So, da wär ich wieder. Und bevor es weitergeht noch ein paar kleine Bemerkungen:
Ich lasse mich nach wie vor weder von Morddrohungen noch von unnetten Namen (ich hab das genau gesehen, rah-chan!) einschüchtern oder beeinflussen. Ihr sollten mich sehen, während ich eure Reviews lese... ICH kenn ja den Ausgang der Geschichte... ;o)
Oedarius, du wirst lachen, aber ich hab Kill Bill nie gesehen. Hat mich nicht wirklich interessiert.
Kira, ganz ruhig bleiben... und willst du wirklich, dass Harry für den Rest seines Lebens mit der verqueren Seele eines Todessers in sich rumläuft? Doch nicht wirklich, oder? Außerdem müssten sie den ja zwingen und darum geht es ja gerade... Sie wollen nicht das gleiche machen, wie Voldemort.
So, und jetzt, bevor mir noch einer einen Herzanfall bekommt, weiter mit der Fic:
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30.
Harrys Blicke hingen unentwegt an den beiden Gestalten, die sich am anderen Ende der Höhle unterhielten. Er sah, dass Charlie sich furchtbar aufzuregen schien, sich dann aber wieder beruhigte. Zu verstehen war kein Wort, aber die Körpersprache war mehr als nur beunruhigend.
Die anderen setzten leise die unterbrochenen Unterhaltungen fort, aber auch sie sahen immer wieder zu den beiden Drachenreitern hinüber. Allen war klar, dass in diesem Moment Entscheidungen getroffen wurden.
Schließlich kamen Draco und Charlie zurück ans Feuer.
„Worüber habt ihr geredet?"
Diese Frage brannte allen auf der Zunge, trotzdem erntete Ron mehrere böse Blicke.
„Wir haben unsere... Möglichkeiten abgewägt."
Charlie setzte sich und warf Draco über das Feuer einen langen, missbilligenden Blick zu, während er sprach.
Der Slytherin hatte sich wieder an seinen Platz gesetzt und den Arm um Harry gelegte, der sich sofort wieder eng an ihn geschmiegt hatte. Sorge und Erleichterung mischten sich in grünen Augen.
„Ok..." sagte Ron langsam.
Draco wand sich an Harry. Während er sprach, strich er sanft einige der widerspenstigen Haarsträhnen aus dem ausgezerrten Gesicht.
„Es gibt eine Möglichkeit, dir genug Kraft zu geben, dass du den Kampf gegen Voldemort antreten und auch durchstehen kannst."
„Wirklich? Wie?"
„Magie. Mehr ist im Augenblick nicht wichtig."
„Magie? Kein Zauber, den ich kenne, wäre dazu in der Lage." mischte Hermine sich ein.
„Nun," antwortete Draco kühl, „das heißt ja nicht, dass es einen solchen Zauber nicht gibt."
Ihr fiel die Veränderung in seinem Tonfall, seinem Gesichtsausdruck auf. Da lag plötzlich etwas, dass sie nicht deuten konnte. Eine Art Bürde oder Sorge... Worüber hatte er mit Charlie gesprochen?
„Wenn ihr so geheimnisvoll tut, ist dieser Zauber gefährlich."
Harrys Augen weiteten sich. Er wand den Kopf und sah seinen Freund eindringlich an.
„Draco? Stimmt das? Ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst."
„Mir wird nicht passieren. Mach dir keine Gedanken. Vertrau mir."
Charlie gab ein freudloses Lachen von sich. Dracos Augen schienen ihn zu durchbohren.
Hermines Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. Die Spannung war fast greifbar.
Draco schloss die Augen und schien sich einen Augenblick lang vollkommen zu konzentrieren, dann sah er Simon an.
„Wieviel Zeit bleibt uns noch?"
„Anderthalb Stunden vielleicht, eher weniger."
„Gut. So lange brauche ich nicht."
Er drehte sich leicht zur Seite, nahm Harrys Gesicht in beide Hände und sah dem Gryffindor tief in die Augen.
„Vertraust du mir?"
„Ja. Ohne jeden Zweifel."
Ein geisterhaftes Lächeln glitt über Dracos Lippen.
Auf einmal schienen die anderen weit weg zu sein. Es gab nur noch ihn und Harry...Er verschränkte die Finger ihrer linken Hände, so dass die Ringe mit einem leichten, kaum hörbaren metallischen Geräusch aneinander stießen.
„Dann versprich mir eins. Egal was passiert, heute und auch später, vergiss niemals, dass ich dich liebe, und dass ich immer bei dir sein werde."
„Wie könnte ich das jemals vergessen?"
„Versprich es trotzdem. Es mögen Dinge geschehen, die du nicht verstehst, aber du musst mir vertrauen."
„Ich verspreche es dir. Und ich vertraue dir."
Dracos Lächeln vertiefte sich, auch wenn es traurig blieb. Eine Trauer, die Harry bemerkte, die ihn tief berührte, aber die er nicht ausloten konnte, nicht im Moment. Dann, bevor er fragen konnte, schlossen sich die weichen, warmen Lippen über seinem Mund und er gab jeden klaren Gedanken auf. Alles was zählte, war das hier und jetzt.
Dann endete der Kuss und Harry konnte sich eines Gefühls der Endgültigkeit nicht erwehren. Er versuchte auch diesen Gedanken zu fassen, aber die Müdigkeit war zu groß. Er merkte, wie ihm wieder die Augen zufielen.
„Ich bin so müde..." murmelte er.
Der Wunsch sich einfach in Dracos Arme sinken zu lassen und zu schlafen schien für einen Moment übermächtig.
Die warmen Lippen strichen sanft über seine Stirn.
„Leg dich hin. Es wird dir gleich besser gehen."
Dann murmelte Draco etwas, dass Harry nicht richtig verstehen konnte. Es war zu leise und er viel zu erschöpft, aber für einen Augenblick glaubte er, die Worte „Verzeih mir" zu hören. Nein, das musste er sich eingebildet haben. Wofür sollte Draco ihn um Verzeihung bitten?
Harry legte sich langsam wieder hin, den Kopf in Dracos Schoß. Einen Moment lang gab er sich ganz dem Gefühl der Ruhe hin. Der Mensch, den er am meisten liebte, war hier bei ihm, alles andere zählte nicht.
Dracos schlanke Finger streichelten sanft über Stirn und Schläfe, glitten durch die schwarzen Haare.
„Versuch dich zu entspannen."
Harry nickte leicht. Die zarten Berührungen und die sanfte Stimme ließen die Müdigkeit plötzlich überhand nehmen. Schlafen... einfach nur schlafen, an nichts mehr denken...
Charlie ließ Draco nicht aus den Augen. Er suchte krampfhaft nach einem Argument, um dem Slytherin seinen Plan auszureden.
Hermine bemerkte die Spannung und sah zwischen den beiden Drachenreitern hin und her. Irgendetwas ging hier vor. Irgendetwas, das wichtig war, das aber niemand aussprach. Sie wollte schon nachfragen, wurde aber unterbrochen, als Stella sich zu ihnen gesellte.
„Habt ihr euch schon etwas überlegt?"
Charlie sah seine Frau einen langen Moment an, dann beugte er sich vor und flüsterte ihr etwas zu. Ihre Augen wurden immer größer. Als Charlie geendet hatte, hob sie ruckartig den Kopf. Braune Augen trafen auf Silberne.
„Draco..." flüsterte sie.
„Ich hab meine Entscheidung getroffen, Stella."
Es schien, als wollte sie noch etwas sagen, dann nickte sie. Anders als ihr Mann wusste sie, dass es keine Möglichkeit geben würde, ihrem Freund seinen Plan auszureden. Sie kannte ihn besser.
Harry spürte die Veränderung der Stimmung, die Stille, die sich plötzlich über diesen Teil der Höhle gelegt hatte. Er schlug die Augen auf und blinzelte.
„Warum seid ihr auf einmal so ruhig? Ist etwas geschehen?"
„Nein. Schließ die Augen und entspann dich. Es wird dir gleich besser gehen."
Dracos rechte Hand strich sacht über seine Augen, blieb dann leicht auf der Stirn liegen. Die linke Hand glitt tiefer, legte sich auf den Brustkorb, direkt über dem Herzen.
Harry fühlte, wie Dracos Atemzüge tiefer, langsamer wurden. Leise Worte, in einer Sprache, die er nicht verstand, glitten über ihn hinweg. Frieden lag in diesen Worten, Ruhe und tiefe Liebe. Ein Gefühl der Geborgenheit strahlte von ihnen aus, hüllte ihn vollkommen ein. Irgendwo am Rand seines Bewusstseins glaubte er streitende Stimmen zu hören, aber er konnte die einzelnen Wort nicht ausmachen. Dracos sanftes Flüstern füllte seine ganze Wahrnehmung.
Dann spürte er die Wärme, die von Dracos Händen auszugehen schien und langsam in jeden Winkel seines Körpers drang. Etwas schien sacht seinen Geist zu berührte, aber bevor er erfassen konnte, was es war, verschwand das Gefühl wieder. Einen Augenblick lang schien er in einer Wolke aus Wärme zu schweben, dann wurde Dracos Stimme leise, die Worte ebbten langsam ab, die Hand glitt von seiner Stirn.
Harry spürte den Höhlenboden unter seinem Rücken, die Wärme von Dracos Körper unter seinem Kopf. Erstaunt nahm er zur Kenntnis, dass alle Müdigkeit von ihm gewichen war. Er fühlte sich wach und stark.
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Sie sahen stumm zu, wie Draco seine Hände in die richtige Position für den Zauber brachte, die Augen schloss und einige Momente langsam und konzentriert amtete. Als er zu sprechen begann, war seine Stimme ruhig und gelassen. Hermine versuchte die Worte zu verstehen, aber gab das schnell wieder auf. Der Zauber war in der Sprache der Insel verfasst, einem alten keltischen Dialekt, den sie nicht verstand.
Simon hörte ebenfalls aufmerksam zu, doch nach den ersten Worten, erkannte er den Zauber. Er hatte Geschichten darüber gehört, Legenden, die seine Lehrer erzählt hatten. Das konnte nicht Dracos Ernst sein! Das würde er nicht zulassen! Er wollte aufspringen, Draco anstoßen und so seine Konzentration stören, aber Charlies Hand schoss vor und schloss sich wie ein Schraubstock um seinen Arm.
„Setz dich, Simon!"
„Charlie! Ist dir klar, was Draco da gerade tut?"
„Ja. Das ist mir durchaus bewusst. Er hat mir gesagt, was er vorhat."
„Er hat... Und du lässt das zu? Wie kannst du stumm zusehen, wie er das tut?"
„Es ist seine Entscheidung. Wir haben kein Recht, ihn davon abzuhalten."
„Aber..."
„Nein, Simon." Dann, leiser. „Ich weiß, dass du ihn liebst. Dass du nie aufgehört hast etwas für ihn zu empfinden, aber dennoch hast auch du kein Recht ihn davon abzuhalten, zu tun, was er für sich entschieden hat."
Simon senkte den Kopf. Charlie hatte recht. Er selbst hatte seine Chance gehabt und vor langer Zeit verspielt. Draco hatte Harry als Gefährten gewählt, nicht ihn. Er war auch bereit das zu akzeptieren. Er hatte sich sogar gewünscht, dass Harry gesund zurück kehrte, damit es Draco wieder gut ging. Dracos Liebe war für alle Zeit unerreichbar für ihn, damit hatte Simon sich abgefunden. Die Freundschaft hatte ihm genügt. Doch jetzt würde er Draco endgültig verlieren.
Langsam setzte er sich wieder hin.
Sah stumm zu, wie Draco den Zauber beendete.
Sah, mit einem schmerzlichen Stechen in der Brust, wie der schlanke Körper des Slytherin gegen die Wand der Höhle sank, als seine Seele ihren angestammten Platz verließ und die leblose Hülle zurückließ.
Sah wie Harry sich regte und langsam die Augen aufschlug.
Harry, dessen Seele jetzt für alle Zeiten untrennbar mit Draco verbunden sein würde...
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Harry öffnete die Augen und setzte sich langsam auf.
„Das ist ein wunderbarer Zauber. Ich fühle mich wie neugeboren. Ich... Was ist los?"
Traurige, ernste Gesichter begegneten ihm. Charlie starrte ins Feuer, seine Lippen waren zu einer dünnen Linie zusammengepresst, in Stellas Augen glitzerten Tränen. Ron und Hermine wirkten verwirrt, Simon sah ihn offen feindselig an und fluchte leise.
Harry drehte sich zu Draco um.
„Dray, was... oh großer Merlin!"
Draco saß noch immer hinter ihm. Sein Kopf war gegen die Höhlenwand gesunken, seine Augen waren geschlossen. Die Haut war bleich und wächsern und einen schrecklichen Augenblick lang schien es, als sei er tot. Dann bemerkte Harry das kaum sichtbare Heben und Senken des Brustkorbs.
Er streckte die Hand aus und berührte sacht Dracos Wange.
„Baby?"
Die Haut war kalt wie Eis.
Harry drehte sich wieder zu den anderen.
„Was ist passiert? Was..." dann dämmerte ihm ein Verdacht.
„Was hat er getan?" hauchte er.
Hermine erwachte aus ihrer Trance.
„Ich kenne den Zauber nicht genau, aber ich denke, er hat dir seine Kraft gegeben. Mach dir keine Sorgen, Harry. Er wird sich sicher erholen."
Simon schnaubte.
Harry ignorierte seine Freundin. Seine Augen wanderten zu den Drachenreitern. Seine Stimme war betont ruhig.
„Was ist geschehen, Charlie? Stimmt es, was Hermine sagt?"
Der Hauptmann der Drachenarmee hob langsam den Kopf.
„In gewisser Weise ja."
Simon sprang auf.
„Was soll das?" fauchte er. „Warum sagst du ihm nicht die Wahrheit?"
„Simon..."
„Nein! Er war mein Freund. Du hast recht, ich konnte ihn nicht von seinen Plänen abringen, aber du kannst nicht von mir verlangen, dass ich still bleibe."
Harry nahm nur ein Wort wahr.
„Er war...?"
Simon sah ihn einen langen Moment an.
„Er hat dir seine Seele gegeben. Er liebt dich so sehr, dass er sich geopfert hat, um dich zu retten."
Jede Farbe wich aus Harrys Gesicht. Er sah Charlie an.
„Stimmt das?"
Der Drachenreiter nickte traurig.
„Ja. Er wusste, dass du sterben würdest, wenn du in deinem Zustand kämpfst, dass wir dich aber auch nicht davon würden abbringen können und darum hat er beschlossen, dir zu schenken, was Voldemort dir rauben wollte, damit du dein Schicksal erfüllen kannst. Er wusste, dass du niemals zulassen würdest, dass man Ginny und den anderen Gefangenen die Seele stiehlt. Er kannte dich besser als jeder andere von uns. Wir hätten versucht dich von hier fort zu bringen. Aber Draco wusste, dass du an den Schuldgefühlen zerbrechen würdest, wenn du die Gefangenen ihrem Schicksal überlässt."
„Ich will das nicht! Bitte, ihr müsst den Zauber sofort rückgängig machen!"
Stellas Augen waren voller Mitgefühl.
„Das ist unmöglich, Liebes. Der Zauber lässt sich nicht aufheben. Draco wusste das."
„Aber... aber es muss doch eine Möglichkeit geben..."
„Nein. Leider nicht. Seine Seele hat sich durch den Zauber untrennbar mit deiner verbunden. Außerdem, wir können den Zauber nicht durchführen. Das hieße, das Ritual zu zelebrieren, dass Voldemort für dich bestimmt hat. Das hieße, dir die Seele zu rauben. Und wenn du den Zauber lernst und anwendest, wirst du dadurch nur erreichen, dass die Seele, die du in dir trägst versuchen wird, in seinem Körper einen Halt zu finden. Was unmöglich ist. Sie muss sich mit einer anderen Seele verbinden, um dort bleiben zu können. Und selbst wenn es funktioniert, wird das nur zur Folge haben, dass eure Rollen vertauscht sind. Und das wird Draco nicht akzeptieren."
„Aber, wenn ich ihm nur die Hälfte der Seele gebe?"
„Nein. Harry. Wir reden nicht von zwei Flüssigkeiten, die man zusammengeschüttet hat und nun auch wieder aufteilen kann. Eine Seele lässt sich nicht teilen. Nicht so. Sie wird durch die Verschmelzung nicht größer. Es tut mir so leid, aber es gibt keine Möglichkeit den Zauber aufzuheben."
„Was ist wenn ich sterbe? Wird seine Seele dann zurückkehren?"
„Nein. Wenn du stirbst, werden eure vereinten Seele freigesetzt und dorthin gehen, wo die Seele jedes sterbenden Menschen hingeht. Es gibt keinen Unterschied. Der Drachenteil seiner Seele wird sich vom Rest trennen und in einem Drachen wiedergeboren werden. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
Die Gedanken wirbelten in Harrys Kopf durcheinander. Das alles konnte unmöglich wahr sein. Das war ein Traum. Musste ein Traum sein. Er lag noch immer in seinem Kerker und träumte das alles hier. Es waren diese verdammten Drogen, die man ihm eingeflösst hatte. Gleichzeitig war sein Geist klar und scharf wie schon lange nicht mehr. Er wusste, dass all das wahr war.
Er drehte sich wieder um und berührte vorsichtig Dracos kaltes, bleiches Gesicht.
„Warum hast du das getan..." flüsterte er. „Du hast wieder mein Leben gerettet und zwingst mich jetzt, es ohne dich zu leben..."
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Harry hatte Draco auf dem Boden der Höhle in seinen Mantel gewickelt und saß jetzt reglos und stumm neben ihm, hielt seine Hand und starrte ihn an.
Er brauchte nur die Finger etwas weiter nach oben zu bewegen, um am Handgelenk den zarten Pulsschlag zu spüren, seine Augen glitten immer wieder zu den leichten, geisterhaften Bewegungen des Brustkorbs, die deutlich jeden Atemzug markierten. Harrys Finger strichen abwesend über die schmale Hand in seiner, wann immer er zufällig den Ring berührte, zuckte er unwillkürlich zusammen. Sein eigener Ring schien schwer wie Blei, auch wenn das wahrscheinlich nur seine Einbildung war. Dracos Haut hatte sich langsam wieder etwas erwärmt, als die Erschöpfung nachließ, die der Zauber hinterlassen hatte, trotzdem reagierte er weder auf Worte noch auf Berührungen. Sein Körper lebte, Reflexe wie Herzschlag und Atmung erfüllten weiterhin ihre Aufgabe, aber es lebte niemand mehr in diesem Körper. Sie hatten es ihm erklärt. Auch der Körper würde in einigen Tagen sterben. Verdursten, verhungern.
Es gab einen Zauber, um ihn zu wecken. Ihn dazu zu bringen zu essen und zu trinken, zu tun, was immer ihm aufgetragen wurde. Aber ein Leben war das auch nicht. Während er Stella mit Entsetzen in den Augen zuhörte, hatte Harry sich geschworen, Draco lieber mit eigenen Händen die Kehle durchzuschneiden, als zuzulassen, dass er zu einer willenlosen Marionette wurde. Niemand würde ihm das antun. Niemand.
Harry versuchte in seinem eigenen Selbst Spuren von Dracos Seele zu erahnen, aber genauso gut hätte er versuchen können, seine eigenen Gefühle zu sehen. Draco war da, irgendwo, aber er würde ihn nicht finden können.
Nie wieder.
Die Schwere dieser Erkenntnis drückte sein Herz zusammen, machte ihm das Atmen schwer. Wie sollte er weiterleben? Wie konnte er weiterleben?
Als Charlie hinter ihn trat und ihn sanft an der Schulter berührte, schien es Harry, als erwachte er aus einem tiefen Schlaf. Er sah den Drachenreiter fragend an, sagte aber nichts.
„Es wird Zeit, Harry. Das Ultimatum läuft in einer halben Stunden aus. Wir sollten uns für den Kampf bereit machen."
Langsam nickte Harry.
Er hatte Charlie Vorwürfe machen wollen. Im ersten Moment, als Wut und Verzweiflung übermächtig wurden. Er hatte ihn anschreien wolle, wie er das hatte zulassen können. Am liebsten hätte er ihn sogar geschlagen, ihn etwas von dem Schmerz spüren lassen, der sein Innerstes verbrannte.
Er hatte es nicht getan.
Es war nicht Charlies Schuld.
Draco traf seinen Entscheidungen ohne um Erlaubnis zu bitten.
Immer.
Und das hatte er auch diesmal getan.
Zum zweiten Mal in seinem Leben hatte er eine Entscheidung gefällt, die fatal für ihn endete.
Doch diesmal gab es keinen Drachen, der sein Leben retten würde.
Diesmal war seine Entscheidung endgültig.
Harry bemerkte, dass Charlie ihn noch immer besorgt musterte.
„Lass ihn dieses Opfer nicht umsonst gebracht haben, Harry."
„Das werde ich nicht. Ich komme sofort. Lass mich bitte noch einen Augenblick allein."
Allein.
Das würde er ab heute sein.
Für alle Zeiten allein.
Er beugte sich vor und hauchte einen sanften Kuss auf die leicht geöffneten Lippen. Das Gefühl war vertraut und zugleich furchtbar fremd. Er spürte den leichten Atem, der gegen seine Haut strich, fühlte die Wärme der Lippen. Gleichzeitig merkte er nur zu deutlich, dass kein Leben dahinter lag.
„Ich werde ihn besiegen. Ich werde dafür sorgen, dass du stolz auf mich sein kannst."
Er zog den Mantel, der als Decke diente etwas höher über den leblosen Körper, dann stand er ruckartig auf und trat zu den Drachenreitern, die sich um Charlie versammelt hatte und den Angriffsplan besprachen.
„Ich bin bereit. Und ich werde allein gehen. Er will mich. Nicht euch. Hermine? Gib mir deinen Zauberstab. Meinen hat Voldemort."
„Harry..."
„Hermine, ich werde nicht mit dir diskutieren. Ich möchte deinen Stab, weil er besser zu mir passt, als Rons, aber ich werde auch seinen nehmen."
Charlie seufzte.
„Er hat recht, Hermine. Wenn wir mehr Zeit hätten, würde ich dir beibringen, die Kraft der Quellen zu nutzen, aber dazu ist es jetzt zu spät. Aber du solltest dich nicht allein auf den Zauberstab verlassen."
Er trat zur Seite und hob ein Bündel vom Boden auf.
„Das haben wir den ganzen Weg von Inis Draig mitgeschleppt. Draco hat darauf bestanden, dass wir es mitnehmen. Er dachte, dass du es brauchen würdest."
Harry schlug den Stoff zurück und zog ein Schwert zwischen den Falten hervor.
Sein Schwert.
Einen Moment lang betrachtete er die verschlungenen Formen. Es war lange her, dass er die Waffe in der Hand gehalten hatte. Eines von Orins kleinen Meisterwerken. Wortlos schlang er sich den Gürtel um die Hüfte. Hermines Zauberstab behielt er in der Hand.
Einen nach dem anderen sah er seine Freunde an.
„Wenn ich es nicht schaffe, dann seht zu, dass ihr so schnell wie möglich zur Insel kommt. Sie wird dann bald der einzig sichere Ort sein. Charlie, wenn ich gefangen werden und Voldemort das Ritual noch immer durchführen will, dann töte mich."
Charlie nickte grimmig.
Harry warf noch einen letzten Blick über die Schulter, zu der Stelle, an der Draco lag, dann drehte er sich um und ging mit schnellen festen Schritten zum Eingang der großen Kaverne.
Charlie straffte die Schultern.
„Also schön, Freunde. Jetzt gilt es. Macht euch bereit. Folgt Harry, aber lasst ihm Abstand. Wenn die Todesser irgendwelche Tricks versuchen, haltet sie davon ab. Stella, du übernimmst das Kommando über Dracos Schwarm. Euch brauch ich hier."
Die Drachenreiter machten sich kampfbereit und folgten Harry.
Remus und Hermine blieben mit Charlie, Stella, Eric, Simon sowie einer kleinen Gruppe von Drachenreitern und den Verletzten zurück.
„Ich möchte, dass ihr die Verwundeten nach Hause bringt. Egal wie diese Sache hier ausgeht, wir sollten die in Sicherheit bringen, die sich nicht wehren können. Stella, kümmere dich bitte um Draco. Sag Celeste was passiert ist... vielleicht..." Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
„Charlie..."
„Ich weiß... ich weiß... frag sie einfach, ok?"
„Ja. Was ist mit Ashes?"
„Wenn er euch nicht von selbst folgt, lass ihn hier. Wenn Harry siegt, wird er ihn brauchen, wenn nicht... wenn Harry stirbt, wird die Verbindung zu Ashes Seele aufgelöst und er wird ohnehin zur Insel zurückkehren. Hermine, Remus, ihr solltet ebenfalls mit zurückehren. Hier könnt ihr nichts tun."
Hermine wollte wiedersprechen, aber Remus legte ihr sanft die Hand auf die Schulter.
„Mach dir keine Gedanken um uns, Charlie. Wir werden zur Insel zurückkehren."
Der Drachenreiter nickte. Dann folgte er seiner Armee in den Kampf.
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Harry wusste, dass die Drachenreiter ihm folgten, aber er drehte sich nicht um. Es spielte keine Rolle. Diesmal nicht.
„Voldemort! Komm aus deinem Versteck! Lass es uns hier und jetzt zu Ende bringen! Ich bin es leid. Dieser Krieg dauert schon viel zu lange. Wenn du mich willst, dann komm und hol mich."
Dunkle Gestalten lösten sich aus dem Höhleneingang auf der anderen Seite. Todesser, in ihre Kapuzenumhänge gehüllt. Sie schwärmten zu beiden Seiten des Eingangs aus, bildeten ein Gegengewicht zu den Drachenreitern, die hinter Harry Aufstellung bezogen.
„Gib die Gefangenen frei. Hier geht es nur um dich und mich. Sie haben nichts damit zu tun."
Eine weitere Gruppe Todesser trat in die Kaverne, in ihrer Mitte führten sie sechs gefesselte Personen. Harry erkannte Ginnys Pferdeschwanz.
Einer der Todesser trat vor.
„Der dunkle Lord verlangt, dass die Krieger sich heraushalten."
Harry nickte.
„Ja. Keiner wird sich einmischen. Das betrifft nur ihn und mich. Lasst die Geiseln gehen."
Die Gefangenen wurden gefesselt wie sie waren in die Mitte der Höhle gebracht. Charlie bedeutete dreien seiner Leute sie in Empfang zu nehmen.
Harry stand reglos in der Mitte der Höhle und wartete. Eine seltsame Ruhe hatte ihn überkommen. Er war fast froh, dass es nun bald vorbei sein würde.
Als Voldemort schließlich in die Höhle trat, geschah das ohne Aufsehen. Er war einfach da. In einen dunklen Umhang gehüllt, wie seine Untergebeben, den Zauberstab locker in der klauenartigen Hand. Die Zeit hatte nicht dafür gesorgt, dass er sich besser an seine unnatürliche Existenz anpasste.
Harry hätte sich vielleicht überraschen lassen, wäre nicht der Schmerz in seiner Narbe gewesen, der seine Sinne aufs Äußerste anspannte.
„Harry Potter." Die Stimme war heiser und eine Spur zu hoch. Sie passte nicht zu diesem grausamen alten Zauberer.
„So begegnen wir uns endlich wieder, auf dass ich beenden kann, was ich vor 23 Jahren begonnen habe."
Noch während er sprach, kam der erste Fluch, schnell und überraschend. Harry gelang es in letzter Sekunde ihn abzuwehren. Der zweite Fluch traf Harrys Gürtel, ließ Schwert und Scheide scheppernd zu Boden fallen.
Was dann folgte blieb den Zuschauern für alle Zeit im Gedächtnis. Die beiden Zauberer bekämpften sich mit Flüchen aller Art. Manche trafen, andere nicht. Keinem von beiden gelang es einen Vorteil zu erringen. Voldemort war mächtiger, durchtriebener. Harry jünger und er kämpfte für die Freiheit und das Leben seiner Freunde. Ihre Kräfte waren unterschiedlich und glichen sich dennoch aus.
Dann fing Voldemort an, sich auf die Unverzeihlichen zu verlegen. Der Cruciatus traf Harry mit voller Wucht, bevor er eine Chance hatte, sich in Sicherheit zu bringen. Der Schmerz raste in glühenden Wellen durch seinen Körper, stärker, als er es je gespürt hatte. Bevor er Gelegenheit hatte sich zu erholen traf er Fluch ihn erneut, wieder und wieder. Er spürte, wie die Beine unter ihm nachgaben, hörte das erschrockene Aufkeuchen der Drachenreiter.
„Bleibt..." stöhnte er, während er auf die Knie sank. Sie durften sich nicht einmischen.
Der nächste Zauber war anderer Natur.
„Expelliarmus."
Harry spürte wie der Zauberstab seinen Händen entglitt.
Er kniete vorne übergebeugt auf dem Höhlenboden, sein Herz jagte.
„Nun, nun. Was haben wir denn da? Gibt unser Held etwa schon auf?"
Voldemorts Stimme troff vor Hohn.
Harry stieß sich mit den Händen vom Boden ab, setzte sich auf die Fersen zurück.
„Was erwartest du jetzt von mir? Dass ich um Gnade bettle? Das werde ich nicht tun. Also bring es zu Ende. Töte mich. Wenn es das ist, was du willst."
Harry lehnte sich zurück, hob die Hände.
„Ich bin unbewaffnet, wehrlos. So, wie du es liebst. Du kannst mich ohne Probleme töten. Keiner wird dich daran hindern."
Er ließ die Hände sinken, sein Kopf neigte sich nach vorn. Die Fingerspitzen seiner linken Hand berührten einige kleine Steinchen auf dem Höhlenboden. Seltsam, welche Dinge einem auffielen, wenn der eigene Tod kurz bevor stand. Die rechte Hand...
Er hob den Kopf erneut, erwiderte den Blick aus roten Augen.
„Was ist? Entwickelst du Skrupel? Nach all der Zeit? All den Toten, die bereits auf deiner Seele lasten?"
„Ich genieße nur den Augenblick des Triumphes. Um deine Freunde mach dir keine Sorgen. um sie werde ich mich später kümmern. Und jetzt, bereite dich darauf vor, deinen Eltern Gesellschaft zu leisten."
Er hob den Zauberstab.
Harrys Finger schlossen sich um den Schwertgriff.
Er hörte Dracos Stimme in seinem Kopf.
„Regel Nummer vier: Warte immer auf den richtigen Augenblick."
Sie hatten auf der Mauer des Wehrgangs in der Wintersonne gesessen und Draco hatte ihm die wichtigsten Regeln des Schwertkampfes erklärt. Die Sonne hatte sein helles Haar zum leuchten gebrachte, seine Augen hatte gestrahlt. Und für Harry hatte es nur die Liebe gegeben, die er empfand.
Es schien ein Leben her zu sein.
Das meckernde Lachen riss ihn aus der Erinnerung.
„Leb wohl, Harry Potter. Held aller Helden. AVA..."
Das Schwert glitt lautlos aus seiner Scheide, schwang in elegantem Bogen herum, durchschnitt die Luft wie Seide.
Die Worte des Todesfluches erstarben auf Voldemorts Lippen, als sich vier Fuß schimmernder Stahl in seinen Körper gruben. Der Zauberstab entglitt seinen Fingern, fiel klappernd auf den Boden.
„Du..." brachte er röchelnd hervor. „Die Prophezeiung..."
Harry zog das Schwert zurück und stand auf.
Sein Blick war kühl, seine Worte ruhig.
„Es war nie die Rede davon, wie ich dich töten muss."
Blutiger Schaum trat auf die Lippen das alten Magiers, seine Hände pressten sich gegen die Wunde, aus der das Blut sprudelte.
Er sank auf die Knie. Eine blutige, klauenhafte Hand streckte sich nach Harry aus. Der junge Mann trat einen Schritt zurück um dem Griff auszuweichen, blieb dann wieder stehen.
„Das... ist nicht das Ende... ich kehre wieder... Ich..."
„Nein. Diesmal nicht. Ich werde dafür sorgen, dass du nicht zurückkommst. Deine Zeit ist vorbei, Voldemort."
Der Körper des alten Magiers sackte nach vorne, zuckte noch ein oder zweimal und blieb dann still.
Harry hob den Kopf. Sein Blick traf die Todesser. Ihre Reihen hatten sich merklich gelichtet. Viele hatten den Ausgang des Kampfes befürchtet und sich vorsorglich abgesetzt. Der Rest war sah jetzt panisch auf ihren toten Anführer und auf die Übermacht der Drachenreiter.
Harrys Stimme war ruhig, fast leblos. Er war so unendlich müde.
„Macht euch nicht die Mühe eines Fluchtversuches. Ihr seid in der Minderzahl, die Ausgänge werden von Drachen bewacht. Es hat keinen Sinn. Wenn ihr euch kooperativ zeigt, werdet ihr vielleicht am Leben bleiben. Und wenn nicht... Es spielt keine Rolle. Und es ist mir auch egal..."
Er drehte sich um und ging langsam auf die Drachenreiter zu.
„Verbrennt die Leiche. Streut die Asche ins Meer. Ich will nicht, dass er wiederkommt. Die Todesser überlasst dem Phönixorden. Es ist ihre Aufgabe. Sie werden sich darum kümmern."
Dann trat er zwischen den Kriegern hindurch und ging langsam zum Ausgang der Höhle. Ginny folgte ihm, die anderen Drachenreiter schlossen den Kreis, um zu Ende zu bringen, was er begonnen hatte.
Harry bemerkte weder seine Freundin, die ihm folgte, noch die Wachposten, die in regelmäßigen Abständen in den Gängen postiert waren und ihm durch ihre Anwesenheit den Weg nach draußen wiesen. Er stolperte durch die von Fackeln erhellte Dunkelheit, das blutige Schwert noch immer fest umklammert. Als er schließlich weit außerhalb der Stadt aus dem Tunneleingang trat, ging über einer nahegelegenen Baumgruppe die Sonne auf.
Drachen lagen und saßen in der Nähe. Warteten geduldig auf ihre Reiter. Auch hier waren Wachposten zurückgeblieben, die mit offenem Mund die stumme Gestalt musterten.
„Ginny, was...?"
„Shht. Wir haben gewonnen, die anderen kommen später."
Harry hörte davon nichts. Er entdeckte Ashes, der am Rand er Baumgruppe lag und trat neben den Drachen. Die große Echse musterte ihn aus grünen Augen. Harry streckte die Hand aus und strich leicht über die weichen Nüstern.
„Er hat uns verlassen, mein Freund. Wir müssen jetzt allein zurecht kommen. Bring mich nach Hause..."
Er ließ das Schwert ins Gras fallen und zog sich auf den Rücken des Drachen, lehnte sich gegen den warmen Schuppenpanzer am Hals der Echse.
Ashes stellte einen soliden Bezugspunkt zur Realität dar.
Einer Realität, die es nicht mehr gab.
Der Drache erhob sich in die Luft. Seine Schwingen schimmerten im Licht der aufgehenden Sonne.
Harry merkte nicht, wie die Zeit verging.
Er spürte die Muskeln des Drachen, die sich unter ihm bewegten.
Sah die Sonne, die über den Horizont wanderte.
Er fühlte das sanfte Kribbeln, als Ashes die Barriere durchbrach.
Als der Drache auf der Brüstung des Wehrgangs landete, ließ er sich von seinem Rücken gleiten. Sofort gaben die Beine unter ihm nach. Die Müdigkeit war überwältigend.
Sanfte Hände zogen ihn auf die Füße. Er hob den Kopf und blickte in Stellas braune Augen.
„Wo..." brachte er mühsam hervor.
„In seinem Zimmer."
Sie sagte nicht, dass er sich erst ausruhen sollte.
Sie fragte ihn nicht, wie der Kampf geendet hatte.
Sie sah ihn nur an. Trauer und Mitleid in den Augen.
Langsam, wie betäubt, aber zielstrebig und ohne Zögern durchquerte er die Festung. Seine Füße fanden den Weg wie von selbst.
Im Zimmer war es kühl, die Fenster waren offen, die Vorhänge gegen die Sonne zugezogen.
Draco lag reglos auf dem Bett. Jemand hatte den Zopf gelöst, ihn gewaschen und ihm saubere Kleider angezogen. Er schien nur zu schlafen.
Aber Harry wusste, dass er niemals wieder aus diesem Schlaf erwachen würde.
Er streifte seine eigenen Kleider ab, ließ sie achtlos auf den Boden fallen.
Im Bad stand eine Schüssel mit Wasser, er machte sich nicht die Mühe es zu erwärmen, in der Truhe am Fußende des Bettes fand er seinen Schlafanzug. Draco hatte ihn nicht weggeworfen.
Harrys Bewegungen waren mechanisch, seine Gedanken kreisten nur darum endlich zu schlafen.
Er glitt unter die Bettdecke, schmiegte sich fest an den warmen, vertrauten Körper. Seine Stimme zitterte, Tränen liefen über seine Wangen, als er schließlich sprach.
„Wir haben es geschafft. Es ist vorbei. Aber wie soll ich weiterleben ohne dich?" Er vergrub das Gesicht in den weichen Haaren, die sich über das Kissen ergossen und weinte, bis die Erschöpfung ihn übermannte.
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Er wurde wach, als Dusty mit einem Satz auf die Bettdecke sprang und sich schnurrend an seinem Gesicht rieb.
„Dusty... dummes Tier. Geh runter von mir." Er schob den Kater vom Bett und drehte sich auf die andere Seite. Sein Blick fiel auf die reglose Gestalt neben sich. Ruhige Atemzüge bewegten den Oberkörper, die Wangen waren von der Wärme im Zimmer sanft gerötet.
Erinnerungen tauchten aus der Tiefe seines Geistes auf.
Mit einem wehmütigen, zärtlichen Lächeln hauchte er einen Kuss auf die warme Haut, dann glitt er aus dem Bett.
Der Steinboden fühlte sich angenehm kühl an, unter seinen bloßen Füßen. Dusty strich schnurrend um seine Beine, begeistert, endlich Gesellschaft zu haben, die nicht schlief. Er hockte sich hin und kraulte den Kater hinter den Ohren. Dann stand er wieder auf und trat ans Fenster.
Die Sonne stand tief über dem Meer, schien gerade erst aufzugehen. Er setzte sich auf die Fensterbank, ließ seinen Blick über die Wellen wandern. Dieser vertraute, beruhigende Anblick ließ das Durcheinander in seinem Inneren langsam zur Ruhe kommen. Er sah Bilder in seinem Kopf, an die er keine Erinnerung hatte; fremde Eindrücke und Gefühle geisterten durch seine Seele.
Ein leises, gurrendes Geräusch unter dem Fenster lenkte ihn von seiner Grübelei ab. Auf einem Felsvorsprung hockte ein rotgoldener Drache und reckte seine Hals zum Fenster.
„Amber. Hallo meine Schöne."
Eine Idee kam ihm in den Sinn und rein instinktiv folgte er ihr.
Er drehte sich im Sitzen um und ließ seine Beine aus dem Fenster hängen. Amber, die zu ahnen schien, was er vorhatte, drehte den Kopf, so dass er mühelos auf ihren Rücken gleiten konnte. Dann öffnete sie die Schwingen und ließ sich in die Tiefe fallen, schoss über den Wellen dahin und stieß einen hellen Schrei aus, der von einem anderen Drachen oben in der Festung beantwortet wurde.
Sie flog dicht über dem Wasser dahin, sodass ihre Klauen und der lange Schwanz die Wellen aufpeitschten, die Gischt spritzte hoch, benetzte seine nackten Füße. Der Wind zerrte am dünnen Stoff des Schlafanzugs, zerzauste das flatternde Haar.
Schließlich schraubte sich der Drache wieder höher in den Himmel und landete neben dem äußeren Turm auf der Wehrmauer.
Eine einsame Gestalt saß auf der Brüstung und brütete vor sich hin.
Amber faltete ihre Schwinge elegant zusammen und stieß einen kurzen Ruf aus.
Charlie hob den Kopf.
„Hallo Amber, mein Mädchen. Warst du fischen?"
„Nein, wir haben einen kleinen Morgenflug gemacht. Allerdings hätte ich mich vielleicht vorher anziehen sollen."
Er glitt vom Rücken des Drachen und schob eine Strähne widerspenstiger Haare hinters Ohr. Dann bemerkte er Charlies entgeisterten Blick.
„Was ist? Immerhin hab ich etwas an und flieg nicht nackt durch die Gegend, wie Simon vorletztes Frühjahr."
Charlie brachte nur ein Wort hervor.
„Draco!"
