Hallöchen.
Da bin ich wieder. Sorry, dass das so lange gedauert hat. Aber wie die meisten von euch bestimmt wisse, war ein paar Tage außer Gefecht.
Leahlein, das finde ich aber echt süß, dass du dir Sorgen gemacht hast. Keine Angst, mir geht's bestens. Und ganz sicher werde ich meine Geschichte nicht aufgeben. Dazu hab ich sie und euch viel zu gern. ;o)
Naja. Hier kommt jedenfalls das nächste Chap.
Viel Spaß!
15.
Der Anblick war überwältigend.
Im Licht der Morgensonne jagten etwa dreißig Drachen über den strahlendblauen Himmel. Ihre Schuppen schillerten in allen Farben des Regenbogens, fingen die Sonne ein und warfen die gleißenden Strahlen zurück. Die Bewohner Hogwarts' standen auf den Zinnen des Schlosses und sahen mit offenen Mündern zu. Keiner von ihnen hatte jemals so etwas gesehen. Unklar war ihnen, ob die Drachen freundlich oder feindlich gesinnt waren. So blieben die meisten in Reichweite der Treppen und Türen um im Notfall fliehen zu können. Auch als sich die ersten der riesigen Reptilien auf die Todesser vor dem Schloss stürzten blieb die Sorgen. Vielleicht machten sie nur den Anfang und würden sich dann den Schlossbewohnern zuwenden.
Nur drei Personen zeigten nicht den geringsten Anflug von Angst.
Luna Lovegood stand dicht an der Brüstung und strahlte über das ganze Gesicht. Endlich würde niemand mehr sagen, dass sie verrückt war, wenn sie erzählte einen Drachen gesehen zu haben.
Professor Dumbledore hatte ein Lächeln im Gesicht, dass aber von leichtem Erstaunen durchsetzt war. Auch er hatte die Drachen noch niemals gesehen und wie alle anderen konnte er sich ihrem Zauber nicht entziehen.
Harry fühlte nichts als Freude. Sie waren gekommen! Sie waren gekommen um ihnen zu helfen! Und so viele! Er wusste von Charlie, dass ein Schwarm zwischen acht und zwölf Drachen umfasste. Bei der Anzahl der hier versammelten Echsen bedeutete das, dass mindestens drei Schwärme gekommen waren! Das war unglaublich! Üblich waren Teile oder maximal ein kompletter Schwarm. Gleich drei! Das bedeutete, dass es den Drachenreitern diesmal ernst war mit ihrer Hilfe. Während er den Angriff beobachtete, wurde ihm schnell klar, dass das scheinbare Chaos eine geordnete Kampfformation war. Kein Drache behinderte einen anderen. Niemand war wo er nicht sein sollte. Größere Beute wie die Trolle wurde systematisch von zwei Drachen in die Enge getrieben und erlegt. Harry war begeistert. Er hatte sie noch nie kämpfen sehen, aber so hatte er es sich vorgestellt.
Er beugte sich weiter vor und versuchte einzelne Drachen zu erkennen.
Da war Blade. Ginnys großer, stahlblauer Drache hatte sich einen der Trolle vorgenommen und jagte ihn unbarmherzig über das sandige Seeufer.
Ein zweiter dunkelblauer Drache mit hellen Flecken schoss über das Wasser auf Blade zu und schnitt dem Troll den Weg ab. Das war Freckles, Simons' Reittier. Pauls Dawn strich dicht am Turm vorbei und brachte die Zuschauer dazu erschrocken zurückzuweichen. Harry glaubte fast die funkelnden braunen Augen des Drachenreiters sehen zu können. Er hob die Hand und winkte seinem Freund eine Gruß zu.
Flame, dessen blutrote Schuppen vom Licht der Sonne scheinbar in Flammen gesetzt wurden strich tief über den Boden und zerriss mit seinen Klauen die Linien des Pentagramms. Charlies Drache ließ die Todesser die sich in den Bannkreis geflüchtet hatten nach allen Seiten davonstürzen.
Ein junger hellgrüner Drache näherte sich dem Turm mit hoher Geschwindigkeit, drehte kurz vor dem Aufprall ab und hielt dann seinen Position unmittelbar neben der Brüstung. Seine Reiterin schob ihren Schal zur Seite und Harry erkannte erstaunt Stellas lachendes Gesicht. Sie streckte ihm die Hand hin:
„Spring auf!"
In ihren Augen funkelte Übermut und Unternehmungslust.
Harry sah sie einen Moment lang unsicher an, dann stieg er auf die Mauer und ließ sich von ihr auf den Rücken des Drachen ziehen. Er schlang beide Arme um ihr Taille und spürte das vertraute Kribbeln im Bauch, als die Echse sich wieder in den Wind fallen ließ.
„Wer ist das? Wo ist Jinxy?"
Er musste brüllen um sich über den allgemeinen Lärm und das Rauschen des Windes verständlich zu machen.
„Jade! Sie ist Jinx' Tochter. Mein altes Mädchen ist zu Hause! Aber lass uns später reden!"
„OK! Schön dass ihr gekommen seid!"
Es war unglaublich, auf dem Rücken eines Drachen Todesser zu jagen. Nicht mal das Knirschen brechender Knochen und die Todesschrei konnten Harry die Laune verderben. Diese Schweine hatten den Tod hundertfach verdient!
Dann wurden seine Augen von einem silbergrünen Aufblitzen am Rand des verbotenen Waldes abgelenkt. Harrys Herz setzte einen Schlag aus. Er brauchte nicht zweimal hinzusehen um dieses Tier zu erkennen.
Ashes.
Dracos Drache jagte einem weiteren Troll hinterher, der versuchte sich in den Wald zu flüchten. Eric und sein weißer Drache Storm hielten ihn von der anderen Seite in Schach. Harry wand den Blick ab und versuchte seine plötzliche Panik zu unterdrücken. Nicht mehr lange und dann würde er Draco gegenübertreten müssen. Eine Begegnung, vor der er sich fürchtete.
Schließlich waren die Todesser besiegt. Innerhalb einer knappen Stunde hatten die Drachenreiter ohne eigene Verluste fast jeden einzelnen von ihnen zur Strecke gebracht, ebenso wie die Trolle und Dementoren. Die wenigen, die entkommen konnten wurden noch eine Weile gejagt und dann ihrem Schicksal im Verbotenen Wald überlassen.
Die Drachenreiter sammelten sich über den Resten des Bannkreises und teilten sich dann auf. Eine kleine Gruppe löste sich aus dem Hauptschwarm und flog auf das Schloss zu, während der Rest auf der Wiese und in den Klippen rund um den See landete.
Drei der Größeren blieben in der Luft und fingen sofort an die schweren Felsbrocken vor dem Haupttor zu entfernen.
Harry war leicht schwindelig. Er saß noch immer hinter Stella und klammerte sich an der Drachenreiterin fest. Von Jades Rücken aus konnte er sehen, wie Flame, Ashes, Dawn und ein silberner Drache, den er nicht kannte auf dem Turm landeten. Ihre Reiter stiegen ab und schickten die Tiere dann zu ihren Gefährten. Harry sah, wie die vier Drachenreiter von Dumbledore begrüßt und ins Schloss geführt wurden. Ein Teil der Zuschauer folgte ihnen in gebührendem Abstand.
Stella wartete noch einen Augenblick, dann ließ sie Jade auch auf den Zinnen landen und sprang von ihrem Rücken. Sie zwinkerte Luna zu und half Harry dann abzusteigen. Kaum berührten seine Füße den Boden zog sie ihn in eine feste Umarmung.
„Schön dich wiederzusehen, Kleiner. Wie geht es dir?"
„Gut. Ich bin noch am Stück, wie du siehst. Und du?"
„Naja, du weißt ja, ich bin mit einem Besessenen verheiratet und leben unter Verrückten. Man mach halt das beste daraus!"
Sie trat einen Schritt zurück und grinste ihn breit an.
„Wie geht's meinem Freund Ben?"
„Frech wie immer. Der darf jetzt seinem Onkel auf den Keks gehen, während Mummy und Daddy weg sind."
„Ja, das sieht dir ähnlich. Den armen Greg quälen. Wo er doch schon die beiden Kröten am Hals hat. Gin ist ja auch hier, hab ich gesehen. Warum ist sie nicht mit raufgekommen?"
Stella legte ihm eine Arm um die Taille und zusammen folgten sie langsam den übrigen ins Schloss. Nur Luna blieb zurück und beobachtete mit verträumten Augen die Drachen.
„Mein geliebter Ehegatte, der auch unser furchtloser Anführer ist, wie du weißt, wollte, dass erst mal nur die Schwarmführer also Paul, Angie und Dray mit ins Schloss kommen. Nicht zuviel des Guten. Ich sollte eigentlich auch nicht hier sein, aber ich musste dich ja wieder absetzen."
„Der silberne war Angelinas Drache? Ich hab sie gar nicht erkannt. Hatte sie nicht sonst einen anderen Drachen? Einen roten?"
„Ja, Blaze ist im Frühling gestorben, kurz nachdem du weg warst. Frost ist noch recht jung und war noch nicht oft aus dem Hort weg. Genau wie Jade."
„Aber Jinxy lebt doch noch, oder?"
Stella lachte. „Ja, keine Angst. Aber der Krieg ist kein Ort für alte Drachen, die nicht mehr hundertprozentig fit sind. Amber musste diesmal auch im Hort bleiben." Sie warf ihm einen Seitenblick zu.
„Amber." murmelte er gedankenverloren. Dann, leiser: „Wie geht es ihm?"
„Gut. Er war damals ziemlich enttäuscht, dass du nicht auf ihn gewartet hast."
„Hat er etwas gesagt? Über meinen Brief... oder so?"
„Nein. Er spricht überhaupt nicht über dich. Zumindest nicht mit mir. Harry?"
Sie blieb stehen und sah zu ihm hoch. In ihren dunkelbraunen Augen lagen Sorge und leichte Verwirrung. „Was ist zwischen euch vorgefallen? Ihr schient zu glücklich zu sein und plötzlich... Ich habe den Eindruck, dass mehr dahinter steckt, als ich sehe. Mit Dray zu sprechen ist vergebliche Liebesmüh, er ist stur wie ein Maulesel. Ich habe ihn einmal auf dich angesprochen und nur einen Blick geerntet, der Lava hätte gefrieren lassen. Ich fühle mich schuldig, weil ich dich damals fortgebracht habe, obwohl ich weiß, dass du andere Wege gefunden hättest, wenn ich mich geweigert hätte."
„Es hat nichts mit dir zu tun. Es... ich fürchte, es ist allein meine Schuld. Ich habe unsere Beziehung beendet und das nicht unbedingt auf die feine Art. Aber ich habe diese Entscheidung ganz bewusst getroffen und ich habe meine Gründe dafür. Ich wollte einer Konfrontation mit ihm aus dem Weg gehen, aber das kann ich jetzt wohl vergessen. Mach dir keine Gedanke, Stella."
„Gut. Du weißt vermutlich am besten, was du willst. Aber tu ihm nicht weh. Er hat schon genug leiden müssen in seinem Leben."
Harry nickte. Das war leichter gesagt als getan.
Eine Weile waren sie still und gingen langsam durch die hohen Gänge. Wenn sie Schlossbewohnern begegneten, wurde Stella neugierig angestarrt, aber keiner sprach sie an.
Schließlich erreichten sie die große Halle.
Hier herrschte helle Aufregung. Die Drachenreiter waren allem Anschein nach zusammen mit Professor Dumbledore in dessen Büro verschwunden und ließen niemanden dort hinein. Als Harry jetzt mit einer der Fremden am Arm hereinkam war er sofort Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Die meisten hatten gesehen, wie er zu der Frau auf den Drachen gestiegen war und ihnen war inzwischen klar, dass er die Fremden kannte.
„Harry! Was war das denn für ein Auftritt da draußen? Ich bin fast die Treppe runtergefallen vor Schreck. Also ich kann dir sagen... Oh, hallo." Ron hielt mitten im Satz inne und sah die Drachenreiterin halb neugierig, halb verlegen an.
Harry grinste.
"Ron, darf ich dir meine Freundin Stella vorstellen. Stella, dass ist Ron Weasley, mein bester Freund."
Stellas Augen leuchteten, als sie den Namen Weasley hörte. Sie streckte Ron die Hand hin und schenkte ihm ein warmes Lächeln.
„Hallo, Ron. Ich hab schon eine ganze Menge von dir gehört."
„Echt?"
„Ja. Sind deine Eltern auch hier? Ich würde sie sehr gern kennen lernen."
Ron klappte der Unterkiefer runter.
„Meine Eltern? Warum?"
„Naja, weil ich auch von ihnen schon einiges erzählt bekommen habe. Aber ich denke, dass kann auch bis später warten, wenn der Zeitpunkt jetzt schlecht ist."
„Äh nein, nein. Komm ruhig mit." Er ging ihr voraus zum Tisch, an dem Arthur und Molly zusammen mit Hermine und den Kindern saßen und Tee tranken um die Aufregung des Nachmittags zu verarbeiten.
„Mum, Dad, das ist Stella... ich weiß nicht wie sie weiter heißt, eine Freundin von Harry und eine von den Drachenreitern. Sie wollte euch kennen lernen. Das sind meine Eltern, meine Frau Hermine und meine Kinder Lex und Jamie."
Stella gab erst Arthur und dann Molly die Hand und lächelte beide offen an. Harry konnte die Tränen in den braunen Augen glitzern sehen. Wenn die Weasleys gewusst hätten, dass sie ihrer Schwiegertochter die Hand gaben... Aber das würden sie jetzt sicher bald erfahren.
Stella setzte sich neben Hermine und streichelt dem kleinen Jamie sanft über den Kopf.
„Hallo, kleiner Mann. Wie alt ist er?"
„Fast sechs Monate."
„Sie sind süß, wenn sie so klein sind. Meiner ist sieben und treibt mich manchmal in den Wahnsinn. Aber ich würde ihn für nichts in der Welt hergeben."
Harry setzte sich zu Ron und bald waren alle in eine lebhafte Unterhaltung vertieft. Stella hatte das Talent die Menschen für sich einzunehmen. Niemand misstraute ihr. Sie war einfach ein Sonnenschein, den jeder sofort lieb gewann.
Eine halbe Stunde später kam Seamus in die Halle gerannt.
„Das Tor ist wieder auf!"
„Dann seht zu, dass was zu essen auf den Tisch kommt! Dumbledore hat gesagt, wir sollen die Drachenreiter mit aller Gastfreundschaft empfangen."
Hermine gab Jamie an Molly weiter und klatschte auffordernd in die Hände.
„Na, das brauchst du mir nicht zweimal sagen, Süße! Immerhin haben die uns verdammt noch mal den Arsch gerettet!"
„Seamus Finnegan! Kein Grund gleich ausfallend zu werden!"
„Ach Herminchen, krieg dich mal wieder ein! Oh, da ist ja schon jemand. Hi, ich bin Seamus."
„Simon. Ich hab gehört, hier gibt es was zu essen?"
„Klar, setzt dich einfach irgendwo hin. Ich glaub da drüber ist schon eine von deinen Leuten."
„Ach ja, Stella."
Simon schlenderte durch die Halle und piekste Harry seinen Zeigefinger in der Nacken.
„Na du. Alles klar?"
„Simon. Wie geht's dir?"
„Kann nicht klagen."
„War ja wieder klar. Kaum gibt es was zu futtern, steht Simon O'Leary auf der Matte."
„Wer war denn zuerst da, Herzchen? Wegen der Aktion mit Harry vorhin kriegst du übrigens garantiert noch eins aufs Dach. Unser furchtloser Anführer war ganz und gar nicht amused."
„Jaja. Aber als sein geliebtes Eheweib hab ich Heimvorteil. Den alten Brummbär krieg ich schon in den Griff."
„Alter Brummbär! Das ist gut!"
Harry grinste in sich hinein. Innerhalb kürzester Zeit schafften es die Drachenreiter sich wie zu Hause zu fühlen. Während andere schüchtern herumgestanden hätten, unsicher wie sie sich an einem fremden Ort unter fremden Menschen verhalten sollten, besorgt, keine unsichtbaren Grenzen zu überschreiten, machten die Bewohner der Dracheninsel es sich bequem, krempelten sprichwörtlich die Ärmel hoch und gingen zur Tagesordnung über. Plötzlich merkte er, wie sehr ihm dieser Haufen Verrückter in den letzten dreieinhalb Monaten gefehlt hatte.
Nach und nach kamen auch die anderen Krieger in die Halle. Sie verteilten sich auf die Tische, stellten sich den Bewohnern Hogwarts' vor und unterhielten sich bald, als wären sie schon seit Ewigkeiten Freunde. Harry wurden von allen begeistert begrüßt und Ron musterte seinen Freund mit wachsender Verwunderung.
„Simon O'Leary! Wo ist dieser dreimalverfluchte Dreckskerl! Ich bring dich um!" Ginny kam mit wehendem Pferdeschwanz und blitzenden Augen in die Halle gerauscht und sah sich suchend um.
Simon hob abwehrend die Hände:
„Hey, jetzt mal langsam, Gin. Wenn es wegen Blades Sattel ist, ich kann das erklären."
Sie stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn wütend an.
„Ach ja? Da bin ich jetzt aber mal gespannt!"
„Naja, Freckles hatte halt Hunger und weil er den getrockneten Fisch in deiner Satteltasche gerochen hat und da ran wollte, hat er den Sattel ein bisschen angeknabbert..."
„Ein bisschen? Der Sattel ist total hinüber! Kannst du mir mal sagen, wie ich jetzt zurückreiten soll? Nur weil deine zu groß geratene Eidechse genauso verfressen ist wie du. Und..."
Sie hielt mitten im Satz inne. Ihre Augen waren an Molly hängen geblieben.
„Mum?" hauchte sie.
Molly sah die fremde Frau verständnislos an.
„Kennen wir uns, mein Kind?"
„Mum, ich bin Ginny. Deine Tochter."
Ron gab einen Laut von sich, als würde er ersticken.
„Ginny?" krächzte er.
„Ron!" Sie warf sich aufschluchzend in seine Arme.
In diesem Moment schienen auch Molly und Arthur zu begreifen, dass diese schöne, fremde Frau wirklich ihre Tochter war. Sie sprangen auf, schlagen ihr Arme um Ginny, die noch immer ihren Bruder umklammert hielt und zogen beide fest an sich.
„Es tut mir so leid! Es tut mir so leid, dass ich euch solchen Kummer gemacht habe! Ich wünschte ich hätte euch sagen können, dass ich lebe!"
„Nein, mein Liebes, mein Engel, mach dir keine Vorwürfe! Du lebst, das ist alles was zählt."
Arthurs Stimme war belegt, Molly bekam vor lauter Schluchzen kein Wort heraus. Sie streichelt immer wieder über Ginnys tränennasses Gesicht, als wollte sie sich vergewissern, dass das kein Traum war.
Hermine sah Harry an. Sie hatte Tränen in den Augen.
„Wusstest du davon?" flüsterte sie.
„Ja. Aber ich durfte nichts sagen. Tut mir leid." gab er ebenso leise zurück.
Ginny ließ sich von ihren Eltern drücken und küssen und befreite sich schließlich sanft aus ihrer Umarmung.
„Ich bin so froh, dass es euch gut geht. Harry hat mir schon einiges von dem erzählt was hier inzwischen passiert ist. Hermine!"
Sie umarmte ihre Schwägerin vorsichtig, um Jamie nicht zu erdrücken, der wieder in seinem Tragetuch vor Hermines Oberkörper hing. Dann zwinkerte sie Harry und Stella zu und setzte sich schließlich zwischen ihre Mutter und Ron. Molly schien noch immer sprachlos und berührte ihre Tochter immer wieder ungläubig.
Plötzlich erstarb das breite Grinsen auf Rons Gesicht. Er sah Harry scharf an:
„Heißt das, du wusstest, dass sie lebt? Du wusstest es und hast uns nichts gesagt? Wie konntest du das tun? Wie konntest du nur? Und ich hab gedacht, du wärst mein Freund!"
Harry öffnete den Mund um sich zu verteidigen, aber Ginny war schneller:
„Er durfte nichts sagen, Ron! Er musste schwören zu schweigen, sonst hätte er die Insel nicht verlassen dürfen. Charlie versteht keinen Spaß, was das angeht!"
„Charlie?" Arthurs Stimme zitterte.
„Ja. Mum, Dad, Charlie ist auch am Leben. Er ist im Moment oben in Professor Dumbledore's Büro. Er wollte es euch eigentlich selbst sagen, aber ich finde, ihr habt lange genug leiden müssen. Stella hier ist seine Frau."
Stella schenkte den überwältigten Weasleys ein warmes Lächeln, blieb aber sitzen. Sie waren schon jetzt kaum in der Lage aufzunehmen, was ihnen offenbart wurde, so dass sie sich jetzt kaum mit ihrer neuen Schwiegertochter befassen konnten. Molly streckte dennoch den Arm über den Tisch und nahm Stellas Hand.
„Ich wusste gleich, dass ich dich mögen würde, mein Kind."
Ihre Stimme war noch immer halberstickt von Tränen, aber sie strahlte über das ganze Gesicht.
Arthur räusperte sich:
„Gibt es sonst noch etwas, das wir wissen sollten?"
„Naja, ihr habt irgendwo noch drei Enkelkinder rumspringen. Stella und Charlie haben einen siebenjährigen Sohn und ich habe auch einen Mann und zwei fast fünfjährige Töchter. Ron und Hermine müssten meinen Mann sogar kennen. Erinnert ihr euch noch an Greg Goyle?"
Ron prustete seinen Tee quer über den Tisch. Harry schaffte es gerade noch in Deckung zu gehen.
„Goyle? Du und Goyle? Das glaub ich nicht!"
Harry grinste: „Glaub's ruhig. Ich hab sie zusammen gesehen. Ist gar nicht so merkwürdig, wenn man sich mal dran gewöhnt hat."
„Na herzlichen Dank! Ich wusste nicht, dass wir ne Jahrmarktsattraktion sind!"
„Was ist mit den Zwillingen? Fred und George? Weißt du was über sie?"
Ginny senkte den Kopf. „Nein. Wir haben nur gehört, dass sie verschwunden sind. Tut mir leid, Dad."
Arthur nickte, dann straffte er die Schultern.
„Nun ja, wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Das haben wir ja heute gemerkt. Charlie und dich wiederzusehen hätten wir uns schließlich auch niemals träumen lassen!"
Der Rest des Nachmittags verging wie im Fluge, während sie sich gegenseitig ihre Erlebnisse der letzten Jahre schilderten. Ginny und Stella erzählten von Ben, Tash und Mona, Ginny schilderte wie Charlie sie damals vor den Todessern gerettet hatte und Stella berichtete wie sie ihren Mann kennen gelernt hatte und wie sie gemeinsam auf die Dracheninsel geflohen waren. Ron verzieh Harry sein Schweigen und Ginny wurde von allen Seiten stürmisch und ungläubig begrüßt.
--
Professor Dumbledore's Büro, derzeitiges Hauptquartier des Phönixordens war mit acht Personen fast bis zum Bersten gefüllt. Severus Snape lehnte gegen den Rahmen der Tür und musterte die Anwesenden mit einer Mischung aus Langeweile und Verachtung. Diese Treffen gingen im von Mal zu Mal mehr auf die Nerven. Dass Dumbledore ihn jetzt zwang an der Unterredung mit diesen Drachenbändigern oder wie sie sich nannten teilzunehmen, ging ihm gewaltig gegen den Strich. Lieber wäre er jetzt allein in seinem eigenen Büro. Da war es wenigstens still und kühl.
Minerva McGonagall gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Sie wusste nicht so recht was sie von den Neuankömmlingen halten sollte. Vier von ihnen, drei Männer und eine Frau waren vom Schulleiter gebeten worden mit in sein Büro zu kommen. Jetzt saßen oder standen sie herum und schienen darauf zu warten, dass jemand das Gespräch eröffnete. Die Lehrerin ließ ihren strengen Blick über die Fremden gleiten. Drei von ihnen kamen ihr vage bekannt vor, auch wenn sie nicht einordnen konnte woher. Der erste, offenbar der Anführer dieser Leute hatte flammrotes Haar eine verschwenderische Anzahl von Sommersprossen und wäre ohne Schwierigkeiten als Weasley durchgegangen. Vielleicht ein entfernter Cousin oder etwas ähnliches. Er saß mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem der Besucherstühle und unterhielt sich leise mit einem seiner Begleiter. Dieser lehnte mit verschränkten Armen an der Lehne eines zweiten Stuhls und warf ab und zu forschende Blicke auf die anwesenden Mitglieder des Ordens. Ein dicker, hellblonder Zopf hing über seine linke Schulter und reichte fast bis auf den Gürtel, die hellgrauen Augen waren eine Spur zu kühl und gaben ihm ein irgendwie unmenschliches Aussehen. Auch sein Gesicht glaubte sie schon einmal gesehen zu haben, konnte sich aber beim besten Willen nicht erinnern wann und wo. Auf dem Stuhl, an dem der blonde Mann lehnte, saß ein junge, dunkelhäutige Frau. Sie hatte die Augen geschlossen und den Kopf leicht gegen die Schulter des dritten Mannes gelehnt, der auf der anderen Seite ihres Stuhls auf der Armlehne saß. Dieser hatte kurze pechschwarze Haare, braune Augen und hatte der Lehrerin beim Hereinkommen freundlich zugelächelt. Sie war sich sicher, dass sie ihn zumindest noch niemals gesehen hatte.
Sie ließ ihren Blick weiter wandern. Remus Lupin saß auf seinem üblichen Platz auf der Fensterbank hinter dem Schreibtisch und unterhielt sich mit Kingsley Shacklebolt, beide schienen ebenso über die Fremden zu grübeln wie sie selbst. Severus hatte noch keine Schritt weiter in den Raum gemacht sondern stand mit seiner gewohnten, sauertöpfischen Miene an der Tür. Professor Dumbledore hatte sich kurz entschuldigt und war noch immer nicht zurückgekommen.
Ein herzhaftes Gähnen lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Gäste. Die Frau war aufgestanden und streckte sich jetzt ausgiebig wie ein Katze nach einem Schläfchen. Der rothaarige Mann sah sie fragend an:
„Wo willst du hin, Angie?"
„Keine Panik. Ich muss mich nur mal ein bisschen hinstellen, sonst schlaf ich gleich ein. Es ist furchtbar warm hier drin."
Sie bemerkte Minervas Blick, warf ihr ein entschuldigendes Lächeln zu und kam dann langsam zu ihr geschlendert.
„Professor McGonagall. Wie geht es Ihnen?"
„Entschuldigung. Aber ich bin mir nicht so ganz sicher, woher ich Sie kenne, mein Kind. Ich habe im Laufe der Jahre soviel Schüler gehabt. Sind Sie hier zur Schule gegangen?"
„Ja. Angelina Wood. Ich hab vor..., wie viel?... zehn Jahren meinen Abschluss gemacht. Mein Mädchenname ist Johnson."
„Du meine Güte, ja. Sie waren mit Oliver Wood verheiratet, nicht wahr?"
Angelina lächelte wehmütig.
„Ja. Das war ich. Er ist jetzt fast fünf Jahre tot."
„Erinnern Sie sich denn noch an mich, Professor? Verwandlung war immer mein Lieblingsfach. Ich hätte alles dafür gegeben ein Animagus zu werden."
Der rothaarige Mann hatte sich in seinem Stuhl umgedreht und grinste sie fröhlich an.
„Ich muss sagen, dass mir Ihr Gesicht sehr bekannt vorkommt. Ich würde fast vermuten, dass Sie ein Mitglied der Weasleyfamilie sind. Ein Cousin vielleicht? Oder ein Neffe von Arthur?"
„Fast. Ich bin Charlie. Arthur und Mollys zweitältester Sohn."
Es polterte leicht, als Remus von der Fensterbank sprang.
„Aber Charlie wurde schon vor Jahren für tot erklärt. Wie ist das möglich?"
„Naja, ich bin zäher als man denken würde."
Professor McGonagall wand ihren Blick den beiden übrigen Besuchern zu, die bisher geschwiegen hatten.
„Sie habe ich noch nie in meinem Leben gesehen, nicht wahr?"
„Richtig, Ma'am. Paul Kelly. Freut mich sie kennen zulernen."
„Er ist mein Schwager." fügte Charlie hinzu, als ob das alles erklären würde.
Minervas Augen blieben an dem letzten der vier hängen.
„Aber Sie kenne ich. Auch wenn mir nicht einfallen will, woher."
Ein weiches Lächeln erschien auf dem blassen Gesicht, ließ das Eis in den hellen Augen schmelzen.
„Ja, Sie kennen mich, Professor. Obwohl Sie mich vermutlich nicht in allerbester Erinnerung haben werden."
Sie legte den Kopf leicht zur Seite und sah ihn genauer an. Diese Augen! Irgendetwas in diesen Augen kannte sie. Ebenso wie den Tonfall der Stimme. Sie schüttelte den Kopf.
„Nein. Tut mir leid. Ich komm nicht drauf."
Das Lächeln vertiefte sich.
„Draco Malfoy."
„Das ist eine Lüge!"
Alle Augen richteten sich auf Snape der bisher schweigend an der Tür gelehnt hatte. Jetzt stand er kreidebleich da und starrten sie an.
Die Unterhaltung hatte ihn entsetzlich gelangweilt, auch wenn er erstaunt zur Kenntnis nahm, dass hier gleich mehrere Opfer der Todesser wieder zum Leben erwacht schienen. Anscheinend hatte da mal wieder jemand beim erzählen maßlos übertrieben. Dann behauptete einer der Fremden Draco Malfoy zu sein. Severus hatte das Gefühl plötzlich zu ersticken. Die Erinnerung sprang ihn an und schlug unbarmherzig zu. Das war unmöglich! Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie der Drache Draco getötet hatte... Der Drache... Drachenreiter... Plötzlich fügten sich die Puzzelteile zusammen. Nicht Voldemort hatte den Drachen beschworen. Jemand hatte das Tier geschickt. Jemand der gewusst hatte, was auf der Waldlichtung geschah. Er starrte Draco entgeistert an.
Der ehemalige Slytherin ging langsam auf den Zaubertranklehrer zu.
„Professor?"
Dann geschah etwas, dass niemand für möglich gehalten hätte: Severus Snape fing an zu weinen. Die Panik von damals und die Schuldgefühle, die ihn während der letzten sechs Jahre niemals losgelassen hatten verdrängten jedes Gefühl für Würde oder Stolz. So stand der kaltschnäuzige, scheinbar so herzlose Lehrer jetzt mit gesenkten Kopf da, die Arme fest um den Oberkörper geschlungen und jeder konnte das Zittern seiner Schultern sehen und hörte die unterdrückten, abgehackten Schluchzer.
„Es tut mir leid." murmelte er. „Ich hätte das nicht zulassen dürfen! Ich hätte etwas unternehmen müssen!"
„Es ist nicht Ihre Schuld, Professor. Sie hätten mir nicht helfen können."
Minerva und Remus wechselten erstaunte Blicke. Sie beide hatten Draco Malfoy als verzogenen, unverschämten Egoisten in Erinnerung, der nichts auf die Gefühle anderer gab. Weder der besorgte Gesichtsausdruck, noch der warme, beruhigende Tonfall seiner Stimme passten zu diesem Bild.
Snape hob den Kopf. „Wie kannst du das sagen? Wie kannst du mir so einfach vergeben, dass ich stumm zugesehen habe, statt einzugreifen."
„Es gibt nichts, was ich Ihnen verzeihen muss. Aber Sie sollten sich selbst vergeben. Sie haben damals nicht nur Ihr Leben gerettet. Ich hatte nichts zu verbergen, aber Sie hätten zu viele Dinge gewusst. Sie haben durch ihr Schweigen viele Leben bewahrt. Und ich lebe ja auch noch. Machen Sie sich keine Gedanken."
Bevor Snape antworten konnte öffnete sich die Tür und Professor Dumbledore kam zurück.
„Oh wie schön, Sie haben sich ja schon alle miteinander bekannt gemacht. Dann können wir ja jetzt über wichtige Dinge sprechen. Bitte setzen Sie sich doch."
--
„Harry! Hast du gesehen, draußen ist alles voller Drachen?"
„Ach Justin, sag bloß? Das haben wir auch schon gemerkt."
Ron unterdrückte ein Kichern. Harrys genervter Gesichtsausdruck, wann immer Justin in der Nähe war, war einfach zu schön.
Der Huffelpuff ignorierte den Sarkasmus und quetschte sich zwischen Harry und Simon auf die Bank. Einen Moment lang musterte er den blonden Drachenreiter von oben bis unten.
„Ich bin Justin Finch-Fletchley."
„Macht ja nichts. Hätte jedem passieren können." Simons trockene Antwort erntete diverse Grinsen und mühsam unterdrückt Lacher. Justin warf ihm noch einen hochmütigen Blick zu und wand sich dann an Harry.
„Kann ich heute bei dir schlafen? Ich fürchte mich, wenn diese Viecher da draußen sind. Du beschützt mich doch, oder?"
Er klammerte sich an Harrys Arm und sah ihn schmachtend an.
„Justin, lass mich los. Das ist echt peinlich. Du benimmst dich in letzter Zeit wie ein Kleinkind!"
„Neuer Freund, Harry? Du hattest aber schon mal nen besseren Geschmack."
Harry fuhr beim Klang der vertrauten Stimme herum. Angelina hatte eine Augenbraue hochgezogen und musterte Justin abschätzig.
„Hi Angie." Dann wanderte sein Blick weiter.
Hinter der dunkelhäutigen Drachenreiterin stand Draco. Sein Gesicht war unbewegt und Harry konnte beim besten Willen nicht erkennen, was der Slytherin dachte. Die silbernen Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt, aber daran war das Licht schuld, es lag keine Wut in ihnen.
Harry merkte, wie sein Herz zu rasen anfing.
„Hallo Harry."
Die Stimme war kühl, aber nicht unfreundlich. So würde man einen flüchtigen Bekannten begrüßen, jemanden, den man nicht gut kannte, der einem nicht besonders wichtig war.
Harry spürte einen Stich. Er hatte mit Wut und Ablehnung gerechnet. Doch diese kühle Gleichgültigkeit tat noch sehr viel mehr weh.
Er räusperte sich:
„Draco."
Angelina schnaubte. Ihr war das Zittern in Harrys Stimme nicht entgangen. Sie deutete auf das andere Ende des langen Tisches.
„Ich setz mich da drüben zu Eric und Stella. Kommst du mit, Dray?"
„Ja." Er warf Harry noch einen kurzen Blick zu und folgte ihr dann.
„Harry? Wer war das?"
„Draco Malfoy."
„Malfoy? Was will der denn hier? Ich dachte der wäre tot."
„Nein! Ist er nicht!"
„Schade eigentlich."
Harry merkte wie kalte Wut in ihm hochstieg.
„Was hast du gesagt? Nimm das sofort zurück!"
„Harry? Was ist denn auf einmal los mit dir?"
„Du bist so ein Riesenarsch, Justin!"
„Harry! Spinnst du? Warum bist du so gemein zu mir?"
„Weil du nur Scheiße laberst. Lass mich hier raus. Und nimm deine Finger weg!"
Harry kletterte an dem völlig verblüfften Justin und dem grinsenden Simon vorbei von der Bank und rannte aus der Halle. Er hatte plötzlich das dringende Bedürfnis nach frischer Luft.
--
Draco sah aus den Augenwinkeln wie Harry die Halle verließ und mussten den Impuls unterdrücken ihm zu folgen.
Eigentlich hatte er nach der Besprechung in Dumbledore's Büro nach Ashes sehen wollen, aber Angelina hatte ihn überredet erst etwas essen zu gehen.
Der Anblick von Justin, der an Harrys Arm hing und ihn anhimmelte hatte ihn fast dazu gebracht augenblicklich wieder umzukehren. Der Gedanke, dass Harry sich so schnell getröstet hatte und noch dazu mit Finch-Fletchley diesem fischgesichtigen Schleimer, war wie ein Schlag ins Gesicht. Zum Glück war es ihm relativ gut gelungen die Fassung zu bewahren und die Wut, die seit Monaten in seinem Inneren schwärte zu unterdrücken. Er war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch Harry zu schlagen und ihn hier vor allen Leuten bis zur Besinnungslosigkeit zu küssen. Stattdessen hatte er es geschafft kühl und gefasst zu bleiben.
„Hey, alles klar mit dir?" Stellas Stimme riss ihn aus seiner Grübelei.
„Was? Ja. Ich bin ok."
„Klär das! Denk an letztes Mal!"
„Das ist nicht wie letztes Mal."
„Egal. Klär es trotzdem. Schaff es aus der Welt, dann geht's dir besser."
„Das hab ich vor, glaub mir."
--
Zwei Tage später...
„Du-hu, Harry?"
Justin streckte seinen Kopf vorsichtig durch die Tür. Als keine Gegenstände geworfen wurden, öffnete er sie ganz und kam ins Zimmer.
Harry saß auf dem Bett und verdrehte genervt die Augen.
Die letzten beiden Tage waren so ruhig gewesen! Justin war beleidigt und hatte sich nicht bei ihm sehen lassen. Auch sonst hatten ihn niemand gestört.
Die Drachenreiter hatte rund um Hogwarts Posten bezogen und ließen niemanden auch nur in die Nähe des Schlosses. So konnten die Verteidiger der alten Schule sich zum ersten Mal seit langem wieder entspannen.
Molly und Arthur hatten ihr wieder vereinte Familie um sich gescharrt und schienen vor Glück und Freude zu strahlen.
Seamus hatte sich mit Simon angefreundet. Kein Wunder wie Harry fand, die beiden hatten einen ähnlich anstrengenden Sinn für Humor und die gleiche Einstellung was Treue anging.
Die übrigen Drachenreiter hatten sich über das Schloss verteilt und sich mit ihrer ihnen eigenen, unkomplizierten Art häuslich eingerichtet. Sie waren erst seit drei Tagen hier, schienen aber einfach dazuzugehören.
Mit Draco hatte Harry noch immer kaum ein Wort gewechselt.
Der Slytherin begegnete ihm mit distanzierter Höflichkeit, grüßte ihn, hatte heute morgen beim Frühstück sogar am selben Tisch, direkt gegenüber gesessen, aber davon abgesehen, beachtet er den Gryffindor nicht weiter.
Und das tat weh! Tat mehr weh, als alles was Harry bisher erlebt hatte. Noch vor drei Monaten hatte Draco ihn geliebt und jetzt schien er nur noch einer von vielen zu sein. Jemand den man sah und sofort wieder vergaß. Harry fühlte sich gedemütigt und verletzt und mehr als einmal hatte er den Wunsch verspürt den kühlen Slytherin an den Schultern zu packen und zu schütteln nur um eine Reaktion zu provozieren.
Die anderen behandelten Harry wie immer. Es war, als gehörte er dazu, obwohl er nur Gast auf der Dracheninsel gewesen war. Ohne zu wissen warum, fühlte er sich den Drachenreitern viel verbundener als seinen Freunden aus Hogwarts. Gleichzeitig hatte er Ron, Hermine und den übrigen gegenüber deswegen ein schlechtes Gewissen, fast als würde er sie dadurch verraten.
Seine Gedanken wanderten zurück zu Draco.
Gestern hatte der Slytherin sich lange mit Professor Snape unterhalten. Harry konnte sich denken, worum es ging, trotzdem wäre er gern dabei gewesen. Danach wirkte der Zaubertranklehrer so entspannt und ausgeglichen wie schon lange nicht mehr. Er lächelte Harry sogar kurz zu.
Die restliche Zeit verbrachte Draco wie auf der Drachenfestung auch meistens mit Ginny, Stella und Paul. Und dadurch jetzt auch mit Ron und Hermine. Harrys Gegenwart beachtete er nicht weiter.
Ron versuchte seit zwei Tagen herauszufinden, woher er den blonden Drachenreiter kannte. Dass er ihn kannte, war ihm klar, ihm fiel nur nicht ein woher. Wie üblich machten sich die anderen, allen voran Ginny und Charlie einen Riesenspaß daraus Ron dumm sterben zu lassen. Und das Erstaunlichste war, dass Hermine das Spiel mitspielte. Sie hatte Draco relativ schnell erkannt und nachdem sie ihn ein paar Stunden misstrauisch beäugt hatte, beschlossen, dass sie ihn nicht nach ihrer gemeinsamen Vergangenheit bewerten, sondern ihm eine zweite Chance geben würde.
Harry lächelte wehmütig. Er war sich ziemlich sicher, dass die beiden sich gut verstehen würden. Die Blicke, die er Draco zuwarf waren ihr ebenfalls nicht entgangen und Harry fürchtete sich schon jetzt vor dem Moment, da sie ihn zur Rede stellen würde.
Er wollte Draco nicht anstarren. Er wollte genauso kühl und unbeteiligt sein, aber scheiterte kläglich. Immer wieder sagte er sich, dass er schließlich die Beziehung beendet hatte, und dass es für sie beide so besser war. Leider glaubte sein Herz seinem Verstand nicht und so konnte er nicht verhindern, dass seine Augen immer wieder wie von selbst nach Draco suchten, und dass sein Puls zu rasen anfing und er einen dicken Kloß im Hals hatte, immer wenn sie ihr Ziel schließlich erreichten.
Zumindest war er während der letzten zwei Tage von Justin verschont geblieben. Er wollte allein sein mit seinem gebrochenen Herzen und sich nicht auch noch das sinnlose Geschwätz seines Ex anhören müssen.
Bis jetzt war ihm dieser Wunsch erfüllt worden. Doch jetzt stand der Grund für sein entnervtes Seufzen mitten im Zimmer, scharrte mit den Füßen und gab sich alle Mühe besonders zerknirscht zu wirken. Das Ganze sah so aufgesetzt und gestellt aus, dass Harry den Impuls unterdrücken musste ihm eine zu scheuern.
So klang seine Stimme auch wenig freundlich:
„Was willst du Justin?"
„Ich wollte dich fragen, ob wir uns nicht wieder vertragen wollen? Ich mag nicht mit dir streiten."
„Justin..." Weiter kam er nicht.
In diesem Moment flog die Tür auf und Harrys Herz setzte einen Schlag aus.
Im Türrahmen stand Draco und seine grauen Augen standen in Flammen.
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A/N: Bitte nicht hauen! Ich weiß, das ist ein böser Cliffhanger!
Aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Diese Szene ist einfach perfekt als Chapter-Ende.
Werd euch auch ganz bestimmt nicht lange zappeln lassen.
Oder vielleicht doch...
Nein! Nein, ich nehm alles zurück!
Bitte keine Flüche!
Bis bald!
Und betet, dass uns nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht, gell. ;o)
Eure Yulah
