Das folgend Chap. ist mit Abstand das düsterste, das ich für diese Geschichte bisher geschrieben habe. Wie schon im letzten Chap. angekündigt kommt hier das Raiting zum Tragen.

Hoffe es gefällt euch trotzdem.

Noch ein kleiner Tipp, da ich nicht weiß, wie eindringlich Charlies Erklärung auf euch wirken wird: Versucht Harry nicht als Mittelpunkt der magischen Welt zu sehen. In dieser Geschichte und für die Drachenreiter ist er das nicht. (Für einen von ihnen vielleicht schon. ;o))

Weil's die Stimmung ruinieren würde diesmal am Ende keine Kommentare meinerseits. Deshalb sag ich hier schon mal

Bis Bald

Eure Yulah

11.

„Charlie. Du musst mit Harry sprechen."

„Hallo Draco. Komm doch rein. Nett, dass du anklopfst. Was kann ich für dich tun?"

Charlie sah seinen Besucher mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Ich hab jetzt keine Zeit für deinen Sarkasmus. Rede mit Harry! Er will deinen Eltern von dir und Gin erzählen und er lässt sich durch nichts, was ich sage davon abbringen."

„Das darf er nicht! Hast du ihm nicht gesagt, was davon abhängt?"

Charlie war schockiert. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Dracos Anliegen wirklich wichtig sein würde.

Dieser wurde langsam ungeduldig:

„Sag mal, hörst du schlecht? Natürlich habe ich das. Aber er weigert sich zuzuhören. Darum musst du mit ihm sprechen."

„Glaubst du, dass er mir zuhören wird?"

„Ich weiß es nicht."

„Wie wär's wenn du mir erst mal von Anfang an erzählst, was er gesagt hat?"

Draco ließ sich in den Besuchersessel fallen. Er atmete ein paar Mal tief durch und wiederholte dann Wort für Wort sein Gespräch mit Harry.

Charlie hörte stumm zu; seine Sorge wuchs mit jedem Satz.

„Das ist nicht gut. Du hast recht. Ich sollte wirklich mit ihm reden. Aber was ist, wenn ich ihn auch nicht überzeugen kann? Ich will ihn nur ungern zum Hierbleiben zwingen müssen."

„Es muss eine Möglichkeit geben!"

Charlie antwortete nicht. Stattdessen wanderten seine Augen zu einem schmalen, hohen Schrank, der in der hinteren Ecke des Zimmers stand. Draco folgte seinem Blick. Sie dachten beide dasselbe.

„Wenn es sein muss, dann zeig es ihm."

Die Stimme des Slytherin war leise, es kostete ihn sichtliche Überwindung, die Worte auszusprechen.

„Bist du sicher?" In Charlies Stimme schwang vage Besorgnis mit. Er wusste welches Opfer er von Draco verlangte.

Der nickte leicht, ohne aufzusehen.

„Ja. Zeig es ihm. Aber zwing mich nicht, dabei zu bleiben!"

„Das werde ich nicht. Und vielleicht müssen wir gar nicht so weit gehen."

„Ja, vielleicht."

Beide glaubte ihren eigene Worten nicht.

--

„Hey, was machst du denn hier?" Greg Goyle war mehr als überrascht, als die Küchentür aufging und statt des Küchenjungen mit dem Kartoffeleimer, Draco hereinkam.

„Hi. Ich brauch einen Platz zum Verstecken und Nachdenken. Und hierher kommt keiner, der nicht muss. Sie haben Angst vor dir, mein Freund."

Greg grinste. Er hatte den Ruf niemanden in seiner Küche zu dulden, der nicht ausdrücklich dort zu tun hatte. Nur Bob, der Drachenheiler und Orin, der alte Schmied wurden noch mehr gefürchtet als er. In der Festung erzählte man den jüngeren Drachenreitern und den Novizen des Druidenordens schaurige Geschichten über die drei großen Männer. Dass Greg in Wirklichkeit die Ruhe in Person war und niemandem etwas tat, der ihn nicht vorher ausgiebig provoziert hatte, fanden die meisten zwar früher oder später heraus, trotzdem blieb ein Hauch von Respekt und vager Besorgnis, wenn der riesige Koch in der Nähe war. Greg war das nur Recht. So hatte er in der Küche seine Ruhe und wurde nur sehr selten gestört.

„Vor wem willst du dich verstecken?"

„Harry."

Draco setzte sich auf die Arbeitplatte und fischte ein Stück Karotte aus dem Topf, der neben ihm stand. Das kollektive Aufkeuchen des anwesenden Küchenpersonals entlockte ihm trotz seiner düsteren Stimmung ein kleines Lächeln. Niemand naschte ungestraft aus Gregory Goyle's Töpfen!

„Finger weg! Das ist fürs Abendessen!"

Greg wuchtete den riesigen Kupfertopf auf den Herd und fing dann an Fleisch in schmale Streifen zu schneiden. Wer ihn nicht kannte, hätte jetzt vielleicht vermutet, dass ihn nicht interessierte, was seinen besten Freund bedrückte, aber sie hätten sich geirrt. Greg hatte schon vor einer ganzen Weile gelernt, dass es besser war Draco nicht zu drängen. Er würde schon erzählen, was er auf dem Herzen hatte, wenn er soweit war.

„Habt ihr euch gestritten?" Der Ton war neutral, klang fast unbeteiligt.

„Ja. Ich kann ihn nicht davon überzeugen, über die Insel und über uns zu schweigen. Er will deinen Schwiegereltern und Snape und was weiß ich wem noch erzählen, dass wir leben."

„Das ist nicht gut."

„Nein. Ich habe Charlie gebeten, mit ihm zu sprechen."

„Hm. Und wenn der auch keinen Erfolg hat? Du kennst Charlie. Er ist nicht besonders überzeugend."

„Ich weiß. Darum habe ich ihm erlaubt, Harry meine... den Kristall zu zeigen."

Greg legte das Messer weg und drehte sich zu Draco um.

„Das ist nicht dein Ernst!"

„Doch. Was bleibt mir anderes übrig? Ich will weder ihm noch mir das antun, aber wir haben keine Wahl. Wenn es ihn davon überzeugt, wie wichtig sein Schweigen ist."

„Draco. Glaubst du wirklich, dass es helfen wird, ihm die Abgründe deines Lebens zu zeigen? Es könnte eure Beziehung auf ewig zerstören."

„Ich weiß."

Draco starrte angestrengt auf den Boden, aber Greg hörte die Tränen in seiner Stimme. Er war jetzt in höchstem Maße alarmiert. Draco weinte so gut wie nie. Der große Slytherin ging zu seinem Freund, fasste ihn an den Schultern und zwang ihn so mit sanfter Gewalt ihm in die Augen zu sehen.

„Du kannst das nicht machen, Draco! Tu dir selbst das nicht an. Ich kenne dich, du wirst dich für den Rest deines Lebens schuldig fühlen, weil du jemanden verletzt hast, den du liebst. Ich weiß, wie viel du für Harry empfindest. Auch wenn du dir alle Mühe gibst, so zu tun, als unterscheide sich diese Beziehung nicht von allen anderen die du bisher hattest. Aber das tut sie, das weißt ich."

„Was soll ich denn sonst machen? Harry wird sich anders nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Und du weißt selber, wie wichtig es ist, dass wir weiterhin im Verborgenen bleiben. Ich kann ihn ja auch verstehen, er will, dass seine Freunde, die er liebt glücklich sind. Aber er versteht nicht, in welche Gefahr er uns alle damit bringt. Er weiß nicht, wozu Voldemort und seine Anhänger fähig sind."

„Wie kann er das nicht wissen? Es herrscht seit sechs Jahren Krieg! Er müsste doch inzwischen einiges mitbekommen haben. Die Todesser haben schon hunderte auf dem Gewissen."

„Greg. Es ist niemals jemand entkommen, um davon zu berichten. Er ist sich des vollen Ausmaßes ihrer Grausamkeit nicht bewusst. Sonst würde er verstehen in welche Gefahr er uns bringt. Darum müssen wir es ihm zeigen!"

Greg atmete langsam ein und aus. Dann traf er eine Entscheidung. Er würde tun, was er in den letzten achtzehn Jahren immer getan hatte. Seid dem Tag, an dem er und Draco sich zum ersten Mal begegnet waren.

Damals, als sie beide fünf Jahre alt gewesen waren und ein alter, mürrischer Jagdhund die größte Bedrohung darstellte.

Er würde seinen Freund beschützen.

Immer" dachte er bitter. „Ja, immer. Bis auf ein Mal." Laut sagte er:

„Ich werde Charlie sagen, dass er ihm meine Kugel zeigen soll."

Draco starrte seinen Freund fassungslos an.

„Greg! Das kannst du nicht machen!"

Unbewusst wiederholte er die Worte, die dieser wenige Minuten zuvor ausgesprochen hatte.

„Doch. Hör mal. Meine Erinnerungen werden für Harry wesentlich einfacher zu verkraften sein, als deine. Es reicht, wenn er sieht und hört, was passiert ist. Er muss es nicht mit allen Sinnen erleben. Und du musst dich nicht vor ihm bloßstellen. Ich weiß, welche Dinge dir am meisten Sorgen machen..."

„Flint und Lestrange."

Draco konnte einen leichten Schauer nicht unterdrücken. Harry wusste von der Folter, von der vorangegangenen Vergewaltigung hatte er bisher keine Ahnung.

„Hör mir zu, Draco. Lass mich das für dich tun. Ich konnte dir damals nicht helfen, aber jetzt bin ich dazu in der Lage. Es macht mir nichts aus und es wird diese Sache für alle einfacher machen." Dann leiser: „Er wird es nur sehen, nicht am eigenen Leib spüren müssen. Das ist es doch, was dir solche Sorgen macht."

Draco schloss die Augen und nickte stumm. Sein Freund kannte ihn zu gut. Es hätte niemals so weit kommen dürfen. Er hatte gedacht, die Erinnerung für alle Zeiten begraben zu können.

„Ich bin dir unendlich dankbar, Greg." Die Erleichterung war deutlich in seiner Stimme zu hören. „Lass uns hoffen, dass es überhaupt nicht nötig sein wird."

„Ja. Aber ich werde nach dem Essen trotzdem mit Charlie sprechen."

--

Harry streifte den Rest des Tages mürrisch durch die Festung. Er war zutiefst von Dracos Reaktion enttäuscht. Die Kälte und Unerbittlichkeit, mit der der Slytherin ihm verboten hatte über die letzten Monate zu sprechen, hatte ihn vollkommen verunsichert und verletzt. Er wollte ja gar nicht über die Festung oder die Drachen reden. Aber niemand konnte von ihm verlangen, dass er das Wissen, dass es Charlie und Ginny gut ging, für sich behielt, während Arthur und Molly um ihre Kinder trauerten. Und dann diese fadenscheinigen Begründungen! Er würde sie dadurch in Gefahr bringen. So ein Unsinn! Die Drachenfestung war der sicherste Ort der Welt! Schon allein, weil niemand von ihrer Existenz wusste. Gleichzeitig regte sich vage sein schlechtes Gewissen. Er hatte nicht mit Draco streiten wollen. Dessen plötzlich so schroffes Verhalten hatte ihn mehr getroffen, als er erwartet hätte. Harry konnte sich das nicht erklären. Sie hatten sich während der letzten Monate öfter gestritten. Was ganz natürlich war, wenn man ständig zusammenhing. Aber es war nie so ernst gewesen. Und Draco hatte ihm nie zuvor gedroht! Was war so falsch an seinem Vorhaben? Er war sich keiner Schuld bewusst. Vielleicht...

Er war so in Gedanken versunken, dass er fast mit Charlie zusammenstieß, der mit verschränkten Armen an der Tür zum Speisesaal stand und scheinbar auf ihn wartete.

„Hallo Harry. Wir sollte uns mal unterhalten."

„Ach, war er schon bei dir und hat sich beschwert." schnaubte Harry. „Du kannst dir deine Ansprache sparen! Ich werde mich nicht umstimmen lassen. Also vergiss es!"

„Nun, wir werden sehen. Begleite mich doch bitte in mein Büro."

Harry überlegte kurz, ob es sich lohnte sich einfach zu weigern, aber dann ging er doch mit. Immerhin bot sich hier die perfekte Chance Charlie ins Gewissen zu reden, weil er seine Familie schon so viele Jahre im Ungewissen ließ.

--

In Charlies Büro herrschte das übliche Chaos. Überall lagen Papiere, Bücher und Landkarte herum. Auf dem Schreibtisch waren Teile einer Schwertharnischs ausgebreitet, das dazugehörige Schwert lag im Bücherregal.

„Oh, du hast auch ein Schwert?"

Charlie sah seinen Besucher verwirrt an:

„Was? Ja sicher. Jeder hier hat eines. Das solltest du inzwischen gemerkt haben. Jetzt lass uns nicht über Schwerter oder solche Sachen reden. Du weißt, warum ich dich hergebeten haben?"

„Ja. Draco hat sich bei dir über mich beschwert! Weil ihm die Argumente ausgegangen sind, denkt er jetzt, dass du mich zur Vernunft bringen kannst, wie er es nennt."

„Nun Harry, ich denke, dass dir nicht ganz klar ist, worum es hier geht..."

„Oh doch," wurde er unterbrochen, „eure Familien trauern seit Jahren um euch und ihr verkriecht euch hier und lasst alle in dem Glauben, ihr seid tot! Warum? Was soll das?"

„Meinst du denn, wir machen das freiwillig? Es gibt einfach keine andere Möglichkeit. Sieh mal, nur weil wir weiterhin in Deckung bleiben und Voldemort in dem Glauben lassen, wir wären tot, kann er unserer wahre Stärke nicht einschätzen. Er weiß bisher nichts von dieser Festung oder der Drachenarmee. Vielleicht hat er in irgendwelchen alten Bücher schon Legenden über uns gelesen, aber das ist es auch, wofür er es halten wird: Legenden. Das seine Leute ab und an behaupten einen Drachen mit Reiter zu sehen - nun, kann sein. Halluzinationen vielleicht? Und schließlich haben Zauberer schon immer magische Tier dressiert. Warum nicht auch mal einen Hornschwanz? Die Wahrheit kennt er nicht. Er weiß nichts von den Hochdrachen oder der Drachenseele. Er weiß nicht, wie viele wir sind. Und vor allem weiß er nicht, wie viel wir über ihn und seine Pläne wissen. Jeder hier, der auf die eine oder andere Weise seinen Fängen entkommen ist, konnte uns wichtige Informationen über die Todesser, ihre Stärke ihre Vorgehensweise mitteilen. Und machte es uns somit möglich andere zu retten. Wenn der dunkle Lord erfährt, dass Dutzende seiner früheren Opfer am Leben sind, wird er anfangen Nachforschungen anzustellen und dann wird er früher oder später Dinge herausfinden. Und er wird anfangen noch sehr viel unerbittlicher nach uns zu jagen, denn wir stellen dann eine ernsthafte Bedrohung für ihn dar. Und natürlich wird er davon ausgehen, dass Dumbledore und der Orden des Phönix von unserer Existenz wissen und dann rückt ihr noch weiter in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. Harry! Du weißt noch lange nicht alles, wozu dieser Mann fähig ist! Selbst wenn du nichts von der Insel, der Festung und den Drachenreitern erzählst; wenn du meinen Eltern erzählst, dass Ginny und ich leben, dann werden sie wissen wollen wo wir sind. Und es wird ihnen nicht gelingen für sich zu behalten, was du ihnen erzählst. Ich kenne meine Eltern. Sie sind miserable Schauspieler. Sie werden ihre Freude nicht verbergen können. Und das bringt auch sie in Gefahr. Denn wenn sie den Todessern in die Hände fallen, dann werden die sie zum Reden bringen. Es ist für alle am Besten, wenn du schweigst."

„Charlie! Das alles klingt ja sehr logisch, aber wie kann ich heimgehen und ihnen gegenübertreten und nichts von dem sagen, was ich weiß? Wie kann ich ihnen nicht von dir und Ginny und den Zwillingen und Ben erzählen, wenn ich weiß, dass sie das glücklich machen würde? Ich könnte ihnen nie wieder in die Augen sehen, wenn ich es ihnen verschweige. Und sie würden nicht reden. Du kennst deine Eltern nicht, wenn du glaubst, dass sie ihr Wissen preisgeben würden. Niemand in Hogwarts würde das tun. Sie sind hundertprozentig loyal. Nur ein Beispiel: Neville wurde neun Monate gefangen gehalten und sie haben ihm nichts entlocken können."

„Oh Harry. Ich kenne die Geschichte. Neville wurde in einem kleinen Kaff festgehalten und von fünf jungen Todessern bewacht, die sich nicht sicher waren, wie weit sie gehen können. Sie haben nur darauf gewartet, ihn ihren Anführern zu übergeben. Natürlich, sie haben ihn gefangen gehalten und mag sein, dass sie ihn auch gefoltert haben, aber das war nur Kinderkram im Vergleich zu den Dingen, die sie anderen angetan haben. Du weißt noch lange nicht, wozu sie fähig sind! Dabei kennst du die Spuren, die sie auf Dracos Körper hinterlassen haben."

Harry zuckte leicht zusammen, als vor seinem inneren Auge ein Bild von Dracos narbenübersäter Haut auftauchte. Er schüttelte den Kopf um die Vision zu verscheuchen und sich wieder zu fassen.

"Wenn du mir Angst machen oder Schuldgefühle einreden willst, vergiss es! Ich lebe seit Jahren mitten in der Schusslinie der Todesser! Ich habe unzählige Male gegen sie gekämpft und meine Freunde mit mir, während ihr hier auf der faulen Haut gelegen habt. Also hör auf mir zu erzählen, wie schwer ihr es hattet! Ihr nehmt euch hier so fürchterlich wichtig und haltet euch für die größten Helden und tut dabei nicht das Geringste! Wir sind es die während der letzten sechs Jahre ums nackte Überleben kämpfen mussten. Und ich werde mir nicht verbieten lassen, ein bisschen Sorge von dem Schultern der Menschen zu nehmen, die ich liebe!"

„Ich liebe sie auch, Harry. Und darum werde ich sie schützen. Koste es was es wolle." Charlies Stimme war sehr ruhig und kühl geworden. Und zum ersten Mal, seit sie sich kannten, spürte Harry einen Anflug von Sorge in der Gegenwart des älteren Weasley.

„Harry Potter. Es tut mir leid. Aber du stehst ab sofort unter Arrest. Du wirst diese Insel nicht verlassen, bevor ich es dir erlaube. Ich wollte das nicht, aber es ist scheinbar die einzige Möglichkeit."

„Das kannst du nicht machen! Du kannst mich nicht zwingen hier zu bleiben!"

„Nicht? Was mache ich denn seit fünf Monaten?"

„Ich dachte, ich sei euer Gast! Hatte ich die ganze Zeit über keine Wahl?"

„Gäste bringen nicht ihre Gastgeber in Gefahr. Deine Treue deinen Freunden in Hogwarts gegenüber in allen Ehren, Harry, aber du scheinst eine winzige, aber entscheidende Kleinigkeit zu übersehen: Wir sind nicht Teil dieses Krieges! Ich weiß, dass Draco es dir bereits gesagt hat, die Armee der Drachen existiert länger als jeder andere Orden in dieser Welt. Sie war von jeher eine letzte Bastion gegen Gefahren, welche die Welt der Zauberer bedrohen. Voldemort ist nicht der erste größenwahnsinnige Magier, der versucht die Weltherrschaft an sich zu reißen und vermutlich wird er auch nicht der letzte sein. Der Drachenorden steht über dem normale Gefüge dieser Gesellschaft. Wir unterstehen keiner anderen Macht. Weder das Ministerium noch eine andere Organisation der modernen magischen Welt hat Einfluss auf unsere Entscheidungen. Du brauchst mich nicht so ungläubig anzusehen. Die Entscheidung, ob wir uns an diesem Krieg beteiligen liegt auch nicht bei mir. Ich mag der Hauptmann der Drachenreiter sein, aber auch ich habe bestenfalls beratenden Funktion bei Entscheidungen dieser Tragweite."

„Wer trifft dann die Entscheidungen?"

„Der Rat der Druiden. Gemeinsam mit dem Than der Inseln. Ich kann und ich darf dir als Außenstehendem nicht mehr darüber sagen."

„Dann lass mich mit ihnen reden! Ich werde sie schon davon überzeugen, dass es wichtig ist, dass ihr euch nicht länger versteckt haltet!"

Harry sah den sprichwörtlichen Strohhalm und klammerte sich daran fest.

Charlie schüttelte leicht den Kopf.

„Sie werden dich nicht anhören. Für sie bist du nur einer von vielen. Zu allen Zeiten hat es Prophezeiungen und junge Helden wie dich gegeben. So werden sie es sehen. Und hier geht es ja auch in erster Linie darum, dass du nicht einsehen kannst oder willst, dass du niemandem davon erzählen darfst, dass wir leben. Du musst verstehen, dass diese Insel trotz all ihrer Stärke auch angreifbar ist. Und auch wenn ich das Vertrauen schätze, dass du in meine Eltern und die übrigen Angehörigen des Phönixordens hast, sie werden nicht verschweigen was sie wissen, denn Voldemort wird sie zwingen ihr Wissen preiszugeben."

„Nein, Charlie! Sie würden eher sterben, als die Menschen die sie lieben in Gefahr zu bringen!"

„Da irrst du dich. Ich will dich nicht als Gefangenen betrachten müssen, Harry, darum werde ich noch einen letzten Versuch unternehmen dich umzustimmen, wenn der auch fehlschlägt, bleibst du. Da du meinen Worten so sehr misstraust, werde ich dir zeigen, wozu unserer Feinde fähig sind."

Charlie stand auf und ging zu dem schmalen Schrank, der in der hintersten Ecke des Zimmers stand. Er war Harry schon früher aufgefallen, weil er als einziges Möbelstück vollkommen schmucklos war und weil er trotz seiner geringen Größe irgendwie bedrohlich wirkte. Charlie öffnete die Tür und nahm ein einfaches, vollkommen quadratisches Holzkästchen heraus. Dann verschloss er den Schrank wieder sorgfältig und stellte das Kästchen auf den Tisch.

„Weißt du was ein Denkarium ist?"

Harry erinnerte sich an die Schale in Dumbledore's Büro. Er nickte leicht.

„Gut. Das hier ist so etwas ähnliches. Es ist eine Kristallkugel, dazu gedacht die Erinnerungen eines Menschen aufzunehmen."

„Was hast du vor? Willst du mein Gedächtnis löschen, damit ich nichts von der Insel erzähle?"

„Nein. Ich möchte dir nur etwas zeigen, dass in dieser Kugel gespeichert ist und das deine Meinung vielleicht ändern wird. Nimm sie einfach in die Hand und sieh hinein."

Charlie öffnete das Kästchen und entnahm ihm eine schlichte, milchige Glaskugel, die etwa die Größe einer Grapefruit hatte. Er strich vorsichtig über die glatte Oberfläche und reichte die Kugel dann an Harry weiter, der sie erwartungsvoll entgegennahm.

„Und jetzt? Es passiert gar nichts."

„Warte ab. Es dauert einen Moment."

Charlie war aufgestanden und stellte sich neben Harry. Er streckte dir rechte Hand aus und hob sie über die Kugel.

„Offenbare dein Geheimnis. Zeige was du verbirgst. Trag die Vergangenheit in die Gegenwart."

Seine Stimme war dunkel und schien von weit weg zu kommen. Harry wollte sich zu ihm umdrehen und eine Bemerkung über diesen salbungsvollen Auftritt machen, aber er stellte fest, dass seine Augen fest auf die Kugel gerichtet blieben. Farben begannen in ihrem Inneren herumzuwirbeln und Harry hatte das Gefühl zu fallen. Unaufhörlich, immer weiter zu fallen...

--

...Einen Moment lang wurde ihm schwarz vor Augen und als sich sein Blickfeld wieder klärte, war Charlies Büro verschwunden.

Es war Nacht. Der Vollmond hing tief am Himmel.

Seltsam. Es waren noch bestimmt zwei Wochen bis zum nächsten Vollmond. Und es war warm. Viel zu warm für eine Nacht Mitte Februar.

Wo war er?

Harry sah sich vorsichtig um: Er stand am Rand einer weiten Waldlichtung. Etwa zwölf oder mehr übermannshohe Steine bildeten einen annähernd perfekte Kreis um die Lichtung herum, in ihrer Mitte loderte ein helles Feuer und beschien einen flachen Steinaltar.

In diesem Moment stellte er erschrocken fest, dass er nicht allein war. Etwa drei Dutzend, in dunkle Kapuzenumhänge gehüllte Gestalten standen oder liefen überall zwischen den Steinen und um den Scheiterhaufen herum. Harry erkannte sie an ihrer Kleidung und ihrem Gebaren: Todesser! Wo um alles in der Welt hatte Charlie ihn hingeschickt? Und warum hatte sich noch niemand auf ihn gestürzt? Er stand mitten im Licht und sie hatten ihn sicher längst gesehen.

So ein verfluchter Mist, mich hat schon wieder eine Mücke gestochen."

Die mürrische Stimme direkt neben ihm, ließ Harry fast aus der Haut fahren.

Hör auf zu jammern, Vince." Eine zweite Stimme, die Harry vertraut vorkam und die nach einer kurzen Pause leiser hinzufügte: „Wünsch dir lieber, dass sie uns auffressen, dann bleibt uns dieser Wahnsinn wenigstens erspart."

Was hast du gesagt?" Wieder die erste Stimme.

Nichts. Hey, was ist los mit dir, Greg? Hast du deine Zunge verschluckt?"

Zu seinem Entsetzen merkte Harry wie sein Mund sich öffnete und wie er mit einer Stimme, die ganz bestimmt nicht seine war antwortete:

Nein. Mir ist das alles nur ein bisschen unheimlich hier."

Und plötzlich begriff Harry. Er war irgendwie in jemandes Erinnerung gelandet. Das hier war nicht real. In Wirklichkeit saß er noch immer in Charlies Büro und hielt diese Kristallkugel umklammert. Gleichzeitig stand er aber auch hier auf der Lichtung und erlebte zum zweiten Mal in seinem Leben das Gefühl, im Körper von Gregory Goyle zu stecken.

In diesem Moment drehte Greg den Kopf, so dass Harry sehen konnte, mit wem er gesprochen hatte. Vincent Crabbe saß auf einem Baumstumpf und schlug nach den Mücken, die ihn in Schwärmen umtanzten. Neben ihm, gegen den Stamm einer Kiefer gelehnt, stand der siebzehnjährige Draco Malfoy und musterte den Platz mit einer Mischung aus Abscheu und widerwilliger Faszination in den Augen.

Nun Jungs, ich hoffe ihr seid bereit: Heute ist die Nacht aller Nächte, könnte man sagen."

Harry hätte am liebsten geschrieen, als plötzlich und ohne Vorwarnung Lucius Malfoy neben ihnen auftauchte. Greg schrie natürlich nicht, stattdessen zupfte er nervös am Kragen seiner Robe und gab sich die größte Mühe ruhig zu bleiben. Lucius musterte die drei Jungen einen Augenblick lang zufrieden, dann deutete er mit großer Geste in Richtung des Feuers:

Nun denn, es ist soweit! Das Ritual kann beginnen, folgt mir. Unser Lord erwartet euch. Heute wird sich euch endlich der wahre Sinn eures Lebens offenbaren."

Greg schien diese Aussage wenig zu überzeugen, Harry konnte die Zweifel in seinen Gedanken lese.

Die drei jungen Slytherins folgten Dracos Vater mit langsamen, gemessenen Schritten in die Mitte des Steinkreises. Offensichtlich hatte man ihnen den genauen Ablauf des Rituals bereits ausführlich erklärt. Vor dem Altar blieben sie in einem angedeuteten Halbkreis stehen. Und dort, zwischen Feuer und Altar stand Voldemort und erwartete sie. Um sie herum schloss sich der Kreis der Todesser. Harry erkannte durch Gregs Augen einige der Gesichter: Die Lestranges, Marcus Flint und einen Mann, der wohl sein Vater sein musste, natürlich Mr. Goyle und Mr. Crabbe und dort am äußersten Ende seines Blickfeldes Severus Snape. Der Zaubertranklehrer sah aus, als wünschte er sich überall hin, wenn er nur nicht hier sein müsste.

Dann hob Voldemort seine Stimme und jedes andere Geräusch verstummte. Harry wunderte sich nur einen Augenblick lang, dass seine Narbe gar nicht schmerzte und er musste sich erneut daran erinnern, dass er nicht wirklich hier war.

Wer tritt vor mich? Und was ist euer Anliegen?"

Lucius Malfoy trat vor und verneigte sich vor seinem Meister.

Mein Gebieter wir ersuchen dich um die Gnade, unsere Söhne dort in den Kreis deiner getreuen Diener aufzunehmen. Sie sind bereit dir den Schwur zu leisten und ihr Schicksal auf ewig in deine Hände zu legen."

Wurden sie vorbereitet?"

Ja. Sie haben die erforderlichen Prüfungen bestanden und sie wissen um die Pflichten, die sie erwarten."

Gut, so tretet einzeln vor, leistet den Eid und empfangt mein Zeichen von der Hand der Männer, die euch in diese Welt gebracht haben. Möge das Eisen das Band zwischen Vater und Sohn verbrennen und gleichzeitig die Kette schmieden, die euch für alle Zeiten an mich bindet. Denn von heute an, werde ich euer Vater sein!"

Harry hätte am liebsten laut gelacht. So ein eingebildeter, selbstverliebter Mistkerl! Er spielte sich auf, als wäre er ein Gott!

Zwei Todesser, die Harry nicht kannte waren rechts und links neben Draco getreten und führten ihn jetzt in die Mitte des Platzes. Sie blieben regungslos neben ihm stehe, ob um ihn an der Flucht zu hindern oder aus anderen Gründen, war nicht zu erkennen..

Lucius trat ans Feuer und zog ein glühendes Brenneisen daraus hervor, dann ging er zurück, bis er seinem Sohn gegenüberstand. Da die Malfoys ein Stück weiter vorn und somit im vollen Licht der Flammen standen konnten sie von allen gut gesehen werden, so auch von Harry, der durch Gregs Augen sah und der dessen Herz in der Brust schlagen fühlte.

Lucius stand mit dem glühenden Eisen bewegungslos da und musterte seinen Sohn mit unverhohlenem Stolz.

Mein Sohn. Schwörst du, dich dem Dunklen Lord, unserem Herrn und Gebieter mit ganzer Seele und ganzem Herzen zu unterwerfen und ihm treu zu dienen? Schwörst du, dein Leben einzig der Aufgabe zu widmen, seinen Ruf zu mehren und seinen Namen zu ehren? Dann nimm das Dunkle Mal von meiner Hand und sprich mir nach: Ich schwöre es bei meinem Blut!"

Er stand erwartungsvoll da, wartete, dass sein Sohn sprechen würde. Draco sah einen Moment lang zu Boden, als müsste er über die Antwort erst nachdenken, dann hob er den Kopf und sah seinem Vater direkt ins Gesicht. Seine Stimme war fest und klar all er sprach:

Nein!"

Einen Moment lang war es totenstill. Es dauerte ein paar Augenblicke bis die Antwort in die Köpfe der Anwesenden gedrungen war, doch dann brach ein Tumult los. Empörte Stimmen hallten über die Lichtung, Lucius war vor Wut kreidebleich im Gesicht und Voldemorts Miene war zu einer Fratze gefroren, einzig Snape hatte ein grimmiges Lächeln im Gesicht.

Was hast du gesagt?"

Die Stimme des älteren Malfoy war leise, aber dennoch über den allgemeinen Lärm zu hören.

Ich sagte ‚Nein', Vater. Ich werde mein Leben nicht damit vergeuden einem Wahnsinnigen zu dienen. Ich dienen niemandem!"

Wie kannst du es wagen?" Lucius holte aus und schlug Draco mit der flachen Hand so hart ins Gesicht, dass dieser zu Boden taumelte. Sofort wurde er von den beiden gesichtslosen Todessern an den Armen gepackt und wieder hochgerissen. Der Siegelring seines Vaters hatte einen deutlich Abdruck auf Dracos blasser Haut hinterlassen, im Mundwinkel glitzerte Blut.

Verräter! Wie kannst du es wagen den Namen Malfoy in den Schmutz zu ziehen? Dafür wirst du bezahlen! Du wirst den Tag verfluchen, an dem du geboren wurdest!" Er wand sich an Voldemort.

Mein Lord? Ich erbitte deine Vergebung. Um seine Schuld zu sühnen, biete ich dir sein Leben. Sein Blut soll die Schande fortwaschen, die er über meine Familie gebracht hat."

Dein Wunsch sei dir gewährt. Sein Leben ist verwirkt. Schafft ihn fort. Wir werden uns morgen um ihn kümmern."

Die beiden vermummten Gestalten verstärkten ihren Griff um Dracos Arme und zerrten ihn von der Lichtung.

Den Rest der Zeremonie bekam Harry nur wie in Trance mit. Er hörte von weit weg, wie Voldemort seine Untergebenen aufforderte mit dem Ritual fortzufahren, dann fühlte er, wie sich eine schwere Hand auf Gregs Schulter legte und ihn nach vorn schob. Der glühenden Schmerz, als sich das Brandeisen in Gregs Arm grub riss ihn für einen Moment aus seiner Erstarrtheit. Er spürte auch die Schuldgefühle, die der große Slytherin seinem Freund gegenüber empfand, die Angst, die er um ihn hatte, aber trotzdem blieb alles wie im Nebel. Die Nacht verbrachten die Todesser mit Feiern, aber Greg, völlig erschöpft von den Ereignissen des Tages rollte sich einfach am Rande der Lichtung zusammen und schlief ein und Harry war in seinen Träumen gefangen ohne eine Möglichkeit zur Flucht.

--

Mitten in der Nacht wurde Greg von einem erstickten Schrei und unterdrücktem Gelächter geweckt. Vincent, der ganz in der Nähe lag schien nichts bemerkt zu haben und schnarchte weiter vor sich hin. Greg setzte sich auf und sah sich verschlafen um. Er konnte seinen Vater und ein paar andere Todesser, unter ihnen auch Lucius Malfoy und Mr. Crabbe am Feuer sitzen sehen. Die Flammen waren weit heruntergebrannt und es schien, als wäre die reglosen Gestalten davor aus Stein gemeißelt. Einige andere lagen etwas abseits und schliefen. Voldemort war nirgendwo zu sehen.

Greg stand auf, bemüht keinen Lärm zu machen und folgte den Geräuschen die ihn geweckt hatten. Er lief eine Weile orientierungslos umher und war sich schon sicher, dass er sich das alles nur eingebildet hatte, als sich vor ihm eine weitere Lichtung öffnete. Sie war kleiner als der Hauptplatz und von hier aus war das Feuer nur noch ein blasses Flackern zwischen den Bäumen. Eine heruntergekommene Steinhütte, wahrscheinlich von einem Jäger oder Förster, stand auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung. Raue Stimmen und ein fahler Lichtschein drangen durch die nur angelehnte Tür. Greg schlich vorsichtig näher und spähte durch ein Fenster. Der Anblick der sich ihm bot, ließ ihn erschrocken zurücktaumeln: Draco lag auf dem Bauch ausgestreckt und nackt auf dem Boden der Hütte. Seine Kleider waren achtlos in eine Ecke geworfen worden und seine weiße Haut schimmerte im Licht einiger qualmender Kerzen. Die schulterlangen blonden Haare lagen ausgebreitet wie ein Heiligenschein auf den schmutzigen Dielen, er hatte das Gesicht zur Seite gedreht und Greg konnte die Tränen sehen, die über seine Wangen liefen, Spuren in den Schmutz auf seiner Haut zogen; er biss sich auf die Unterlippe um weitere Schreie zu unterdrücken. Die Todesser waren zu viert. Greg erkannt Marcus Flint und Mr. Lestrange, die anderen beiden hatte er vorher nur flüchtig gesehen. Zwei von ihnen hielten Dracos Arme und Beine fest, während die anderen beiden sich abwechselnd über ihn hermachten. Als spüre er die Nähe seines Freundes öffnete Draco in diesem Moment die Augen und sah Greg für einen Augenblick direkt an. In den silbrigen Tiefen mischten sich Schmerz, Abscheu, nackte Angst und gleichzeitig das Flehen um Gnade, um Hilfe. Der Blickkontakt währte nur Sekunden, dann schlossen sich die grauen Augen wieder, schlossen den Schmerz und die Qual aus. Flint, der die Bewegung am Fenster bemerkt hatte, sah den unfreiwilligen Zuschauer grinsend an und wies dann mit einer einladenden Geste zur Tür.

Greg drehte sich auf dem Absatz um und floh in den Wald.

Harry schrie innerlich! Während der Slytherin blindlings durchs Unterholz rannte, weg von dem Grauen, das seinem Freund angetan wurde, schrie Harry ihn in Gedanken an zurück zu gehen, Draco zu helfen, auch wenn er wusste, dass Greg das nicht tun würde. Denn es war bereits passiert. Lag sechs Jahre in der Vergangenheit. Und Harry wusste auch, was weiter passieren würde.

Ich hab genug gesehen!" schrie er immer wieder. „Ich weiß was du mir sagen willst! Lass mich zurückkommen Charlie!"

Doch der Alptraum ging weiter.

--

Greg kam wieder zu sich, als jemand ihn unsanft mit dem Fuß anstieß.

Er war gerannt, ohne auf die Richtung zu achten, bis er schließlich über etwas stolperte und einfach liegen blieb. Er hatte das Gesicht im weichen Laub auf dem Waldboden versteckt und verzweifelt versucht, die Bilder aus seinem Kopf zu verbannen. Den flehende Ausdruck in Dracos Augen. Den Wunsch zurückzugehen, seinem Freund zu helfen und dabei selbst umzukommen. Irgendwann musste er dann wohl eingeschlafen sein. Jetzt stand er stöhnend auf und sah sich zu seiner Überraschung seinem Vater gegenüber. Allem Anschein nach war er in der letzten Nacht ohne es zu merken zurück zum Steinkreis gelaufen.

Mach schon, Gregory! Sie wollen mit der Hinrichtung anfangen und unser Lord hat befohlen, dass Vincent und du Zeugen sein sollt."

Hinrichtung?"

Nur dieses eine Wort drang durch die Benommenheit und ließ sein Herz vor Entsetzen rasen. Harry, der noch immer in seiner Erinnerung gefangen war, spürte die Wellen der Panik, die durch Gregs Körper jagten.

Natürlich! Lucius' Abschaum von Sohn! Glaubst du, wir lassen ihn so einfach davonkommen? Was er getan hat kommt einem Hochverrat gleich. Und darauf steht die Todesstrafe. Beeil dich also, das wird sehr lehrreich sein für dich."

Greg unterdrückte ein Schaudern und folgte seinem Vater langsam. Er war wie betäubt, nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Die Bilder der letzten Nacht kehrten langsam zurück.

Vater? Gestern nacht... ich habe... ich war auf und ich habe gesehen... in der Hütte dort drüben... Ich... Warum haben sie das gemacht?"

Augustus Goyle machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach das. Einige der Männer haben eine Vorliebe für diese Art von Vergnügen. Sie haben den Gebieter gebeten, ihnen ein paar Stunden mit dem Verräter zu schenken. Nun, er hat ihnen ihren Wunsch gern erfüllt. Es hebt die Moral der Männer. Ich persönlich halte nicht viel davon, aber es soll mir recht sein."

Der jüngere Goyle nickte schwach. So etwas ähnliches hatte er erwartet.

Als sie den Platz erreichten, waren die Vorbereitungen für die Hinrichtung bereits in vollem Gange. Der Scheiterhaufen war wieder angefacht worden und auf dem Altar wurden verschiedenste Folterinstrumente ausgebreitet. Lucius Malfoy stand mit seinem üblichen, arroganten Gesichtsausdruck direkt neben dem Steinblock und begutachtete den Zustand der Werkzeuge. Der bevorstehende Tod seines einzigen Sohnes schien ihn nicht zu berühren. Greg ließ seinen Blick weiter über die Lichtung gleiten, bis er Draco entdeckte. Sein Freund hing gefesselt zwischen zwei der Monolithen und schien ohnmächtig zu sein. Wenigstens hatten seine Peiniger den Anstand gehabt, ihm seine schmutzigen, zerfetzten Kleider wieder anzuziehen.

Hey Greggy. Hab dich gestern gesehen. Warum bist du nicht reingekommen? Es war doch genug für alle da."

Greg sah auf und blickte direkt in das zufrieden grinsende Gesicht von Marcus Flint.

Hast echt was verpasst. Mann, ich war ja schon ewig scharf auf den kleinen Malfoy, aber dass ich mal so leicht an ihn rankommen würde, hätte ich nicht gedacht. Jammerschade, dass es nur das eine Mal geben wird. Ich hätte nichts gegen eine Wiederholung einzuwenden. Der Junge ist echt heiß!"

Harry verfluchte zum wiederholten Mal seine Hilflosigkeit. Wie gern hätte er das selbstgefällige Grinsen von Flints Gesicht geprügelt!

Greg blieb einen Moment lang regungslos stehen und ließ die Worte in seinem Kopf nachhallen. Dann hob er ohne einen Ton zu sagen den Arm und rammte Flint seine Faust mitten ins Gesicht. Der brach schreiend zusammen und hielt sich die Nase. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor.

Du Dreckskerl! Was sollte das denn? Du hast mir die Nase gebrochen!"

Dann halt in Zukunft dein Maul! Ich habe kein Interesse an euren perversen Spielchen!"

„Kein Grund gleich so auszurasten!"

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Nach und nach versammelten sich die anwesenden Todesser in einem weiten Halbkreis um den Altar und die beiden Steinblöcke zwischen denen Dracos lebloser Körper hing. Als schließlich jeder einen Platz gefunden hatte, trat Voldemort in den Kreis seiner Anhänger. Wo er plötzlich herkam und wo er die Nacht verbracht hatte, schien Greg nicht zu wissen, soviel konnte Harry aus seinen Gedanken lesen. Er gewöhnte sich langsam daran, in einer fremden Erinnerung festzusitzen und es gelang ihm inzwischen einzelne Gefühle und Gedanke voneinander zu unterscheiden. Angst, unterdrückte Wut und Schuldgefühle dominierten im Moment das ganze Denken des Slytherin.

Meine treuen Anhänger! Wir sind heute hier zusammengekommen, um über einen Verräter zu richten, der es gewagt hat unsere heiligste Zeremonie zu beschmutzen! Ihr alle wart Zeugen des Frevels und ihr alle sollt Zeugen des Urteils werden! Möge es für die Jüngsten in unseren Reihen Warnung und Exempel zugleich sein!"

Er ließ den Blick seiner kalten Augen langsam über die Reihen seiner Untergebenen wandern, als wollte er jeden Anflug von Widerspruche im Keim ersticken. Niemand rührte sich. Mit einem zufrieden Nicken wand sich der dunkle Lord an zwei Todesser, die zusammen mit Lucius Malfoy neben dem Altar stehengeblieben waren.

Weckt ihn auf!"

Einer der beiden senkte ergeben den Kopf, hob einen Eimer, der neben ihm gestanden hatte und schüttete dessen Inhalt Draco ins Gesicht, der erschrocken nach Luft schnappte, als das eiskalte Wasser ihn zurück ins Bewusstsein holte.

Ich hoffe, du hast gut geschlafen, mein Sohn. Wie ich hörte war die letzte Nacht recht anstrengend."

Lucius' Stimme troff vor Sarkasmus und Falschheit. Draco erwiderte den Blick seines Vaters ohne mit der Wimper zu zucken oder sonst eine Reaktion zu zeigen. Jetzt, wo er den Kopf hob, konnte Harry durch Gregs Augen den Schmutz und die Kratzer in seinem Gesicht und die blauen Flecken an Hals und Schultern sehen.

Genug, Lucius. Dafür ist später noch Zeit. Zunächst wollen wir mal sehen, was dein Sprössling so vor uns verbirgt."

Mit der Schnelligkeit einer zupackenden Schlange überwand Voldemort die Distanz zu seinem Opfer und presste seine klaueartigen Hände gegen dessen Schläfe. Draco stieß einen erstickten Schrei aus, als der Geist des dunklen Zauberers in seine Seele drang.

Harry merkte wie sein Herz einen Schlag aussetzte. Er wusste, wie es sich anfühlte. Wie es war, den faulen, bösen Geist Voldemorts in seinem Inneren zu spüren, zu fühlen, wie er in jeden Winkel eindrang, jede Erinnerung, jeden Gedanken an sich riss. Er war dankbar, als Greg den Kopf leicht zur Seite wand, so dass er die Qual seines Freundes nicht mit ansehen musste. Schließlich, nachdem scheinbar eine Ewigkeit vergangen war, ließ Voldemort von dem Gefangen ab und wand sich an Lucius.

Nun. Wie es scheint, ist dein Sohn einfach nur stur! Er hat keinerlei Verbindung zu Dumbledore und seinem armseligen kleinen Verschwörerhaufen. Das rettet dir vielleicht das Leben, mein Junge."

Er fixierte Draco mit seinen roten Augen, als erwarte er Widerspruch. Als keine Antwort kam, ging er wieder einen Schritt auf den jungen Malfoy zu.

Hast du mich verstanden? Du kannst dein Leben retten!"

Und zu welchem Preis?"

Harry zuckte erschrocken zusammen. Dracos Stimme war rau und heiser; jede Spur von Leben schien daraus verschwunden zu sein.

Voldemort lächelte sein verzerrtes, groteskes Lächeln.

Ich habe gesehen, dass du dich nicht zu unseren Feinden bekennst. Also bist du vielleicht doch kein Verräter. Alles was du tun musst, ist darum zu bitten. Um dein Leben. Ich werde dann vielleicht Gnade wallten lassen. Natürlich kannst du keiner der unseren mehr sein. Aber es gibt sicherlich den einen oder anderen," sein Blick wanderte erneut über die Zuschauer und blieb kurz an Marcus Flint hängen, der es trotz seiner gebrochenen Nase schaffte ein anzügliches Grinsen zur Schau zu trage, „der für dich bürgen und sich deiner annehmen würde. Du musst es nur sagen. Ich bin heute in großzügiger Stimmung."

Draco, der Voldemorts Blick gefolgt war, lachte bitter auf:

Und den Rest meines Lebens als Hure eines armseligen Speichelleckers verbringen? Lieber sterbe ich noch heute! Ich bin niemandes Sklave!"

Harry spürte eine Welle der Bewunderung durch Gregs Körper branden. Er selbst hätte am liebsten geschrieen.

Voldemort war seine Wut deutlich anzusehen:

"Nun gut! Dein Wunsch soll dir erfüllt werden! Noch bevor die Sonne untergeht, wirst du dir wünschen mein großzügiges Angebot angenommen zu haben."

Er drehte sich mit weit ausgebreiteten Armen zu seinem Publikum:

Ich verurteile Draco Malfoy zum Tod durch die Folter! Ihr alle seit meine Zeugen! Fangt an das Urteil zu vollstrecken!"

Harry spürte Gregs Panik, die sich mit seiner eigenen Angst zu vermischen schien. Er versuchte wieder den Slytherin zum Handeln zu treiben, auch wenn er tief in seiner Seele wusste, dass es vergeblich war. Das hier war die Vergangenheit! Nichts was er tat würde daran etwas ändern können. Gregs Augen trafen zufällig auf Snape, in dessen Gesicht sich ein ähnlicher Kampf abspielte. Aber Harry wusste, dass auch der Zaubertranklehrer nicht helfen würde. Dieses Wissen und seine eigene Hilflosigkeit ließen ihn mit wachsendem Grauen zusehen, wie die Todesser anfingen Voldemorts Urteil zu vollziehen.

Es war Lucius, der als erstes vortrat, einen glitzernden Dolch in den Händen. Er ging bis auf zwei Schritte an seinen wehrlosen Sohn heran und blieb einen Moment stehen, um sich an dem Anblick zu ergötzen. Dann zerriss er mit einer einzigen Bewegung die Überreste von Dracos Robe, gab seinen nackten Oberkörper den Blicken aller preis.

Die letzte Nacht hatte ihre Spuren hinterlassen. Die weiße Haut war mit Blutergüssen übersät, besonders an den Oberarmen, wo sich fast noch die Abdrücke der einzelnen Finger erkennen ließen.

Lucius lachte kurz auf.

Scheint ganz, als hättest du ihn umsonst als dein Eigentum markiert, Marcus!"

Einen Augenblick lang stand er einfach reglos da, den Dolch in der einen Hand und weidete sich an der Angst die er in den Augen seines Sohnes sah. Dann setzte er die Spitze des Messers auf Dracos Brust und schnitt mit schnellen, geübten Bewegungen die Linien mehrerer einfacher Runen in die nackte Haut. Blut quoll hervor, lief in dunklen Bächen über Brust und Bauch und versickerte dann im schwarzen Stoff der Hose. Draco hatte erschrocken nach Luft geschnappt, als das Metall sich in sein Fleisch grub, aber er hatte nicht geschrieen. Harry konnte sehen, dass er sich auf die Unterlippe biss und seinen Vater aus vor Schmerz verschleierten Augen anstarrte.

Greg kämpfte gegen den Instinkt an, seinem Freund zu helfen, wohl wissend, dass es nur seinen eigenen Tod bedeuten würde.

Lucius konnte sich ein anerkennendes Lächeln nicht verkneifen.

Sehr tapfer. Hätte ich nicht erwartet. Schade, dass es dir nichts nützen wird."

Irgendjemand wird dich dafür zur Rechenschaft ziehen, Vater!"

Wer sollte das tun? Niemand wird sich dafür interessieren, ob du lebst oder nicht! Siehst du deine Freunde dort?" Er deute auf Greg und Crabbe, die stumm neben ihren Vätern standen. „Keiner von ihnen würde auch nur einen Finger rühren um dir zu helfen. Finde dich damit ab, mein Sohn. Du bist allein. Und du wirst auch allein sterben!"

Was dann begann, ließ Harry erneut darum flehen endlich aufzuwachen. Gefangen in Gregs Erinnerung war er nicht in der Lage seine Blick abzuwenden. Er musste ansehen, was der Slytherin gesehen hatte. Und dieser traute sich nicht wegzuschauen. Nicht im Angesicht des Grauens, das Ungehorsam nach sich zog.

Die Todesser traten nun einzeln oder zu zweit vor und ließen ihrer abartigen Vorstellung von Strafe freien Lauf.

Weiter Schnitte folgten Lucius Runen, bis die weiße Haut schließlich mit einem dünnen Film glitzernden Blutes überzogen war; Brenneisen hinterließen hässliche, schwelende Wunden, erfüllten die Luft mit dem Gestank verbrannten Fleisches und entlockten Draco schließlich doch gequälte Schreie, die über die Lichtung hallten; eine Peitsche mit mehreren Riemen, zum Teil mit Knoten oder kleinen Widerhaken versehen, geführt von Marcus Flint, zerfetzte die Überreste von Kleidung, zeriss die Haut auf dem Rücken, wickelte sich schlangengleich um den geschunden Körper, hinterließ blutige Striemen wo immer sie auf unverletzte Haut traf oder riss bereits bestehende Wunden tiefer auf. Gezielt geführte Schläge mit eichenen Knüppeln ließen Rippen und andere, zartere Knochen brechen. Giftige Substanzen wurden in offene Wunden geträufelt, ließen die Haut an ihren Rändern Blasen werfen und aufplatzen.

Es war Bellatrix Lestrange, die irgendwann vorschlug Draco zu blenden. Sie hielt den glühenden Dolch bereits in der Hand, um ihm damit die Augen auszustechen, als Lucius dazwischenging.

Nein! Ich will, dass er sieht, was wir tun! Seine Augen gehören dir, wenn du sie willst! Doch warte noch!"

Erstaunlicherweise ergab sie sich seiner Anweisung, ohne zu murren.

Manchmal unterbrachen sie ihr grausames Spiel; immer dann, wenn Draco schließlich von Schmerzen überwältigt das Bewusstsein verlor. Sie warteten dann eine Weile, aßen, tranken und lachten und kümmerten sich nicht um ihr Opfer, das besinnungslos in seinen Fesseln hing. Diese Pausen dauerten eine oder zwei Stunden, dann rissen sie Draco mit ein paar Eimern kaltem Wasser oder einem einfachen Heilzauber aus seiner Ohnmacht, ließen den Wunden genug Zeit um sich zu schließen und begannen dann erneut mit der Folter.

Nicht alle Todesser bedienten sich der Instrumente auf dem Altar. Einige hielten mehr von konventionelleren Methoden und bedachten ihren Gefangenen mit dem Cruciatus oder anderen, dunkleren Flüchen, die Harry noch niemals gehört hatte und die er niemals wieder hören wollte.

Greg hatte irgendwann doch die Augen geschlossen, um nicht mehr mit ansehen zu müssen, was sie taten und in Gedanken wiederholte er immer wieder einen Satz: „Lass sie mich nicht zwingen mitzumachen! Lass sie mich nicht zwingen mitzumachen!" Diese Bitte war berechtigt, denn Vincent hatte sich längst dem Kreis der Folterknechte angeschlossen und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich an Gregs Untätigkeit stoßen würden. An wen dieser sein stummes Gebet richtete, wusste er nicht.

Harry war dankbar für die Dunkelheit, aber sie ließ die Geräusche nur noch stärker hervortreten: Irgendwann waren Dracos Schreie verebbt, weil er keine Kraft mehr hatte, längst heiser war. Aber das Klatschen der Peitschenriemen, das Knistern verbrennender Haut, das Knacken brechender Knochen und das gequälte Wimmern waren weiterhin deutlich zu hören. Ebenso deutlich blieben der Geruch nach Blut und Schwefel und der Gestank brennenden Fleisches.

Er wusste nicht wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Stunden, Tage, als plötzlich ein vielstimmiger, entsetzter Schrei über den Platz hallte und Greg die Augen aufriss.

Und da, inmitten der Glut des Feuers hockte ein riesiger roter Drache!

Wilde Freude erfasste Harry; überlagerte die Panik, die Greg empfand.

Das war Amber! Sie war hier um Draco zu retten! Er hatte überhaupt nicht mehr an den Drachen gedacht.

Sie stieß in einen gellenden Schrei aus, dem ein Flammenstoß folgte, der eine weite Schneise ins Unterholz riss. Ob sie dabei auch Todesser getroffen hatte, war nicht zu sagen. Dann schob sie ihren Kopf nach vorn, ließ ihre Nüstern behutsam über Dracos Körper gleiten. Ihr nächster Schrei war voller Wut und ließ den Erdboden zittern. Sie spreizte ihre gewaltigen Flügel, ihr Schwanz peitschte durch die Luft und fegte alles um, was im Weg stand.

Greg sah die rotgoldenen Schuppenwand auf sich zurasen, dann spürte er einen harten Schlag und ihm wurde schwarz vor Augen.

Harry sah den Schwanz ebenfalls und ließ sich dankbar in die Arme einer willkommen Ohnmacht fallen...