Die Nanny – Teil 3
(von Salia)
Während Rita und Luc sich weiter beharkten und der Hausherr sich in sein Büro zurückgezogen hatte, verdrückte sich Remus auf sein Zimmer.
Morgendliche Allround-Auffrischung war angesagt. Das von sanft grauen Strähnchen durchzogene Haar wurde - wie jeden Tag - im Ansatz nachgefärbt und anschließend so lange mit Haarspray bearbeitet, bis man sich wirklich nicht wundern musste, dass das Ozonloch immer größer wurde. Den flauschig pinkfarbenen Morgenmantel hatte er in ein paar sehr knappe Hot Pants und ein bauchfreies Top im Leopardenmuster sowie die gelben, glitzernden Pantoffeln in ein paar sehr fragwürdige Sandalen eingetauscht. Anschließend nur noch ein wenig Make-up, das jeden normalen Menschen zu Hammer und Meißel hätte greifen lassen, um es wieder zu entfernen und schon ging die frisch gebackene Nanny mit gekonntem Hüftschwung die Gänge des großen, Snape'schen Anwesens entlang, als verhaltenes Fluchen und leicht entnervtes Murren aus einem der Zimmer zu hören war.
Remus griff nach der Türklinke, drückte sie hinab und spähte in den geräumigen, mädchenhaft eingerichteten Raum.
Luna saß vor einem Spiegel, verwickelt in einen aussichtslosen Kampf, bewaffnet mit einer Haarbürste, gegen die langen Zottelhaare, die - wohl nach "behilflichem" Eingreifen ihres geliebten kleinen Bruders - sich jedes mal von neuem auf ihrem Kopf verknoteten und Strähnen sich in giftgrün, rosa oder neongelb einfärbten. Lupin öffnete die Tür ganz und klopfte mit den Knöcheln gegen den Türrahmen, Luna schaute auf. Er setzte ein bemitleidendes und überraschend überzeugend gespieltes Lächeln auf, da er sich sicher war, dass es nicht sonderlich hilfreich für seine mögliche Zukunft mit dem offenbar wohlhabenden Musical-Produzenten sein würde, wenn er in einen Lachkrampf verfallen würde.
"Kann ich dir helfen, Liebes..!" Er brachte den Satz zuende, als er schon bei ihr war und mit sanftem Griff ihre sich verkrampfenden Hände von dieser Apparatur, die sich wohl Bürste schimpfte, löste.
"So geht das doch niemals rechtzeitig raus.. komm ich helfe dir."
Severus lief gerade ins Foyer auf der Suche nach den Unterlagen für die Besetzung seines neuesten Stückes. Vor sich schimmerte Licht durch die große Glastür, neben sich führte die große, breite Wendeltreppe hinauf in die Schlafzimmer. Genervt mit den Augen rollend schob er den, sich mitten im Gang mit Rita beschimpfenden, Lucius aus dem Weg, der erst jetzt auf ihn aufmerksam wurde.
"Sev!", empörte sich dieser sogleich und heftete sich an die Fersen des Musical-Produzenten, "Ich weiß nicht, woher sich dein Personal die Freiheit nimmt, auf derartige Weise mit mir umzuspringen, aber ich verlange von dir, dass du solchem Treiben sofort Einhalt gebietest!"
Severus schenkte ihm kein Gehör, er war beschäftigt und lief wie von Poltergeistern verfolgt durch das Wohnzimmer und Foyer, durch die Küche, den schmalen Gang entlang auf der Suche nach den Unterlagen für die Besetzung.
"Sir! Wenn ich guten Grund zu solchen Äußerungen habe, was dann! Ich sage nur die Wahrheit!" mischte sich nun auch Rita ein, um sich zu rechtfertigen und lief hinter Luc her.
Severus hätte das ganze sicher für witzig befinden können, wenn er nicht immer noch verzweifelt und zunehmend hektischer werdend nach diesen Papieren gesucht hätte.
"Ruhe, ihr beiden!" herrschte er seine Verfolger an, die alle beide schon wieder den Mund geöffnet hatten, um erneutes Geplapper von sich zu geben. Abrupt stoppte er in seinem Umherwandern, blieb mitten im Foyer stehen, massierte sich entnervt die Schläfen und schloss die Augen. Dann blickte er Rita an.
"Rita, haben Sie meine..."
Doch noch bevor Severus seinen Satz beenden konnte, blieben ihm die Worte im Halse stecken.
Erst rannte Ginny die Treppe hinunter, streckte sich, gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, nuschelte ein "Bye, Daddy" und lief, mit der Schultasche über der Schulter, aus dem Haus zum Schulbus hin, jedoch nicht ohne zuvor eine quietschbunte Lunchbox, von Rita in die Hand gedrückt zu bekommen -alles nichts ungewöhnliches.
Dann folgte Draco. Dieser rannte nicht, nein - er schritt majestätisch die große Wendeltreppe hinab und grinste sowohl schadenfroh, als auch höhnisch, hob kurz die Hand und rief Severus zu: "Bis später, Dad."
Auch er bekam von Rita das Essen in einer grün-silbern verzierten Lunchbox mit einer, sich äußerst gefährlich gebärdenden, Schlange darauf, in die Hand gedrückt - ebenfalls nichts außergewöhnliches.
Doch dann kam Luna die Treppe herab. Sie schien mehr zu taumeln, als zu gehen, da sie augenscheinlich befürchtete in den Schuhen, die sie im Moment trug - und die nach Severus' Meinung mit ihrem streichholzdünnen Absatz nicht gerade stabil wirkten - sich jeden Moment den Hals zu brechen.
Oder dieses Taumeln konnte auch daran liegen, dass sie ihre Beine in dem knallengen Minirock, den sie trug, kaum mehr als 3 Millimeter pro Schritt bewegen konnte.
Oder es lag einfach daran, dass das urplötzlich gelockte und hochtoupierte Haar, das offenbar von jeder Menge Haarspray und ein paar guten Haftzaubern hochgehalten wurde, ihr größtenteils die Sicht versperrte.
Natürlich fiel Severus unter all diesen, für ihn schockierenden, Entdeckungen nicht die fein säuberliche farbliche Abstimmung des bordeauxroten Tops mit dem paillettenbesetzten, rose-farbenen Minirock auf.
Lunas' pflege- und stylingmittel-gespicktes Haar glänzte im Licht der morgendlichen Sonne, die ihre Strahlen in regelrechten Fluten durch die großen Fenster schickte.
‚Apropos glänzen', dachte sich Severus und fuhr sich fahrig durch die eigene schwarze Mähne, ‚ich könnte meine Harre auch mal wieder waschen.'
Mit einem mentalen Schlag wischte er diese Gedanken beiseite. Es gab weitaus wichtigeres zu tun. Wie zum Beispiel, Luna für dieses grässliche Erscheinungsbild zur Verantwortung zu ziehen. Sein mörderischer Blick traf ihre strahlend blauen Augen.
"Junges Fräulein! Was glaubst du eigentlich, was die Schule ist! Eine Manege für Clowns!", donnerte er mit gebieterischer Stimme los. "Du gehst jetzt so-fort auf dein Zimmer und machst dieses .. dieses Zeug raus und ziehst dich zivilisiert und gemäß der Schulordnung an. Sofort! Verstanden!"
Remus war direkt hinter dem jungen Mädchen hinterhergestolpert – die Sandalen drückten entsetzlich aber sie liessen seine Füsse so ungemein schmal und zierlich wirken.
Ein sinnliches Prickeln lief ihm den Rücken hinab, ließ seine Nackenhärchen aufstellen und liess sein Herz ein wenig schneller klopfen. Die Behauptung, dieser Mann, den er seinen neuen Boss nennen konnte und der vor ihm stand, sei sexy, war die Untertreibung des Jahrhunderts.
Ihm gefiel seine Arbeit an Luna sehr gut. Nur offenbar traf er damit nicht ganz den Geschmack des Hausherrn, was an dessem herrischen Tonfall eindeutig zu hören war.
Remus erwachte wie aus einer Trance, als das junge Mädchen vor ihm etwas zurückwich. Sofort war er hellwach, um die Nanny zu sein - die einzige Möglichkeit, um diesem atemberaubenden Wesen, das sich selbst Musical-Produzent nannte, näher zu kommen.
Mit einem waghalsigen Schritt über zwei große Stufen hinweg sprang er vor Luna und fuchtelte direkt vor ihrer Nase mit dem Zauberstab herum.
"Ich hatte dir doch gesagt, das ist zu viel, aber du wolltest ja nicht auf mich hören!", schnatterte er ihr zu. „Aber jetzt ist es schon zu spät – der Bus wartet nicht ewig auf dich."
Sie blickte vorwurfsvoll in Remus' Augen. Jaja, er war es gewesen, der mit "Noch ein bisschen hier" und "da noch etwas hin" das Kind so hergerichtet hatte. Aus dem Mundwinkel heraus nuschelte er:
"Nun geh schon. Ich regle das hier.." Er wedelte mit einem Stapel Papier, den er zum Abschirmen ihres Gesichtes als Schutz vor dem tonnenweise verwendeten Haarspray genommen hatte, ungeduldig und schon war das Mädchen freudestrahlend und erleichtert, dem bevorstehenden Konflikt aus dem Weg gegangen zu sein, aus dem Haus zum Bus gelaufen.
Remus schluckte. Aber so schlimm konnte es doch gar nicht gewesen sein, oder!
Er bemerkte, wie Lucius - offensichtlich zufrieden mit der jetzigen Situation - die Arme verschränkte und Rita ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck musterte. Plötzlich kam ihm die Wüste Gobi noch wesentlich besser bewässert vor als sein eigener Mund.
Etwas betroffen, blickte er hinab zu Snape, der sich erneut leicht krampfhaft die Schläfen massierte und dann mit bebend beherrschter Stimme herauspresste.
"Egal. Darüber reden wir später noch." Severus schlug die Augen auf und dieses hinreißend funkelnde Schwarz zog Remus in seinen Bann und jagte ihm erneut einen wohligen Schauer über den Rücken. "Es gibt Wichtigeres. Haben Sie irgendwo meine Unterlagen für die Rollenbesetzung meines neuesten Stückes gesehen!"
Remus warf eine schuldbewussten Blick auf die Papiere in seiner Hand, während er halblaut murmelnd darum bat, dass dies, was er nun in seiner einen Hand hielt, während er den Zauberstab immer noch erhoben mit der anderen umklammerte, nicht - um Himmels Willen NICHT - die gesuchten Blätter waren.
Ganz vorne auf der ersten Seite prangte in riesigen, fetten Buchstaben das Wort "Rollenbesetzung".
Severus' Blick folgte den entsetzen Augen seiner Nanny und auch er erkannte die Schrift auf der ersten Seite.
Da waren seine Unterlagen. In der Hand dieser Nanny, der wohl nicht mal ein Stück Brot eine halbe Stunde lang artgerecht beaufsichtigen konnte.
Die Seiten waren verklebt, verschmiert und triefend vor Haarspray.
"Mister Lupiiiiiiiiin!" dröhnte seine fast hysterische Stimme durch das riesige Anwesen.
Seit sicher drei Stunden, hatte sich Remus schon hinter seiner Zimmertür verbarrikadiert und hörte sich die Gardinenpredigt seines Bosses an.
Dieser rief ihm zum bestimmt zwanzigsten Mal durch das Stück Holz zu, er ,Lupin, solle den Kindern ein Vorbild sein und sie nicht so verunstalten und er solle sich auch wie eine vorbildliche Nanny verhalten und.. blablabla.
Kurzum: Severus war nicht gerade zufrieden, doch irgendwann hatte er sich, leise in seinen nicht vorhanden Bart grummelnd, in das Büro verzogen und für Remus war die Luft rein.
Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt und lugte hinaus. Dann schlich er den Gang entlang, die Treppe hinab und huschte in die Küche.
Total geschafft ließ er sich auf einen der einladend bequemen Küchenstühle sinken. Rita war nicht anwesend, aber eine große rote Teekanne stand auf dem Herd und silbriger Dunst stieg auf.
Remus fuhr sich durch die Haare und seufzte vernehmlich. Sein erster Tag hier und schon hatte er sich Ärger eingehandelt.
Wie sollte das nur enden!
Noch bevor er sich noch tiefer in ertränkendes Selbstmitleid stürzen konnte, schreckte ihn ein beharrliches Klopfen an das kleine Glasfenster, das in die Küchentür, welche hinaus in eine Gasse führte, eingelassen war, aus seinen Gedankengängen. Ein goldblonder Schopf wackelte davor.
Rasch blickte sich Remus einmal nach links und rechts um, bevor er aufsprang um dem vor der Türe wartenden Besuch zu öffnen. Nachdem dies geschehen war, betrat ein Mann, dessen Alter schwer zu schätzen war und dessen blonde Lockenpracht ihm locker auf die Schultern fiel, die Küche.
Kaum dass er auch nur einen Zentimeter in dem Raum stand begann er zu schnattern.
"Ach, Remy! Ich hab's von deiner Mutter gehört. Das ist ja Waaahhhhnsinn, dass du hier in dieser Villa leben kannst und das mit diesem tollen Produzenten. Oh, weißt du, ich würde auch gerne hier wohnen, ganz alleine mit einem gutaussehenden Typen. Wie zum Beispiel mit diesem Vincent Goyle. Erinnerst du dich noch! Der aus unserer Schulzeit!" plapperte Gilderoy fröhlich und absolut unbeirrt vor sich hin.
Remus verdrehte leicht die Augen. Gilderoy „Gil" Lockhart war zwar sein allerbester Freund, aber leider nicht besonders helle.
"Jahh... ich erinnere mich an Vincent Goyle, Gil. Aber..." Remus runzelte die Stirn ".. das war kein gutaussehender Typ. Der hatte Furunkel... überall im Gesicht. Pansy hatte mal erzählt, diese Ekzeme wären nicht nur im Gesicht gewes-.."
Doch noch bevor Remus den Satz beenden konnte, wedelte Gilderoy wie wild mit den, von schrecklich unpassendem Nagellack gequälten, Händen und ließ einen spitzen Schrei ertönen.
"Du meine Güte, Remy! Wie siehst du denn aus! Haben sie dir deine Schminksachen weggenommen! Du hast ja kaum was drauf, Kind!" mit diesen Worten betastete er mit zittrigen Fingerspitzen Remus' Wange.
Remus verdrehte leicht entnervt die Augen. Er hatte schon die hämischen Kommentare von Rita und Lucius entgegennehmen müssen.
"Nein, Gil" ,erwiderte er nun würdevoll und entfernte dabei die tatschende Hand. "Ich habe mich lediglich den höheren Kreisen zugewandt... hier ist es halt üblich so herumzulaufen. Weniger ist mehr, verstehst du!"
Mit diesen Worten drehte er sich einmal um die eigene Achse, wobei ein anerkennendes "Ohhhhh" von Gil zu vernehmen war.
Remus hatte sich - nicht zuletzt um seinem neuen Boss zu gefallen – umgezogen und trug jetzt eine durchaus hüftbetonte Hose, die aus echtem Kunstlederimitat bestand, dazu halbhohe Cowboystiefel mit relativ flachem Absatz, ein nettes T-Shirt mit der Aufschrift "Still growing up" und zu guter letzt nur etwas Kajal, der seine bernsteinfarbenen Augen noch mehr glitzern zu lassen schien.
Gerade wollte er etwas sagen, als er ein Geräusch wahrnahm, was sich verdächtig danach anhörte, als würde jemand die Küche betreten wollen. Hektisch schob er den verwirrten Gil zur Tür.
"Äh.. du gehst jetzt besser, Gil. Ich ruf dich bei Gelegenheit mal an!" versprach Remus schnell, bevor er dem Blondgelockten die Hintertür vor der Nase zuschlug und hastig nach oben in sein Zimmer ging. Er wollte einer Begegnung mit Snape unbedingt aus dem Weg gehen. Nicht, dass dieser noch auf die Idee kam, erneut einen Grund zu finden, um sich erneut verbal auf ihn zu stürzen und ihn womöglich noch zu feuern.
Severus war an diesem Tag erst spät zu Bett gegangen und drehte sich von einer Seite auf die andere. Er hatte gute Lust, die neue Nanny zu feuern. Aber wer sollte sich sonst um die Kinder kümmern!
Seufzend schloss er die Augen. Vielleicht würde es ja doch noch besser werden.
Ende Teil 3
