Sie hatte Yale verlassen. Sie hatte ihre Mutter verlassen. Was sollte sie also nun tun?
Rory saß auf ihrem Bett im Poolhaus ihrer Großeltern mit „Fahrenheit 451" auf ihrem Schoß. Aber irgendwie konnte sie sich nicht auf das Buch konzentrieren. Andauernd schweiften ihre Gedanken ab. An Yale, das sie nie wieder betreten werde. An Logan, der noch nichts davon wusste. An ihre Mum, die sie so sehr enttäuscht hatte wie noch nie zuvor.
Was hatte sie falsch gemacht? Sie wollte schon immer Journalistin werden. Das war ihr großer Wunsch gewesen. Doch was blieb ihr jetzt noch übrig? Hatte sie es nicht genug gewollt? Hatte sie die Sache falsch angepackt? Hätte sie irgendetwas anders machen müssen?
Seufzend legte sie das Buch beiseite und legte sich auf ihre Laken.
Seit er vor ein paar Monaten hier gewesen war, hatte sich alles verändert. Sie hatte sich verändert. Überhaupt war er derjenige gewesen der sie überhaupt geändert hatte. In vielerlei Hinsicht. Er hatte ihren Blick für Hemingway gestärkt. Er hatte ihr beigebracht, dass die Meinung anderer nicht immer das Wichtigste ist. Er hatte schlicht und ergreifend ihr Leben verändert.
Ärgerlich schüttelte sie den Kopf als wollte sie die Gedanken vertreiben, als sie bemerkt hatte, wohn sie abgeschweift war. Warum nur musste sie immerzu an ihn denken? Sie musste diese Gedanken endlich loswerden!
Es hatte ihr das Herz gebrochen, als sie ihre Mum am Fenster stehen sah. Aber sie wusste einfach nicht mehr was sie machen sollte! Ihre Großeltern waren ihr einziger Zufluchtsort, der ihr noch geblieben war. Sie musste versuchen ihr Leben wieder auf die Reihe zu bringen, das war klar. Doch sie hatte keine blassen Schimmer wie sie das anstellen sollte.
Bilder blitzen vor ihrem inneren Auge auf. Lorelai. Jess. Logan. Yale. Lane. Luke. Dean. Yale. Mr Huntzberger. „ Du hast nicht das gewisse Etwas". Der Verlag. Paris. …
Schweißgebadet schreckte Rory auf. Sie hatte nur geträumt. Ihr war klar, dass das alles nur auf ihr Unterbewusstsein zurückzuführen war, aber vielleicht wusste ihr Unterbewusstsein diesmal mehr als es ihr klar war.
Sie konnte hier nicht bleiben. Hier war alles so…kompliziert. Sie musste an einen Ort an dem sie denken konnte. An dem sie sich klar werden konnte, was sie mit ihrem Leben machen will. Was sie werden will. Wie es weitergehen soll.
Hektisch stand sie auf und sah auf die Uhr. Die rote Digitaluhr zeigte 3.17 an. Ohne richtig nachzudenken packte sie ein paar ihrer Sachen in eine Tasche. Hosen, T-Shirts, Pullis, Kosmetika, ihren Laptop und Jane Austen. Sie wusste nicht wohin es sie verschlagen würde, aber sie wollte auf alles gefasst sein.
Sie nahm sich ein Blatt aus ihrem Ordner und schrieb darauf:
Liebe Emily, lieber Richard
Ich weiß nicht, ob euch klar ist, in welcher schwierigen Situation ich gerade stecke. Ich danke euch für eure Unterstützung, aber ich muss mit mir selbst ins reine kommen. Ich weiß nicht wo ich landen werde, oder was ich machen werde. Sagt Mum, mir geht es gut. Ich werde mich melden sobald es geht.
Bitte macht euch nicht allzu große Sorgen um mich.
Rory
PS: Ich werde bald zurück sein. Ich weiß nicht wann, aber bald!
Diesen heftete sie an ihre Türe und eilte zu ihrem Wagen. Ihr war klar, dass dies eine für sie untypische Kurzschlussreaktion war, aber gerade im Moment kümmerte sie sich nicht darum.
Nach einer halbstündigen Fahrt stand sie vor den Toren Yales. Sie wusste nicht wieso, aber sie ließ sich einfach von ihren Gefühlen leiten. Es sah so friedlich aus. Alle Studenten waren in den Ferien und das Gebäude lag still auf dem Gelände. Schon in einigen Wochen würden hier wieder hunderte von Studenten geschäftig hin und her rennen, um noch pünktlich zur Vorlesung zu kommen, oder um noch etwas vom guten Teil des Frühstücks zu ergattern, dachte sie belustigt. Doch sie würde nicht hier sein. Dieses Semester würde ohne sie beginnen und ohne sie enden. Der Anblick schmerzte etwas beim Anblick des Gebäudes, aber Rory wusste, dass sie dies tun musste. Sie warf noch einen letzen traurigen Blick über die Schulter und fuhr dann los. Wo auch immer sie die Straße hinführen würde…
