Chapter 3

(Der Brief)

Run as fast as I can

To the middle of nowehre

To the middle of my frustrated fears

P!nk - Just like a pill

Hogwarts, 16. Januar 8.15 Uhr

Am Morgen wurde Lily, wie immer, ziemlich unsanft von Lucy geweckt.

"Wach endlich auf, du Schlafmütze!" Mit diesen Worten schnappte sie sich Lilys Bettdecke und zog sie weg.

Lily gab einen knurrenden Laut von sich, nahm der überaktiven Lucy ihre Decke wieder ab und murrte Lucy, während sie sich wieder zudeckte, etwas unverständliches zu, das wohl "Lass mich weiter schlafen!" heißen sollte.

Doch Lucy kannte da kein Erbarmen.

"Was ist denn heute los mit dir? Werde bitte nicht auch noch so eine Langschläferin wie Nancy, das würde ich echt nicht ertragen!"

Lily gab es auf, es hatte ja doch keinen Sinn, weiter zu schlafen, denn Lucy würde ihr, bis sie aufgestanden war, keine Ruhe lassen.

Sie schälte sich betont langsam, um Lucy auf die Nerven zu gehen, aus ihrer Bettdecke und schwang ihre Füße aus dem Bett.

Während sie schlaftrunken in Richtung Bad torkelte, hörte sie gerade noch wie Lucy und December, die auch in ihrem Zimmer wohnte, wie jeden Morgen vergeblich versuchten die morgenmufflige Nancy zum aufstehen zu bewegen.

Als Lily sich schließlich in Rekordzeit gewaschen und angezogen hatte ging sie zurück in ihren Schlafsaal, wo Lucy und December gerade versuchten, Nancy ihre Bettdecke, die sie krampfhaft umklammert hatte, zu entreißen.

"Lasst mich doch schlafen!", murmelte diese leicht angesäuert. "So früh am Morgen aktiv zu sein gehört echt verboten!"

December lies schließlich locker und setzte sich neben Lily auf ihr Bett, von wo aus sie Lucys verzweifelten Versuche, Nancy aus ihrem Bett zu werfen, beobachten konnten.

"Du hast nicht sehr gut geschlafen, oder?", fragte December nachdem sie eine Weile stumm nebeneinander gesessen hatten.

"Wieso?"

"Na, du siehst heute so blas aus und hast außerdem schwarze Augenringe.", antwortete December, während ihr besorgter Blick Lily streifte.

"Ich hatte so einen bescheuerten Albtraum...", gab Lily schließlich zu.

Cem (Spitzname von December) schaute sie sofort mitfühlend an.

"War er sehr schlimm?", fragte sie Lily.

Schnell erzählte sie ihn December.

Während sie den ganzen Albtraum innerlich noch einmal durchlebte beschlich sie ein seltsames, flaues Gefühl, wie eine Art Vorahnung. Sie schluckte.

"Das ist echt schlimm. Ich will meine Eltern nicht in meinen Träumen sterben sehen!", sagte sie, während sie Lily immer noch mitleidvoll ansah.

Das war etwas, dass Lily sehr an ihr schätze.

Das schwarzhaarige Mädchen mit den mandelförmigen, blau-violetten Augen schien einen immer zu verstehen.

Diese Eigenschaft hatte Lily, als December am Anfang des Schuljahres nach Hogwarts kam, sofort an ihr gemocht und bewundert, denn nicht jeder, zum Beispiel Lucy, hatte so ein Einfühlungsvermögen wie sie.

December war früher nach Durmstrang gegangen, aber sie schien glücklich zu sein jetzt nach Hogwarts gehen zu können, denn ihre ganze Familie war in den vergangenen Sommerferien nach England gezogen, weil ihr Vater im englischen Zaubereiministerium eine Stelle als Auror angeboten bekommen hatte.

Lily kam es immer so vor als ob December Durmstrang gehasst hatte, denn sie sprach fast nie von ihrer früheren Schulzeit und wenn Lily einmal ein Gespräch auf ihre frühere Schule lenkte, antwortete sie immer knapp auf ihre Fragen und versuchte, so schnell wie möglich das Thema zu wechseln.

Lucy war immer noch dabei, Nancy mit äußerst fragwürdigen Methoden aus ihrem Bett zu kriegen. Inzwischen hatte sie sich auf die Kante von Nancys Bett gesetzt und bespritzte sie regelmäßig mit eiskalten Wasserstrahlen aus ihrem gezückten Zauberstab.

"Hör endlich damit auf! Ich stehe ja schon auf!", japste Nancy zwischen zwei Wasserstrahlen, die sie voll im Gesicht trafen.

"Na endlich!" war Lucys einziger Kommentar während sie die Wasserstrahlen abstellte und von dem Bett ihrer Freundin aufstand.

Nancy streckte sich erst einmal, stand dann, genau wie Lily vor ein paar Minuten, betont langsam auf und schleppte sich mit einer mürrischen Miene gottergeben in Richtung Badezimmer.

"Musst du morgens eigentlich immer so hart zu Nancy sein?", fragte Lily ihre Freundin lächelnd. Es war doch immer witzig, Lucy bei ihrer morgendlichen Weckaktion zu beobachten.

"Was soll ich denn machen, wenn sie einfach nicht aufstehen will? Und sie darf den Unterricht doch auf keinen Fall verpassen!" Ihre Betonung auf dem letzten Satz triefte so vor Ironie, dass Cem und Lily laut loslachen mussten.

"Das ist nicht witzig! Die Abschlussprüfungen bestimmen unser ganzes Leben!", sagte Lucy mit strenger, gespielt empörter Miene und erhobenen, mahnenden Zeigefinger.

Daraufhin konnten Cem und Lily sich überhaupt nicht mehr halten, sie klappten geschüttelt von einem Lachkrampf auf Lilys Bett zusammen.

Als die beiden sich wieder halbwegs erholt hatten, beschlossen die drei während sie auf Nancy warteten ihre Betten zu machen und Nancys zu trocknen, denn es war von Lucys Wasserattacke total durchnässt.

Gerade als sie fertig waren betrat auch Nancy wieder den Schlafsaal. Sie schaute immer noch so mürrisch drein wie vorhin und würdigte Lucy keines Blickes.

Ihr einziges Kommentar zu ihr war "Du Sklaventreiber!", als sie sich den dreien anschloss, um vor dem Unterricht noch zu frühstücken.

Im Gemeinschaftsraum trafen sie auf die Marauders, denen sie sich anschlossen, denn sie waren, genau wie sie, auf dem Weg zum Frühstück.

"Und seid ihr noch von jemandem erwischt worden?", fragte Lily Remus, Sirius und James, während sie durch einige Gänge gingen.

"Nein, aber es war einmal verdammt knapp! Fast hätte uns unser guter alter Hausmeister Fleetwood erwischt!"

Während sich Lily mit den Marauders unterhalten hatte, hatten Lucy und Nancy einen ihrer lautstarken zahllosen Streits über Lucys Weckmethoden begonnen.

Lily seufzte und warf und December einen hilflosen Blick zu. Es war jeden Morgen immer das selbe und Lily hatte echt keine Lust mehr, den ewigen Streits ihrer Freundinnen zuzuhören.

Sobald sie die Große Halle erreicht hatten, trennten sich die Marauders, Lily und December von den beiden Streithähnen und setzten sich so weit wie möglich entfernt von ihnen an den Gryffindor-Haustisch.

"Müssen die sich immer streiten?", fragte James Lily und Cem. "So wie es aussieht schon...", gab Lily lustlos zurück.

Die anderen taten sich reichlich Essen auf, doch Lily hatte eigentlich keinen Hunger, das seltsame flaue Gefühl in ihrem Magen wollte einfach nicht verschwinden. Sie hatte irgendwie das Gefühl, dass irgendetwas passiert sein musste...

"Willst du denn nichts essen?", fragte December sie mit einem besorgten Blick.

"Ähm... doch..", gab Lily zerstreut zurück und nahm sich ein Brötchen. Sie wollte Cem nicht auch noch beunruhigen.

Nachdem sie sich eine Weile damit beschäftigt hatte, lustlos auf ihrem Brötchen herumzukauen und das beunruhigte Gefühl, das sie die ganze Zeit plagte, zu vergessen, kamen die Eulen mit der morgendlichen Post an.

Das widerliche, flaue Gefühl in ihrem Magen verstärke sich um ein vielfaches, als sie unter den ganz normalen Posteulen wieder einmal ein paar pechschwarze mit ebenso schwarzen Briefen entdeckte. Diese Briefe waren bei allen Schülern mehr als gefürchtet, denn in Form von ihnen wurde den Schülern von Hogwarts immer mitgeteilt, dass ein Verwandter von ihnen von Voldemorts Todessern umgebracht worden war.

Oft konnte man es gar nicht glauben, dass in Hogwarts alles so normal wie immer ablief, während draußen täglich Hunderte Auroren und andere Zauberer im Kampf gegen Voldemort und seine Todesser starben.

Lilys beunruhigter Blick folgte den beiden schwarzen Eulen, die oben an der Decke der Großen Halle, die heute den blassgrauen und bewölkten Himmel von draußen zeigte, auf der suche nach den Empfängern der Briefe, weite Kreise zogen.

Die erste Eule schien endlich ihren Zielort erspäht zu haben, denn sie setzte zu einem entschlossenen Sturzflug in Richtung Hufflepuff-Tisch an. Obwohl Lily es nicht wollte, atmete sie unbewusst auf, vielleicht hatte sie ja Glück und der zweite Brief war gar nicht für sie bestimmt. Die Eule hatte den Brief zu einem pummeligen Mädchen mit blonden Zöpfen gebracht, die den Brief jetzt entfaltete und ihn total geschockt las. Nachdem sie mit dem lesen fertig war brach sie weinend auf dem Tisch zusammen. Lily schluckte und starrte wieder wie gebannt auf die zweite Eule, die nun entschlossen auf den Gryffindor-Tisch zuflog.

Bitte nicht ich, flehte sie innerlich, obwohl sie auch nicht wollte, dass irgendjemand anders aus Gryffindor den Brief bekam. Inzwischen war die Eule bei ihr angekommen und landete elegant vor ihr. Das darf einfach nicht war sein, dachte Lily während sie schreckensbleich wurde. Auf dem schwarzen Umschlag war in geschwungenen Lettern ihr Name geschrieben.

Mit zitternden Händen nahm sie der Eule den Brief ab, öffnete ihn und entfaltete ihn langsam, während ihre Gedanken sich überschlugen. Der Pergamentbogen war auch schwarz und genau wie der Umschlag mit silbernen Lettern beschrieben. Während sie innerlich immer noch auf eine Verwechslung des Zaubereiministeriums hoffte, begann sie den Brief zu lesen. Dort stand:

Sehr geehrte Miss Evans,

es tut mir sehr Leid, ihnen mitteilen zu müssen, dass ihre Eltern vergangene Nacht von einigen Todessern ermordet worden sind. Die Beerdigung wird schon morgen auf dem Südfriedhof von Little Whinging stattfinden. Ihr Hauslehrer, Prof. Dumbledore, wird sie dorthin begleiten.

Mit tiefstem Bedauern,

Amanda Alviar

Diese herbe Sachlichkeit des Briefes stach Lily wie ein Schwert in ihr Herz.

Während sie alle diese falschen, mitleidvollen Blicke sie streiften, brach ein Teil ihrer bisher scheinbar perfekten Welt für sie zusammen. Das durfte einfach nicht war sein!

"Hey, das tut mir echt leid für dich..", sagte December, die zusammen mit den Marauders den Brief heimlich über ihre Schulter mitgelesen hatte, und wollte sie umarmen. Aber für Lily war alles einfach nur noch zuviel, sie musste sofort hier raus, schnell riss sie sich von Cem los und rannte so schnell sie konnte aus der Großen Halle.

Zurück ließ sie einen völlig erstarrten Gryffindort-Tisch, zwei mitleidige Ravenclaw- und Hufflepuff-Tische und einen schadenfrohen Slytherin-Tisch. James war der erste, der sich aus der Erstarrung lösen konnte und Lily schnell hinterher rannte.

Als Lily in der Eingangshalle angekommen war, wusste sie einfach nicht mehr weiter. Leise schluchzend brach sie schließlich unter einem großen Portrait zusammen.

Sie war immer noch mit ihren trübseligen Gedanken wegen dem Brief beschäftigt, als die Tür zur Großen halle erneut aufschwang und James die Eingangshalle betrat.

Er ging zu ihr und ließ sich neben sie auf den Boden fallen. "Lily,...", setzte er gerade zum Sprechen an, doch er kam nicht weiter, denn Lily hatte sich schluchzend an seine Brust geworfen und umklammerte ihn, als sei er der letzte Halt für sie. Nach einer Weile begann James ihr zaghaft über den Rücken zu streichen und versuchte, sie zu beruhigen...