2. Die Macht der Zaubertränke
Am nächsten Morgen wurde Samantha durch leise Stimmen geweckt. „Pssst, pass bloß auf, dass sie nicht aufwacht – wir wollen doch, dass Professor Snape sie gleich ganz besonders ins Herz schließt, wenn sie direkt zur ersten Stunde zu spät kommt..."Mit einem erschreckten Blick auf die Uhr stellte Samantha fest, dass sie verschlafen hatte, das Frühstück war längst vorbei, und in weniger als 10 Minuten würde die erste Stunde beginnen. Während die anderen den Raum schon verlassen hatten, sprang sie aus dem Bett, hinein in die Kleidung und den Umhang, fuhr sich einmal mit der Hand durch die Haare und stürmte, die Schulsachen schnell vom Nachttisch reißend und dem noch schlafenden Fidelio ein „Bis Nachher!"zurufend, in Richtung des Kerkers, wo sie eine Doppelstunde Zaubertränke erwartete. Noch gerade rechtzeitig gelang es ihr durch die Tür zu schlüpfen, bevor Malfoy selbige hinter sich schloss.
Mit einem Blick auf Wendy, deren Nachbarplatz schon belegt war, suchte sie sich einen Platz in der hintersten und dunkelsten Ecke des Raumes, in der Hoffnung, so vor den Gemeinheiten der Mitschüler und des Lehrers einigermaßen sicher zu sein.
Professor Snape sich schon vor der Klasse in Position gebracht und ließ seinen vernichtenden Blick über die Reihen der Schüler schweifen. „Fangen wir an –ich hoffe doch sehr, dass sie nicht ihr ganzes Halbwissen in den Ferien vergessen haben, sofern sie überhaupt jemals welches besessen haben.", ließ die eiskalte und sarkastische tiefe Stimme des Zaubertranklehrers die Schüler erschauern. Jetzt würde eines seiner berüchtigten Verhöre kommen, mit denen er dann seine Punktabzüge für Griffyndor begründen könnte.
„Was passiert, wenn sie einem Zaubertrank in gleicher Menge den geriebenen Panzer eines Nashornkäfers und die getrockneten Blätter einer Brandwurz hinzufügen? – Miss Sidell?". Snape drehte sich langsam in Richtung der Ecke, wo er die Schülerin sitzen sah, die Arme vor der Brust verschränkt, der Blick emotionslos.
„Nichts Sir. Der geriebene Panzer des Nashornkäfers kompensiert mit seinem basischen Anteil den sauren wirksamen Bestandteil der Brandwurz. Eine solche Kombination ist vollkommen wirkungslos."
Wenn Snape über diese Antwort erstaunt war, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. „Und was würden sie nehmen, um einen Trank für traumlosen Schlaf zu brauen?"
Verzweifelt kramte Samantha in ihren Gedanken nach der Antwort. Sie hatte das irgendwo gelesen, aber es war kein Teil des eigentlichen Unterrichtsstoffes gewesen – natürlich das hatte im Anhang des Buches über komplexe Zaubertränke gestanden.
„Die Grundessenz dieses Trankes ist der Sud aus der Wurzel des scheinbaren Todes. Es ist dabei zu beachten, dass die Wurzel auf keinen Fall frisch geschnitten werden darf, da erst die Oxidation mit der Luft die wirksamen Bestandteile erzeugt. Der Sud wird dann vermischt mit einer Prise Alraunensaft, um die Nebenwirkungen zu lindern. Wichtig ist es, dass die Mengenangaben genau zu beachten sind, da der Saft der Wurzel des scheinbaren Todes zu einer Verlangsamung des gesamten Stoffwechsels und bei Überdosierung zu einem schleichenden aber schmerzlosen Tod führt."
„Danke Miss Sidell – 10 Punkte für Slytherin. Wie ich sehe, bekommen Sie Konkurrenz, Miss Granger."
Hätten Blicke töten können, wäre sie spätestens jetzt tot vom Stuhl gefallen, als sie die Blicke bemerkte, mit denen Draco Malfoy und die übrigen Slytherin Schüler sie gerade bedachten.
„Nun, wir werden heute einen Trank der besonderen Art brauen. Sie finden das Rezept auf Seite 13 ihres Buches. Die Zutaten stehen dort vorne im Schrank, ich will keinen Mucks hören, bis sie fertig sind – ich hoffe sie haben mich verstanden...
Nein, Sie nicht, Miss Sidell! Dieser Trank wird ihnen aufgrund mangelnder magischer Fähigkeiten kaum gelingen, und ich möchte nicht, dass Sie mir mein Labor in die Luft jagen. Es reicht ja schließlich, dass Mr Longbottom das in regelmäßigen Abständen versucht."Mit einem drohenden Blick wandte sich Snape in Richtung von Neville Longbotten, der sich augenscheinlich am liebsten unter den Tisch verkrochen hatte.
„Sie, Miss Sidell, werden mir hier vorne bei der Zubereitung eines Trankes zur Verstärkung magischer Wirkungen assistieren."
„Sir?!" Alles, nur das nicht... Bitte... Musste er sie denn so vor allen anderen bloßstellen?! Sie konnte schon die hämischen Blicke der anderen sehen, während sie sich vergeblich bemühen würde, ihr umfangreiches theoretisches Wissen in praktische Resultate umzusetzen.
„Ich denke ich habe mich klar genug ausgedrückt! Ihr Platz ist hier oben, nun stehen Sie nicht wie festgewurzelt da, sondern kommen Sie her, ich habe nicht ewig Zeit."
Langsam bewegte sich Samantha in Richtung des Tisches, wo der Zaubertranklehrer ungeduldig auf sie wartete „So, dann können Sie ja anfangen. Die Zutaten und das Rezept finden sie links auf dem kleinen Tisch, die verschiedenen Tiegel und Geräte stehen rechts auf dem kleinen Schrank."
„Professor Snape, Sir, ich habe das noch nie gemacht, ich... ich habe fürchte ich zwei linke Hände..."Niedergeschlagen zwang sie sich zu dem bleichen Lehrer aufzusehen.
„Das trifft sich ja ausgezeichnet – Sie sind doch Linkshänderin, oder nicht?"
Mit diesen sarkastischen Worten drehte er ihr den Rücken zu und wandte sich dem Rest seiner Klasse zu, die die Szene mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen beobachtet hatte.
Samantha hatte, wohl wissend, dass Professor Snape keine weiteren Diskussionen zulassen würde, das Rezept in die Hand genommen, und studierte die Zutaten und Zubereitung mit immer größer werdendem Erstaunen. Dieser Trank war alles andere als einfach. Das war nicht irgendein einfaches Schülerexperiment, das war ein äußerst komplizierter mehrstufig zubereiteter Trank, der sie für die nächsten eineinhalb Stunden sicher beschäftigen würde.
Trank zur Verstärkung der Magischen KräfteZutaten:
1mg Einhornhuf
1 Unze Drachengold von einer Schuppe
3 Magische Teelöffel Blütenzucker
4 Silberne Käferaugen vom Nasenschwanzkäfer
1 Prise Hibiskusmehl
3 Stäbe aus den Ästen der Vergessenen Bäume
1 Basiliskenzahn
2 mg Gedankenessenz eines weisen Zauberers
Zubereitung:
Man nehme einen kupfernen Tiegel und vermenge den pulverisierten Einhornhuf mit der Prise Hibiskusmehl, schlemme selbiges Pulver mit einem Teelöffel handwarmen Wassers auf und gebe vorsichtig die Gedankenessenz hinzu, indem man diese an einem der halbierten ausgehöhlten Stäbe aus den Ästen der vergessenen Bäume herunter rinnen lässt.
Dabei beachte man, dass die Substanz in keinem Fall mit der Haut in Berührung kommen darf, zum Schutz werden Handschuhe aus Drachenhaut empfohlen.
Nun nehme man einen silbernen Tiegel und vermische die 3 Magischen Teelöffel Blütenzucker mit etwas Wasser und rühre dann langsam gegen den Uhrzeigersinn mit dem zweitem der Stäbe aus den Ästen der vergessenen Bäume die vier silbernen Käferaugen nacheinander in die Lösung ein, bis diese eine tiefviolette Färbung angenommen hat. Dann nehme man die Inhalte der beiden Tiegel und gebe beide in einen kleinen kupfernen Kessel, und koche das Gemisch auf kleiner Flamme eines Feuers unter ständigem Umrühren mit dem dritten der Stäbe aus den Ästen der vergessenen Bäume auf. Der kochenden homogenen Substanz füge man vorsichtig den Basiliskenzahn zu, und wenn die letzte Schliere des Zahnes in der Auflösung begriffen ist, gebe man abschließend die Unze Drachengold hinzu und warte, bis der Trank eine hellgrüne Farbe angenommen hat. Erst dann nehme man den Kessel vom Feuer, und fülle den noch warmen Trank und ein gläsernes Behältnis ab.
Na, das konnte ja heiter werden! Doch schon nach kurzer Zeit hatte Samantha Zeit und Raum um sich herum vergessen und arbeitete fieberhaft an der Zubereitung des Trankes. Gerade als sie völlig in Gedanken den Inhalt der beiden Tiegel in dem Kupferkessel zusammenfügen wollte, spürte sie den Atem des Lehrers in ihrem Nacken, was sie unwillkürlich zusammenzucken ließ. Um ein Haar hätte sie die beiden Flüssigkeiten verschüttet, „Professor?", fragte Samantha irritiert, als sie sich seiner prüfenden Präsenz gewahr wurde. „Wie ich sehe, kommen sie voran. Nun, wir werden sehen, was sie uns da für eine Suppe zusammengebraut haben.", wieder war da dieser herablassende Blick und Tonfall, bei dem sich Samantha die Nackenhaare aufstellten. „Ja, Sir."Gleichzeitig mit den anderen, wurde auch ihr Trank fertig, wie sie mit Erleichterung bemerkte, als ihr Blick vom Kessel in den Klassenraum schweifte.
„Nun, Mr. Longbottom, dann zeigen Sie mal, was Sie zu Stande gebracht haben. Wenn ich mich richtig erinnere, steht in dem Rezept etwas von einer blauen Flüssigkeit, das was Sie da vor sich haben, sieht mir aber eher nach gelb aus... Nun wir werden sehen. Sie werden die Güte haben, Ihren Trank selbst zu probieren. Bitte Mr. Longbottom."
Nevilles Gesicht verfärbte sich zunächst rot vor Scham, dann weiß vor Angst und schließlich, nachdem er den Trank zu sich genommen hatte, grün. Als sich sein Gesicht dann auf einmal zu verformen anfing, und langsam aber sicher die Konturen eines Froschkopfes sich abzeichneten, begann die gesamte Reihe der Slytherins lauthals zu lachen, während Neville mit Panik die Flucht Richtung Krankenstation ergriff.
„Soviel zum Thema Longbottom. Sie sehen, was passiert, wenn man versehentlich die Hautschuppe einer Kröte in einen sensiblen Trank mischt, und ich hoffe, dass Sie nicht vorhaben ein ähnliches Schicksal zu erleiden, wie Ihr werter Klassenkamerad. Und nun zu Ihnen Miss Sidell. Auch Sie werden uns den Gefallen tun, Ihren Trank selbst zu probieren. Allerdings sollte – falls ihnen kein Fehler unterlaufen ist – dieser Trank keinerlei Wirkung auf Sie haben, da bei Ihnen ja keine magischen Kräfte existieren, die verstärkt werden könnten."
Bei dem Gedanken dieses Gebräu mit all den widerlichen Inhaltsstoffen zu probieren, wurde Ihr ziemlich flau im Magen. Aber sie wollte sich keine Blöße geben – was konnte schlimmeres passieren, als dass sie von den Slytherins ähnlich ausgelacht wurde wie Neville, wenn sie ihm auf die Krankenstation folgte.
Also nahm sie einen Löffel von dem grünlichen Sud, schloss die Augen und schluckte tapfer die bittere schleimige Flüssigkeit herunter. Eine wohlige Wärme durchflutete ihren Körper, gerade so, als ob eine Energiewelle sich vom Magen ausgehend in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Aber nichts weiter passierte. Keine Entstellungen, keine Schmerzen. Erleichterung durchströmte sie.
„Nun, Miss Sidell?! Irgendwelche Nebenwirkungen?"
"Nein Sir. Alles in Ordnung."Als ihre Augen sich trafen konnte Samantha zum ersten Mal für einen kurzen Augenblick etwas anderes als Verachtung in dem schwarzen Blick des Zaubertranklehrers erkennen, da war noch etwas anderes, etwas das sie sich nicht erklären konnte.
„Dann ist die Stunde beendet, sie können gehen."Und ehe sie sich umblicken konnte, hatte er den Kerker in Richtung seiner Privatgemächer verlassen, nicht ohne zuvor mit einem Schwung seines Zauberstabes das entstandene Chaos beseitigt zu haben und die Flaschen mit den Ingredienzien wieder in dem verschlossenen Schrank an der Seite des Raumes untergebracht zu haben.
Samantha konnte sehen, wie Hermine sich gehen noch einmal zu Wendy umdrehte und Ihr etwas zurief, das von den Lippenbewegungen auf ein „Viel Glück!"hindeutete. Endlich hatte sie ein Paar Minuten mit Ihrer besten Freundin, aber als sie gerade die Stufen zu Ihr hinuntersteigen wollte, spürte sie wie die wohlige Wärme in ihrem Körper langsam verschwand und einem nicht zu identifizierenden Schmerz wich. Samantha krümmte sich zusammen, stolperte die letzte Stufe hinunter und blieb, vor Pein kaum fähig zu atmen, zusammengerollt auf dem Boden des Kerkers liegen. Hermine, die gerade die Tür hinter sich schließen wollte, drehte sich auf dem Absatz um und schrie „Ron, schnell, hol Professor Snape!"
„Nein, nicht Hermine, es geht gleich wieder."Presste Samantha durch die zusammengebissenen Zähne hervor. Langsam ebbte der Schmerz ab und eine nie zuvor gespürte Kälte blieb zurück, nur in ihrem rechtem Arm spürte sie immer noch diesen brennenden unerträglichen Schmerz. Ob das von dem Sturz war, oder auch noch eine Nachwirkung dieses verflixten Zaubertrankes? Sie würde es herausfinden, das jedenfalls nahm sie sich vor. Den rechten Arm mit dem Linken an den Körper pressend, rappelte sich Samantha auf, nahm die alte aufrechte Haltung an, und wollte sich auf den Weg aus dem Kerker machen, als Wendy und Hermine sie fast gleichzeitig abfingen. „Zeig mal Deinen Arm her, Du hast Dir doch was getan! Und außerdem solltest Du mit Snape reden, vielleicht weiß er, was das hier zu bedeuten hat."Etwas zu heftig riss Samantha sich los. „Nein, es ist alles in Ordnung! Und mein Arm geht nur mich etwas an."Der von vielen Operationen enstellte Unteram hatte sie in der Vergangenheit schon viel zu viele mitleidige Blicke gekostet. „Nun gut, jetzt sollten wir uns aber beeilen, Professor McGonagall wird nicht gerne auf uns warten."Gemeinsam verließen sie den Kerker, nicht ahnend, dass ein Paar tiefschwarzer Augen durch ein verborgenes Fenster in einem Regal die gesamten Ereignisse mit unbewegter Miene verfolgt hatte.
Die restlichen Unterrichtsstunden verliefen eher unspektakulär, die meiste Zeit saß Samantha neben Wendy und schaute dieser bei den praktischen Übungen zu, während sie selbst vermehrt bei den vorangehenden theoretischen Ausführungen zu Wort kam. So ging es auch die nächsten Tage weiter, aber bevor sie ihre nächste Zaubertränestunde hatte, wollte sie noch das Problem lösen, das sie seit Tagen belastete.
