde. Vor einer halben Stunde war dann die Nachricht gekommen, dass eine Gruppe Todesser sich in der Nähe des Dorfes herumtrieb. Sofort war er auf den Beinen um sich der Gruppe anzuschließen, die sich auf die Jagd machte. Hermine stand jetzt vor ihm und versuchte ihn vom Gehen abzuhalten. „Hermine, bitte! Ron geht auch, willst du, dass ihm etwas passiert, weil ich nicht da bin um auf ihn acht zu geben?"

„Ron ist erwachsen! Er kann auf sich selbst aufpassen. Du bist es um den ich mir Sorgen mache."

„Das ist nicht nötig, herzlichen Dank. Sei so gut und kümmere dich um deinen eigenen Kram, Hermine."Er achtete nicht auf ihren verletzten Gesichtsausdruck, schob sie zur Seite und folgte dem Rest der Gruppe, die auf dem Weg nach Hogsmeade waren.

Hermine sah ihm kopfschüttelnd nach. Dann drehte sie sich um und machte sich auf den Weg zu Professor Dumbledore. Es musste endlich etwas geschehen!

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„Professor, ich mach mir große Sorgen um Harry. Es kann so nicht weitergehen. Er ist gestern fast zusammengebrochen. Er schläft nicht, isst kaum und fühlt sich für alles und jeden verantwortlich. Er scheint zu glauben, dass Voldemort uns besiegt sobald er sich einmal ausruht. Haben Sie keine Idee was wir unternehmen können? Wir müssen ihm helfen, auch wenn er das nicht will."

Dumbledore nickte ernst. Wie die meisten machte auch er sich Gedanken um Harrys schlechte Verfassung.

„Setzten Sie sich, Hermine. Ich muss Ihnen sicher nicht sagen, dass mir Harrys Zustand nicht entgangen ist. Und ich stimme Ihnen zu, dass er Hilfe braucht, auch gegen seinen Willen. Ich habe bereits etwas in die Wege geleitet. Es gibt einen sehr geheimen Ort, an dem er sich ausruhen kann. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als dass ich bereits mit einem Verbindungsmann an diesem Ort Kontakt aufgenommen habe. Er wird in den nächsten Tagen jemanden herschicken, der sich um Harry kümmert."

Hermine runzelte die Stirn.

„Was ist das für ein Ort? Wo ist er? Und vor allem: ist es dort sicher?"

Der Schulleiter lächelte. „Oh, eine Menge Fragen. Nun, ich kann Ihnen leider nichts über diesen Ort sagen, das Wenige das ich selber weiß ist absolut geheim. Aber soviel kann ich sagen: Dieser Ort ist heutzutage sicherer als jeder andere. Ich war selber noch nicht dort, kenne ihn nur vom Hörensagen, aber ich bin sehr zuversichtlich. Und ich kenne einige der Menschen die dort leben. Meine Kontaktperson ist in höchstem Maße vertrauenswürdig und einhundertprozentig auf unserer Seite. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen. Ich möchte Sie allerdings bitten, diese Sache vorerst für sich zu behalten. Ich fürchte, wenn Harry von unseren Plänen erfährt, wird er einen Weg finden sich da herauszuwinden."

„Gut. Ich vertrauen Ihnen, dass Sie Harry nicht in Gefahr bringen. Hoffen wir nur, dass es etwas nützt und er nicht nach zwei Tagen wieder hier ist."

„Oh, keine Sorge, meine Liebe, das wird nicht passieren."

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„Scheiße, Scheiße, Scheiße! Das sind einfach zu viele. Die können wir unmöglich schaffen."Ron lehnte sich neben Harry an die Rückwand eines Hauses und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Diese Mission hatte sich als großer Fehler entpuppt. Die Todesser waren deutlich in der Überzahl. Sie hatten die Gruppe der Verteidiger getrennt und jagte sie jetzt systematisch einzeln durch das Dorf. Ron und Harry hatten die anderen aus den Augen verloren und suchten jetzt zwischen den verfallenen Häusern Deckung während sie über einen sicheren Weg zurück ins Schloss nachdachten.

Hogsmeade war eine Geisterstadt. Niemand lebte mehr hier und die meisten Gebäude waren nur noch Ruinen. Längst gab es nichts mehr zu holen, denn die Bewohner des Schlosses hatten schon vor langer Zeit alles Brauchbare fortgeschafft. Jetzt blieb die Stadt meist ihren Geistern und der Erinnerung an schönere Tage überlassen.

Und wir hätten uns ebenfalls fernhalten sollen"dachte Harry.

„Glaubst du, das war ne Falle?"

Harry zuckte mit den Schultern. Er versuchte den stechenden Schmerz in seiner linken Hand zu ignorieren. Das Gelenk war stark geschwollen und lief bereits blau an. Ein Stein von einem zusammenbrechenden Haus hatte ihn getroffen und Harry war sich ziemlich sicher, dass der Knochen gebrochen war.

„Ich weiß nicht. Sieht fast so aus, oder? Hast du was von Seam oder Remus oder einem der anderen gesehen?"

„Nein, ich hab Neville vorhin bei den Drei Besen aus den Augen verloren. Ich hoffe nur sie sind alle noch am Stück. Harry? Harry was ist los?" Harry war plötzlich wie versteinert und starrte auf die gegenüberliegende Straßenseite. Ron folgte seinem Blick und blieb an fünf riesigen, in dunkle Kapuzenumhänge gehüllte Gestalten hängen. Dementoren!

„Nein."flüsterte er. „Das kann nicht sein."Zwei der Dementoren setzten sich in Bewegung und kamen langsam auf Ron zu, die drei anderen wanden sich in Harrys Richtung. Ron versuchte fieberhaft sich an den Patronuszauber zu erinnern. Ein schöner Gedanke: Hermine und Lexie, das Baby – „Expecto Patronum!"

Harry kramte in seiner Erinnerung, suchte nach glücklichen Gedanken, aber nichts wollte ihm einfallen. Statt dessen sah er die Gesichter derer die im Krieg gestorben waren. Ginny und Sirius und Charlie, Madame Hooch und aus irgendeinem Grund auch Greg Goyle und Draco Malfoy wirbelten vor seinem inneren Auge durcheinander. Er merkte wie Panik in ihm aufstieg. Ron hatte seine Gegner dazu gebracht kurz innezuhalten und ein Stück zurück zu weichen. Aber nach einem Moment schienen sie sich zu erholen und setzten ihren Weg unerbittlich fort.

„Sie sind stärker geworden! Der Patronus nützt nichts mehr. Verdammt! Harry, steh doch nicht nur so da!!"

Harry hatte angefangen heftig zu zittern. Noch immer gelang es ihm nicht einen klaren Gedanken zu fassen. Die Nähe der Dementoren tat ihre Wirkung. Seine Finger wurden taub und der Zauberstab fiel zu Boden. Er hörte Rons verzweifelte Versuche die Monster in Schach zu halten, er spürte wie die bösen Erinnerungen immer heftiger auf ihn einströmten, ihm wurde wieder schwindelig und seine Knie drohten unter ihm nachzugeben.

Dann hörte er plötzlich einen gellenden, unmenschlichen Schrei über den Platz hallen, ein seltsames Rauschen erfüllte die Luft. Der Schrei wiederholte sich, wurde von einer zweiten Stimme beantwortet.

„Oh großer Merlin!"Ron sank auf die Knie und starrte in den Himmel unfähig sich zu bewegen. „Drachen!"

Harry sah auf und taumelte erschrocken zurück. Über dem Dorf, dicht über den Dächern der Häuser glitten drei riesige Drachen durch die Luft. Schlangenhafte Körper glitten geschmeidig durch die Luft, vereinzelte Sonnestrahlen ließen die farbigen Schuppen wie Edelsteine glitzern. Sie stießen diese schrillen, ohrenbetäubenden Schreie aus, ihre gigantischen Flügel wirbelten die Luft auf. Einer der Drachen legte die Schwingen eng an den Körper und stieß einem Raubvogel gleich vom Himmel herab und schnappte nach etwas auf dem Boden, einen Moment später stieg er wieder auf, diesmal mit einer zappelnden Gestalt zwischen den armlangen Fangzähnen, ob ein Todesser oder einer ihrer Freunde konnten sie nicht erkennen.

„Wir sind erledigt. Gegen Drachen können wir nichts ausrichten. Oh mein Gott, sieh nur. Drachenreiter!"

Tatsächlich. Auf dem Rücken jedes Drachen saß eine dunkel gekleidete Gestalt, Mensch oder Monster, die das Untier zu lenken schien.

In diesem Moment spürte Harry kalte, feuchte Hände an seiner Kehle. Die Dementoren hatten die Überraschung durch die Drachen genutzt und die letzten Meter zu ihren Opfern überwunden. Harry versuchte verzweifelt sich aus dem Würgegriff des Untoten zu befreien. Vergeblich. Gegen die übermenschlichen Kräfte kam er nicht an. Er wand sich und stemmte sich mit aller Macht gegen die klammen Finger. Jeder Atemzug wurde schwieriger, bunte Flecken begannen vor seinen Augen zu tanzen und plötzlich wurde ihm klar, dass er sterben würde. Er versuchte vergeblich aus den Augenwinkeln einen Blick auf Ron zu erhaschen. Hoffentlich würde es seinem Freund gelingen zu fliehen, wenn die Dementoren sich auf seine Leiche stürzten. Hoffentlich...

Dann bebte die Erde. Harry spürte einen heftigen Windstoß, der ihn gegen die Hauswand drückte, ein kurzes schmerzhaftes Ziehen an seinem Hals, dann ließen die Hände los und er war frei. Er hörte Ron wimmern und hob langsam den Kopf. Vor ihm, keine drei Meter entfernt hockte ein Drache. Eine der mächtigen Vorderpranken war in den Rücken eines Dementoren gekrallt, ein anderer hing zappelnd zwischen den glänzenden Zähnen. Die übrigen drei waren nirgendwo zu sehen. Die riesige rotgoldene Echse sah Harry aus bernsteinfarbenen Augen forschend an und zerbiss dann den Dementor in ihrem Maul, der, dessen Hände nur Augenblicke zuvor um Harrys Hals gelegen hatten, in zwei Hälften, die sie gierig verschlang. Das laute Knacken der Knochen war in der atemlosen Stille deutlich zu hören. Grünes Blut rann zähflüssig über die schneeweißen Fänge, tropfte zischend auf den Boden und versickerte im Sand. Harry merkte wie die Beine unter ihm nachgaben. Er hatte nicht die Kraft sich zu bewegen. Mit entsetzter Faszination sah er zu wie der Drache auch sein zweites Opfer fraß. Dann wand sich der große Kopf auf dem beweglichen Schlangenhals Ron zu. Harry war zu entsetzt um auch nur eine Hand zu rühren. Rons Stimme zitterte heftig: „Bitte nicht. Friss mich nicht, Drache."

„Den nicht, Amber."Die ruhige, weiche Stimme veranlasste das große Tier augenblicklich den Kopf zurückzuziehen. Der Reiter war unbemerkt vom Rücken des Drachen geglitten und hatte sich ihnen lautlos genähert.

Er war fast vollständig in schwarz gekleidet und abgesehen von einem Paar kniehoher schwarzer, Stiefel und weichen, dunklen Handschuhen konnte man unter dem weiten, bis zur Hüfte geschlitzten Mantel keine Details erkennen. Der Stimme nach musste der Fremde ein Mann sein. Haare und Gesicht waren zum größten Teil unter einer weiten Kapuze und einem dunkelgrünen Schal verborgen. Durch den Stoff klangen die Worte leicht gedämpft. Der einzige sichtbare Teil des Gesichts waren ein schmaler Streifen heller Haut und ein Paar unwirkliche, quecksilberfarbene Augen, die den Tod der Dementoren mit mäßigem Interesse beobachteten. Harry versuchte vergeblich sich aufzurappeln, als der Fremde plötzlich herumfuhr. Mit einer einzigen fließenden Bewegung zog er ein Schwert, das er auf dem Rücken trug und schlug dem Dementor, der sich von hinten an ihn herangeschlichen hatten den Kopf ab.

„Bastarde!"Die Stimme klang zufrieden. Er bückte sich und wischte die schimmernde Klinge am Umhang seines Opfers ab. Dann drehte er sich wieder zu Harry und Ron um, die immer noch wie versteinert waren. Er überwand die wenigen Meter, ging vor Harry in die Hocke und musterte ihn aufmerksam.

„Harry Potter."

„Woher..." Harry räusperte sich. „Woher weißt du wer ich bin? Und wer bist du? Und was willst du hier? Und auf wessen Seite stehst du? Und..."

Der Fremde lachte leise. Ein weiches, amüsiertes Lachen. Er hob die Hand und brachte Harry mit dieser Geste zum Schweigen.

„Zuviel Fragen die ich nicht beantworten werden. Es wird Zeit sich auszuruhen, Harry."Während er sprach zog er den rechten Handschuh aus, ließ eine schmale, weiße Hand in die Tasche seines Umhanges gleiten und zog etwas daraus hervor. Bevor Harry reagieren konnte öffneten sich die Finger und der Fremde blies ihm eine feines Pulver ins Gesicht; murmelte dabei unverständliche Worte. Harry wollte protestieren, doch bevor er sprechen konnte wurde alles schwarz. Das Letzte was er sah, waren die seltsamen Silberaugen des Fremden.

Ron sah entsetzt zu wie der Fremde Harry ein Pulver ins Gesicht pustete, das ihn ohnmächtig zusammenbrechen ließ.

„Hey! Was fällt dir ein! Du Mistkerl! Lass Harry in Ruhe!"

Der Fremde warf ihm einen amüsierten Blick zu, zog seinen Handschuh wieder an, nahm Harrys Zauberstab und ließ ihn in den Tiefen seines Umhanges verschwinden. Dann stand er auf, hob Harrys reglosen Körper hoch und ging zu seinem Drachen. Unfähig sich zu bewegen, sah Ron wie Harry auf den Rücken des Tieres gehoben wurde und der Fremde sich hinter ihm in den Sattel schwang ohne den leblosen Körper loszulassen. Die riesige Echse schlug ein paar Mal mit den mächtigen Schwinge, hob sich in die Luft, kreiste noch einmal über dem Dorf und flog dann davon, dicht gefolgt von den beiden anderen Drachen.

Ron schluchzte erstickt auf. Sie hatten Harry entführt! Und er hatte nichts tun können um ihm zu helfen.

A/N: Und, was meint ihr bis jetzt? Ok? Wer ist wohl der Drachenreiter? Mhmmm. Keine Ahnung. ;o)

Ich hab gehört, dass es noch andere Drachenreitergeschichten gibt. Echt? Das wusste ich nicht. Hab jedenfalls noch keine gelesen. Also, wenn sich Ähnlichkeiten einschleichen, dann sagt mir Bescheid, das ist dann nämlich reiner Zufall.

Bis zum nächsten Chap. Ich beeil mich auch. (Ich gestehe, ich hab die ersten paar Chaps schon fertig, muss sich nur noch korrekturlesen und überarbeiten, also wird's wohl nicht so lange dauern.)

LG Yulah