21. Letzte Anweisungen

Severus Snape klopfte leise an der Tür zum Slytherinturm, wo er Samantha über einem Tränkebuch vermutete. Diese Annahme wurde durch das ebenso leise „Herein!" bestätigt.

Als Samantha das leise und zögernde Klopfen vernahm, ahnte sie, dass er keine guten Nachrichten bringen würde. Sie hatte es ohnehin schon seit einigen Tagen gespürt, als das Mal nach und nach dunkler wurde. Um ihn nicht zu beunruhigen hatte sie darüber geschwiegen, obwohl sie wusste, dass auch er es spüren musste.

Die aufkeimende Angst hatte sie mit vermehrter Aktivität zu überdecken versucht, indem sie noch mehr Zeit mit ihm zusammen im Labor verbracht hatte. Außerdem hatte seine Nähe ihr das Gefühl von einer gewissen Sicherheit vermittelt.

Als er leise den Raum betrat, stand sie von ihrem Sessel auf und ging einen Schritt auf ihn zu.

„Sir? Es ist bald soweit, nicht wahr!"

Sie wollte es ihm so leicht wie möglich machen.

Bei ihrem Anblick und ihrer Mimik wusste Snape, dass Sie es schon vorher gewusst hatte.

„Ja, vielleicht noch einen oder zwei Tage. Dann wird er uns rufen."

Damit setzte Snape sich in einen der beiden Sessel und deutete ihr, sich ebenfalls zu setzen.

Was nun folgen würde, war etwas, wovor er sich die ganzen letzten Wochen und Monate gefürchtet hatte. Es war vielleicht die letzte Gelegenheit, mit ihr zu sprechen.

Doch es war wieder Samantha, die das Wort ergriff. „Wie wird es ablaufen?"

„Sie werden seinen Ruf spüren, Ihr Arm wird anfangen zu brennen. Sie werden den Zwang verspüren, Hogwards zu verlassen und einer inneren Stimme zu folgen. Folgen Sie dem Ruf vor die Mauern von Hogwards, dort desapparieren sie, sie werden dann automatisch dort landen, wo das Treffen stattfindet."

Snape zögerte einen Augenblick, bevor er weitersprach. „Sie werden sich inmitten der Todesser, alle in schwarzen Umhängen und maskiert, wieder finden. Der dunkle Lord wird in erhabener Position sitzen und somit nicht zu übersehen sein.

Die Todesser werden einzeln vortreten und den Saum seines Umhangs küssen, bevor sie wieder auf ihren Platz im Halbkreis um den Thron zurückkehren.

Was dann passieren wird, kann ich ihnen nicht sagen. Sie werden auf sich alleine gestellt sein..."

„Werde ich sie erkennen können?" „Nein, nur der dunkle Lord ist in der Lage, durch die Masken hindurch zu sehen. Versuchen Sie, sich auf ihn zu konzentrieren. Er braucht sie lebend und freiwillig, daher sind sie zunächst nicht in Gefahr."

„Was wird er tun, um mich zu bekommen?"

Snape zuckte einen kurzen Moment zusammen. „Machen Sie sich darüber keine Gedanken, nicht hier und jetzt... Er kennt Mittel und Wege, um Menschen zu überzeugen, die so perfide sind, dass keiner von uns sie wählen würde."

Was wusste er, was sie nicht wusste! Samantha hatte das Gefühl, dass er ihr etwas verschwieg. Doch sie hatte ihn als aufrichtig kennengelernt, und wusste tief in ihrem Herzen, dass er der letzte war, der sie in Gefahr bringen würde. Daher schwieg sie.

Snape sah ihr tief in die Augen und beugte sich zu ihr vor, um seine Hände auf ihre Schultern zu legen und sie ein Stück zu sich zu ziehen.

Was er ihr nun sagen musste, kostete ihn seine ganze innere Kraft und Überwindung.

Mit leiser und eindringlicher Stimme sprach er weiter.

„Samantha, ich muss ihnen noch etwas sagen, das sie NIEMALS vergessen dürfen, was auch immer geschieht. Ich habe sie NIE angelogen, um ihnen zu schaden, Sie bedeuten mir mehr als mir jemals ein Mensch bedeutet hat – und eher würde ich sterben, als dass ich sie SEINEN Fängen überlasse."

Samantha sah ihn fragend an. Doch sie sah, dass er dazu nichts mehr sagen würde.

Bevor er sich erhob, zog Snape noch einen dicken versiegelten Umschlag aus seinem Umhang. „Professor Dumbledore hat mir das für sie gegeben."

Mit diesen Worte wandte sich Snape der Tür zu, um sich im Türrahmen noch einmal zu Samantha umzudrehen. Sie saß immer noch da mit dem Briefumschlag in der Hand. Er konnte die Tränen in ihren Augenwinkeln erkennen.

„Ich glaube an Sie, Samantha - wir alle tun das." Damit war er verschwunden und Samantha blieb mit einer seltsamen Leere in der Magengegend alleine zurück und starrte gedankenverloren auf den gelblichen Pergamentumschlag.

Es dauerte eine Weile, bis sie sich entschließen konnte, das Siegel, welches mit dem Wappen der Familie Dumbledore verziert war, zu brechen und den Umschlag zu öffnen.

Als sie das darin befindliche Pergament hervorziehen wollte, fiel ihr eine Silberkette mit einem kleinen Anhänger in die Hand. Nachdem sie sie zur Seite gelegt hatte, entfaltete sie das Pergament und las, was Professor Dumbledore in seiner geschwungenen Schrift niedergeschrieben hatte.

Liebe Samantha,

es fällt mir nicht leicht, Dir diesen Brief zu schreiben. Vermutlich wirst Du Dich schon gefragt haben, warum ich, als ein Verwandter von Dir, mich bisher nicht um Dich gekümmert habe und die gesamte Verantwortung auf Professor Snape übertragen habe. Nun, die Antwort ist dieselbe, die ich auch Harry gegeben habe – ich wollte mich nicht emotional mit Dir verbinden, und damit meine Machtposition gegenüber Voldemort schwächen... Ein schwaches Argument, magst Du nun sagen, aber Samantha, glaube mir, es ist mir nicht leicht gefallen, außer meinem Bruder habe ich keine Verwandten – Du bist die letzte noch lebende Dumbledore.

Der Grund für diesen Brief ist aber ein anderer, als nur mein Gewissen zu erleichtern – nein, ich möchte Dir noch etwas zukommen lassen, was Dir rechtmäßig gehört.

Diese Kette, Samantha, gehörte einst Deiner Mutter. Bei dem Anhänger handelt es sich um die Hälfte eines Evol-Steines. Diese Steine sind äußerst selten, und kommen nur in einigen wenigen Gebirgsregionen der Alpen vor, so selten, dass manche glauben es handele bei diesen Steinen um einen Mythos. Die Legende erzählt, dass nur diejenigen sie finden können, die einen Menschen aus tiefstem reinen Herzen lieben. Tatsache ist, dass wenn ein Liebespaar einen solchen Stein findet, dieser sich bei Berührung in zwei Hälften teilt, die fortan den Zauberer und seine Familie beschützen sollen. Gerät einer von beiden in Gefahr, spürt der andere dieses. Niemand, der nicht vom Blute der Familie ist, kann diese Steinhälften sehen oder finden. Es Grüßt Dich

Dein

Albus Dumbledore

Samantha betrachtete den Stein eine ganze Weile, bevor sie die Kette umlegte.

Mami, Daddy, wenn ihr wüsstet, was mir bevorsteht. Ich wünschte so sehr, ihr wäret jetzt hier, würdet mich in den Arm nehmen, und mir sagen, dass das alles nur ein schrecklicher Alptraum ist...

So bleibt mir nur die Hoffnung, auf eine bessere, sorgenfreie Zukunft...

Zukunft... Es gab noch so vieles, was sie Professor Snape zu sagen hatte, er war der einzige Mensch, den sie noch hatte...

Mit diesem Gedanken, setzte Samantha sich an den kleinen Tisch im Gemeinschaftsraum der Slytherins, holte Pergament, Feder und Tinte hervor und begann zu schreiben.

Sie wollte nichts ungesagt lassen, was sie bereuen würde, sollte es zum Schlimmsten kommen.

Liebe Professor Snape,

es gibt manchmal Dinge, die man besser sagt, bevor man sie nicht mehr sagen kann. Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll, es fällt mir unendlich schwer, meine Gefühle in Worte zu fassen.

Wenn Sie diesen Brief erhalten, dann werde ich nicht mehr sein.

Ich danke Ihnen! Dafür, dass Sie für mich da waren, als ich niemanden hatte, dafür, dass Sie an mich geglaubt haben, als sonst niemand das tat, dafür dass Sie Zeit für mich hatten, dass Sie sich um mich bemüht haben, als ich selbst mich schon aufgegeben hatte und dafür, dass Sie mir so unendlich viel von ihrem Wissen vermittelt haben.

Ich bewundere Sie sehr, Professor Snape, nicht nur wegen Ihres brillanten Verstandes und ihren einmaligen Fähigkeiten als Tränkemeister, sondern auch wegen ihrer Persönlichkeit, Ihrem Mut, Ihrem Kampfgeist.

Hätte ich mir einen Vater aussuchen können – meine Wahl wäre auf Sie gefallen. Diese Worte mögen pathetisch klingen, aber ich meine sie so, wie ich sie sage. Ich hätte gerne mehr Zeit mit Ihnen verbracht.

Meine letzten Gedanken werden Ihnen und meinen Eltern gelten, Professor Snape, man mag mich vielleicht körperlich auslöschen können, aber niemals meine Seele und meinen Glauben an das Gute!

Vergessen Sie mich niemals – und kämpfen Sie weiter für „unsere" Sache!

Ihre

Gwendoline Samantha Dumont

PS: Ich möchte Sie noch bitten, meinen letzten Wunsch zu erfüllen: Begraben Sie mich auf dem Gelände von Hogwards, dort, wo Sie mit mir den Sonnenuntergang angesehen haben – es waren die schönsten Minuten in meinem Leben!

Einige Tränen waren Samanthas Wangen herunter geronnen, als sie schließlich den Federkiel zur Seite legte, und das Pergament in einen Umschlag steckte, diesen mit den Worten „Für meinen Lehrmeister Severus Snape" versah und mit etwas Siegelwachs verschloss. Sie überlegte, diesen Brief an Hermine zu schicken, damit sie ihn für sie aufbewahrte, doch Fidelio war seit einigen Tagen nicht zurückgekehrt, und so legte Sie den Brief offen auf ihren Nachttisch –Professor Snape würde ihn dort sicherlich finden.

Kaum dass Sie den Brief dort abgelegt hatte, durchfuhr sie ein brennender Schmerz, ihr Arm schien in Flammen zu stehen...

Nein, noch nicht, bitte, nur noch einen Tag, um meine Sachen zu regeln...

Doch instinktiv wusste Sie, dass sie jetzt keine Zeit mehr hatte – ihre Galgenfrist war abgelaufen, es war an der Zeit, sich dem Schicksal zu stellen.