13.

„Ich liebe dich. Ich liebe dich..."

Immer wieder hallten die Worte durch Harrys Erinnerung.

Er saß mit geschlossenen Augen auf der Brüstung des Wehrganges, den Rücken gegen die Mauer des Turms gelehnt und ließ sich die warmen Strahlen der Spätwintersonne ins Gesicht scheinen. Der Wind hatte in den letzen Tagen merklich nachgelassen und inzwischen konnte man bereits den Frühling erahnen.

Fünf Tage waren vergangen seit dem Tag in Charlies Büro, fünf Tage, seit Draco die Worte ausgesprochen hatte, die Harrys Welt völlig auf den Kopf stellten. In dieser Nacht hatte er nichts darauf erwiderte, hatte sich schlafend gestellt, auch wenn sein Herz fast aus der Brust sprang. Draco war wenig später eingeschlafen, ohne zu merken welchen Schock er seinem Freund versetzt hatte. Am nächsten Tag verlor er kein Wort darüber und Harry stellte erleichtert fest, dass der Slytherin sich entweder nicht mehr an seine Worte erinnerte oder tatsächlich davon ausging, dass Harry ihn nicht gehört hatte. In jedem Fall wiederholte er die Worte nicht und auch sonst verhielt er sich wie auch die Monate zuvor.

Harry hingegen warf dieser eine kleine Satz vollkommen aus der Bahn.

Wann war das passiert? Wann war aus ihrer unkomplizierte, leidenschaftlich Beziehung mehr geworden? Wann hatte Draco angefangen mehr in seinem Freund zu sehen, als genau das: einen Freund, mit dem er eben auch schlief, den er gern hatte, aber mehr nicht? Harry wusste keine Antwort auf diese Fragen, aber eines war sicher: es durfte nicht sein! Auf keinen Fall! Egal was Harry empfand; Draco durfte sich einfach nicht in ihn verliebt haben! Er brachte sich selbst damit in zu große Gefahr. Das war ihm durch den Blick in den Schattenkristall klar geworden. Wenn Voldemort davon erfuhr, und dass er es erfuhr, war sicher, dann würde Draco wieder zur Zielscheibe der Todesser werden und wenn er ihnen erneut in die Hände fiel, würden sie ihn dazu benutzen Harry zu ködern. Und sie würden ihn wieder quälen. Und ein zweites Mal würde er das nicht überleben. Harry hatte gesehen, wozu sie fähig waren, was sie Draco angetan hatten. Er würde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschah! Auch wenn es bedeutete den einzigen Menschen zu verlassen, den er in seinem Leben jemals geliebt hatte.

Er spürte wie eine einzelne Träne unter seinen Wimpern hervorquoll und langsam über seine Wange lief. Er liebte Draco. Liebte ihn so sehr, wie er es sich niemals hatte träumen lassen und trotzdem wusste er, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft gab. Draco zu verlieren würde er nicht ertragen und darum, so unlogisch das in seinen eigenen Ohren klang, war der einzige Ausweg sich von ihm zu trennen, bevor es zu spät war.

Bisher war dieser Plan nicht weiter schwer zu realisieren gewesen, denn es war allein sein Herz, dass brechen würde. Jetzt sah die Sache vollkommen anders aus. Es gab nur eine Möglichkeit. Er musste Draco dazu bringen seine Gefühle für Harry so schnell wie möglich zu vergessen und sich jemand neuen zu suchen. Es gab eine Menge gutaussehender, schwuler Männer hier und viele von ihnen wären froh, den hübschen Slytherin für sich...

Harry unterbrach seinen Gedankengang. Es tat zu weh darüber nachzudenken. Wenn er nur eine Möglichkeit finden würde, ihm eine Weile aus dem Weg zu gehen. Gleichzeitig wollte er jede Minute, die ihnen noch gemeinsam blieb mit Draco verbringen. Unbewusst war er in den letzten Tagen sehr viel anhänglicher und fordernder gewesen als sonst. Es kümmerte ihn nicht mehr, ob jemand sah, wie sie sich küssten oder was die Leute dachte, wenn sie plötzlich gemeinsam den Raum verließen, nicht zum Essen kamen oder erst am späten Nachmittag aufstanden. Auch war Harry es, der die Initiative ergriff, wann immer sie allein waren, während er sich vorher stets hatte verführen lassen, ohne jemals den ersten Schritt zu tun. Draco war die Veränderung im Verhalten seines Freundes aufgefallen, aber da dieser jede entsprechende Frage mit einem Lachen abtat, bohrte er nicht weiter nach, sondern ließ den Dingen ihren Lauf.

Insgeheim gestand Harry sich ein, dass sein Benehmen hauptsächlich auf einem schlechten Gewissen beruhte. Er wusste, dass das Ende ihrer Beziehung in greifbarer Nähe lag und es schien fast, als wolle er Draco schon jetzt für den Schmerz, den er ihm bald zufügen würde entschädigen. Als wolle er soviel von sich selbst, seiner Seele, seinem Herzen hier lassen wie nur irgendwie möglich. Das alles war ihm nur zu klar. Was auf sich warten ließ, war ein brauchbarer Plan. Sicher, er konnte einen Streit vom Zaun brechen, der Draco dazu bringen würde, sich von ihm zu trennen. Aber das wollte er nicht. Er wollte nicht, dass es auf diese Weise endete. Und wenn er einfach ging, ohne Schluss zu machen, dann würde Draco früher oder später nach Hogwarts kommen und sich damit noch mehr in Gefahr bringe. Was also sollte er tun?

--

Zwei Tage später kam ihm das Schicksal zur Hilfe.

Er wurde relativ früh wach, draußen war noch alles dunkel, und stellte fest, dass das Bett neben ihm leer war. Einen Moment lang blieb er liegen, sicher dass Draco nur kurz im Bad war, doch dann hörte er das metallische Klicken des Schwertharnischs, der von seinem Haken an der Wand genommen wurde. Er setzte sich im Bett auf und sah, dass Draco bereits vollständig angezogen war. Mehr noch. Er trug seinen weiten Reitmantel, der grüne Schal lag locker um seine Hals, so dass die Enden fast den Boden berührten und er war in diesem Moment damit beschäftig die Schwertscheide so zu befestigen, dass sie fest auf seinem Rücken lag und der Griff über seine rechte Schulter ragte.

In dieser Aufmachung hatte Harry ihn erst einmal gesehen.

Damals in Hogsmeade, als sich ihre Wege nach über sechs Jahren zum ersten Mal wieder gekreuzt hatten.

„Was ist passiert?"

Draco bemerkte erst jetzt, dass Harry wach war und schenkte ihm ein liebevolles Lächeln.

„Hey. Hab ich dich geweckt? Tut mir leid. Ich bin gleich verschwunden, dann kannst du weiterschlafen."

Harry setzte sich ganz hin und angelte gähnend nach seiner Brille.

„Wie spät ist es?"

„Kurz vor vier."

„Und wo willst du zu so nachtschlafender Zeit hin? Noch dazu in voller Montur?"

Draco setzte sich auf die Bettkante und fing an den langen Schal um Hals und Kopf zu drapieren.

„Stella war vor einer halben Stunde hier. Es hat einen Angriff auf einer der winzigen Inseln vor der Küste Islands gegeben. Ein Gruppe von Druiden die zu unserem Orden gehören ist dort. Wir wollen sie herbringen."

„Island?"

„Ja. In ein paar Tagen bin ich wieder da. Das ist ein Routineeinsatz. Nichts Aufregendes. Nichts Gefährliches. Aber die Strecke ist ziemlich weit, darum schickt Charlie die größeren Drachen."

„Du wirst mir fehlen."

„Du mir auch." Draco gab ihm einen sanften Kuss, dann stand er auf und wand sich zum gehen. An der Tür blieb er kurz stehen und drehte sich noch einmal um:

„Harry?"

„Ja?"

„Ich verspreche dir, wenn ich zurück bin und du dann immer noch willst, bring ich dich nach Hogwarts. Einverstanden?"

„Ja. Und Draco?"

„Ja?"

„Pass auf dich auf!"

Draco lächelte: „Das werd ich. Mach's gut."

Er hob die rechte Hand, zog den Saum der Kapuze tiefer ins Gesicht und plötzlich schien Draco verschwunden zu sein.

An seine Stelle trat wieder der Drachenreiter mit den seltsam unwirklichen Augen, der Harry vor einem halben Jahr das Leben gerettet hatte.

Dann fiel die Tür lautlos ins Schloss und Harry war allein.

„Leb wohl, mein Geliebter."

--

Ein paar Stunden später saß Harry in der Halle und frühstückte.

Nach einer Weile gesellte Stella sich zu ihm. Von den anderen war keiner zu sehen.

„Morgen Harry."

„Stella. Guten Morgen. Du bist nicht mitgeflogen?"

„Nein. Das schaffen die auch allein. Außerdem ist Jinxy nicht kräftig genug für so einen langen Flug. Fünfzehn Stunden am Stück schafft sie nicht."

„Fünfzehn Stunden? Meine Güte. Das ist lang."

„Ja." lachte Stella. „Das ist lang. Aber auf offener See kann man schlecht eine Pause einlegen. Und die wenigsten Drachen schwimmen gern."

„Ist Ginny auch mit? Ich hab sie noch gar nicht gesehen heute."

„Ja. Eigentlich wollte sie hier bleiben, aber bei ihr und Greg hängt der Haussegen schief. Sie ist sauer wegen der Sache mit Gregs Schattenkristall."

Harry verschluckte sich fast an seinem Toast.

„Du weißt davon?"

„Sicher. Charlie hat mich vorher auch um meine Meinung gefragt. Wirklich angetan war ich von der Idee übrigens nicht. Und Gin war vollkommen dagegen. Dass Greg sich darüber hinweggesetzt hat, um Draco einen Gefallen zu tun, passt ihr gar nicht in den Kram. Wahrscheinlich wird sie jetzt während des gesamten Fluges auf ihm herumhacken. "

Harry schmunzelte bei dem Gedanken: „Ach um den mach dir mal keine Sorgen, er kann sich ganz gut gegen die kleine Giftspritze zu Wehr setzen!."

„Da sagst du was! Wie geht's dir denn? Kommst du mit dem zurecht, was du gesehen hast?"

„Ja. Es war hart, aber es wird langsam besser. Ich fühle mich nur so hilflos, wenn ich darüber nachdenke. Es war grauenhaft zusehen zu müssen und nichts unternehmen zu können. Das hat mich fast wahnsinnig gemacht."

„Das glaub ich dir. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Monate. Ich habe damals wirklich nicht erwartet, dass Draco es schaffen würde. Als Amber ihn herbrachte hatte ich Wache. Den Anblick werden ich nie vergessen. Als ich ihn sah, dachte ich, dass er unmöglich überleben kann, so wie er zugerichtet war. Celeste und Philomena haben wirklich ein Wunder gewirkt."

Harry nickte. Dann stellte er eine Frage die ihm schon seit ein paar Tagen auf der Seele brannte:

„Er hat gesagt, dass er versucht hat sich umzubringen, als er wieder gesund war. Weißt du was darüber?"

„Ja. Er hat tagelang jede Nahrung verweigert und später wollte er sich von der Klippe stürzen. Das geht vielen so, die wir retten. Wenn sie merken, dass sie leben werden, dann werden sie plötzlich von den Schrecken dessen was sie erlebt haben überwältigt und dann haben viele den Wunsch zu sterben, weil das einfacher ist, als sich den Dämonen der Vergangenheit zu stellen. Und leider kommt es immer wieder vor, dass sie damit Erfolg haben."

Harry war schockiert. „Das ist ja furchtbar! Kann man denn nichts dagegen tun?"

„Nein. Wir können nicht Tag und Nacht jeden Winkel der Burg bewachen. Außerdem steht es niemandem zu über das Leben eines anderen zu entscheiden. Wenn jemand wirklich sterben will, dann findet er einen Weg. Natürlich verhindern wir die offensichtlichen Selbstmordversuche. Aber es gibt Menschen, denen kann man nicht helfen. Menschen, für die das Überleben schlimmer wäre als der Tod. Warum soll man sie zwingen, zu leben?"

Als sie Harrys Gesicht sah, musste sie trotz des ernsten Themas lachen:

„Jetzt schau mich nicht zu entgeistert an! Ich sag ja nicht, dass ich das gut finde, oder dass wir das unterstützen. Und es kommt auch nur sehr, sehr selten vor. Ich kann mich nur an drei Fälle erinnern. Und ich bin auf dieser Insel geboren. Jetzt lass uns lieber über was anderes reden, bevor du noch völlig die Achtung vor mit verlierst."

„Warum soll er die Achtung vor dir verlieren?"

Simon hatte nur den Schluss der Unterhaltung mitbekommen. Jetzt ließ er sich neben Stella auf die Bank fallen und inspizierte sein Frühstück.

„Sag mal, erwartest du Gäste?"

Stella musterte den Berg Essen, der sich auf seinem Tablett stapelte mit hochgezogener Augenbraue.

„Wieso?"

„Weil auf diesem Teller genug Essen für einen kompletten Schwarm samt Reitern ist!"

„Na, jetzt übertreibst du aber."

Harry grinste während er zwischen den beiden hin und her schaute. Seit Simon keine Bedrohung mehr für ihn darstellt hatte er sich mit dem stets gut gelaunte, flirtbesessenen Drachenreiter angefreundet und es machte ihm immer wieder einen Riesenspaß zuzusehen, wie der Casanova der Drachenfestung, wie Paul ihn genannt hatte, Stella und Ginny in den Wahnsinn trieb.

„Wo steckt denn Dominic, der Wunderbare?"

„Ist hoffentlich geplatzt!"

„Nanu, woher der plötzliche Sinneswandel?"

„Er hat rausgefunden, dass ich mal was mit Meagan laufen hatte und ist total ausgerastet. Ein anderen Mann, dass könnte er ja verstehen, aber ein Frau? Niemals. Das könnte er mir einfach nicht verzeihen. Bla, bla, bla..."

Mit einem Seitenblick auf Harry fügte er grinsend hinzu: „Dray hat das nie gestört."

Stella verdrehte die Augen: „Ja, der hat dich auch nie ernst genommen! Und jetzt hör auf, Harry zu ärgern und sag mir lieber, wann du was mit Meagan hattest? Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern. Ich weiß zwar, dass du seit Jahren versuchst dich zu entscheiden, ob du Männer oder Frauen lieber magst, aber das hör ich jetzt zum ersten Mal."

Simon murmelte etwas unverständliches und starrte dabei hochkonzentriert in sein Rührei.

„Was hast du gesagt?"

„Ich sagte: letzte Woche. Und bevor du dich aufregst: es war nur ein Nacht. Meine Güte, kein Grund gleich auszuflippen! Es ist doch genug Simon für alle da!"

Stella tat als würde sie sich übergeben:

„Das ist so widerlich Macho, dass ich darauf gar nicht antworten werden."

„Hey! Ich mein doch nur: wenn ich mit nem anderen Kerl gevögelt hätte, dann würde ihn das nicht stören. Aber weil es eine Frau war, macht er die Riesenwelle. Das ist doch total verlogen."

Stella stand auf. „Ok. Das werde ich mir nicht länger anhören. Erzähl das jemand anderem. Ich geh jetzt runter in den Hof."

„Warte, Stella. Ich komm mit, ich wollte dich noch was fragen."

Harry folgte ihr eilig aus der Halle, ohne auf Simons Protest zu reagieren.

„Hey! Ihr könnt mich doch nicht alle allein lassen! Ich bin auch sensibel!"

--

„Du meine Güte, der Kerl hat so ein Rad ab, das gibt es gar nicht! Und dann sieht er dich mit diesem Dackelblick an und du kannst ihm nicht mal böse sein. Aber mit seiner Fremdgeherei bringt er sich irgendwann noch mal um Kopf und Kragen. Irgendwann erwischt er mal jemanden, der ihm das nicht so einfach durchgehen lässt. Draco hat ihn ja halbwegs im Griff gehabt, aber Dominic ist ein hoffnungsloser Fall."

Sie hatten sich auf die Treppe gesetzt, die in den Hof hinunter führte und genossen die ersten Strahlen der Wintersonne.

„Stella? Kann ich dich mal was fragen?"

„Klar. Hast du damit ja getan. Nein. War nur'n Scherz. Was gibt's denn?"

„Das mit Draco und Simon. Gin hat gesagt, dass das schon was her ist. Wie lange genau? Irgendwie hab ich mich nie getraut, Draco das selbst zu fragen. Ich schäm mich immer noch wegen dem Aufstand, den ich veranstaltet habe. Und das für Nichts und wieder Nichts."

„Mach dir keine Gedanken. Das haben längst alle unter ‚Inselkoller' abgelegt. Den kriegt jeder früher oder später. Bei dir war's halt früher."

„Na, ich weiß nicht. Ich finde trotzdem, dass ich mich superpeinlich benommen habe. Als wäre ich gerade vierzehn!"

„Ja, so seid ihr Männer halt. Lass mich mal überlegen. Die Sache mit Dray und dem Bekloppten... Hmmm. Ich schätze, dass müsste jetzt so zwei Jahre her sein. Sie waren ungefähr sieben oder acht Monaten fest zusammen. Dann hat Simon angefangen es sich wieder in fremden Betten gemütlich zu machen und Dray hat nicht lange gefackelt und ihn rausgeschmissen. Vor ungefähr einem Jahr hat Simon dann beschlossen, dass er Draco zurück will und ist ihm monatelang auf die Nerven gegangen. Ich glaub sie waren auch noch ein paar Mal zusammen im Bett, aber Draco hat die Sache nicht mehr ernst genommen. Deshalb die Anspielung vorhin. Es war ihm zu dem Zeitpunkt schlichtweg egal, ob Simon auch mit anderen schläft. Er wusste ja inzwischen, dass der Kerl Treue für eine exotische Pflanze hält. Vor gut einem halben Jahr hat sich Simon dann zu dieser Mission in Kanada gemeldet. Du weißt schon, von der er vor Weihnachten zurückgekommen ist. Am Tag als er geflogen ist, hat er Draco dazu gekriegt, ihm eine zweite Chance zu versprechen. Na ja, dazu ist es, wie du weißt, nie gekommen. Und ich würde mal sagen, inzwischen ist dieser Zug endgültig abgefahren. Draco ist absolut vernarrt in dich. Aber ich schätze mal, das weißt du. So gesehen, war deine Eifersucht tatsächlich umsonst."

Harry konnte sich ein wehmütiges Lächeln nicht verkneifen. Stella wusste gar nicht, wie recht sie mit ihrer Vermutung hatte.

Eine Weile schwiegen beide. Stella hatte die Augen geschlossen und das Gesicht der aufgehenden Sonne zugewandt. Harry betrachtete seine verschränkte Finger und sucht nach den passenden Worte, um auszusprechen, was ihm den ganzen Morgen schon im Kopf herumging.

Nachdem Draco gegangen war, hatte Harry nicht mehr schlafen können. Er hatte stundenlang im Bett gelegen, an die Decke gestarrt und versucht eine Entscheidung zu fällen. Draco hatte versprochen ihn zurück nach Hogwarts zu bringen, aber dazu würde er es nicht kommen lassen. Auch wenn er sich tief in seinem Herzen wie ein Feigling vorkam, er wollte weg sein, bevor sein Freund zurückkehrte. Das würde es für beide einfacher machen. Dann war er aufgestanden und hatte einen Abschiedsbrief geschrieben. Zuerst wusste er nicht so recht, wie er sein Verschwinden erklären sollte. Die Wahrheit würde Draco niemals gelten lassen, als entschloss er sich zu einer Notlüge, die ihn so wenig wie möglich verletzen würde. Als er den Brief schließlich verschlossen und auf dem Nachttisch abgelegt hatte, packte er seine wenigen Habseligkeiten zusammen. Er war nicht sicher, ob er die Kleider behalten durfte, die man ihm hier geschenkt hatte, irgendwie hatte er das Gefühl, kein Recht darauf zu haben. Aber er konnte auch unmöglich nackt fortgehen. Schließlich packte er die Sachen ein, nahm sich aber vor, noch einmal in der Schneiderei vorbeizugehen und sich zu bedanken. Jetzt stand ihm noch die schwierigste Aufgabe bevor: Er musste jemanden finden, der ihn nach Hause brachte. Möglichst ohne Fragen zu stellen. Auch diesmal kam ihm das Schicksal zur Hilfe, als Stella sich zu ihm gesellte. Blieb die Frage, wie er ihr sein Anliegen vortragen konnte.

„Stella? Ich würde dich gern um einen Gefallen bitte."

Sie öffnete die Augen und wand ihm ihr lächelndes Gesicht zu.

„Klar, Schatz. Ich mach fast alles. Wenn du allerdings ein Kind von mir willst, muss ich passen."

Prompt wurde Harry knallrot, worüber Stella in lautes Gelächter ausbrach.

„Das war doch nur ein Witz! Keine Sorge, irgendwann lernst du das auch noch. Jetzt ernsthaft. Was kann ich für dich tun?"

„Kannst du mich nach Hogwarts bringen? So bald wie möglich?"

Sie sah ihn erstaunt an.

„Sicher. Aber ich dachte, Draco bringt dich zurück?"

„Ja. Das hat er mir heute morgen versprochen, aber um ehrlich zu sein, ich wäre gern weg, wenn er wiederkommt."

„Aber warum? Habt ihr euch gestritten?"

„Nein. Ganz im Gegenteil. Das ist es ja gerade. Wenn er hier ist, dann wird es mir noch viel schwerer fallen zu gehen. Aber ich muss zurück. Darum wäre es mir lieber jetzt, wo er nicht hier ist."

„Das kann ich irgendwie verstehen. Ich hasse es auch mich zu verabschieden. Trotzdem kommt das jetzt ein bisschen überraschend. Aber ok, wenn du unbedingt willst, bring ich dich zurück."

„Heute noch?"

„Heute? Das ist aber sehr plötzlich. Muss es wirklich so schnell sein?"

„Stella bitte! Wenn du nicht kannst, dann werde ich jemand anderen fragen, aber ich weiß nicht, wie lange ich meine Entschlossenheit noch aufrecht erhalten kann. Ich möchte so schnell wie möglich aufbrechen."

Stella sah den Gryffindor forschend an. Ihr entging weder der drängende Ton in seiner Stimme noch der flehende Ausdruck seiner Augen. Schließlich nickte sie.

„Gut. Der Flug nach Hogwarts dauert etwa fünf Stunden. Vielleicht mehr, je nach Wetterlage. Es dauert eine Weile alle Vorbereitungen zu treffen, aber ich schätze mal, in zwei oder drei Stunden könnten wir aufbrechen. Es ist jetzt neun Uhr, wir sollten es eigentlich schaffen bei Einbruch der Dunkelheit in Hogwarts zu sein. Na los, je schneller wir anfangen, desto schneller bist du wieder daheim."

Es war erstaunlich, wie schnell sie ihre Überraschung überwunden hatte und bereits anfing zu planen.

„Danke Stella. Das werde ich dir nie vergessen."

Er stand auf und umarmte die Drachreiterin. Zum ersten Mal fiel ihm auf wie klein sie war. Sie reichte ihm nur knapp bis zur Schulter.

„Mach ich doch gern. Aber ich bestehe darauf, dass du Charlie Bescheid sagst. Der reißt uns nämlich sonst beiden den Kopf ab."

„Mach ich. Ich werd mich auch von den anderen verabschieden. So unhöflich bin ich dann doch nicht."

--

Zwei Stunden später stand Harry auf dem Wehrgang und verabschiedete sich von seinen neuen Freunden. Er war erstaunt, wie viele gekommen waren um ihm Lebwohl zu sagen. Alle hatten ihm versichert, wie gern sie ihn hatten und wie schade es war, dass er fortmusste und dass sie hofften ihn bald wiederzusehen. Selbst Greg hatte sein Küche alleingelassen und stand jetzt neben Angelina und Paul.

Sie warteten nur noch auf Charlie.

Stella legte letzte Hand an Jinx' Geschirr. Der große goldenen Drache saß auf der Außenmauer und begutachtete die allgemeine Aufregung mit mäßigem Interesse. Bob stand neben Stella, ließ seine Hände immer wieder prüfend über die goldenen Flanken und Flügel des Weibchens gleiten und gab ihrer Reiterin gedämpfte Anweisungen. Es würde Jinx' erster längerer Flug seit dem Herbst werden und der Drachenheiler war besorgt, wie die ältere Echse das überstehen würde.

„Sie ist zäh, Bob. Mach dir keine Sorgen. Hogwarts ist nicht so weit weg."

„Ja, aber versuch nicht um jeden Preis heute noch zurück zu kommen. Wenn du merkst, dass sie erschöpft ist, dann bleib lieber über Nacht."

„Bob! Ich weiß das! Ich bin schon länger dabei. Und ich kenne meine Jinxy. Ich merke, wenn sie nicht mehr kann. Jetzt hör auf zu unken! Harry ist schon ganz blass um die Nase!"

„Schon gut, schon gut."

„Hey seht mal, da kommt ja unser furchtloser Anführer! Was ist los Charlielein? Bist nicht aus den Federn gekommen, was?"

Charlie kam über den Hof gehetzt, eilte die Treppe zum Wehrgang hoch und warf Simon einen bösen Blick zu.

„Halt dein Maul, O'Leary! Sieh lieber zu, dass du deinen Drachen in die Gänge kriegst. Sorry Leute. Ich musste noch was abholen."

Er deutete vage auf ein langes, schmales Päckchen, das er in der Hand hielt. Dann wand er sich an Harry:

„Tja Harry. So wie es aussieht müssen wir uns jetzt verabschieden. Es war wirklich schön dich als Gast zu haben. Ich hoffe, es hat dir ein bisschen hier gefallen und du behältst uns in guter Erinnerung. Denk bitte an dein Versprechen vorerst niemandem von uns zu erzählen, du weißt, wie wichtig das ist. Vielleicht kommst du uns ja mal wieder besuchen, wenn die Zeiten etwas friedlicher sind."

„Danke Charlie. Danke euch allen. Ich habe mich hier wirklich sehr wohl gefühlt und unter anderen Umständen würde ich gern noch länger bleiben, aber ich habe meine Pflichten schon zu lange vernachlässigt. Bitte richtet allen, die heute nicht hier sind eine lieben Gruß von mir aus. Und ich komm bestimmt mal wieder."

„Das will ich aber auch hoffen. Wir haben hier noch ein Geschenk für dich. Eigentlich sollte Draco dir das geben, immerhin hat er dir das meiste von dem beigebracht, was du inzwischen kannst, aber da er ja nun mal nicht hier ist, übernehme ich das."

Er hob das Bündel vom Boden auf und wickelte es vorsichtig aus. Unter dem weichen Stoff kam ein wunderschöne gearbeitetes Schwert zum Vorschein. Harry schnappte nach Luft. Das konnte unmöglich Charlies Ernst sein!
"Charlie! Das ist viel zu kostbar, das kann ich nicht annehmen!"

„Red keinen Unsinn! Du hast es dir redlich verdient. Wir alle haben deine Fortschritte beobachtet und ob du's wahr haben willst oder nicht, du bist inzwischen ein recht passabler Schwertkämpfer. Natürlich musst du weiter üben, aber du hast dir ohne jede Frage längst das Recht auf ein eigenes Schwert erworben! Orin hat das hier extra für dich geschmiedet. Es ist auf deine Körpergröße und deinen Schwerpunkt ausgelegt. Es könnte ohnehin niemand anderes etwas damit anfangen. Also nimm es ruhig an. Es ist ein Geschenk von uns allen und eine Erinnerung an die Dracheninseln."

„Danke Charlie! Das ist einfach wunderschön!"

Vorsichtig streckte Harry die Hand nach der Waffe aus. Der Griff schmiegte sich in seine Hand, als wäre es tatsächlich nur für ihn gemacht. Das Schwert war perfekt ausbalanciert und es war ein wundervolles Gefühl es in der Hand zu halten. Viel besser als jedes Holzschwert. Der Griff war schlicht, mit schmalen silbernen Bändern, die sich durch schwarzes Leder zogen und einem einfachen, glatten Stein im Knauf. Erst bei näherer Betrachtung sah Harry, dass es sich dabei um einen ungeschliffenen, polierten Smaragd von der Größe eines Wachteleis handelte. In das obere Drittel der Klinge waren feine, verschlungen Muster geätzt. Harry erkannte Drachen und Greife und andere mythische Wesen. Die Maserung wurde zur Spitze des Schwertes hin immer schmaler, bis sie schließlich in einer zarten Ranke endete.

„Hier, das gehört auch noch dazu." Charlie reichte ihm eine Schwertscheide aus weichem, schwarzem Leder, das mit feinen Silbernägeln beschlagen war. Ein breiter, schwarzer Ledergürtel vervollständigte das Geschenk.

„Wir dachten, dass du mit einem Gürtel besser zurecht kommst, als mit dem Zeug, das wir tragen."

Harry nickte. „Ja. Danke. Das ist wirklich ein wundervolles Geschenk."

Dann trat Angelina vor und reichte ihm einen weiten, dunkelgrünen Mantel. Harry erkannte in dem Schnitt den hochgeschlitzten Reitmantel, den die Drachenreiter trugen. Am Halsausschnitt schimmerte eine silberne Spange in Form eines Drachen, winzige Smaragdsplitter funkelten ihm als Augen entgegen.

„Der ist auch für dich. Da oben wird es verdammt kalt. Und wir wollen ja nicht, dass du erfrierst. Na los, zieh ihn an."

„Schenkt mir doch nicht so viel! Ich weiß gar nicht was ich sagen soll!"

„Dann sag gar nichts, sondern freu dich einfach."

„Aber könnt ihr mir mal erklären, wie ich eure Existenz geheim halten soll, wenn ihr mich so mit Geschenken überschüttet?"

Charlie grinste: „Da fällt dir schon was ein!"

Dann breitete er die Arme aus und zog Harry in eine feste Umarmung.

„Pass auf dich auf, Kleiner. Und hab ein Auge auf meine Familie. Es war wirklich gut, dich hier zu haben!"

„Mach ich, Charlie. Wir werden uns hoffentlich bald wiedersehen."

Harry löste sich aus der Umarmung und trat zu Stella, die wartend neben ihrem Drachen stand.

Charlie wand sich an seine Frau:

„Paul und Simon werden euch bis zur Küste begleiten. Ab da fliegt ihr dann allein weiter. Wir sollten so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf uns ziehen. Die Jungs werden oben auf den Orkneyinseln auf dich warten. Komm heil wieder, meine Süße!" Dann zog er auch sie in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich.

„Zu den anderen sagst du das nie."

„Die küsse ich ja auch nicht."

„Das wäre ja auch noch schöner."

Sie löste sich grinsend aus der Umarmung und gab ihrem Mann einen Klaps auf den Arm. Dann half sie Harry auf den Rücken des Drachen und schwang sich geschickt hinter ihm in den Sattel. Sie fasste um seine Taille nach den Zügeln, dann schnalzte sie leicht mit der Zunge.

„Na komm, Jinxy! Lass uns fliegen!"

Das Drachenweibchen spreizte die riesigen Flügel, die sich augenblicklich mit Luft füllten und stieß sich dann scheinbar mühelos von den Zinnen ab. Sie schlug ein, zwei Mal mit den Flügeln, brachte sich so in den richtigen Luftstrom und gewann schnell an Höhe. Sie kreiste noch einmal in einem eleganten Bogen über der Festung und folgte dann Dawn und Freckles den Drachen von Paul und Simon, die in diesem Moment von der Plattform die zu den Höhlen führte starteten. Harry warf noch eine letzten Blick auf die Festung, die während der letzten fünf Monate sein Zuhause gewesen war. Ihre Bewohner standen noch immer auf den Zinnen, winkten und sahen im hinterher. Er sah Ben und die Zwillinge, die sich über den Wehrgang jagten; Charlie, der den Kindern irgendetwas hinterher rief; Angelina, die lachend auf etwas unten im Hof deutete, das Harry nicht sehen konnte...

Plötzlich hatte er einen dicken Kloß im Hals.

Die Inseln zogen unter ihnen hinweg, ein paar winzige Boote tanzten auf den Wellen, die Fischer winkten ihnen fröhlich zu; dann war da nur noch der endlose Ozean. Nach einer Weile konnte er einen zarten Schimmer in der Luft erkennen, der sich wie eine Wand über den gesamten Horizont erstreckte.

„Der magische Schild!" rief Stella ihm über den Wind zu. „Keine Angst, es prickelt nur ein bisschen."

Augenblicke später spürte er ein feines Kribbeln auf der Haut, es war als würden sie einen spinnwebfeinen Wasserfall durchfliegen. Dann war da nur noch Wasser. Die Drachen schraubten sich höher in den Himmel, und tauchten in die dichte Wolkendecke ein, außer Reichweite menschlicher Augen.

--

Es war bereits Nachmittag, als sie die Orkneyinseln vor der Küste Schottlands erreichten. Der Flug war relativ ereignislos gewesen. Sie flogen zu hoch um gesehen zu werden oder jemanden zu sehen. Und durch den Wind und das Rauschen der Drachenflügel war es fast unmöglich sich zu unterhalten. Harry war beinahe froh, als die Drachen schließlich auf der am weitesten vom Festland entfernten Insel zum Landeanflug ansetzten.

Eine alte Burgruine, die sich zwischen die Klippen schmiegte diente einer Gruppe Druiden als Unterschlupf. Sie waren nicht überrascht die Drachen und ihre Reiter zu sehen und Harry wurde auch schnell klar, warum. Sie gehörten dem Orden an, der von der Dracheninsel stammte und stellten vermutlich so eine Art Außenposten dar.

Nach einer kurzen Pause verabschiedete Harry sich von Paul und Simon, die hier auf Stella warten würden, dann brachen sie auf zur letzten Etappe ihrer Reise.

Ohne Schwierigkeiten erreichten sie schließlich Hogsmeade.

Das Dorf lag wie ausgestorben da. Der Anblick schnürte Harry die Kehle zu.

Hier hatte vor fast einem halben Jahr alles angefangen.

Hier hatte Draco ihn vor den Dementoren gerettet und ihn in seine Welt entführt.

Stella ließ Jinx tief über den Häusern fliegen. Nichts rührte sich zwischen den Ruinen der kleinen Stadt.

„Die Ratten haben das Nest längst verlassen. Hier gibt es nichts mehr für sie zu holen." Ihre Stimme klang angewidert. Ihr Hass auf die Todesser war deutlich herauszuhören.

Jinx brachte sich mit ein paar Flügelschlägen wieder in größere Höhe und dann konnte Harry am Horizont Hogwarts sehen.

Das alte Schloss hob sich als dunkle Silhouette vor der untergehenden Sonne ab.

„Wo kann ich dich am besten absetzen? Ohne das wir allzu sehr auffallen? Und ohne, dass du in Gefahr gerätst?"

„Am besten auf dem Astronomieturm. Der ist das höchste Gebäude. Selbst wenn jemand Jinx sieht, bis die da hochgelaufen sind, seid ihr längst wieder weg. Und da oben stehen auch keine Wachen!"

„Gut."

Der Drache flog einen weiten Bogen und hielt genau auf den höchsten Turm des Schlosses zu. Goldene Klauen krallten sich in uralte Zinnen, ledrige Schwingen fächelten um Balance, dann falteten sich die Flughäute elegant zusammen, der lange Schwanz schlang sich um die Windung einer Fahnenstange.

Stella sprang vom Rücken der Echse und half Harry ebenfalls abzusteigen.

„So, da wären wir. Sicher und in einem Stück wieder daheim."

„Ja. Danke Stella. Danke für alles."

„Nichts zu danken. Machs gut, mein Schatz. Du wirst uns fehlen!"

Sie zog ihn einen Moment lang fest an sich, dann küsste sie ihn sanft auf die Wange.

„Ihr werdet mir auch fehlen, Stella. Sag allen noch mal ganz liebe Grüße von mir und drück Ginny und Eric. Die hab ich ja nicht mehr gesehen."

„Was ist mit Draco? Soll ich ihm etwas ausrichten?"

Ihre Stimme war sehr sanft.

„Nein. Ich habe ihm einen Brief dagelassen. Er wird... ich hoffe, er wird das verstehen. Ich..."

Bevor er weiter sprechen konnte hörten sie aufgeregte Stimmen auf der Treppe:

...eine von deinen verrückten Ideen, Luna!"

Nein, sie hat recht, ich habe ihn auch gesehen!"

Quatscht nicht! Beeilt euch lieber..."

Stella drückte Harry nochmal kurz und lief dann zurück zu Jinx.

„Ich muss los. Mach's gut, Harry. Wir sehen uns wieder, das versprech ich dir!"

„Leb wohl, Stella. Und einen guten Heimflug!"

Sie sprang auf den Rücken des Drachen, der sich augenblicklich in die Luft erhob. Kurz Zeit später war sie nur noch ein goldener Punkt am dunkler werdenden Himmel.

Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Moment brachen vier heftig keuchende Gestalten durch die Dachluke.

Harry warf noch eine letzten Blick auf den verschwindenden Drachen, dann atmete er tief durch und wollte sich zu seinen Freunden umdrehen...

--

...„Ok, Freundchen! Nimm die Hände hoch und dreh dich ganz langsam um! Keine falsche Bewegung! Es sind vier Zauberstäbe auf dich gerichtet! Egal wie schnell du bist, einer von uns wird schneller sein!"

Harry unterdrückte ein Grinsen als er Seamus' Aufforderung nachkam. Die würden sich gleich wundern!

„Wer bist du? Und was treibst du hier?" Die Stimme gehörte Ron.

„Und wo sind deine Todesserfreunde?" Wieder Seamus.

„Und der Drache?" Das war Luna.

„Luna, jetzt nicht!" Remus.

Er drehte sich um und sah seine Freunde an, wie ein Zauberer, der ein Kaninchen aus dem Hut zauberte.

Kein Reaktion. Sie behielten ihre feindselige Position bei, die Zauberstäbe richteten sich weiter drohend auf seine Brust.

Einen Moment lang war Harry irritiert, dann fiel ihm ein, wie fremd er in ihren Augen aussehen musste. Sie erkannten ihn nicht in dem weiten Mantel und der immer noch tief ins Gesicht gezogenen Kapuze. Hinzu kamen seine fremden Kleider, das Schwert an seiner Seite und die stolze, aufrechte Haltung. Kein Wunder. Als sie ihn zuletzt gesehen hatte, war er vollkommen am Ende gewesen.

„Ihr habt vielleicht ne komische Art, Freunde zu begrüßen!"

Er achtete nicht weiter auf die drohend erhobenen Zauberstäbe, senkte stattdessen die Arme und schob sich die Kapuze vom Kopf.

„Wenn ich das gewusst hätte, dann wär ich nicht zurückgekommen!" fügte er hinzu und grinste vergnügt in die verblüfften Gesichter seiner Freunde.

Ein paar Herzschläge lang war es totenstill. Dann fielen sie alle gleichzeitig über ihn her:

„Harry!"

„Du bist zurück!"

„Wie geht es dir? Du siehst gut aus..."

„Ja, aber fremd..."

„Wow, ist das da ein Schwert?"

„Was ist mit dem Drachen?"

„Wo warst du nur?"

„Wir haben uns solche Sorgen gemacht!"

„Ja, Ron hier ist fast ausgeflippt!"

„Hey!"

„Stimmt doch!"

„Warte, wenn Hermine dich sieht!"

„Der Drache?"

„Luna, jetzt vergiss doch mal den blöden Drachen! Harry ist wieder da!"

„Harry!"

„Ich bin so froh, dich wiederzusehen, Mann!"

„Ich auch!"

„... und die anderen werden sich auch tierisch freuen, dich wiederzusehen..."

„Ja, ich bin schon auf Hermines Gesicht gespannt..."

Lachend und ohne Unterbrechung auf ihn einredend, schoben und zogen seine Freunde ihn in Richtung der Luke. Ron hätte ihn am liebsten getragen. Harry ließ sie gewähren. Er war froh, dass es ihnen so offensichtlich gut ging. Es tat gut, wieder zu Hause zu sein.

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Draco,

ich weiß, dieser Satz ist ein fürchterliches Klischee, aber wenn Du diesen Brief liest, bin ich schon lange weg.

Ich werde Stella bitten mich nach Hogwarts zu bringen.

Bitte verzeih mir, dass ich nicht auf Dich gewartet habe. Es ist einfacher so. Vielleicht klingt das feige, aber ich denke, so ist es für uns beide das Beste.

Die letzten Monate waren wundervoll und wenn ich mich in Zukunft nach Ruhe und Geborgenheit sehne, werde ich mich immer an diesen Ort und an die Menschen die hier leben erinnern.

Auch die Erinnerung an Dich werde ich für immer in mir tragen.

Trotzdem weiß ich, dass es für uns keine gemeinsame Zukunft gibt.

Du empfindest mehr für mich, als ich Dir geben kann.

Es tut mir leid, wenn ich falsche Hoffnungen in Dir geweckt habe.

Es scheint, als wären unsere Rollen mit einem Mal vertauscht.

Ich kann Dich nur nochmal bitten, mir zu verzeihen.

Wenn wir uns wieder begegnen, dann hoffe ich , dass Du mich nicht hassen wirst, und dass wir vielleicht Freunde sein können.

Ich wünsche Dir, dass du irgendwann jemanden findest, der Dich so liebt, wie Du es verdient hast.

Leb wohl,

Harry

Das Pergament zitterte einen Augenblick. Dann wurde es von schlanken, weißen Fingern zerknüllt, die das entstandene Knäuel noch einen Moment festhielten und dann mit aller Macht ins Feuer warfen.

Eisgrauen Augen, hinter denen ein Sturm tobte, beobachteten wie die knisternden Flammen das Papier rasch auffraßen.

„Du verfluchter Bastard! Warum tust du mir das an?"

A/N: Wisst ihr eigentlich, wie sehr euer Betteln um ein Happy End meine sadistische Ader fördert? GRINS

Nein, mal im Ernst, ich werd euch doch nicht zig Kapitel vor Schluss verraten wie die Geschichte endet. Das hättet ihr wohl gerne. Aber ihr braucht euch nur mal meine Bio anzusehen, da hab ich eigentlich schon alles gesagt. Oder doch nicht? Jedenfalls, mehr bekommt ihr in Bezug auf das Ende nicht aus mir raus.

Kiralein? Graue Haare können auch sehr reizvoll sein. :o)

Ich weiß noch nicht wie viele Chaps es werden. Im Moment bin ich immer noch bei 16. Also schätze ich mal vorsichtig so um die 25. Aber das ist nur eine Vermutung. Also nagelt mich nicht darauf fest!

Lara-Lynx: Die Leute auf der Dracheninsel wissen durchaus wie es in Hogwarts zugeht. Immerhin haben sie ja auch Gin, Greg, Angelina und andere da rausgeholt. Außerdem steht Charlie in Kontakt mit Dumbledore. Daher wissen sie sehr gut, womit Harry umgehen muss. Wahrscheinlich haben sie auch Mitleid mit ihm, aber sie sind Krieger, durch Eid an die Insel gebunden. Und keine Sorge, sie werden sich schon noch einmischen. Und so eitel Sonnenschein ist es auf der Insel ja auch nicht immer. Nur weil Harry eine ruhige Zeit mitbekommt, in der kaum jemand kommt oder geht, heißt das ja nicht, dass es dort immer so friedlich zugeht.

Leah: Gerade darum hat sie ja den Namen Goyle angenommen, um ihm vielleicht irgendwann durch ihre Kinder und deren Kinder eine neue Bedeutung geben zu können. Und mal ehrlich, gibt es nicht schon genug Weasleys? ;o) Ich denke, Draco würde mir zustimmen. Ich sag mal, dass sie das schon für Greg getan hat. Sie hat ja in dieser Beziehung ohnehin die Hosen an, wenn er dann auch noch ihren Namen hätte annehmen sollen... Das wäre wohl selbst für den gutmütigen Greg zuviel.

So, das war's erst mal wieder von mir.

Bis denn.

Eure Yulah

P.S. Schöne Grüße von Bert! Ist wieder Pinguinwetter.