Also Leute, wenn ich gewusst hätte, dass euch dieser dumme Kuss schlaflose Nächte bereitet...
Ich erklär das jetzt noch einmal: Draco und Simon hatten zu dem Zeitpunkt des Kusses immer noch eine lockere Affäre! Soll heißen, sie haben sich geküsst und ab und zu auch miteinander geschlafen! So. Außerdem hatten sie vor ihrer Beziehung noch einen zweiten Versuch zu gönnen! Davon abgesehen, ist Draco zwar nicht in Simon verliebt, aber er hat ihn gern und er hat damit gerechnet ihn nie wieder lebend zu sehen! Und vielleicht, ganz vielleicht, wollte er ja auch irgendwo tief in seinem Unterbewusstsein testen, wie Harry auf den Kuss reagieren würde. Das heißt aber jetzt nicht, dass er Harry eifersüchtig machen wollte! Und ab jetzt ist Simon für Draco kein Thema mehr. Nur ein guter Freund. Und Simon wird auch für Harry in Zukunft kein Problem darstellen. So, ich hoffe, ich habe jetzt alle Klarheiten beseitigen können. ;o)
Davon abgesehen habt ihr natürlich recht. Es bleibt nicht so ruhig für die beiden.
Aber lest selbst...
10.
Draco behielt recht. Es dauerte nicht mal eine Woche, dann hörten die Bemerkungen und Andeutungen auf.
In erster Linie war das Simon und Dominic zu verdanken, die von Greg in der Vorratskammer in einer ausgesprochen eindeutigen Position erwischt und anschließend quer durch die Halle gejagt wurden. Zwei weitgehend Nackte die von einem aufgebrachten Koch mit einem Fleischerbeil verfolgt wurden, der die ganze Zeit über schimpfte und ihnen einen grausamen Tod androhte, war ausreichend um die gesamte Aufmerksamkeit von Draco und Harry abzulenken. Ginny versuchte zwar, das erlöschende Interesse wieder anzufachen, indem sie beim Frühstück einige ziemlich anzügliche Bemerkungen über Honig machte, erntete damit aber keinerlei Reaktion, außer dass Draco damit drohte sie an Ashes zu verfüttern, wenn sie nicht damit aufhörte.
Charlie schaffte es zwei Wochen später fast, dass man sich wieder für sie interessierte, als er sich beim Abendessen mit einer Bitte an Harry wand:
„Hey sag mal, könntest du möglicherweise das Gästezimmer, das wir dir überlassen haben räumen?"
„Warum?"
„Weil du es ohnehin nicht benutzt! Du hängst Tag und Nacht mit Draco zusammen. Es besteht also kein Grund, dass wir das Zimmer für dich freihalten, wenn du sowieso nie drin bist."
Harry bekam prompt wieder rote Ohren. Ihm war klar, dass jeder in der Halle wusste, dass er jede Nacht in den letzten zwei Wochen bei Draco geschlafen hatte, aber trotzdem war es ihm peinlich, dass Charlie diese Tatsache so unberührt aussprach.
„Ähm, könntest du vielleicht auch etwas weniger laut sprechen?"
„Oh du meine Güte! Sei doch nicht so furchtbar prüde, Harry! Ich bin seit acht Jahren verheiratet! Ich bin durchaus im Bilde. Aber wenn es dir lieber ist, dann formuliere ich meine Bitte um: Da du ja eine neue Unterkunft gefunden hast, wäre es nett, wenn du das Gästezimmer freigeben würdest. Zufrieden?"
„Ihr haltet euch hier alle für wahnsinnig witzig, was? Und du hör auf zu lachen, Malfoy! Das ist nicht lustig!"
„Doch, Harry. Du bist wirklich komisch, manchmal. Wir werden nach dem Essen seine Sachen holen, Charlie."
„Hey, vielleicht will ich ja gar nicht bei dir einziehen."
Harry gab sich alle Mühe etwas Würde zu zeigen.
„Vergiss es Baby. Du wirst überhaupt nicht gefragt!"
Harry tat als wäre er beleidigt, aber in Wirklichkeit fühlte er sich geschmeichelt. Und Charlie hatte ja recht. In den letzten zwei Wochen hatte er sein Zimmer nur einmal betreten um neue Klamotten zu holen, die restliche Zeit hatte er mit Draco verbracht.
Es schien, als hätte es ihren Streit nie gegeben. Dracos Handgelenk war inzwischen vollkommen verheilt und somit war auch der letzte Beweis verschwunden, den es für Harrys Eifersucht und ihre Auseinandersetzung gegeben hatte.
Sie hatten wieder mit dem Schwerttraining angefangen, weil Draco der Meinung war, dass Harry noch sehr viel zu lernen hatte. Es fiel ihm anfangs ausgesprochen schwer sich zu konzentrieren, denn zu Dracos üblichen Ablenkungsmanövern kamen jetzt noch Versprechungen für die jeweils kommende Nacht hinzu und Harry wünschte sich regelmäßig ein Loch im Boden um darin zu versinken. Wenigstens hatte Draco Anstand genug diese Bemerkungen in einer Lautstärke zu äußern, die nur für Harrys Ohren bestimmt war. Der bloße Gedanke, dass die Zuschauer etwas von den geflüsterten Äußerungen mitbekommen könnten, war einfach unerträglich. Das war einer der Nachteile daran, dass Draco nicht länger nur sein Freund sondern auch sein Liebhaber war. Das und die Küsse und Zärtlichkeiten in aller Öffentlichkeit. Harry war an die zurückhaltenden Art seiner Freunde in Hogwarts gewöhnt und es dauerte, bis er sich daran gewöhnt hatte, dass die Bewohner der Drachenfestung nichts an einem heftig knutschenden Paar in der Halle fanden. Vielleicht kam mal eine Bemerkung in der Richtung „Sucht euch ein Zimmer!" aber im Großen und Ganzen interessierte es niemanden. Einfach weil es den Menschen hier zu wichtig war sich ihre gegenseitige Zuneigung zu zeigen um das auf die Zeit zu beschränken, in der man allein war. Draco versucht, unterstützt von Stella, Ginny und Paul immer wieder Harry dieses Konzept klarzumachen, hielt sich aber trotzdem zurück, wenn er spürte, dass dieser sich unwohl fühlte. Er erinnerte sich noch zu gut an seine erste Zeit auf der Insel und auch an seine erste Beziehung zu einem anderen Drachenreiter.
Auch wenn sie nicht in der Arena waren, verbrachten sie jede Minute gemeinsam. Harry leistete Draco während der Wache Gesellschaft, half sogar im Hort mit, auch wenn er einen weiten Bogen um Ashes machte. Der riesige grüne Drache war ihm über alle Maßen unheimlich und er hatte jedes Mal ein ganz mulmiges Gefühl im Bauch, wenn er sah, wie Draco auf dem Rücken der Echse herumkletterte, um den Heilungsprozess des entzündeten Flügels zu untersuchen. Ashes wirkte bei weitem weniger vertrauenswürdig als Amber oder Jinx, die Harry mittlerweile beide irgendwie ins Herz geschlossen hatte. Der Grüne war einfach zu groß und seine funkelnden, smaragdgrünen Augen schienen den Gryffindor regelrecht aufzuspießen.
Was Amber betraf, so gelang es Draco sogar Harry endlich zu einem Rundflug zu „überreden".
Es war etwa drei Wochen nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht, als das Drachenweibchen während Dracos Wache auf der Mauer des Wehrganges landete. Harry schaffte es diesmal nicht zusammenzuzucken und zu bleiben wo er war, bis der Drache sich ihm plötzlich neugierig näherte.
„Ooooohhh, bitte bleib wo du bist, Drache. Draco... mach doch was! Sie kommt immer näher..."
Amber stieß ihn sanft mit der Nase an und begann an ihm herumzuschnüffeln. Harry stand mit dem Rücken zur Tür des Turms und versperrte sich so selbst den einzigen Fluchtweg. Draco blieb vollkommen gelassen.
„Keine Angst. Sie tut dir nichts. Sie will nur wissen, wer du bist. Halt einfach still."
„Du hast leicht reden! Woher willst du wissen, dass sie nicht plötzlich beschließt mich auf ihren Speisezettel zu setzen?"
„Sie frisst am liebsten Fisch. Versuch einfach nicht wie ein Fisch auszusehen, dann passiert dir nichts."
„Draco! Das ist nicht lustig! Vielleicht denkt sie ja, dass ich eine ganz besonders seltene, leckere Makrelenart bin. Bra...haver Drache. Ich schmecke ganz scheußlich. Draco, bitte, sie frisst mich gleich. Vielleicht denkt sie ja auch, dass ich dir etwas tun will."
„Sie weiß, dass du mir nichts tust."
„Woher... Oh du liebe Güte..."
Harrys Stimme kippte plötzlich weg, als die gespaltene Zunge des Drachen hervorschoss und über seine Wange tastete.
„Da! Jetzt probiert sie wie ich schmecke!"
Draco lachte leise, dann schob er sich zwischen Harry und Amber.
„Sie tut dir nichts, weil sie weiß was ich für dich empfinde."
„Woher soll sie das wissen?"
„Wir tragen Teile derselben Seele in uns. Sie kennt meine Gedanken und Gefühle. Und sie würde dir nicht wehtun, weil ich das auch niemals tun würde."
Er streichelte sanft mit den Fingerknöcheln über Harrys Wange, dann küsste er ihn behutsam auf den Mund. Amber, die sich immer noch nicht vom Fleck gerührt hatte, gab einen sanften, gurrenden Laut von sich.
„Sie mag dich, weil ich dich gern habe."
„Wow, das ist unglaublich." Dann fiel Harry etwas ein. „Willst du damit sagen, dass sie auch mitbekommen hat, als wir... du weißt schon?"
Draco sah ihn einen Moment fassungslos an, dann fing er laut an zu lachen.
„Oh Harry, du bist einfach unbezahlbar! Nein! Natürlich hat sie das nicht mitbekommen. Ich kann meine Seele vor ihr verschließen. Ganz abgesehen davon, dass sie ein Drache ist und diesen Dingen wesentlich weniger Bedeutung bemisst, als ein Mensch es tut. Bei Drachen geht es dabei ausschließlich um Fortpflanzung. Sie sind letztendlich nur Tiere. Harry, manchmal bist du wirklich zu süß. Du würdest dich sogar vor einem Drachen schämen."
„Jetzt hör schon auf, ich hab's ja verstanden. Aber, was meintest du damit, dass ihr euch eine Seele teilt? Das versteh ich nicht ganz."
Draco wischte sich die Lachtränen aus den Augen, dann setzte er sich auf die Mauer des Wehrganges.
„Wir teilen uns keine Seele. Keine ganze jedenfalls. Eigentlich dürfte ich dir das gar nicht erzählen, es ist ein Geheimnis der Drachenreiter, aber du kennst schon so viele unserer Geheimnisse, da kommt es auf eines mehr auch nicht mehr an. Also, Drachen haben eine sehr starke Seele, die auch nach ihrem Tod weiterexistiert. Anders als Menschenseelen, die irgendwohin verschwinden, meinetwegen in den Himmel, bleiben die der Drachen bestehen. Aber sie zerfallen in unterschiedliche viele Stücke. Manchmal nur drei oder vier, meistens aber in viele hundert. Und diese Stücke werden von den wachsenden Seelen ungeborener Drachen angezogen und absorbiert. Man kann sagen, dass in jeden neugeborenen Drachen ein Stück der Seele ihrer Vorfahren weiterlebt. Teile von Talenten und Erfahrungen werden so weitergegeben. Es ist eine besondere Form der Vererbung könnte man sagen. Und manchmal kommt es vor, dass sich so ein Seelenfetzen an eine Menschenseele hängt und dann ist dieser Mensch für den Rest seines Lebens mit den Drachen verbunden, die diese Seele teilen. Wenn die Stücke sehr klein sind, dann merkt der betreffende Mensch sein Leben lang nichts davon. Vielleicht hat er ein besonderes Interesse an Drachen oder träumt öfter merkwürdige Dinge, aber im Großen und Ganzen passiert nichts weiter. Wenn die Bruchstücke aber größer sind und wenn nur wenige Drachen sie teilen, dann kann dieser Mensch die Empfindungen des Drachen spüren und seine eigenen Gefühle auf das Tier übertragen. Das war es, was Amber damals zu mir geführt hat. In dem Moment, als durch die Schmerzen der Folter jeder klare, bewusste Gedanke aus meinem Kopf verbannt war und meine Seele nur noch durch Instinkt und Gefühl geleitet wurde, habe ich einen unbewussten Hilferuf an sie gesandt. Ich habe die Schmerzen und die Angst auf sie übertragen und sie damit über hunderte von Meilen gerufen. Ich weiß, dass ist schwer zu glauben, ich habe Monate gebraucht um das ganze Ausmaß dieser Verbindung zu begreifen. Ashes ist Ambers Sohn und einen Teil ihrer Seele hat sie bei seiner Geburt ebenfalls auf ihn übertragen, darum ist auch er mit mir verbunden. Diese Art von Seelenverwandtschaft gibt es nur bei den Hochdrachen. Die niederen Drachen, Hornschwänze und so, haben diese Verbindung nicht. Auch nicht jeder Reiter eines Hochdrachen hat dieses Band zu seinem Tier. Trotzdem sind wir mehr als du denken würdest. Der Druidenorden, der auf dieser Insel lebt, hat es sich vor Jahrhunderten zur Aufgabe gemacht die Träger der Drachenseelen zu finden und auszubilden. So in etwa ist diese Armee entstanden. Es gibt noch sehr viel mehr, dass ich dir darüber erzählen könnte, aber es steht mir nicht zu, dir als Außenstehendem all unsere Geheimnisse anzuvertrauen."
Harry war wie gebannt. Zwar hatte er sich schon öfter über das enge Verhältnis der Drachenreiter zu ihren Tieren gewundert, aber damit hätte er niemals gerechnet.
„Wer außer dir hat denn noch so eine Drachenseele?"
„Das darf ich dir nicht sagen. Ich kann nur von mir sprechen. Es ist etwas sehr persönliches und jeder muss selbst entscheiden, wem er davon erzählt. Du musst mir versprechen, dass du niemals zu irgendjemandem ein Wort darüber verlierst. Auch nicht zu den Menschen hier. Viele wissen, dass ich Ambers Seele teile, aber nicht alle. Versprichst du mir das?"
„Natürlich. Ich fühle mich geehrt, dass du mir dein Geheimnis anvertraut hast."
Einen Moment hingen beide ihren Gedanken nach, dann sprang Draco von der Mauer und nahm lachend Harrys Hand.
„Genug von dem pathetischen Kram. Los komm, ich will dir die Insel zeigen. Du hast die Festung noch nie verlassen, langsam wird es Zeit. Und da meine Wache genau jetzt endet, werden wir jetzt einen kleinen Ausflug machen."
„Gern, aber wie kommen wir hier raus? Ich habe keinen Ausgang gesehen."
„Den gibt es auch nicht. Nicht so wie du denkst."
„Aber wir kommen wir dann... Oh nein. Nein, nein nein! Du willst mit jetzt nicht sagen, dass wir auf einem Drachen reiten müssen, oder? Es muss noch einen anderen Weg geben. Irgendwie kommen ja auch Vorräte und Leute aus dem Dorf hier rauf. Und es gibt hier auch Leute die keine Drachenreiter sind. Du kannst mir nicht erzählen, dass die nie die Festung verlassen. Was ist zum Beispiel mit Greg? Der reitet bestimmt auf keiner dieser übergroßen Eidechsen!"
Draco lachte übermütig und drehte sich mit weit ausgebreiteten Armen einmal um sich selbst. „Seht ihn euch an! Den großen Harry Potter! Er hat gegen Basilisken und dreiköpfige Hunde gekämpft! Hat Riesenspinnen und Dementoren besiegt! Ist auf einem Hypogreifen geritten und eine Millionen Mal von seinem Besen gefallen! Und er hat Angst vor einem Ritt auf einem Drachen! Du hast gegen einen Hornschwanz gekämpft, mit nichts als deinem Besen! Was ist nur so schrecklich daran auf einem Drachen zu reiten?"
„Ich weiß nicht! Sie sind einfach viel zu groß. Und das mit dem Hornschwanz wäre um ein Haar schief gegangen! Draco komm schon! Es muss doch einen anderen Weg geben."
„Ja, den gibt es. Es führt eine Treppe quer durch die Klippe und endet unten im Dorf, aber es dauert Stunden sie runterzusteigen, vom Wiederraufklettern rede ich gar nicht erst. Und nur zu deiner Information: Greg reitet wohl auf einem Drachen. Ginny nimmt ihn mit, wenn sie mit Blade fliegt. Du bist der Einzige hier, der sich weigert. Und damit ist jetzt Schluss!"
Während er redete, hatte Draco Harry an der Brustwehr entlang geschoben, bis zu einer Stelle, an der die Mauer nur kniehoch war. Jetzt zog er den Gryffindor am Kragen zu sich, küsste ihn auf den Mund und stieß ihn dann mit beiden Händen vor die Brust. Harry verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings von der Mauer.
„Dracoooooo..."
Sein Schrei hallte durch die morgendliche Stille und wurde vom Gekreische der Möwen beantwortet. Harry sah voller Entsetzen wie die Mauern der Festung an ihm vorbei rasten, um dann in das zerklüftete Gestein der Klippen überzugehen. Es konnte nur noch Augenblicke dauern, bis sein Körper auf den scharfkantigen Felsen, die aus dem Wasser ragten aufschlagen würde. Dann spürte er einen heftigen Windzug, sah aus den Augenwinkeln einen roten Schatten an sich vorbeifliegen. Sekundebruchteile später wurde sein Fall plötzlich abgefangen. Er fühlte harte, schuppenbewehrte Muskeln unter sich und starke Arme, die sich um seine Taille schlangen.
„Hi." Warmer Atem an seiner Wange und eine rauchige Stimme in seinem Ohr. Harry wusste nicht ob er wütend oder erleichtert sein sollte. Darum beschränkte er sich einfach aufs Atmen. Adrenalin pumpte in rauen Mengen durch seine Adern, sein Herz drohte jeden Augenblick aus der Brust zu springen. Dann öffnete er vorsichtig die Augen. Unter ihm sah er die schimmernden, rotgoldenen Schuppen, daneben, noch etwas tiefer die schäumenden Wogen des Ozeans. Amber schoss weiter auf die tosenden Wellen zu, fing dann, kurz bevor ihr Kopf die Wasseroberfläche berührte ihren Sturz ab und hob sich in einem eleganten Bogen wieder in dem Himmel. Ihre Flügelspitzen berührten leicht das Wasser und sie stieß eine hellen, übermütigen Schrei aus.
Harry öffnete die Augen vollends und sah sich vorsichtig um. Der Anblick war überwältigend! Zu ihrer Rechten erhob sich das Massiv der Klippe, auf deren Spitze die Drachenfestung thronte. Unter ihnen brandeten die Wellen gegen die Felsküste und zu ihrer Linken erstreckte sich der unendliche Ozean bis zum Horizont. Amber schraubte sich mit mächtigen Flügelschlägen höher, immer weiter der Sonne entgegen, erreichte die Höhe der Burg und zog in einem weiten Bogen darüber hinweg. Harry konnte die Menschen im Hof herumwimmeln sehen, andere Drachen, die sich in die Luft erhoben oder auf den Zinnen landeten. Er bemerkte andere, kleinere Inseln, die um die große Hauptinsel herum gruppierten waren. Auch dort waren Drachen zu sehen. Dann ging das Drachenweibchen wieder tiefer und er sah das Fischerdorf, dass sich auf der anderen Seite der Insel in eine kleine Bucht schmiegte. Boote tanzten auf den Wellen und Menschen liefen zwischen strohgedeckten Häusern herum. Erstaunt sah er, dass sich ein dichter Wald über fast die Hälfte der Insel erstreckte. Daneben Felder, weiße Sandstrände und eine weitere Siedlung.
Schließlich flog Amber einen weiteren Bogen und landete am Fuß der Klippe im weichen Sand. Draco sprang von ihrem Rücken und half Harry, dessen Knie immer noch so heftig zitterten, dass er fast hingefallen wäre. Kaum waren ihrer Reiter abgestiegen, hob sich der Drache wieder in die Lüfte und stob aufs Meer hinaus um zu jagen.
Harry blieb einen Moment mit geschlossenen Augen stehen und versuchte seine Gefühle zu ordnen. Dann ging er auf Draco los:
"Du...Mistkerl! Was fällt dir eigentlich ein! Bist du vollkommen wahnsinnig geworden? Warum hast du mich von der Mauer geschubst? Ich hätte tot sein können!"
Draco war wenig beeindruckt. „Bist du aber nicht, oder? Jetzt beruhig dich mal wieder. Anders wärst du doch nie mitgekommen."
Harry fing an wütend auf und ab zu laufen.
„Ich fasse es einfach nicht! Wie um alles in der Welt bist du nur auf diese schwachsinnige Idee gekommen? Was, wenn du nicht rechtzeitig hinterher gekommen wärst? Hä? Hast du daran mal gedacht, Mr. Superschlau? Wenn du dein Leben leichtfertig auf's Spiel setzen willst, bitteschön. Aber lass mich da raus!"
„Bist du jetzt fertig?"
„Was?"
„Harry. Glaubst du wirklich, ich hätte das gemacht, wenn dein Leben auch nur eine Sekunde in Gefahr gewesen wäre? Traust du mir wirklich zu, dass ich dich in Gefahr bringe, nur um mich aufzuspielen? Es tut mir leid, wenn ich zu weit gegangen bin. Sei nicht sauer. Ich wollte dich nicht erschrecken, nur ein bisschen aufwecken."
Harry grummelte unwillig vor sich hin. Dann sah er Draco an. Sein Gesichtsausdruck war ernst und in den grauen Augen lag vage Besorgnis.
„Na, das hast du geschafft. Wach bin ich jetzt." Er sah Draco einen Moment lang gespielt ernst an, dann grinste er schief: „Spinner!"
Er zog den Slytherin an sich und küsste ihn leidenschaftlich. Der plötzliche Adrenalinschub hatte ihn übermütig gemacht. Als sie sich schließlich wieder voneinander lösten, lächelte Harry wieder. Dann gab er Draco einen spielerischen Klaps auf den Arm:
„Glaub ja nicht, dass du mit einem Kuss jeden Blödsinn wieder gutmachen kannst, den du anstellst!"
„Hey. Du hast mit dem küssen angefangen! Außerdem, hat's doch funktioniert, oder? Du bist nicht mehr böse."
„Ja. Diesmal. Ich wäre dir aber trotzdem sehr dankbar, wenn du sowas nicht noch mal machst."
„Na, das muss ich mir noch überlegen. So schlimm kann das gar nicht gewesen sein. Höhenangst hast du schließlich keine, oder?"
„Draco! Das ist mein Ernst! Mir ist fast das Herz stehen geblieben! ‚Nicht so schlimm...' Du hast leicht reden. Du bist ja nicht da runtergeschubst worden!"
„Doch, bin ich. Schon oft."
Harry blieb stehen und sah den Slytherin mit offenem Mund an.
„Bist du nicht!"
„Doch, glaub mir. Es gehört sogar zur Prüfung jedes Drachenreiters."
„Ich glaub dir kein Wort! Wozu sollte das gut sein?"
„Vertrauen. In dich selbst. In deinen Drachen."
„Willst du mir allen Ernstes erzählen, dass du dich freiwillig da runter schubsen lässt?"
„Nein. Aber ich springe."
„Tust du nicht!"
„Doch. Wenn ein Drachenreiter soweit ist, dass man ihn oder sie auf die Menschheit loslassen kann, gibt es diesen letzten Test. Sie bringen dich auf den höchsten Turm der Festung, du rufst deinen Drachen – telepathisch oder du schreist einfach – und dann springst du. Entweder, dein Drache kommt rechtzeitig oder –„
„Oder was?" Harry war sich nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte.
„Platsch." Einen Moment lang war der Gryffindor tief schockiert, dann sah er das Zucken um die Mundwinkel seines Begleiters.
„Du blöder Kerl! Nimm mich doch nicht immer auf den Arm! Das stimmt doch schon wieder hinten und vorne nicht!"
Draco lachte während er sich von Harry über den Strand jagen ließ. Nach einer Weile wurde er langsamer und ließ sich absichtlich einfangen. Er drehte sich in Harrys Armen und fing an kleine Küsse auf sein Gesicht zu hauche während er weitersprach:
„Ganz gelogen war die Geschichte nicht. Aber es ist mehr eine freiwillige Sache. Und nur für die mit einer Drachenseele. Die anderen würden ihre Drachen niemals rechtzeitig rufen können. Und dass ich gesprungen bin, stimmt. Aber nur, wenn Amber in der Nähe ist. Glaub mir, du warst keine Sekunde lang in Gefahr. Das würde ich nicht riskieren."
--
Der Rückflug wurde wesentlich unspektakulärer und ruhiger, und diesmal konnte Harry den Anblick der Inseln die sich unter ihnen erstreckten vollkommen genießen. Doch dieser Anblick war nichts im Vergleich zum Gefühl des Fluges selber: Harry hatte es immer geliebt zu fliegen. Auf seinem Besen, auf Seidenschnabels Rücken, aber nichts war vergleichbar mit dem Ritt auf einem Drachen. Der riesige, geschmeidige Körper, der sich unter ihm so völlig mühelos, fast schwerelos bewegte, das Spiel der Muskeln, die durch die dicken Schuppen zu spüren waren. Selbst das gleichmäßige Rauschen der Schwingen, der Wind, der über die straff gespannten Flughäute strich, das Atmen der mächtigen Lungen unter ihm. Das alles erfüllte ihn mit Ehrfurcht und zusammen mit dem Anblick des endlosen Ozeans unter sich, mit einem Gefühl unendlicher Freiheit.
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Von diesem Tag an ließ Harry sich nicht zweimal bitten, wenn er eingeladen wurde mit einem der Drachen mitzufliegen. Zwar wagte er es nach wie vor nicht, sich den riesigen Echsen allein zu nähern, aber da immer jemand ins Dorf oder zu den Nachbarinseln unterwegs war, hatte er nie Schwierigkeiten eine Mitfluggelegenheit zu finden. Er verbrachte noch immer so viel Zeit wie möglich mit Draco, aber wenn der anderweitig zu tun hatte und sich nicht um Harry kümmern konnte, streifte er allein durch die Festung und über die Insel. Jede Spur von Heimweh war wie weggewischt, auch wenn er sich immer wieder fragte, wie es seinen Freunden in Hogwarts erging. Wahrscheinlich hätte er es niemals zugegeben, aber die seltsame, heilende Aura der Dracheninsel hatten auch ihn längst in ihren Bann geschlagen. Er fühlte sich zu Hause und geborgen. Und wäre nicht der Krieg und die Gefahr in der seine Freunde immer noch schwebten, hätte er vermutlich nicht einen Gedanken daran verschwendet die Insel in nächster Zeit zu verlassen.
Fast zwei Monate hielt dieses Gefühl der Zufriedenheit und Ruhe an. Ohne das Harry etwas davon merkte näherte sich der Winter seinem Ende. Selbst, als die ersten Drachen wieder zu ihren Rundflügen und Patrouillen aufbrachen sah er keinerlei Zusammenhang mit sich selbst. Der Gedanke, dass der Tag seiner Abreise sich näherte, kam ihm nicht.
Erst als Charlie an einem Spätnachmittag Mitte Februar mit einem Brief aus Hogwarts in die Speisehalle kam, wurde Harry bewusst wie viel Zeit inzwischen vergangen war.
„Na, schmeckt's euch denn auch allen? Oder muss ich mit Greg schimpfen?"
„Sagt der Mann, der sogar Wasser anbrennen lässt!"
„Das ist nicht nett, Stella! Ich bin dein geliebter Ehemann, du musst hinter mir stehen."
„Nein danke, ich bleib lieber sitzen."
„Ja, ja, da weiß man, wo sein Platz im Leben ist. Tash, rück ein Stück, lass deinen alten Onkel mal sitzen."
Er ließ sich neben den Zwillingen auf die Bank fallen und musterte dann eingehend sein Tablett.
„Hmmm. Sieht sehr gut aus. Der liebe Greg hat sich mal wieder selbst übertroffen, wie es scheint. Gut so jemanden in der Familie zu haben. Oh, dabei fällt mir ein, hier ist ein Brief für dich, Harry." Er zog einen verknitterten Umschlag aus der Hosentasche und reichte ihn über den Tisch.
„Wer schreibt mir denn hier? Merkwürdig."
„Fanpost vielleicht. Du weißt ja, wie die sind, die finden einen überall."
„Ja, ich weiß das, Paul. Aber wer hat es dir erzählt?"
Harry grinste Stellas Bruder frech an. Er hatte sich längst an den hier herrschenden Umgangston gewöhnt und sich dem angepasst.
„Jetzt hört euch den Kleinen an! Dray, dein Freund ist frech. Bring ihm mal Manieren bei."
„Wieso ich? Seh ich aus als wäre ich seine Mutter? Außerdem, zu mir ist er ja nicht frech." Dann lehnte er sich über Harrys Schulter. „Wer schreibt dir denn?"
„Hm? Oh, der ist von Hermine. Warte, du kannst gleich selbst lesen, wenn ich fertig bin."
„Oh Mann, muss Liebe schön sein. Man hat keine Geheimnisse mehr. Wenn ich groß bin, lieb ich auch!"
„Nur kein Neid, Gin."
Harry sah kurz auf um Ginny die Zunge rauszustrecken, dann achtete er nicht mehr auf das Geschwätz um sich herum und vertiefte sich in seinen Brief:
Lieber Harry
Ich weiß nicht genau, ob und wann Du diesen Brief bekommen wirst. Aber als Professor Dumbledore mir heute morgen sagte, dass ich Dir schreiben kann, wenn ich will, hab ich nicht zweimal überlegt.
Du fehlst uns allen sehr. Ich weiß, dass es richtig von Dumbledore war Dich fortzuschicken, denn andernfalls hättest Du Dich früher oder später umgebracht, aber es ist trotzdem nicht leicht so lange auf einen Freund zu verzichten, der uns so viel bedeutet wie Du.
Hier ist alles mehr oder weniger beim Alten. Seit dem letzten Angriff sind Ewigkeiten vergangen. Der Anblick dieser Drachen in Hogsmeade scheint auch unseren Feinden einen gehörigen Schrecken eingejagt zu haben. Ron war ein regelrechtes Wrack, als er damals heimkam. Er wusste ja noch nicht, dass deine Entführer allem Anschein nach auf unserer Seite waren und er hat sich bittere Vorwürfe gemacht. Auch Dumbledore's Versicherungen, dass damit alles in Ordnung sei, konnten ihn lange Zeit nicht beruhigen. Stell Dir vor, sogar Snape hat sich um Dich gesorgt. Besonders das mit den Drachen hat ihn ziemlich erschreckt. Er hat dauernd etwas von „Nicht schon wieder" gemurmelt. Ich denke, dass er damit diese Sache mit Malfoy meint. Du weißt ja, dass er niemals wirklich darüber hinweggekommen ist.
Weihnachten sind Rons Eltern hergekommen. Die Ärmsten sind kaum wiederzuerkennen. Molly macht sich über jede Kleinigkeit furchtbare Sorgen. Lexie ist Heiligabende von der untersten Treppenstufe gefallen und Molly war außer sich. Sie tut mir so leid. Wenn ich daran denke, dass ich fast all meine Kinder verliere, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Auch wenn ich nur zwei habe, der Gedanke ist unerträglich. Oh, dabei fällt mir ein, das weißt Du ja noch gar nicht. Wir sind jetzt zu viert! Das neue Baby ist zwei Tage vor Weihnachten geboren. Sein Name ist Jamie. Ich hoffe, das ist Dir recht? Ron ist unglaublich stolz einen Sohn zu haben. Arthur ist bei seinem Anblick in Tränen ausgebrochen und sagte, er sei so glücklich, dass der Name Weasley jetzt doch nicht aussterben würde. Es hat mir fast das Herz gebrochen. Nach den Feiertagen haben die beiden beschlossen hier zu bleiben. Das ist uns nur recht, denn es ist hier wesentlich sicherer als am Grimauldplatz. Außerdem können sie dann ihre Enkel aufwachsen sehen.
Ich hoffe wirklich, dass Du bald heimkommst, Harry. Wir vermissen Dich sehr und Du sollst doch den kleinen Jamie kennen lernen.
Aber ich hoffe auch, dass es Dir dann wieder gut geht, und dass du vielleicht etwas glücklicher bist, als bei unserer letzten Begegnung. Auch wenn das bedeuten sollte, dass Du noch etwas länger wegbleibst.
Aber vergiss uns nicht.
Wir lieben Dich.
Hermine.
Harry hatte einen dicken Kloß im Hals, als er den Brief schließlich sinken ließ.
Seine gute Laune war auf einmal wie weggeblasen.
„Was schreibt sie denn?"
„Hm? Ach, nichts weiter. Über Weihnachten, und dass sie mich vermissen und so. Entschuldigt ihr mich kurz?" Er stand auf ohne ein Antwort abzuwarten und verließ rasch die Halle.
Draußen lehnte er sich gegen die Brüstung des Wehrganges und atmete tief durch um die Tränen zurückzuhalten.
Als er Schritte hinter sich hörte, brauchte er sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Draco ihm gefolgt war.
„Alles in Ordnung?"
Harry nickte leicht. „Ja, nur ein plötzlicher Anfall von Heimweh. Ist gleich vorbei. Hermines Brief hat mich einfach unvorbereitet erwischt."
Draco setzte sich auf die Mauer, sah Harry aber nicht an.
„Ich schätze mal, noch eine oder zwei Wochen, dann sind die Stürme endgültig vorbei und wir können wieder fliegen. Du kannst also bald wieder heim."
„So war das nicht gemeint. Im Grunde will ich gar nicht hier weg. Aber meine Freunde brauchen mich und ich vermisse sie. Verstehst du das?"
„Sicher. Und es war ja von Anfang an klar, dass du nicht ewig hier bleiben würdest. Das wussten wir beide. Aber du wirst mir trotzdem fehlen."
Es war das erste Mal, dass sie über die bevorstehende Trennung sprachen.
„Du mir auch." Einem Impuls folgend schlang Harry seine Arme um Dracos Taille und lehnte den Kopf gegen seine Schulter.
„Kannst du nicht einfach mitkommen?"
Draco ließ seine Finger durch die vom Wind zerzausten, schwarzen Haare gleiten. „Nein. Das weißt du. Ich gehöre hierher."
„Ja. Aber was ist, wenn der Krieg vorbei ist?"
„Was meinst du? Dann werde ich noch immer hierher gehören. Die Drachenarmee hat es schon lange vor diesem Krieg gegeben und sie wird auch noch danach bestehen bleiben."
Harry ließ den Slytherin wieder los und sah ihn leicht verwirrt an.
„Aber... Ich hab immer gedacht... ich meine... ich dachte, ihr hättet euch zusammengeschlossen um Voldemort zu bekämpfen."
„Nein. Den Orden der Drachenreiter gibt es schon seit weit über 1000 Jahren. Es gab ihn lange vor der Gründung Hogwarts' und Ewigkeiten bevor Voldemort überhaupt geboren wurde. Es hat absolut nichts mit diesem Krieg zu tun."
„Das wusste ich nicht."
„Nein, woher hättest du das auch wissen sollen? Aber es ist so. Im Grunde haben wir nichts mit diesem Krieg zu tun."
Harry war geschockt: „Aber du hast gesagt, dass ihr euch am Krieg beteiligen werdet!"
„Ja. Das werden wir. Zu gegebener Zeit."
„Und was heißt das?"
„Das wir uns einmischen werden, wenn der richtige Augenblick gekommen ist. Ich kann dir nicht sagen, wann. Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen."
„Du meinst, ihr wollt weiterhin tatenlos zusehen, wie Menschen sterben oder verschleppt werden? Nur weil ihr euren großen Auftritt braucht?"
Harry hatte angefangen aufgebracht hin und her zu rennen.
Draco seufzte leicht. Dieses Gespräch lief in eine vollkommen andere Richtung als er erwartet hatte.
„Harry! Ich kann dir nichts dazu sagen. Ich weiß nicht, was Charlie plant. Und das ist doch auch gar nicht das Thema. Du willst wissen, was nach dem Krieg sein wird. Ich mache mir jetzt noch keine Gedanken darüber. Wer weiß ob du oder ich überhaupt überleben. Also verlang bitte nicht von mir, dass ich dir jetzt sage, dass ich das einzige Zuhause aufgeben das ich habe, nur um dir den Abschied leichter zu machen. Niemand verlangt von dir zu gehen. Im Gegenteil. Aber ich weiß nicht, was ich in einem Monat oder in einem Jahr machen werde. Selbst wenn wir überleben. Ich möchte mich in jedem Fall nicht jetzt mit dir darüber streiten."
„Du hast recht. Entschuldige. Ich weiß, dass du nichts dafür kannst. Es ist nur, Hermines Brief hat mich etwas aus der Bahn geworfen. Ich war während der letzten Monate zum ersten Mal seit Jahren wieder halbwegs glücklich und zufrieden und dann lese ich, wie schlecht es meinen Freunden geht. Die Weasleys sind vollkommen am Ende. Sie zerbrechen daran, all ihre Kinder verloren zu haben. Ron ist der letzte Strohhalm an den sie sich klammern und ich weiß nicht, wie lange er diesem Druck noch standhält."
Dann lächelte Harry plötzlich: „Aber jetzt werden sie ja zumindest wieder etwas glücklicher sein können, wenn sie erfahren, dass Charlie und Ginny leben. Und wenn sie von ihren Enkelkindern hören." Er lächelte noch breiter, bei dem Gedanken daran, wie Arthur und Molly seine Nachricht aufnehmen würden.
Dann stellte er erstaunt fest, dass Draco seine Freude nicht zu teilen schien.
„Was ist los?"
„Du wirst es ihnen nicht erzählen."
Keine Frage. Kein Befehl. Eine einfache Feststellung.
„Was meinst du?"
„Du wirst den Weasleys nicht von Charlie und Ginny erzählen."
„Natürlich werde ich das tun! Sie trauern seid Jahren, es ist Zeit, dass sie wieder einmal gute Nachrichten bekommen! Und Severus wird endlich wieder ruhig schlafen können, wenn er erfährt, dass er nicht deinen Tod zu verantworten hat."
„Nein Harry! Du wirst niemandem etwas erzählen! Weder Molly und Arthur, noch Snape oder sonst wem! Das ist mein Ernst! Es gibt einen guten Grund, warum niemand weiß, dass wir am Leben sind."
„Was? Willst du mir sagen, dass sich diese Menschen weiter quälen sollen, nur wegen eurer Geheimniskrämerei? Das kannst du nicht so meinen?"
„Doch! Genau so. Wie du schon sagst, sie leben schon seit Jahren damit, da werden sie es auch noch etwas länger aushalten. Besonders, da sie sowieso nicht damit rechnen einen von uns je wieder zu sehen."
„Ich glaub das einfach nicht! Wie kannst du so kalt sein? Ist es dir vollkommen egal, dass diese Menschen unter den Verlusten leiden, die sie erlitten haben?"
„Ich habe auch gelitten, Harry!" zischte Draco, der jetzt langsam wirklich wütend wurde, „Genauso wie alle anderen hier. Ich werde nicht zulassen, dass du uns in Gefahr bringst, nur wegen deiner Sentimentalität!"
Harry war leichenblass geworden. So ernst und wütend hatte er Draco noch niemals erlebt. Aber er war auch sauer. Und dass ließ er den Slytherin jetzt deutlich spüren:
„Ich glaub einfach nicht, was ich da höre! Ihr leidet hier? Seid wann? Ihr sitzt hier herum wie die Made im Speck, erfreut euch eures Lebens, während eure Familien irgendwo da draußen ums nackte Überleben kämpfen! Und dann willst du mir verbieten, ihnen ein bisschen Freude und Hoffnung zu schenken?"
Harry merkte selbst, wie pathetisch das klang, aber im Moment war ihm das egal.
„Nein, hier leidet niemand. Aber das hat nichts mit dem zu tun, was jeder Einzelne durchgemacht hat, bevor er herkam. Das weißt du ganz genau! Meinst du Charlie oder Ginny oder sonst wer hier macht das gern? Dass sie ihre Familien im Glauben lassen, sie seien tot? Weißt du, ich würde meiner Mutter auch gern sagen, dass ich noch lebe. Ich weiß nicht einmal, ob sie noch lebt! Vielleicht hat Lucius sie schon längst umgebracht! Ich weiß es nicht und werde es vielleicht nie erfahren. Wage es also nicht über mich zu urteilen!"
„Aber dann müsstest du doch gerade nachvollziehen können, was ich meine! Würdest du nicht wollen, dass deine Mutter weiß, dass es dir gut geht, und dass du in Sicherheit bist? Dann würde es ihr sicher auch besser gehen."
„Nein! Ich würde sie dadurch nur unnötig in Gefahr bringen. Und die Menschen hier auch. Was meinst du wohl, wie Voldemort oder seine Lakaien es aufnehmen, wenn sie erfahren, dass Leute leben, die sie schon vor Jahren getötet haben? Ich glaube nicht, dass er das so einfach hinnehmen wird!"
„Ach, so ein Quatsch! Wer sollte ihm das denn erzählen?"
Draco lachte freudlos:
„Oh Harry, wie kannst du nach allem was du erlebt hast immer noch so naiv sein? Es gibt immer Spione."
„In Hogwarts nicht! Das weiß ich! Ich würde für jeden Einzelnen meine Hand ins Feuer legen! Niemand dort würde uns verraten!"
„Harry! Selbst wenn es keine Spione gibt. Glaubst du, dass die Weasleys ihre Freude zurückhalten könnten? Dass sie weiterhin glaubhaft trauern könnten, obwohl sie gerade erfahren haben, dass zwei ihrer tot geglaubten Kinder noch leben? Es braucht nur ein falsches Wort am falschen Ort zu fallen und Voldemort weiß Bescheid. Egal wie, er würde es erfahren. Er soll es auch erfahren! Aber wir bestimmen den Zeitpunkt! Und darum wirst du deinen Mund halten!"
„Dazu kannst du mich nicht zwingen! Ich werde meine Freunde nicht weiter unnötig quälen!"
„Da irrst du dich, Harry. Wir können dich zwingen!"
Dracos Stimme war gefährlich leise geworden und in seine Augen lag wieder dieses raubtierhafte Glitzern. Er drehte sich ohne eine weiteres Wort um und ging zurück zur Festung.
„Wo gehst du hin?"
An der Tür zum Turm blieb Draco kurz stehen.
„Vielleicht kann Charlie dir begreiflich machen, was ich meine. Mir glaubst du ja offensichtlich nicht."
Dann verschwand er im Turm, bevor Harry reagieren konnte.
A/N:
Ok. Die Ruhe ist erst mal vorbei.
Ab dem nächsten Kapitel kommt das hohe Rating zum Einsatz und wir werden einen Blick in die Vergangenheit werfen.
Bis dann
Eure Yulah
P.S. Und denkt dran, nie das Pairing aus den Augen lassen und im Zweifelsfall erinnert euch an Diary. Da schien auch alles verloren... Y.N.
Ach so, Lara-Lynx: Ja, Harry ist größer als Draco. So fünf bis zehn Zentimeter.
Und Leah: Der Zopf bleibt dran! ;o)
Aber du hast recht, so fusselige, dünne Haare sind Käse. Darum hab ich extra geschrieben, ich zitiere: „Lange, hellblonde Haare waren zu einem dicken! Zopf geflochten, der fast bis zur Taille reichte." Eine Kollegin von mir hat so Haare, da könnte man vor Neid erblassen. Ich hoffe du liest trotzdem weiter –GRINS-
Zu den Narben: die sind an der Stelle nur oberflächlich, heißt die Nerven und so sind nicht beschädigt bzw. durchtrennt worden. Die tieferen Narben, die er hat sind wie du schon sagst zum Großteil taub. Aber danke trotzdem. Ich vergess solche Kleinigkeiten manchmal, weil ich mir die Geschichte so oft durchlese, dass ich Fehler oder Ungereimtheiten irgendwann einfach übersehe.
Die Orks und die Zwerge hab ich auch gelesen. Die Orks sind ganz ok und die Zwerge sind richtig klasse. Tintenherz hatte ich schon in der Hand, war mir aber nicht so sicher. Lohnt sich das? (So ging's mir bei HP am Anfang auch. Ich wollte das erst gar nicht lesen. Zum Glück hab ich's mir noch anders überlegt.)
