28.

Hermine hockte inmitten einer Flut von Pergamentbögen und starrte auf verschwommene Linien. Dann blätterte sie in einem alten, zerlesenen Atlas und unterdrückte dabei ein Gähnen. Es war einfach gewesen, als die Karten ganze Länder zeigten, aber seit einzelne Landstriche, Bundesländer, Grafschaften oder wie immer man einzelne Teile eines Landes noch nannte unter dem Zauber der Drachenreiter auftauchten, musste sie immer öfter Landkarten und Atlanten zu Rate ziehen. Seit fünf Tagen verbrachte sie jede wache Stunde damit Karten zu studieren, zu überprüfen und schließlich einem Land zuzuordnen. Fünf Tage lang und allmählich schwirrte ihr der Kopf. Tag für Tag kam sie früh am Morgen her, verließ die Archive nur zu den Mahlzeiten und oft genug nicht einmal das, um irgendwann nach Mitternacht erschöpft ins Bett zu fallen und von Landkarten zu träumen. Landkarte mit Reißzähnen, die sie über die Seiten eines Atlas verfolgten, Landkarten, die sie auslachte und ihr mit bunten Bändern zuwinkten, ein Meer von Landkarten, in dem sie ertrank, während Ron und aus irgendeinem Grund Professor Dumbledore, in einem, aus einer Landkarte gefaltete Papierboot vorbeifuhren.

Sie war nicht allein in der staubigen, von Dutzenden tropfender Kerzen erhellten Grotte. Draco und Stella waren da, um zusammen mit Simon und Ginny die Landkarten mit ihrem Zauber zu entschlüsseln, während Professor McGonagall, Madame Pince und Remus Lupin ihr dabei halfen die Karten zu sortieren und zu bestimmen. Bisher waren erst drei Karten von den britischen Inseln dabei gewesen.

--

Die Bewohner Hogwarts waren vor drei Tagen auf der Dracheninsel angekommen und hatten sch in die Bevölkerung der Inseln eingefügt. Familien wurden wieder vereint und die Mitglieder des Phönixordens bekundeten umgehend ihre Bereitschaft, an den Vorbereitungen für den ohne Zweifel bevorstehenden Kampf teilzunehmen.

Charlie saß mit Professor Dumbledore, den ranghöchsten Mitgliedern des Ordens sowie den Schwarmführern der Drachenreiter in seinem Büro um ihre Kräfte zu organisieren.

Zusammen mit Dumbledore war Charlie direkt am ersten Tag auf die äußerste und versteckteste der Inseln geflogen, die das heimliche Herz der gesamten Drachenclans darstellte. Hier war das Heiligtum des Druidenordens, dem die Drachenreiter angehörten. Und hier lebte der Than des Clans, der eigentliche Herrscher der Inseln. Es oblag seiner Verantwortung der Drachenarmee freie Hand für den Kampf gegen Voldemort zu geben. Es war spät in der Nacht, als der Schulleiter Hogwarts' und der Hauptmann der Drachenarmee schließlich zurückkehrten. Dumbledore mit seinem üblichen, wohlwollenden Lächeln, Charlie mit einem Ausdruck grimmiger Entschlossenheit in den blauen Augen. Der Than hatte ihm vollkommene Entscheidungsfreiheit und Handlungsbefugnis im Rahmen der Gesetze des Drachenordens erteilt.

Jetzt gab es nichts mehr, das zwischen Voldemort, seinen Todessern und den Drachen von Inis Draig stand.

Seither wurde alles für einen Angriff vorbereitet. Drachen und Reiter trainierten ihre Kampfabläufe, die Ausrüstung, Waffen, Sattelzeug und was sonst noch wichtig sein würde, wurde auf Schäden untersucht und repariert. Die Mitglieder des Phönixordens wurden so weit wie möglich in die Vorbereitungen einbezogen, auch wenn sie sich oft damit begnügen mussten, stumm zuzusehen. Die Drachenarmee arbeitete wie eine gut geölte Maschine, jeder kannte seinen Platz und jeder war begierig darauf, seinen Part zu erfüllen. Es war, wie Dumbledore es formulierte, als sähe man einem gewaltigen Tier dabei zu, wie es aus dem Winterschlaf erwachte, die Muskeln streckte, das Fell putzte und sich für den Sprung bereit machte.

Nur ein Schwarm war von den Vorbereitungen ausgenommen. Ein Schwarm, der anderweitig gebraucht wurde. Ein Scharm, der durch seinen Anführer tiefer in die Geschehnisse gezogen werden würde, als alle anderen. Charlie hatte es Draco überlassen, die Entscheidungen für seine Leute zu fällen. Er vertraute dem ehemaligen Slytherin und dessen Urteil. Und Charlie wusste, dass Draco die Hilfe seiner Freunde brauchen würde.

Und sie alle warteten jetzt nur darauf, dass endlich der Ort des Kampfes bekannt gegeben würde.

--

Hermine versuchte sich wieder auf die Karten zu konzentrieren, ein schwieriges Unterfangen, von dem sie einen Augenblick später befreit wurde, als Ron hereinkam. Er hatte einen Korb im Arm, aus dem verführerische Düfte stiegen. Umso verlockender, da keiner der Anwesenden seit dem Frühstück etwas gegessen hatte.

„Hallo. Greg hat gesagt, ich soll euch mal vor dem Hungertod bewahren gehen. Da ihr nicht zum Essen kommt, muss das Essen eben zu euch kommen."

Er stellte den Korb auf einen Tisch und öffnete ihn.

„Die Götter mögen den guten alten Greggy segnen. Ich stand kurz davor Menschen anzufallen!" Simon sprang von der Leiter, auf der er die letzten drei Stunden gestanden hatte, fischte eine Hähnchenkeule aus dem Korb und schlug gierig seine Zähen in das knusprige Fleisch.

„Hm... sehr gut... und was esst ihr?"

„Vergiss es, O'Leary! Du wirst nicht alles allein essen."

Ron schlug den Korb wieder zu und ging damit zu den anderen. Erst nachdem jeder sich etwas von dem Essen genommen hatte, stellte er ihn wieder auf den Tisch und warf Simon einen strafenden Blick zu.

„Unhöflich."

„Ja, ja, krieg dich wieder ein."

„Nur gut, dass ich Madame Pince und Professor McGonagall vorne in der Bibliothek schon versorgt habe, die würden glatt verhungern hier. Und? Habt ihr schon was Neues?"

Hermine seufzte.

„Eine mehr als gestern. Es ist, als wären ausgerechnet die Karten von Großbritannien irgendwo versteckt. Wir finden die exotischsten Orte, nur nicht den, den wir suchen."

„Vielleicht ist das ja so. Vielleicht hat jemand irgendwann mal alle Karten von England und so gesammelt und an einem Ort aufbewahrt."

„Dann drück uns die Daumen, dass wir diese Stelle bald finden."

Stella saß auf einer der hohen Bibliotheksleitern und ließ die Beine baumeln.

„Wenn nur nicht soviel davon abhängen würde..." murmelte sie.

„Was meinst du?"

„Naja, es würde mir fast Spaß machen hier herumzukramen, alte Sachen zu entdecken. Ihr wisst schon. Aber es steht einfach zu viel auf dem Spiel. Und die Tatsache, dass wir nicht einmal mehr zwei Wochen haben..."

Draco spielte mit dem Stiehl eines Apfels.

„Ja. Ich weiß, was du meinst..." Seine Stimme verlor sich, sein Blick ging ins Leere. Hermine legte ihm behutsam die Hand auf den Arm.

„Liebes? Alles in Ordnung? Vielleicht solltest du dich ein bisschen ausruhen? Du warst die ganze Nacht hier."

Es hatte sie mehr entsetzt, als sie bisher zugegeben hatte, als sie am Morgen in die Archive gekommen war und Draco noch immer hier sitzen gesehen hatte. An der gleichen Stelle wie am Abend zuvor, mit den gleichen Kleidern, wie am Tag zuvor. Er musste vollkommen übermüdet sein. Normalerweise behielt er seine Gefühle, seine Sorge, seinen Schmerz für sich. Verborgen hinter der kühlen Maske, die er in den letzten Tagen stets aufrechterhielt.

Jetzt lächelte er sich schwach an.

„Nein. Es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen. Ich schlafe nie sehr viel. Eine Nacht aufzubleiben macht mir nichts."

„Bist du sicher?"

„Ja. Lass uns weitermachen. Ich verspreche dir, ich werde heute Abend ins Bett gehen. Wenn du mir nicht glaubst, kannst du mitkommen und mich zudecken."

Ron lachte.

„Ja, und vergiss nicht die Gute-Nacht-Geschichte und ein Schlaflied."

„Und einen Gute-Nacht-Kuss...?" Hermine sah ihren Mann lauernd an.

„Ja, von mir aus auch das. Aber nur ein kleiner. Und nicht auf den Mund."

„Wer sagt denn überhaupt, dass ich von deiner Frau geküsst werden will?"

Stella lächelte Hermine dankbar an. Sie hatte es geschafft, den kurzen Moment der Trauer und Verzweiflung zu vertreiben, bevor er Wurzeln schlagen konnte.

„Hier wird nicht geknutscht. Hier wird gearbeitet. Rummachen könnt ihr ihn eurer Freizeit."

„Ja Charlie."

Stella lachte. „Ich kann ihn schon richtig gut, oder?"

„Kein Wunder. Du hörst dir sein Gesabbel ja den ganzen Tag an. Das musste irgendwann abfärben."

Dann wurde Ginny wieder ernst.

„Wo wir gerade bei meinen Brüdern sind. Wie geht es George? Ich hab es in den letzten Tagen einfach nicht geschafft ihn zu besuchen."

Ron zuckte mit den Schultern.

„Schwer zu sagen. Er redet viel mit Mum. Ich schätze mal, es ist ein gutes Zeichen, wenn er spricht, oder? Aber ansonsten hockt er nur da und starrt aufs Meer."

„Das Meer kann eine sehr beruhigende Wirkung haben. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche." Ginny seufzte leicht. Die ersten Monate auf der Dracheninsel waren auch für sie nicht leicht gewesen.

„Zumindest macht er nicht mehr den Eindruck, dass er sterben möchte, das finde ich schon sehr beruhigend."

Ron warf Draco einen schiefen Blick zu. Er hatte die Worte des Drachenreiters noch immer im Ohr ‚Wenn er sterben will, werde ich ihn gehen lassen und dann werde ich ihm folgen.' Ron unterdrückte ein Schaudern. Er liebte Hermine und seine Kinder über alles, wäre jederzeit bereit gewesen für die drei zu sterben, aber es fiel ihm dennoch schwer zu verstehen, wie viel tiefer Dracos Gefühle für Harry gehen mussten, wenn er ohne ihn nicht leben wollte und deshalb bereit war mit ihm zu sterben, wenn nötig.

Mit einem leichten Kopfschütteln vertrieb er diese düsteren Gedanken, Er hatte immer wieder versucht die Gefühle zu ergründen, die hinter Dracos Schwur lagen, aber bisher war er immer wieder gescheitert. Auch Hermine hatte ihm dabei nicht helfen können.

„Naja, jedenfalls denkt Celeste, dass er sich bald wieder erholen wird. Deine Mum kümmert sich viel um ihn, Draco. Er scheint ihr sehr zu vertrauen. Mum sagt, dass er sich jedes Mal merklich entspannt, wenn Narcissa in der Nähe ist."

„Ist das ein Wunder? Die beiden haben eine Menge durchgemacht. Dracos Mutter war lange Zeit die einzige Bezugsperson für deinen Bruder. Auch wenn sie nicht viel miteinander gesprochen haben, wusste er doch die ganze Zeit über, dass sie da war. So etwas kann unendlich tröstlich sein. George sagt, er erinnert sich daran, dass sie manchmal gesungen hat. Nicht für ihn, sondern nur für sich, aber trotzdem. In einer solchen Situation eine menschliche Stimme zu hören... Kein Wunder also, dass sie für ihn den einzigen Bezugspunkt zur Realität darstellt."

Ron kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum.

„Schon, aber ich hatte erwartet, dass sie mehr Zeit, na ja, hier verbringen würde. Bei Draco."

„Nein. Ich bin ihr fremd. Ich habe nicht mehr viel mit ihrem Kind gemein. Sieben Jahre sind eine lange Zeit und ich habe mich sehr verändert. Sie weiß, dass ich da bin, aber ich bin trotzdem ein Fremder für sie."

„Tut das nicht weh?"

Draco schüttelte leicht den Kopf.

„Nein. Nicht wirklich. Ich kann sie verstehen. Und außerdem... wir hatten nie eine so enge Bindung wie ihr zu eurer Mutter habt. Narcissa ist nicht wie Molly. Sie ist keine Glucke gewesen, die ständig um mich herum war. Auch als ich jünger war, vor Hogwarts, und wir ständig unter einem Dach gelebt haben, waren wir uns nicht so nah. Sie war für mich da und hat mir eine Menge Dinge beigebracht, aber ich war trotzdem auch viel für mich allein. Zu wissen, dass sie in Sicherheit ist und es ihr gut geht, reicht mir. Sie muss nicht ständig in meiner Nähe bleiben."

„Hm... Kann ich kaum nachvollziehen. Aber du hast recht, meine Mum ist eine Glucke. Umso mehr freut es sie, dass sie alle ihre Küken wieder unter ihren Fittichen hat." Ron lachte, als er sich Molly als besorgtes Huhn und sich und seine Geschwister als flauschige, gelbe Küken vorstellte...

„Irland!" Remus begeisterter Aufschrei ließ die anderen fast aus der Haut fahren. Zwar hatten sie weitergesucht, während sie der Unterhaltung zuhörten oder sich daran beteiligte, aber niemand hatte ernsthaft mit einem Erfolg gerechnet. Und keiner hatte mehr an Remus gedacht, der bisher geschwiegen hatte und still in einer Ecke zwischen zwei Regalen hockte.

Als er die geschockten Gesichter sah, grinste er und dämpfte seine Stimme wieder etwas.

„Entschuldigung. Ich wollte euch nicht erschrecken. Ich habe eine Karte von Irland gefunden. Ich dachte, das interessiert euch vielleicht."

„Remus! Hilfe. Willst du, dass ich einen Herzanfall bekomme? Zeig mal."

Hermine nahm dem Werwolf die Karte ab und studierte sie eingehend.

„Tatsächlich, das ist Irland. Hast du noch mehr Karten in der Kiste?"

Sie wies auf die schwere Truhe, die Remus kurz vor dem Essen gefunden und gerade erst geöffnet hatte.

„Oh, Dutzende. Vielleicht ist das ja das heimliche Depot, von dem Ron vermutet hat, dass es existiert."

„Na hoffentlich."

„Na, ich werde dann mal wieder in die Küche gehen. Greg hat mich als Handlanger angestellt."

„Du in der Küche?"

„Ja, Virginia. Ich in der Küche. Ich kann zufällig ganz passabel kochen und dein Mann hat gesagt, ich bin als Hilfe zu gebrauchen."

„Das aus Gregs Mund ist ein Riesenlob. Ich bin platt." Simon sah Ron verwundert an. Greg war sehr wählerisch, was sein Küchenpersonal anging.

„Tja. Wer kann, der kann. Hallo Professor Snape."

Ron nickte dem Zaubertrankmeister zu, der in diesem Moment den hinteren Teil der Archive betrat, warf Hermine noch eine Kusshand zu und verschwand dann in Richtung Ausgang.

Snape warf ihm eine irritierten Blick hinterher, schüttelte dann den Kopf und wand sich an die sehr staubige Gesellschaft die in der Grotte zurückgeblieben war. Er kam ohne Umschweife zum Thema.

„Ich habe den Trank analysiert. Nachdem Sie mir das Rezept gegeben haben, Hermine, habe ich den Trank gebraut und bin heute morgen mit der Untersuchung fertig geworden. Es ist wirklich erstaunlich, ich hätte nicht erwartet, an diesem Ort ein so gut eingerichtetes Labor zu finden."

„Und? Was haben Sie herausgefunden, Professor?"

Snape setzte sich auf einen Schemel neben einem der Regale und warf einen nachdenklichen Blick auf den Kartenstapel, der daneben auf dem Boden lag. Dann räusperte er sich.

„Nun. Es handelt sich um ein Gift..." kollektives Luftschnappen unterbrach ihn. Er hob die Stimme etwas und fuhr dann unbeirrt fort.

„...eine Art Sedativum im genau zu sein. In der Dosierung, die in der Beschreibung des Rituals angegeben ist, nicht tödlich. Es ruft eine Art Dämmerzustand hervor, keinen wirklichen Schlaf. Außerdem gehe ich davon aus, dass es Wahnvorstellungen, Trugbilder und ähnliches auslöst. Eventuelle Nebenwirkungen habe ich nicht feststellen können, aber wie ein menschlicher Organismus reagiert, der längere Zeit dem Gift ausgesetzt ist, vermag ich nicht zu sagen."

„'Unvollendeter Schlaf...' so steht es im Ritual." Hermine war auf einmal ganz aufgeregt. „Wir konnten uns nie erklären, was mit dieser Anweisung gemeint sein könnte. Aber eigentlich ist es nur logisch."

„Wie bisher alles. Sobald wir die Lösung kannten, kam uns jede der Anweisungen logisch vor. Severus, sind Sie sicher, dass das Gift Harry nicht schaden kann?"

Snape sah Draco nachdenklich an.

„Nein. wir wissen nur, dass ihm das Zeug über einen bestimmten Mindestzeitraum verabreicht werden muss und wohl auch wird. Wie großzügig Voldemort die Anweisungen auslegt, wissen wir nicht. Aber meines Wissens nach, werden als Vorbereitung vieler Rituale solche Tränke verabreicht, um das Opfer ruhig zu stellen, ohne es zu verletzten und um es gefügig zu machen. Da darüber hinaus von geistiger und körperlicher Unversehrtheit die Rede ist, denke ich einfach mal, dass keine unmittelbare Gefahr von dem Gift besteht."

„Das Puzzle fügt sich zusammen." murmelte Hermine nachdenklich.

--

Drei weitere Tage vergingen.

Inzwischen hatten sie eine ganze Menge Karten der britischen Inseln gefunden. Genug, um einen groben Überblick zu bekommen. Leider waren es nur Teilkarten. Eine Gesamtansicht der Inseln gab es nicht. Zumindest hatte sie bisher keiner gefunden.

Hermine und Draco hatten die Tische in der Bibliothek beschlagnahmt, zusammengeschoben und die Karten darauf ausgebreitet. Sie lagen in geographischer Ordnung zusammen und bildeten einen sehr merkwürdigen Flickenteppich, dessen Motiv Großbritannien sein würde, wenn er fertig war. Noch klafften allerdings große Löcher im Bild.

„Siehst du die Linien hier? Sie laufen alle in die selbe Richtung. Überdurchschnittlich viele, oder?"

Hermine wies auf einen Bereich nahe der Grenze Schottlands. Draco schüttelte den Kopf.

„Nein. Wir wissen nicht, ob die Linien sich kreuzen. Siehst du die drei hier? Sie kommen auf der selben Seite wieder heraus. Sie werden die anderen nicht berühren. Wir suchen einen Ort, an dem sich mindestens 3 Dutzend Linien kreuzen. Eher mehr. Eine Art Zentralpunkt. Die gibt es in jedem Land nur sehr, sehr selten. Meistens nur einmal. Wenn die Karten wenigstens den gleichen Maßstab hätten. So haben wir zu viele Gebiete doppelt."

Hermine nickte resigniert. Langsam ging sie um den Tisch herum.

„Es ist wirklich zum Verrücktwerden. Als wir hierher kamen, erschien mir die Aufgabe so einfach. Ich dachte nicht, dass wir die Nadel im Heuhaufen würden suchen müssen, während für Harry die Zeit davonläuft."

„Hier, ich hab noch drei Stück." Simon kam in die Bibliothek und wedelte mit ein paar Bögen Pergament herum.

„Und? Wie sieht's aus? Blickt ihr durch?"

„Geht so. Was hast du denn da?"

Hermine nahm ihm die Karten ab und musterte sie nachdenklich.

„Hier. Das sind ziemlich viele Linien. Was ist das?"

Draco warf einen Blick über ihre Schulter.

„Wiltshire. Das ist Stonehenge. Es war zu erwarten, dass dort viele Linien verlaufen. Einer der mächtigeren Kreuzungspunkte. Alle Steinkreise und ähnlichen Bauwerke wurden über Kreuzungspunkten erbaut, das hat Professor Dumbledore schon ganz richtig erzählt. Aber es gibt machtvollerer Ort in Großbritannien. Selbst Hogwarts liegt auf einem Kreuzungspunkt."

Hermine sah ihn entgeistert an.

„Glaubst du...?"

„Nein. Das wäre wohl kaum möglich, oder? Wir waren schließlich die ganze Zeit über dort. Außerdem ist auch der Standort Hogwarts' nicht außergewöhnlich machtvoll. Wir hätten das gespürt. Die Drachen ebenfalls. Nein, es muss einen anderen Ort geben. Und denk an den Rest der Beschreibung. ‚...im Herzen der Welt...' Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Ort unter der Erde liegt. Vielleicht so tief, dass die Energie der Quellen nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Darum macht es auch wenig Sinn, mit den Drachen quer über die Inseln zu fliegen und auf diese Weise zu suchen. Sie würden die Macht vielleicht gar nicht spüren."

Hermine gab einen frustrierten Laut von sich.

„Warum muss eigentlich alles so kompliziert sein?"

Draco lächelte wehmütig, sagte aber nichts. Stattdessen legte er die Karten an ihren Platz im Gesamtbild.

„Nicht sehr hilfreich."

Simon wies auf einen freien Bereich im unteren Drittel der Karte.

„Was ist hiermit? Was gehört da hin? Ich kenn mich mit Geographie nicht so aus."

„London und Umgebung. Sehr unwahrscheinlich, dass wir dort fündig werden."

„Und hier oben?"

„Da stand früher der Hadrianswall. Eine alte römische Befestigungsanlage. Nicht sehr magisch, fürchte ich."

„Also, wenn ich das richtig sehe, haben wir nur noch „unmagische" Flecken übrig." Hermine ließ sich in einen Stuhl fallen, lehnte den Ellbogen auf die Armlehne und stützte den Kopf in die Hand.

„Zumindest keine magische Orte, von denen wir wissen."

„Was ist mit dem Haus deiner Eltern, Draco? Du hast mal gesagt, dass du dort auch ein magisches Feld gespürt hast."

Draco tippte auf eine der drei neuen Karten.

"Auch Wiltshire. Die Quelllinien konzentrieren sich dort in dem alten Steinkreis. Malfoy Manor lag vielleicht auch auf einem Kreuzungspunkt, aber auf keinem sehr mächtigen."

„Leute... das solltet ihr euch mal ansehen."

Ginny kam in die Bibliothek, eine weitere Karte in der Hand.

Sie legte den Pergamentbogen auf den Tisch und strich die Ecken glatt. Die Karte war größer als die Fragmentkarten auf dem Tisch und in ihrem Zentrum liefen mehrere Dutzend Linien zu einem verworrenen Knäuel zusammen.

„Großer Merlin... Wo ist das?"

„Das ist das Problem. Es ist nicht zu erkennen. Die Grenzlinien sind da, aber sie lassen sich mit keiner unserer Karten vergleichen. Wir haben bereits den Atlas durchforstet. Seht ihr, am Rand sind die Umrisse angrenzender Ortschaften vermerkt. Es sind altenglische oder gälische Namen. Die Karte ist also von den Inseln, aber wir kennen keine der Namen."

Draco strich nachdenklich über das Papier. Sie sah anders aus, als die anderen Karten. Das Pergament hatte eine andere Farbe, wirkte älter.

„Die Karte ist alt. Sehr alt. Diese Orte gibt es sicher längst nicht mehr. An ihrer Stelle sind längst andere Orte getreten. Wartet..." Er verschwand zwischen den Regalen und eine Weile war es still in der Bibliothek. Dann kehrte Draco mit einem dicken, schweren Buch zurück. Es wirkte ebenso alt wie die Karte. Er ließ den Band auf den Tisch fallen und blätterte eine Weile darin herum. Schließlich schien er gefunden zu haben, wonach er suchte und begann zu lesen. Die Stille in der Bibliothek war fast greifbar.

„Draco was...?"

„Shht. Ich hab's gleich. Warte... Hier..." Er wies mit dem Finger auf eine Stelle des Buches. Hermine las die Worte, verstand aber immer noch nicht.

„Was meinst du?"

Der schlanke weiße Finger glitt über die Buchseite und wies dann auf die Karte. Hermine schnappte nach Luft.

„Der gleiche Name! Ist das... der gleiche Ort?"

„Ja. Ich wusste, ich habe diesen Namen schon einmal gelesen."

„Was ist das für ein Buch?"

Draco ließ den schweren Buchdeckel zuklappen, präsentierte ihr den Einband.

Die Historie der Druiden Britanniens. Ich verstehe immer noch nicht ganz..."

„Ich habe dieses Buch ganz zu Anfang meiner Zeit hier gelesen. Ich hab damals keine Nacht schlafen können und brauchte Ablenkung. Und da ich zu dem Zeitpunkt bereits etwas über die Druiden der Dracheninsel gehört hatte, habe ich beschlossen, mich etwas näher mit dem Thema zu befassen. In diesem Buch sind alle alten Orden verzeichnet, ihre Kultstätten, ihre Rituale, was du willst. Früher wurden Dörfer sehr oft an Orten errichtet, welche die weisen Männer eines Stammes gewählt hatten. Das war lange, bevor die Römer nach England kamen. Leider beziehen sich viele der heutigen Städtenamen auf die alten, lateinischen Namen. Die gälischen oder keltischen sind längst vergessen. Wir müssen also herausfinden, wie die Orte heute heißen, wenn es sie noch gibt. Dazu brauchen wir alte Landkarten."

„Schon wieder Landkarten..." stöhnte Hermine. „Ich schwöre euch, ich entwickle gerade eine tiefe Abneigung gegen Geographie im Allgemeinen und Kartographie im Speziellen."

Draco lachte leise.

„Keine Sorge. Diesmal wird es einfacher. Die normalen Landkarten sind sorgfältig sortiert und katalogisiert. Ich werde sehen, dass ich den alten Phineas finde. Er weiß mit Sicherheit ob wir Karten aus der Zeit vor den Römern haben und wo sie sind."

--

Tatsächlich dauerte es nur eine halbe Stunde, bis Draco wiederkam, den alten Bibliothekar im Schlepptau. Bei trugen mehrere Pergamentrollen im Arm. Phineas war ganz aufgeregt.

„Wie wundervoll. Ich kann gar nicht glauben, dass wir so alte und kostbare Karten haben."

Zwei weitere Stunden vergingen mit dem Durchsuchen, Vergleichen und Vermessen der alten Karten.

Unterbrochen nur von dem leisen Murmeln Hermines.

„Das kann nicht stimmen... das ist unmöglich..."

Schließlich ließ Draco sich in einen Stuhl fallen.

„Hermine. Wir haben das jetzt fünf mal überprüft. Es muss stimmen."

„Aber das würde bedeuten, dass der Ort den wir suchen..."

„Ich weiß."

„Aber das ist absurd! Das hätte doch jemandem auffallen müssen."

„Ich weiß."

„Und wo? Nirgendwo dort gibt es einen Ort, der geeignet wäre."

„Wir suchen nach einem unterirdischen Ort, vergiss das nicht."

„Das macht es nur noch unwahrscheinlicher. Das ist vollkommen unmöglich!"

„Aber die Karten sagen etwas anderes. Sie wurden vor Jahrtausenden von mächtigen Druiden gefertigt. Nur weil bisher kein Muggle davon erfahren hat, heißt es nicht, dass es nicht existiert."

„Aber... aber... ich rede nicht nur von Mugglen. Auch Zauberer hätten es bemerken müssen. Dort leben hunderte, tausende. Und niemand soll jemals etwas bemerkt haben?"

„Vergiss nicht, die meisten Zauberer halten es für eine Legende. Aber es würde viele Dinge erklären, meinst du nicht?"

„Ja...die Winkelgasse..."

„Gringotts."

„London also?"

„Ja. London."

--

„Aber London ist riesig! Wir können doch nicht die ganze Stadt umgraben."

Charlie sah von der Karte auf seinem Schreibtisch auf.

„Habt ihr es nicht etwas genauer?"

„Wir müssten eine aktuelle Karte der Stadt finden, die den gleichen Maßstab hat, wie diese alte. Dann können wir den Ort ziemlich genau bestimmen. Außerdem suchen wir nach Höhlen, Katakomben, unteririschen Gängen. Das dürfte es nicht so oft geben."

„Wenn man mal vom U-Bahn-Netz absieht..." murmelte Hermine.

„Was für eine Bahn? Hermine, ich denke, dein Mugglekram hilft uns jetzt nicht weiter."

„Charlie. Du Londoner Untergrund-Bahn hat ein riesiges Streckennetz. Meinst du nicht, dass es bei den Bauarbeiten aufgefallen wäre, wenn es unter der Stadt irgendwelche Höhlen und so gäbe?"

„Was ist mit Gringotts, Miss Ich-weiß-alles? Das haben die Muggle auch nie gefunden."

„Kein Grund gleich ausfallend zu werden, Charlie Weasley! Ich muss mich hier nicht beleidigen lassen."

„Entschuldige. Aber ich werde hier langsam wahnsinnig."

„Ja, du hast ja auch eine Woche lang in uralten Karten gewühlt, mehr Staub geschluckt, als ein Schornsteinfeger in seinem ganzen Leben, dir die Finger an altem Pergament halb abgeschnitten und..."

„Es reicht jetzt! Hört auf zu streiten." Dracos Stimme war kalt.

„Es geht nicht darum, wer was gemacht hat. Es geht darum, dass wir einen Anhaltspunkt haben, und dass uns die Zeit davonrennt!"

Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Stella kam ins Zimmer, Pergamentbögen in der Hand.

„Wir haben es. Hier ist eine Karte von vor 20 Jahren, deren Maßstab stimmt."

Sie breitete die neue Karten neben der uralten aus. Sieben Köpfe beugten sich über die beiden Karten.

Charlie zog ein Lineal und einige geographische Instrumente aus seiner Schreibtischschublade. Eine Weile maß er stumm vor sich hin, dann tippte er schließlich mit dem Finger auf einen Punkt der neuen Karte.

„Hier ungefähr."

„Das ist Unsinn, da ist doch gar nichts..."

„Da wäre ich mir nicht so sicher, Hermine." unterbrach Dumbledore sie. „Dort ist das Ministeriumsgebäude, wenn ich mich nicht irre. Unterirdisch, wie wir alle wissen."

Totenstille folgte seinen Worten. Dann schüttelte Arthur den Kopf.

„Nein. Das ist unmöglich. Im Ministerium gibt es viele magische Ströme, aber diese alten Energiequellen? Das müsste jemanden aufgefallen sein. Wir hatten des öfteren Druiden zu Gast. Zumindest sie wüsste etwas davon. Und kein Ort im Ministerium wäre für ein Ritual irgendeiner Art geeignet..."

„Das ist so nicht ganz richtig, Arthur." Kingsley Shacklebolt hatte bisher stumm zugehört und sich nicht von seinem Platz gerührt. Jetzt erhob er sich langsam.

„Unter dem Ministerium, tiefer als jedes Stockwerk unseres, noch relativ neuen Gebäudes, erstreckt sich ein Labyrinth uralter Katakomben. Kaum jemand weiß davon. In früheren Tagen wurden diese Gänge genutzt um uns gegen Angriffe dunkler Magier zu schützen, um zu fliehen, gefährliche Dinge zu lagern, gefährliche Gefangene unterzubringen und eben auch um Rituale abzuhalten."

Dumbledore fand als erstes seine Sprache wieder.

„Warum weiß ich nichts davon? Ich habe noch niemals von diesen Katakomben gehört."

„Niemand weiß davon, Albus. Weder die Minister noch sonst wer. Nur die drei hochrangigsten Auroren. Es ist ein uraltes Geheimnis. Gehütet zur Verteidigung. Ich bin der letzte, der davon weiß und hätte es vor meinem Tod weitergeben müssen. Ich hatte niemals erwartet, dass Voldemort das Geheimnis herausfinden würde. Nicht einmal, als er das Ministerium übernahm. Die Eingänge zum Labyrinth sind mit mächtigen Zaubern geschützt und getarnt. Er hätte es niemals herausfinden können."

„Aber es passt. Auf einmal passt alles zusammen. Das Ministerium also. Gibt es Lagepläne? Karten?"

„Ja. Und ich habe sie hier. Ich nehme sie immer mit. Sie gehören zu den Dingen, die ich unmöglich zurücklassen konnte."

Charlie nickte.

„Gut. Dann haben wir unser Ziel. Die Katakomben unter dem Ministerium."

--

Draco lag in der warmen, vertrauten Dunkelheit seines Zimmers und versuchte seine Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken. Die Enthüllungen des Tages wirbelten in seinem Geist durcheinander und ließen sein Herz rasen.

Sie hatten den Ort des Rituals gefunden.

Sie wussten wo Harry war.

Oder besser, wo Harry in sieben Tagen sein würde.

Denn wie Dumbledore so richtig bemerkt hatte, sie wussten nicht, ob Harry in den Katakomben gefangen gehalten wurde. Und wenn, konnte es Tage dauern ihn in den labyrinthischen Gängen zu finden. Aber sie kannten den Ort des Rituals. Den Ort, an dem alle Quelllinien zusammenliefen. Selbst wenn sie ihn nicht genau bestimmen konnten, würde die Magie sie dorthin führen.

Doch das bedeutete, dass sie warten mussten. Dass sie für die nächsten Tage zur Untätigkeit verdammt waren. Alle Vorbereitungen waren getroffen. Die Drachenarmee konnte die Insel innerhalb einer halben Stunde geschlossen verlassen. Es gab nichts mehr zu tun.

Und das war schlimmer als jede Folter. Dazuliegen und zu wissen, dass nichts was er tat, helfen würde Harry schneller zu finden.

Sie mussten abwarten.

Alle Pläne waren gemacht.

Am Morgen des 20. Juni würden sie aufbrechen. Sie würden in die Katakomben eindringen und sich von der Magie führen lassen. Kingsley hatte ihnen die Zugänge zu den Labyrinthen genannt, von denen zumindest einige außerhalb Londons lagen. An Orten, an die auch die Drachen gelangen konnte. Zwar würden sie die Echsen nicht mit unter die Erde nehmen können, aber für ihren Rückzug würde alles bereit sein. Und dann mussten sie den Ort des Rituals finden und das vor Beginn der Mondfinsternis. Wenn alles nach Plan verlief, würden sie diesen Ort rechtzeitig erreichen und dann würden sie angreifen und Harry befreien. Was danach geschah, stand in den Sternen.

Draco atmete zitternd ein und aus. Ein und aus. Ein und aus...

Sein Herz raste noch immer, wollte sich einfach nicht beruhigen. Es gab noch immer zu viele Unbekannte in dieser Gleichung. Zu viele Dinge, auf die sie keinen Einfluss hatten, die ihre Pläne verzögern konnten.

Und letztendlich blieben die Zweifel.

Was, wenn der Ort nicht richtig war?

Wenn sie seit Wochen in die falsche Richtung gearbeitet hatten?

Wenn sie zu spät kommen würden?

Wenn, wenn, wenn...

Das jähe Aufflackern mächtiger Magie ließ Draco zusammenzucken. Einen Moment lang geriet er in Panik, dann erkannte er den Zauber.

Der Schattenkristall.

Das Ritual, um George von dem Grauen zu befreien, dass seine Seele fest umklammert hielt.

Draco schloss die Augen. Er spürte Tränen über seine Wangen laufen.

Wenn ihre Pläne fehlschlugen, würde es keinen Schattenkristall geben, der jemals in der Lage sein würde, den Schmerz von seiner Seele zu nehmen.

Er lag still, spürte die Bewegung in den Quellen, ausgelöst von der Macht des Kristalls. Kleine Wellen reiner Magie, die durch seinen Körper brandeten und ihn langsam ruhiger werden ließen. Jedesmal, wenn jemand seine Erinnerungen einem Schattenkristall übergab, war die Auswirkung des Zaubers in der ganzen Festung zu spüren. Ihre Bewohner, auf die Magie der Quellen eingestimmt, spürten sie, wie die Ausläufer eines Erdbebens. Vielleicht war es Absicht, dass das Ritual heute durchgeführt wurde. Heute, wo soviele den Trost der uralten Magie brauchten.

--

Sie bewegten sich so weit wie möglich lautlos durch die Dunkelheit. Einzelne magische Kristalle, die einzige Lichtquelle warfen bizarre Schatten an die steinernen Wände. Wasser rann über Stein, Moos und seltsame Pilze wuchsen an den Wänden. Der Geruch von nassem Stein und Schwefel lag in der Luft.

Sie waren am Morgen in die Katakomben eingedrungen und folgten jetzt langsam dem Weg auf der Karte. Sie bewegten sich leise, vorsichtig. Ab und zu hustete jemand oder ein Schwert kratze leicht über den Fels. Jeder Laut ließ sie atemlos innehalten und abwarte. Bisher war ihnen niemand begegnet.

Charlie hatte die Drachenarmee aufgeteilt. Die Hauptgrotte, der Kreuzungspunkt der Linien, war von mehreren Seiten aus zugänglich. Zum Glück für sie hatten sich die Auroren vergangener Zeitalter die Mühe gemacht, das Labyrinth sorgfältig zu kartographieren. Alle Ausgänge wurden von jeweils einer Gruppe Drachenreiter bewacht, die bei den mächtigen Echsen zurückgeblieben waren.

In jeden der Gänge drang eine weitere Gruppe ein, Drachenreiter und Angehörige des Phönixordens, bereit jeden zu töten, der ihren Weg kreuzte.

Sie würden es jetzt zu Ende bringen.

Die Gruppe bestand aus Charlie, Draco, Stella, Ginny, Simon, Eric, dem Rest von Dracos Schwarm, Ron, Hermine (sie hatte sie geweigert zurückzubleiben), Remus und Kingsley. Angelina folgte in einigem Abstand mit ihrem Schwarm, bestehend aus 12 Drachenreitern. In jedem der anderen Gänge waren ähnlich starke Gruppen unterwegs. Sie alle bewegten sich auf das Zentrum der Labyrinthe zu.

Nach einer Weile wurde der Weg plötzlich gerade. Bisher waren sie ständig sanft bergab gegangen. Dann, hinter einer weiteren Biegung öffnete sich eine kleine Höhle. Eigentlich eine Ansammlung kleiner Grotten und Einbuchtungen im Stein, die sich um eine etwas größerer Höhle in ihrem Zentrum gruppierten. Charlie gab das Zeichen anzuhalten.

„Eric. Simon. Geht den Hauptgang weiter. Aber nur ein Stück. Seht euch um. Die anderen sehen sich die Grotten hier an. Aber vorsichtig. Wir müssen der Ritualhöhle jetzt sehr nah sein."

Schweigend machten sie sich an die Arbeit. Schnell war klar, dass sie allein waren. Niemand schien diesen Bereich des Labyrinths zu benutzen.

„Gut für uns." nickte Charlie. „Wenn irgendetwas schief geht sammeln wir uns wieder hier."

In diesem Moment kamen Simon und Eric zurück.

„Da vorne ist Licht. Etwa 500 Meter den Gang runter scheint er zu enden. Wir sind nicht bis zum Ende gegangen. Aber wir konnten eine Art Geröllhaufen in der Öffnung erkennen."

„Scheint, als näherten wir uns unserem Ziel. Dann lasst uns weitergehen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit."

Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Als sie das Ende des Ganges erreichten, gingen Charlie, Draco, Remus und Stella allein weiter. Die anderen machten sich bereit.

Ein Teil der Decke schien hier vor langer Zeit herabgestürzt zu sein und bildete jetzt einen natürlichen Wall zu allem, was am Ende des Ganges lag. Vorsichtig schlichen die vier näher, schmiegten sich eng an den Stein und wagten, so vor neugierigen Blicken geschützt, einen Blick nach vorn.

Eine gewaltige Kaverne erstreckte sich vor ihnen. Die Decke blieb im Schatten verborgen. Qualmende Fackeln waren an den Wänden angebracht, warfen ihre tanzenden Schatten auf alles. In dunkle Kapuzenumhänge gehüllte Gestalten bewegten sich in der Höhle hin und her, beschienen von einem riesigen Scheiterhaufen, der in der Mitte der Höhle brannte- in ummittelbarer Nähe eines steinernen Altars.

Draco schloss kurz die Augen, als die Erinnerung ihn ansprang. Die Fackeln, die Todesser, das prasselnde Feuer, der Steinaltar. Für einen Moment hatte er das Gefühl zu ersticken. Er spürte Stellas Hand auf dem Arm und schlug die Augen wieder auf.

„Alles in Ordnung?" hauchte sie.

Er nickte stumm.

In diesem Moment hörte er Charlie scharf nach Luft schnappen.

Er hob den Kopf und folgte dem Blick seines Hauptmanns.

Zwei Todesser hatten die Kaverne betreten und schleiften eine dritte Gestalt zwischen sich her auf den Altar zu.

Leblos wie eine Marionette mit zerrissenen Fäden hing er an den Armen der beiden Männer.

Als sie in das Licht des Feuers traten, wanden sie sich leicht in die Richtung ihrer verborgenen Beobachter -

Der flackernde Feuerschein brach sich in den Gläsern einer Brille...

--

Ja, ich weiß, schon wieder ein Cliff. Aber an die Dinger gewöhnt ihr euch jetzt mal bessern. Ich werde versuchen die letzten Chaps. alle mit einem Cliffhanger enden zu lassen. evil grin

Ich bin übrigens keineswegs gelangweilt, angeödet oder sonst wie desinteressiert an euren Reviews. Ich freu mich nach wie vor über jede und finde es wunderbar, wenn euch meine Fic weiterhin gefällt. Also schreibt mit ruhig weiter. Davon abgesehen macht es mir Riesenspaß diese Geschichte für euch zu erzählen. Und da wo die herkommt, gibt es noch viel mehr. Ihr werdet mich nicht mehr los GRINS

Hey Oedarius: Hier kriegst du mal eine Antwort. Sorry, ich würd euch gern allen antworten, aber dann müsste ich jemanden einstellen, der für mich arbeiten geht. ;o) Die Länder sind ziemlich willkürlich gewählt. Grönland find ich interessant, wegen all dem Eis und Tibet fiel mir einfach so ein. Nicht alles hat eine Bedeutung. lach Eudora wird wohl in dieser Fic keine Rolle mehr spielen. Vielleicht im Sequel (aber das wird noch eine Weile dauern.)

Kiralein? Die Tempos wirst du in jedem Fall brauche, soviel kann ich schon mal verraten. Warum sag ich aber nicht. ;o)

Leah, das mit dem Absatz war ein Versehen. Die beiden Teile sollten eigentlich nicht so nahtlos ineinander übergehen, aber ich hab einfach den Strich vergessen.

Ich finde es sehr interessant, dass so viele von euch sich freuen, dass sie wieder auf der Dracheninsel waren. Ich hatte beim schreiben auch das Gefühl nach Hause zu kommen.

Apropos. Der Name der Insel. Ein keltischer Name, zusammengesetzt aus verschiedenen Sprachen. Inis heißt Insel, soweit ich weiß ein irisches Wort und Draig ist das walisische Wort für Drachen... Also zusammen Inis Draig - die Dracheninsel. Kein Latein diesmal ;o)

Bis zum nächsten Chap.
Hab euch alle lieb
Küsschen
Eure Yulah