Sorry, dass es wieder länger gedauert hat, aber ich hab im Moment nur wenig Zeit. Versuch trotzdem nicht so lange für den nächsten Upload zu brauchen.
Ich finde es wirklich unglaublich, wie viele Gedanken ihr euch macht. Echt klasse!
Tolotos? Ja, die Orkneys gehören zu Großbritannien, das weiß ich, aber die Dracheninseln sind noch mal ein paar Flugstunden von den Orkneyinseln entfernt und gehören NICHT zu GB, davon abgesehen, weiß Voldemort nichts von der Dracheninsel.
Dann will ich euch auch nicht länger zappeln lassen...
Viel Spaß!
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27.
Draco ließ Ashes auf den Zinnen der Festung landen.
Hermine war noch immer sprachlos. Die riesige alte Burg hatte sich beim Näherkommen als noch sehr viel größer entpuppt, als sie von Weitem gewirkt hatte. Als Draco ihr jetzt vom Rücken des Drachen half, konnte sie ihren Blick kaum auf eine Sache konzentrieren.
Menschen, die auf den Zinnen und im Hof herumliefen, Drachen, die überall saßen, landeten, starteten, oder einfach nur dicht über der Festung dahinflogen. Harry hatte versucht ihr den Anblick der Dracheninsel zu beschreiben, aber nichts hätte sie hierauf vorbereiten können.
„Mummy! Mummy! Mummy..."
Hermine fuhr beim Klang der hellen Stimme herum und sah ein Mädchen auf sich zurennen, dass unmöglich Lex sein konnte. Sie war in den letzten Wochen ein ganzes Stück gewachsen, trug ein neues, leuchtendgrünes Kleid, ihre roten Locken fielen ungebändigt um das kleine Sommersprossige Gesicht. In diesem Moment sah sie ihrem Vater ähnlicher als je zuvor.
Hermine fing ihre Tochter auf und wirbelte sie herum.
„Lexie! Meine süße Maus. Du hast mir ja so gefehlt!"
Sie drückte das Kind an sich und konnte nur mit Mühe ihre Tränen zurückhalten.
„Wie geht es dir Schätzchen?"
„Gut. Mummy sieh mal, das sind Mona und Tash. Sie sind meine allerbesten Freundinnen."
Hermine sah die beiden Mädchen an, die ihrer Tochter gefolgt waren und die jetzt mit Draco diskutierten. Sie sahen sich kein bisschen ähnlich, trotzdem sah man, dass sie Schwestern waren.
„Dray, dürfen wir auf Ashes in den Hort reiten?"
„Jetzt nicht, ihr Kröten. Später. Wo steckt euer Onkel?"
„In seinem Büro. Er ist sauer, weil Ben von der Treppe gefallen ist und sich den Arm gebrochen hat. Aber Celeste hat gesagt, dass er sich nicht so anstellen soll. Und dann hat Gran noch gesagt, dass er sich als Kind auch dauernd was gebrochen hat und dann haben alle gelacht, nur Onkel Charlie nicht. Weißt du, dass wir jetzt noch eine Grandma und noch einen Grandpa haben?"
„Ja, Krabbe. Weiß ich. Hermine? Kommst du mit? Wir sollten als Erstes mit Charlie reden."
„Ja." Sie setzte ihre zappelnde Tochter ab und fuhr ihr liebevoll durch die Haare.
„Ich geh wieder spielen, ja Mummy?"
„Mach das, mein Liebling. Wo ist denn dein Bruder?"
„Bei Tante Gin. Aber wo die ist, weiß ich nicht."
Bevor Hermine noch etwas sagen konnte, drehte sie sich um und rannte mit ihren beiden Cousinen über den Wehrgang davon.
Draco lachte. „Bist du jetzt beruhigt? Deinen Kindern geht es gut. Drei Wochen und sie sind genauso verwildert wie die Kinder hier."
„Ich kann es nicht fassen. Lexie war immer ein schüchternes Mamakind. Und jetzt ist sie ein kleiner Wildfang, der gar nicht schnell genug weg kann."
„Schlimm?"
„Nein. Ich bin froh, dass es ihr gut geht und dass sie offensichtlich glücklich ist. Eine Sorge weniger."
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Charlie saß in seinem Büro und traktierte einen Bogen Pergament mit einer abgesplitterten Feder. Tinte kleckste über den ganzen Tisch und besserte nicht unbedingt seine Laune. Er hatte sich fast zu Tode erschreckt, als Ben gestern Nachmittag von der Haupttreppe in den Hof gefallen war. Direkt einem nur halb gezähmten Hornschwanz vor die Klauen. Wenn Flame nicht gewesen wäre... Der große Rote hatte den halbwilden Drachen verjagt und so dem Jungen das Leben gerettet. Aber niemand schien das ernst zu nehmen.
Und dann die ständige Flut schlechter Nachrichten. Seid er Hogwarts vor drei Wochen verlassen hatte, kam mit jedem Drachenreiter, der heimkehrte eine weitere schlechte Botschaft. Harrys Entführung, das grauenhafte Schicksal, dass ihm offenbar drohte, die Suchtrupps, die erfolglos zurückkehrten. Hinzu kamen die üblichen Probleme, die er als Hauptmann der Drachenarmee zu lösen hatte: ein Drache, der im Revierkampf von einem Größeren getötet worden war, Streitigkeiten unter den Drachenreitern, eine Horde undefinierbares Ungeziefer, das Gregs Speisekammern verseucht und einen Großteil der Vorräte vernichtet hatte. Dazu die vielen Gäste, die in der Festung herumwuselten und den normalen Tagesablauf durcheinander brachten. Charlie hatte schon einen Teil der Flüchtlinge in den umliegenden Dörfern unterbringen müssen, aber auch dort fielen sie auf, wie karierte Hunde.
Als es jetzt an der Tür klopfte, gab er ein frustriertes Stöhnen von sich. Vermutlich kam da die nächste Hiobsbotschaft.
„Wer immer da ist, komm rein, wenn es unbedingt sein muss."
„Oh, welch überaus charmante Begrüßung. Wir freuen uns auch dich zu sehen, Charlie."
„Draco! Du meine Güte, wo kommst du denn auf einmal her?"
„Hm... Hogwarts? Was glaubst du wohl?"
„Und Hermine. Du bist auch da. Kommt rein. Setzt euch. Was gibt es Neues?"
Sie kamen seiner Aufforderung nach und ließen sich in die hohen Lehnstühle fallen, die vor dem Schreibtisch standen. Hermine sah sich in dem vollgestopften Raum um. Überall lag Zeug herum. Ihr Blick streifte einen schlichten, schmalen Schrank in einer Ecke des Zimmers. Ein seltsames Gefühl von Unwohlsein überkam sie. Schnell wand sie die Augen ab.
Draco schlug die Beine übereinander, lehnte sich zurück und gab sich für einen Augenblick ganz dem Gefühl hin zu Hause zu sein.
Charlie musterte ihn mitfühlend und besorgt. Er konnte nur versuchen zu ahnen, was im Moment hinter diesen kühlen, grauen Augen vorging.
„Wie geht es dir, Dray?"
„Frag nicht."
Der ältere Drachenreiter lehnte sich ebenfalls in seinem Stuhl zurück und verschränkte seine Hände im Schoß. Er kannte Draco gut genug, um nicht weiter zu bohren.
„Also. Warum seid ihr hier? Ich nehme mal an, es hat etwas mit Harry zu tun? Und bitte erzähl alles. Eine Stenofassung hab ich schon von Eric zu hören bekommen und keine Ahnung gehabt, wovon er redet."
Draco zog eine Augenbraue hoch und grinste. Erics Talent selbst die kompliziertesten Dinge in zwei Sätzen zu erzählen und dann seine Zuhörer verwirrter als zuvor zurück zu lassen, war in der gesamten Festung bekannt und gefürchtet.
„Ich denke mal, deine Frau oder deine Schwester haben dir eine etwas detailliertere Fassung geliefert als Eric, ich werd nicht alles noch mal erzählen. Aber du hast recht, es geht um Harry. Wir haben inzwischen einige Dinge herausgefunden, die uns hoffentlich helfen werden, ihn zu retten. Nachdem Gin, Stella und Eric weg waren, haben wir die gesamte Bibliothek in Hogwarts auf den Kopf gestellt. Das heißt, Hermine und der Rest des Phönixordens haben gesucht. Wie du weißt, sind sie dabei auf einige Hinweise über ein altes Buch voller dunkler Rituale gestoßen und wollten versuchen ein Exemplar zu finden. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich das Buch schon einmal gesehen hatte und bin ich zusammen mit Ron nach Malfoy Manor gegangen um dort danach zu suchen..."
„Ihr habt bitte WAS gemacht?"
Charlie sah Draco an, als hätte dieser den Verstand verloren.
„Du und mein Bruder seid in die sprichwörtliche Höhle des Löwen gegangen? Seid ihr von allen guten Geistern verlassen! Das darf einfach nicht wahr sein! Ihr hättet draufgehen können! Ich bin ja daran gewöhnt, dass Ron nicht für fünf Knut nachdenkt, aber ich kann nicht glauben, dass du so leichtsinnig, ach was, einfach schlichtweg wahnsinnig bist..."
Draco ließ den Ausbruch geduldig, mit unbewegter Miene über sich ergehen. Mit einer ähnlichen Reaktion hatte er gerechnet. Schließlich hatte Charlie sich atemlos gebrüllt.
„Bist du jetzt fertig? Du kannst dich wieder abregen. Wie du siehst, leb ich ja noch und Ron geht es auch gut. Darf ich jetzt weitererzählen oder willst du noch ein bisschen schreien?"
Charlie klappte ein paar Mal den Mund auf und zu.
Hermine fand, dass er große Ähnlichkeit mit einem Karpfen hatte. Es überraschte sie, wie kühl und gelassen Draco blieb. Sie hatte erwartet, dass er zur Eile drängen und Charlie mit zwei, drei kurzen Sätzen abspeisen würde. Stattdessen blieb er ruhig und erzählte der Reihe nach, als hätten sie alle Zeit der Welt und trotz des flapsigen Umgangstons konnte sie spüren, dass Draco den älteren der Weasleybrüder als Anführer respektierte.
Der hatte sich wieder etwas beruhigt.
„Also schön. Sprich weiter. Ich werde mir Mühe geben, ruhig zu bleiben."
„Na, das glaub ich noch nicht. Auf jeden Fall haben wir das Buch in der Geheimbibliothek meines Vaters gefunden und Ron konnte damit fliehen. Ich hab mich meinem Vater gestellt, um seinen Rückzug zu decken."
Charlie wurde blass.
„Hat er...?"
„Nein. Er hat mich nicht angerührt. Nur in seinen Kerker gesperrt. Dort hielt er bereits meine Mutter gefangen. Ich habe Ashes gerufen und dann das Zellenschloss geknackt. Leider hat Lucius unser Flucht bemerkt, bevor wir verschwinden konnten. Aber bevor du jetzt den nächsten Anfall bekommst, Ashes fand nicht gut, dass Lucius mich zu töten versucht hat und hat ihn gefressen. Anschließend hab ich ihn das Haus anzünden lassen. Nur zwei Todesser sind entkommen. In Hogwarts haben sich dann die Forschungstruppen an die Entschlüsselung des Buches gemacht."
Hermine sah Draco überrascht von der Seite an. Er hatte keine Silbe über die Zwillinge oder das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit verloren. Statt dessen sah er jetzt Charlie abwartend an.
Der schüttelte seufzend den Kopf.
„Scheint, als hättet ihr viel Spaß gehabt in letzter Zeit. Und? Was ist bei eurer Suche rausgekommen? Wisst ihr, wo Harry ist? Unsere Suchtrupps kommen nämlich ständig ohne Erfolg zurück. Wir haben alle möglichen und unmöglichen Orte abgesucht. So langsam weiß ich nicht, wo wir noch suchen sollten."
„Ihr wisst von dem Ritual?"
„Ja. Soviel hat Ginny erzählt. Seitdem stellt sie zusammen mit Stella und dem alten Snape die Bibliotheken und Archive auf den Kopf. Was hat es damit auf sich?"
„Nun, im Großen und Ganzen hat Dumbledore den Sinn des Rituals schon ziemlich genau beschrieben. Wir wissen jetzt wann und hoffentlich bald auch wo. Es wird in der Nacht der Sonnenwende zelebriert werden. Am 21. Juni also. Wir haben noch etwas mehr als 16 Tage."
„Das klingt erst mal gut. Was ist mit dem Ort?"
„Ein in England einzigartiger Ort großer Macht. In dem Buch ist von Energielinien die Rede. Kreuzungspunkte der Macht. Das hat Simon und mich sofort an die Quellen erinnert."
„Du meine Güte, ja! Da hätten wir auch drauf kommen können!"
„Ja. Das hab ich mir auch gedacht. Auf jeden Fall sind wir hier, wegen der Karten. Vielleicht können wir einen Ort ausfindig machen, auf den die Beschreibung passt. Zumindest einen Versuch ist es wert."
„Das auf jeden Fall. Ich bin beeindruckt, wie viel ihr geschafft habt. Gut. Was ist mit Simon? Ist er noch in Hogwarts?"
„Nein. Er folgt uns. Weil er einen Passagier hat, der mit Vorsicht behandelt werden sollte, haben wir nicht auf ihn gewartet."
Charlie nickte.
„Gut, gut. Ich bin froh, wenn ich euch wieder alle hier hab. Es macht mich leicht nervös, wenn ich nicht weiß, wo ihr euch rumtreibt. Hermine? Du hast noch kein Wort gesagt. Wie geht es dir?"
„Oh, Draco hat alles gesagt." sie sah den Slytherin herausfordernd an. Er hatte eben nicht alles gesagt. Aber sie würde sich nicht einmischen. Statt dessen fiel ihr etwas ein. „Ich hab hier aber noch einen Brief von Dumbledore."
Sie zog einen gefalteten Bogen Pergament aus der Hosentasche und reichte ihn Charlie. Der faltet das Blatt auseinander und nickte.
„Das habe ich erwartet."
Er legte die Nachricht auf den Tisch und Hermine gab einen überraschten Laut von sich. Der Bogen war leer, bis auf Dumbledore's Unterschrift, die in der Mitte prangte.
Charlie lachte.
"Schau nicht so entsetzt, Hermine. Dumbledore und ich haben dieses Zeichen ausgemacht. Er möchte mir damit sagen, dass es an der Zeit ist, die restlichen Bewohner Hogwarts zu evakuieren. Wir waren nicht sicher, auf welchen Wegen er diese Botschaft würde schicken können und darum haben wir uns diese unverfängliche Methode überlegt. Niemand, der einen Bogen Pergament mit Albus Dumbledore's Unterschrift abfängt, findet oder was auch immer, würde vermuten, dass das eine geheime Botschaft ist. Beziehungsweise, dass das die ganze Botschaft ist."
„Ihr wollt Hogwarts evakuieren?"
„Ja. Wir waren uns sicher, dass das über kurz oder lang nötig sein würde. Wir fliegen morgen mit dem ersten Sonnenlicht. Wenn alles glatt läuft, sind die Familien morgen Abend wieder komplett. Ich werde gleich alles Nötige veranlassen. Draco zeigt dir die Kartenarchive, Hermine, dann könnt ihr direkt morgen früh mit der Suche anfangen. Heute ist es wohl etwas zu spät dafür. Ich werde Stella sagen, dass sie dir ein Zimmer zuweisen soll. Ich denke mal, du bleibst hier in der Festung und gehst nicht ins Dorf."
Charlie stand auf und auch Hermine wollte sich erheben, aber Draco blieb sitzen..
„Charlie? Ich denke, es gibt da noch etwas, was ich dir erzählen sollte. Hermine erdolcht mich schon mit Blicken, weil ich es bis jetzt verschwiegen hatte. Vielleicht solltest du dich besser wieder setzen."
Der ältere Drachenreiter setzte sich langsam wieder hin.
„Ok... Was hast du angestellt? Ich bin auf alles gefasst."
„Ich hab gar nichts angestellt. Ich hab doch vorhin erwähnt, dass ich meine Mum im Kerker von Malfoy Manor gefunden habe..."
„Ja... Und?"
„Sie war nicht die einzige Gefangene."
Dunkle Ahnungen überkamen Charlie.
„Will ich wissen, was du zu sagen hast?"
„Ja. Der Passagier, den Simon mitbringt, ist George."
Charlie atmete langsam ein und aus. Seine Hände zitterten.
„Wie geht es ihm?"
„Gut."
Charlie nickte.
„Und Fred?"
Draco schüttelte den Kopf.
„Er war in der Zelle, aber schon seit mindestens einem Jahr tot."
Charlie schloss die Augen und atmete gezwungen ruhig und langsam.
„Oh Merlin, ich darf gar nicht darüber nachdenken. Wir wussten, dass wir die beiden wahrscheinlich niemals lebend wiedersehen würden, aber das ist... Entschuldigt, das ist ein bisschen viel auf einmal."
Einige Minuten war es totenstill im Raum.
Dann straffte Charlie die Schultern und hob den Kopf.
„George geht es soweit gut, sagst du?"
„Körperlich jeden Tag besser. Aber seine Seele... Ron fürchtet, dass er sich etwas antun könnte. Ich hab ihm geraten sich nicht einzumischen."
Charlie lachte bitter.
„Lass mich raten, er ist ausgeflippt."
Hermine sah geschockt zwischen den beiden Männern hin und her.
„Dann stimmt es? Dann hast du Ron wirklich gesagt, er soll George sterben lassen? Ich konnte es nicht glauben, als er es mir erzählt hat!"
„Hermine. Beruhig dich wieder. Das ist etwas, dass du ohnehin nicht verstehen wirst. Ebenso wenig wie mein Bruder. Ich hätte Ron den gleichen Rat gegeben."
„Wenn er jetzt hierher kommt, wird das vielleicht nicht nötig sein..."
Dracos Augen wanderten zu dem Schrank in der Ecke.
Charlie folgte seinem Blick und nickte.
„Ja. Ich werde Celeste Bescheid sagen, damit sie sich um George kümmert, sobald er hier ist. Und vorerst kein Wort zu meinen Eltern. Ich denke, es ist besser, wenn er nicht sofort vom gesamten Clan überfallen wird. Ich werde es ihnen selbst sagen. So, wenn das alles ist. Ich haben noch einiges an Arbeit vor mir und ihr wollt euch sicher ausruhen."
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„Er hat es erstaunlich gefasst aufgenommen."
„Das ist nur Show. Er versteht es als seine Pflicht die Ruhe zu bewahren, egal was passiert. Wobei ‚Leute anbrüllen' durchaus in die Kategorie ‚Ruhe bewahren' fällt."
Draco lächelte leicht.
„Na komm. Du hast bestimmt Hunger."
„Ja. Aber ich würde gern erst nach Jamie sehen."
„Gin ist um die Zeit bestimmt auch in der Halle. Es ist Abendbrotzeit. Zumindest wirst du da jemanden finden, der dir sagen kann, wo deine Schwägerin sich rumtreibt."
Hermine nickte. Erst jetzt spürte sie, wie hungrig sie wirklich war. Das Frühstück in Hogwarts war schon eine ganze Weile her. Bis jetzt hatten die Sorge um ihre Kinder und die Anspannung ihre körperlichen Bedürfnisse völlig überlagert. Aber jetzt, wo Entscheidungen getroffen und Pläne gemacht worden waren, meldete sich ihr Körper. Hunger und Müdigkeit waren überwältigend.
„Ist es weit? Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lange ich noch laufen kann, bevor ich einfach umfalle und einschlafe."
„Keine Sorge. Ich bring dich auf dem kürzesten Weg hin."
„Harry hat mir erzählt, dass ihr ihn hier habt herumirren lassen, mit einer Karte, die nicht funktioniert hat."
Draco lachte bei der Erinnerung.
„Ja. Ginny hat ihm die Karte gegeben, ihm aber nicht verraten wie sie funktioniert. Ich hab ihn nach zwei Stunden eingesammelt, weil ich es nicht mehr mit ansehen konnte."
„Ich kann mir Ginny bildlich vorstellen. Und Harry, der völlig orientierungslos durch die Gegend irrt."
„Ja, es war lustig und unwahrscheinlich süß." Sein Lächeln wurde leicht wehmütig.
„Draco. Es wird alles wieder gut. Daran musst du glauben."
„Ich weiß. Ich weiß..." Den Rest des Weges über schwiegen sie. Hermine versuchte sich rein aus Gewohnheit den Weg einzuprägen, gab das aber bald auf. Diese Festung schien nur aus ineinander verschachtelten Gängen, kleinen Räumen, die nichts enthielte, Treppen, Durchgängen und Nischen zu bestehen. Wie Hogwarts, nur sehr viel größer und allem Anschein nach bewegte sich hier nichts. Schließlich erreichten sie eine breite Flügeltür, deren Oberfläche mit einem wunderschönen Relief aus ineinander verschlungenen Drachen verziert war. Hinter der Tür erstreckte sich ein weiter Saal, in dem mehrere Dutzend lange Tische standen. An einem der hinteren Tische entdeckte sie Stella, Ginny, Paul und Eric, dazu Lex, die Zwillinge und ein rothaariger Junge, der einen Arm in der Schlinge trug und darüber nur mäßig traurig schien. Er alberte mit den Mädchen herum, die kichernd mit Erbsen nach Eric warfen. In einem geschnitzten Hochstuhl, der am Kopfende des Tisches stand, thronte Jamie und sah mit begeistert blitzenden Augen seiner Schwester und den Cousinen zu.
„Mona-Lee Goyle! Das du mit Erbsen schmeißt, mag ja noch angehen, aber das Kartoffelpüree bleibt auf dem Teller oder wandert in deinen Mund!"
Die tiefe, Stimme mit dem leicht drohenden Unterton, der bei der rothaarigen Mona nicht die geringste Reaktion auslöste, gehörte einem wahren Riesen von Mann, der in diesem Moment an den Tisch trat.
„Hör besser auf deinen Vater, Krabbe, sonst kommst du noch in die Suppe."
Der Riese fuhr zu ihnen herum und sofort breitete sich ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht aus.
„Draco! Du bist zurück."
„Gute Beobachtungsgabe, Greg. Wie ist dir das nur aufgefallen?"
„Halt den Schnabel, Ginny."
„Du hast mir auch gefehlt, Dray. Hermine? Du meine Güte. Ist Ron auch hier?"
Hermine setzte sich auf den freien Platz neben Paul und lächelte Ginny an.
„Nein. Kannst du dir deinen Bruder auf einem Drachen vorstellen? Aber nach allem was Charlie gesagt hat, wird er wohl morgen Abend spätestens hier sein."
„Oh, dann evakuieren wir jetzt also?"
„Du kennst die Pläne?"
„Ja, Charlie hat uns sofort nach unserer Ankunft hier eine schnelle Evakuierung vorbereiten lassen. Er war sich ziemlich sicher, dass es früher oder später notwendig sein würde."
Stella wand sich an Draco.
„Was ist mit Harry? Gibt es Neuigkeiten?"
Er setzte sich zwischen die dunkeläugige Drachenreiterin und Greg Goyle und zog die Teekanne zu sich herüber.
„Ja. Wir haben einige sehr wertvolle Hinweise und sind auf dem besten Weg den Ort ausfindig zu machen. Den Zeitpunkt wissen wir inzwischen. Die Mittsommernacht. Darum auch die eilige Evakuierung. Dumbledore und Charlie wollen alle Kräfte an einem Ort konzentrieren. Sobald wir den Ort kennen, werden wir handeln müssen."
„Das ist gut. Dann habt ihr dieses Buch gefunden, von dem ihr gesprochen habt?"
Ginny wischte geistesabwesend Kartoffelbrei vom Tisch, während sie die Frage stellte.
„Ja. Wir haben es gefunden." Mit kurzen Sätzen erzählte Draco, was in den letzten Wochen geschehen war. Der Fund des Buches, die Befreiung von George und Narcissa, die Spurensuche und die ersten größeren Erfolge. Als er geendet hatte, schwiegen die anderen schockiert, erstaunt und nachdenklich. Greg hatte den Arm um seine Frau gelegt, die mit den Tränen kämpfte. Das Schicksal ihrer Brüder traf sie hart, der Gedanke, dass zumindest George am Leben war, machte die Nachricht leichter und gleichzeitig nur noch schwerer.
„Wann glaubst du, werden sie hier sein?"
„Ich weiß es nicht. Simon wollte sofort nach uns los, aber mit George kann er nicht sehr schnell fliegen. Wahrscheinlich wird er die Nacht über bei den Druiden auf Orkney bleiben. In der Nacht zu fliegen, mit einem so schwachen Passagier, ist riskant. Und Simon ist nicht dumm. Ich rechne erst morgen mit ihnen."
„Ich muss sofort mit Charlie reden. Wir müssen es Mum und Dad schonend beibringen. Auch wenn sie sich sehr freuen werden, wird Freds Tod sie dennoch schwer treffen. Auch wenn wir im Grunde alle Hoffnung aufgegeben hatten, ein Rest blieb immer. Greg, bringst du bitte die Mäuse ins Bett?"
„Och Mummy... so spät ist es doch noch gar nicht..."
„Keine Widerrede Natasha! Es ist Bettgehzeit."
„Aber Ben darf auch noch aufbleiben..."
„Ben ist älter als du. Und ich werde diese Diskussion nicht schon wieder führen!"
Tash, die mit ihren kurzen, dunkelbraunen Locken ein Ebenbild ihres Vaters war, sah ihre Schwester an. Die Zwillinge schienen geheime Botschaften auszutauschen. Hermine erinnerte sich, dass sie diesen Blick oft bei Fred und George gesehen hatte. Zwillinge, egal ob ein- oder zweieiig, hatten eine geheime Verbindung, die kein Außenstehender je verstehen würde. Leider hatten diese Beiden Eltern, die an den Umgang mit renitenten Fünfjährigen gewöhnt waren. Während Ginny sich auf die Suche nach Charlie machte, warf Greg den beiden einen langen strengen Blick zu, den die Mädchen kannten. Ihr Dad, der sich sonst sehr leicht von bettelnden Blicken und klimpernden Wimpern einwickeln ließ, umso schneller, wenn es von einer schmollenden, flehend vorgeschobenen Unterlippe begleitet wurde, war unerbittlich wie der Felsen, auf dem die Festung stand, wenn er diesen Blick hatte. Jeder Versuch einer Diskussion war absolut zwecklos. Die Mädchen standen auf, seufzten, als würde das Leid der ganzen Welt auf ihren schmalen Schultern liegen und trollten sich dann aus der Halle.
Stella zwinkert Hermine zu, dann sah sie ihren Sohn an.
„Ben? Du siehst mir auch nach Bett aus. Kann das sein?"
Ein schiefes Grinsen, dass Hermine an den elfjährigen Ron erinnerte, erschein auf dem sommersprossigen Gesicht.
Stella lachte. Dann stand sie auf.
„Bleib sitzen Greg. Ich bring die Zwerge ins Bett. Hermine? Soll ich deine Kleinen mitnehmen? Sie schlafen schon die ganze Zeit bei den Zwillingen. Oder möchtest du sie lieber mit zu dir nehmen."
„Lexie? Möchtest du bei mir oder bei den Zwillingen schlafen?"
„Bei Mona und Tash!"
Hermine lächelte. Dann gab sie ihrer Tochter einen Kuss.
„Gute Nacht, mein Schatz. Sei brav. Jamie nehm ich mit zu mir, Stella."
„Gut. Na los, du Floh. Auf geht's in die Feder."
Lex rannte den Zwillingen nach, die an der Tür auf sie gewartet hatten, während Ben neben seiner Mutter hertrottete. Hermine sah ihnen nach und lächelte erneut. Dann wand sie sich wieder der Unterhaltung der anderen zu.
„Ich hab keine Ahnung, ob die Karten überhaupt sortiert sind." sagte Paul gerade. „Ich war schon ewig nicht mehr in den Kartenarchiven. Staub, Spinnen und hunderte von Karten. Ich wünsch euch viel Spaß beim Suchen."
Eric spielte mit seiner Gabel.
„Was ist denn mit Eudora? Die kramt doch immer in den Archiven rum? Vielleicht weiß sie etwas?"
Draco schnaubte unwillig.
„Eudora? Die weiß, wenn es hochkommt ihren Namen. Sie würde sich blenden mit Looney Lovegood verstehen. Da such ich lieber selber. Das dürfte ergiebiger sein."
„Ich schätze mal, Dray hat recht, Eric. Eudora ist mehr als nur ein bisschen verwirrt. Aber fragt den alten Phineas. Der verwaltet die Bibliotheken und weiß zumindest, ob die Archive sortiert sind."
Hermine seufzte leise.
„Klingt nach sehr viel Arbeit. Dabei fällt mir ein, wo ist eigentlich Professor Snape? Habt ihr den schon vergrault? Er wollte doch mit Ginny die Bibliotheken durchgehen. Ich brauch ihn, um eine Trankrezeptur zu entschlüsseln."
Greg grinste.
„Tja, Professor Snape dürfte im Krankentrakt sein. Er ist schwer in Celeste verknallt."
Draco verschluckte sich so sehr an seinem Tee, dass Paul ihm auf den Rücken klopfen musste.
„Snape? Und Celeste? Das ist doch ein Scherz oder?"
„Nein, ist es nicht. Er war ziemlich flugkrank, als er hier ankam und Gin hat ihn auf dem schnellsten Weg zu Celeste gebracht und na ja, seitdem ist er ständig in ihrer Nähe, wenn er Zeit hat. Er lächelt sogar, wenn er sie sieht!"
Hermine schüttelte fassungslos den Kopf.
„Also, ich kenn zwar diese Celeste nicht, aber wenn sie Severus Snape zum Lächeln bringt..."
„Was sagt sie denn dazu?"
Gregs Grinsen wurde noch breiter.
„Sie ist geschmeichelt. Sie findet ihn toll. Ginny hat sie gefragt, was sie an ihm findet, ich meine, er ist gut 15 Jahre älter und nicht der Hübscheste. Celeste war ganz empört und meinte, dass Snape ein brillanter Wissenschaftler sei und dass sie Intelligenz bei einem Mann sehr viel wichtiger fände, als gutes Aussehen und außerdem, soooo hässlich sei er schließlich auch nicht."
„Unfassbar... Ron fällt um, wenn ich ihm das erzähle..."
Draco lachte.
„Oh ja. Sag mir Bescheid, wenn du es ihm erzählst, das möchte ich nur sehr ungern verpassen."
Hermine lächelte. Draco lachen zu sehen, war gut. Sie konnte die Sorge und Trauer noch immer in seinen Augen sehen, aber da war auch Hoffnung. In den letzen Wochen hatte sie den ehemaligen Slytherin ins Herz geschlossen, ohne es zu merken. Und abgesehen davon, dass Harry ihr bester Freund war und sie ihn um jeden Preis lebend und gesund wiedersehen wollte, wünschte sie sich, dass Draco wieder ohne diesen Schmerz lächelte, und dass die beiden wieder zusammen sein konnten.
Dann gähnte sie verstohlen.
„Seid mir nicht böse, aber könnte mir jemand zeigen, wo ich schlafen kann? Ich bin ziemlich geschafft."
Draco streckte sich, dann stand er auf.
„Ja. Komm mit. Ich will auch ins Bett. Wir sollten morgen früh anfangen."
Hermine stand ebenfalls auf und hob den schlafenden Jamie aus seinem Stühlchen.
Sie wünschten den anderen eine Gute Nacht, dann folgte sie Draco erneut durch das Labyrinth der Festung.
Der Gang mit den Gästezimmern war in ein warmes Licht getaucht, dass aus magischen Kristallen in den Wänden stammte. Hermine betrachtete die funkelnden Steine. Sofort sprang ihr Forscherdrang auf diese neue Entdeckung an, aber auch das würde warten können. Jetzt sehnte sie sich nach einem weichen Bett und Ruhe.
„Woher weißt du, welches dieser Zimmer besetzt ist?"
Ihr war aufgefallen, dass Draco sehr zielstrebig voranging, an keiner der unzähligen Türen auch nur einmal zögerte.
„Siehst du die Muster? Die Drachen? Sie erscheinen nur, wenn das Zimmer belegt ist. Ein einfacher Zauber, der es uns erspart, jede Tür zu öffnen. Ah, siehst du, die hier ist leer."
Tatsächlich war die Oberfläche der Tür glatt und vollkommen schmucklos. Draco hob die rechte Hand, legte sie leicht gegen das Holz und murmelte einige leise Worte. Sofort begann die Maserung der Tür sich zu bewegen, Figuren lösten sich aus dem natürlichen Muster des Holzes, Drachen, die umeinander tanzten, sich streckten, winzige Flügel ausbreiteten und schließlich in einem anmutigen, filigranen Relief erstarrten.
„Das ist wunderschön... Wenn ich nicht so müde wäre, würde ich dich jetzt so lange löchern, bis du mir erklärst, wie das funktioniert."
Draco lächelte wieder.
„Stablose Magie. Ein einfacher Zauber, den so ziemlich jeder hier beherrscht, aber nichts desto trotz Magie. Du wirst noch mehr davon zu sehen bekommen. Jetzt wünsch ich dir eine Gute Nacht. In dem Zimmer wirst du alles finden, was du brauchst. Ich hol dich morgen früh ab. Geh besser nicht allein los, sonst finden wir dich vielleicht nie wieder."
„Ja, ich denke, das wäre nicht so gut. Gute Nacht."
Draco lächelte ihr noch kurz zu, dann machte er sich auf den Weg zu seinem Zimmer. Auf einmal verspürte er eine unendliche Sehnsucht nach seinem eigenen Bett. Die Tür war nicht verschlossen, trotzdem wusste er, dass er alles noch so vorfinden würde, wie er es verlassen hatte. Vielleicht hatte sich jemand ein Buch geliehen oder Dusty gestreichelt. Aber niemand hätte etwas weggenommen oder seine Privatsphäre in sonst irgendeiner Art verletzt. Die Bewohner der Drachenfestung bestahlen sich nicht gegenseitig. Und sie achteten den privaten Bereich der anderen.
Als er die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ, schien ein Teil seiner Last von ihm abzufallen. Er war zu Hause. In seinem eigenen kleinen Reich, seiner Zuflucht seit so vielen Jahren. Der Ort, der ihn von seinem Schmerz und seiner Verzweiflung befreit hatte, der ihm Schutz und Unterschlupf geboten hatte.
Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit und strich um seine Beine, ein zufriedenes Schnurren erklang in der Stille. Draco hockte sich gegen die Tür gelehnt hin und ließ seine Finger durch Dustys weiches Fell gleiten. Das Schnurren wurde lauter.
Er hob den Kater hoch und trat mit ihm ans Fenster. Der Mond hing tief über dem Meer, eine schmale Sichel vor samtschwarzer Nacht. Draco setze Dusty auf dem Sessel ab und öffnete dann das Fenster. Warmer, nach Salz duftender Wind wehte ins Zimmer, umschmeichelte dabei sein Gesicht. Während sein Blick über den schäumenden Wogen glitt, die unermüdlich gegen die Klippen brandeten, zog er sich aus und ließ die Kleider achtlos auf den Boden fallen. Einen Moment stand er still im Fenster, ließ den Wind über seine nackte Haut streicheln. Dann ging er langsam zum Bett und glitt zwischen die kühlen Laken. Ein sanftes, plumpsendes Geräusch, ein leichte Bewegung der Matratze, ein mit weichem Pelz bedeckter Körper, der sich gegen seine Seite schmiegte. Draco kraulte Dusty hinter den Ohren und genoss das vertraute Schnurren.
Langsam, vom Rauschen der Wellen und den zufriedenen Lauten des Katers eingehüllt, fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
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„Was ist hiermit? Das sieht aus wie das Strickmuster meiner Großmutter. Wie kann man da erkennen, um welches Land es sich handelt?"
Hermine starrte den Bogen Pergament in ihrer Hand verwirrt an. Ein undurchsichtiges Gewirr verschiedenfarbiger Linien lief kreuz und quer über das Blatt, kreuzte sich an einzelnen Stellen, liefen wieder auseinander oder vereinigten sich zu dickeren Strängen, deren Farbe eine Mischung aus den beiden ursprünglichen war. Darunter waren andere, einfachere Linien, die Umrisse zu bilden schienen, aber es war schwer zu sagen, ob sie Landesgrenzen oder bloß ein weiteres, tieferes Netz von Energielinien darstellten.
Seit Stunden streiften sie jetzt schon zu viert durch die Bibliotheken und Archive und sahen sich Karte um Karte an. Bisher ohne großen Erfolg. Es hatte allein zwei Stunden gedauert überhaupt den richtigen Gang zu finden. Das Kartenarchiv war riesig und mit Regalen regelrecht überflutet. Nur die wichtigen, häufig benutzten Karten wurde im eigentlichen Kartenzimmer aufbewahrt, wo sie auf Rahmen gespannt oder an die Wände gehängt jedem zugänglich waren. Die Archive dagegen waren ein Labyrinth von Gängen, Regalen, Truhen und Schränken, das kaum jemand je betrat. Das kartographierte Wissen von Jahrtausenden lagerte hier. Zusammen mit den Bibliotheken ein unschätzbarer Wert, der Madame Pince wie der Himmel vorgekommen wäre und auch Hermines Herz höher schlagen ließ.
Währendessen war Charlie heute morgen mit drei Schwärmen seiner Drachenarmee nach Hogwarts aufgebrochen, um die restlichen Bewohner des alten Schlosses in Sicherheit zu bringen, Simon war kurze Zeit später mit George angekommen und hatte ihn sofort in den Krankenflügel und Celestes Obhut übergeben. Im Moment waren Ginny, Arthur und Molly bei ihm und Hermine ahnte, dass dieses Wiedersehen sowohl glücklich als auch traurig war. Sie hoffte, dass es den Weasleys gelingen würde, ihren Sohn zurück ins Leben zu locken.
Sie warf einen erneuten Blick auf die Karte und seufzte.
„Das ist einfach vollkommen wirr. Welche dieser Linien ist wichtig für uns und welchen nicht?"
Draco sah über ihre Schulter.
„Schwer zu sagen. Die farbigen Linien, sind die Quellen, je nach Stärke und Element von dem sie beeinflusst werden, anders gefärbt. Die anderen, schwarzen Striche müssten das Land kennzeichnen. Ich weiß nicht, wie man diese Karten liest. Ich spüre die Energie, wenn ich an einem Ort bin, der von Quelllinien gekreuzt wird, kann ihr Element bestimmen, ihre Macht einschätzen. Aber ich habe nie diese Karten lesen müssen. Stella? Was ist mit dir? Du bist hier aufgewachsen. Hast du je gelernt die Karten zu lesen?"
Stella stand auf einer Bibliotheksleiter und kramte in einem der deckenhohen Regale herum. Bei Dracos Frage drehte sie sich um und schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich hab wie du gelernt, die Energie zu nutzen, die Karten waren nie notwenig. Phineas? Kannst du die Karten lesen?"
Ein dichter Staubschauer, gefolgt von heftigem Niesen kam aus der Richtung, wo Phineas, der alte Bibliothekar eine Truhe aus dem Regal gezogen hatte.
„Nein, meine Liebe. Ich bin nur der Archivar. Ich hebe die Karten auf, aber ich habe sie mir nie näher angesehen. Ich... oh hallo Eudora. Können wir dir helfen?"
Eine ältere Frau kam zwischen den Regalen hervor. Sie trug ein ausgeblichenes, blaues Kleid, hatte kurze, graue Löckchen und wirkte etwas verträumt. Mit einem leisen Lächeln, ohne einen Ton zu sagen trat sie näher, nahm der erstaunten Hermine die Karte aus den Händen und hielt dann ihre eigen Hand darüber. Einen kurzen Moment hielt sie still, dann begannen die Linien sich zu bewegen, sich zu verschieben. Die farbigen, die Quelllinien wurden blasser, traten in den Hintergrund, die schwarzen Umrisslinien wurde deutlicher und plötzlich auch erkennbar.
„Das...das sieht aus wie..., das ist Tibet." Hermine sah von der Karte auf die Frau vor sich.
Diese lächelte wieder, dann winkte sie Draco zu sich. Sie nahm seine Hand, hielt sie über ein weiteres Pergament, dass sie aus einem der Regale zog und sah ihm tief in die Augen. Draco hielt still, spürte die Magie und erkannte den Zauber. Wieder verschoben sich die Linien, traten in den Hintergrund oder wurden deutlicher.
„Grönland. Das ist unglaublich!"
Draco entzog Eudora seine Hand und lächelte sie sanft an.
„Danke, Eudora."
Sie nickte, lächelte weiter. Dann ging sie zu Phineas, verneigte sich leicht vor ihm und glitt still aus dem Archiv.
„Was hat sie gemacht?"
„Ein einfacher Enthüllungszauber. Stella? Du und ich übernehmen die Magie, Hermine sieht nach den Ländern. Phineas? Wir könnten hier noch ein bisschen Hilfe brauchen. Könntest du Eric und vielleicht Professor Snape herholen?"
„Selbstverständlich. Leider sind die Karten nicht sortiert, ihr müsst also alle durchgehen. Ich werde mich beeilen und euch dann auch helfen."
Hermine sah etwas irritiert dem alten Bibliothekar hinterher und dann auf Draco und Stella, die den Zauber erörterten.
„Also, entschuldigt, es mag ja für euch normal sein, aber was war das gerade? Wer ist diese Eudora? Und was hat sie gemacht? Und warum spricht sie nicht? Als ihr gestern von ihr gesprochen habt, dachte ich, sie ist eine arme Irre, die hier herumschleicht."
„Eudora ist eine der vielen Flüchtlinge, die im Laufe der Jahrhunderte auf diese Insel gebracht wurden. Sie kam hierher bevor ich geboren wurde. Zumindest erinnere ich mich nicht daran, wann sie herkam. Sie spricht so gut wie nie und wenn, dann in einer Sprache, die keiner versteht. Wir nehmen an, dass es ihre Muttersprache ist und sie weigert sich, eine andere zu benutzen. Sie ist, na ja, etwas eigenartig, das stimmt schon, aber sie hört und sieht Dinge, die sonst keiner bemerkt. Ich weiß nicht, woher sie das Geheimnis der Karten kennt, aber es passt zu ihr. Und es ist unser Glück. Es hätte sonst vielleicht ewig gedauert, den richtigen Zauber zu finden."
„Genau. Und jetzt sollten wir keine Zeit mehr verschwenden. Wir haben nur noch 16 Tage und hunderte von Karten!"
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A/N:
Ich könnte ja jetzt für jeden der noch verbleibenden Tage
ein Chap schreiben, aber ich schätze mal, das wäre recht
langweilig. ;o)
Darum im nächsten Chap. das Ende der
Suche.
Die Geschichte nähert sich ihrem Ende. Zum Guten oder
zum Bösen...
Bis bald, Eure Yulah
