Disclaimer:

Das Übliche... Mir gehört keiner der Charaktere, alles gehört der großen JKR...

Falls Ihr Euch wundert: Von dieser Story gibt es auf anderen Portalen auch eine Songfic – Version. Hier stelle ich diese Story jetzt in der "abgespeckten" Version ein. Hoffentlich gefällt sie Euch trotzdem!

Gewidmet ist diese Version der Story Nici Cavanaugh, CallistaEvans und KiraGmork - Ihr wisst schon warum!

I will survive

Ginny stand auf dem Astronomieturm und dachte über ihre Zukunft nach. Wie es nun weitergehen würde. Die letzte Prüfung war vorbei – die Zukunft konnte beginnen.

Nein: die Zukunft begann, egal ob sie wollte oder nicht.

Eigentlich hatte sie ja geplant, mit Luna noch ein Praktikum im Ausland zu machen – beide wollten erst noch abwarten, wie sich die Zukunft gestalten sollte – ein bisschen die Welt kennen lernen, das Leben genießen, bevor man sich entscheidet. Außerdem ist so ein Auslandsaufenthalt und mit der entsprechenden Fremdsprachenkenntnis ja gut für den Lebenslauf...
Luna wollte sich um alles kümmern, ihr Vater wollte die Praktikumplätze in Mexiko besorgen. Und musste dann leider selber für Monate auf eine berufliche Reise durch die USA. Damit war die Sache dann ins Wasser gefallen. Ginny war im Moment nicht wirklich gut auf ihre Freundin zu sprechen...
So kurzfristig eine Alternative zu finden, hatte sich als ausgesprochen schwierig erwiesen.
Na ja, außerdem: ob ein Praktikum in irgendeiner mexikanischen Boulevardzeitung so das Richtige gewesen wäre?

Eigentlich hatte es in den vergangenen Jahren nur ein einziges Fach gegeben, das Ginny wirklich interessierte. Das einzige Fach, in dem sie die gleiche Punktzahl erreicht hatte wie im Vorjahr Hermine. Obwohl sie den betreffenden Lehrer hasste wie die Pest.

Und so hatte sie vor zwei Tagen ihrem Herzen einen Stoß gegeben, und hatte den Lehrer ihrer Abschlussklasse gefragt, ob er ihr ein Praktikum besorgen könnte – er hatte Verbindungen in die Universitäten der ganzen Welt, das wusste sie.

Irritiert hatte dieser geantwortet.
Spöttisch.
Ob sie das wirklich interessiere. Ob sie sich einer Ausbildung als Meisterin der Tränke gewachsen fühle, auch noch in einer fremden Sprache – und warum sie ihren Vater nicht um Hilfe fragte? Das Ministerium hätte doch bestimmt einen Praktikumplatz organisieren können...
Aber als Ginny erklärt hatte, dass sie einen Platz bekommen wolle, nicht weil sie Ginevra Weasley, sondern weil sie gut ist, hatte er ihr fest in die Augen gesehen – und gelächelt. Und versprochen, zu helfen.
In drei Tagen solle sie noch einmal nachfragen. Bis dahin hätte er ein paar Freunde gefragt, ein paar Eulen versandt... Morgen, morgen würde sie wissen, wie ihr Leben weitergeht.

Ginny zuckte zusammen, als plötzlich jemand hinter ihr stand und sie ansprach.
„Was machen sie hier oben, Miss Weasley? Alleine?"
Ginny schoss herum. Snape. Mit ihm hätte sie nicht gerechnet... Es war entschieden zu spät, um noch alleine in Hogwarts unterwegs zu sein, außerhalb der Gemeinschaftsräume.

„Ich habe darüber nachgedacht, was sie mir morgen wohl zu sagen haben. Wie es mit meiner Zukunft weitergeht."

Snape sah auf sie nieder. Und statt ihr wie erwartet Punkte abzuziehen ob ihres Alleinganges, hob er eine Augenbraue und fragte: „Was sagt eigentlich ihr Freund Potter dazu, dass sie ins Ausland wollen?"
Ginny sah auf und lächelte.

„Ja, Harry Potter." Ginny musste lachen... Snape war ab heute nicht mehr ihr Lehrer – es konnte ihr also egal sein, was er in dieser Beziehung von ihr dachte. Sie begann zu erzählen...
„Also, in der ersten Klasse und auch später noch, war Harry meine große Liebe...
Ich meine, er ist nett..." – Ihr Gegenüber schnaufte – „...fand ich jedenfalls. Und dass er gut aussah. Und er war mein Held. Aber er hat mich immer als die kleine Schwester von Ron angesehen.

Und irgendwann habe ich begriffen, dass er mich immer dann gerufen hat, wenn er mich brauchte. Das war kurz vorm Ball zum Trimagischen Turnier.
Erst nachdem er von allen anderen eine Absage erhalten hatte, kam er zu mir und hat erwartet, dass ich für ihn bereit stehe.

Gut, vielleicht war Neville Longbottom nicht der Knüller-Ersatz, aber besser, als sein Gesicht zu verlieren und selber den Notstopfen zu spielen, oder?
Also habe ich irgendwann beschlossen, nicht länger zu warten, und mein eigenes Leben zu leben...

Als ich dann beschlossen habe, nicht mehr auf Harry zu warten, ist Ron fast durchgedreht...

Beide waren ernsthaft beleidigt, aber Ron fast noch mehr als Harry...
Ron ist fast durchgedreht, hat es als persönliche Beleidigung angesehen. Hat mir stundelang ins Gewissen geredet.
Aber ich habe es nicht eingesehen – warum soll ich mein Herz an jemanden hängen, der mich nicht liebt? Was hätte ich tun sollen? Ron hat gemeint, ich soll warten, Harry würde schon noch zur Vernunft kommen. Aber ich denke, bis Harry jemanden liebt außer sich selber, kann ich warten, bis ich schwarz werden.
Und wie oft soll ich mich denn zum Dackel machen, der kommt, wenn man ihn ruft? Nein.

Ich habe fast mein gesamtes drittes Schuljahr darauf verwendet, mit meinen Gedanken von Harry los zu kommen. So lange habe ich gebraucht, ja. Nicht nur weil ich schon immer in ihn vernarrt war, weil er gut aussieht und berühmt und auch einfach nett ist – ich meine, er hat mir ja auch immerhin damals Kopf und Kragen gerettet in der Kammer des Schreckens...

Ich bin dann eine Zeit lang mit verschiedenen Jungs gegangen, aber das war eigentlich mehr, um Spass zu haben. Ich habe mich gut mit ihnen verstanden, wirklich verliebt war ich aber nicht...

„Und wie stellen sie sich die große Liebe vor, Miss Weasley?" unterbrach sie ihr Gegenüber.
„Ernst. Erwachsen. Wichtig... Und treu bis in die Ewigkeit..." erwiderte Ginny...

„Die große Liebe soll endgültig sein. Nicht erzwungen treu, sondern weil einfach nichts anderes für einen in Frage kommt.
Der großen Liebe schenkt man freiwillig alles ohne zu fragen.

Und das konnte mir keiner von ihnen allen geben – Harry sowieso nicht, aber auch die anderen Jungs nicht, nein...
Es war immer lustig, aber so wirklich die „große Liebe" war nie dabei...

Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich eigentlich möchte. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich erst mal mit mir selber klar kommen muss, bevor ich einem Mann meine dauernde Gegenwart zumuten kann. Dass zunächst ich selber wichtig bin. Und meine eigene Zukunft.

Ich habe gelernt, mich selber zu mögen.

Sollte ich jetzt einen Mann finden, der allen Ernstes für mich wichtig genug ist, ihn in mein Leben aufzunehmen, dann möchte ich ihm alles bieten, was ich habe. Aber ich kann mich nur selber verschenken, wenn ich mich selber zuvor angenommen habe, wenn ich gelernt habe, mich selber zu akzeptieren. Sonst wäre es kein Geschenk, sondern eher ein Ballast, den ich da vergebe..." Sie musste lachen. Dass sie ausgerechnet mit Professor Severus Snape über die große Liebe diskutieren würde...

Aber er hatte ja – unfreiwillig - einen Teil ihrer Zukunft in die Hand genommen...
Sie sah ihrem Gegenüber in die Augen. Die ganze Szene hatte etwas unwirkliches an sich.

„Und deswegen will ich erstmal selber sehen, was ich eigentlich will. Und das ist erstmal: Arbeiten. Zaubertränke brauen. Mir mein eigenes Leben aufbauen. Und dann – dann will ich die große Liebe finden. Vielleicht. Wenn es mir gegönnt ist.

Ich stelle mir vor, dass die wahre Liebe etwas unergründliches ist. Etwas, was sich über alle Fragen und alle Grenzen hinweg setzen kann.
Und dass die wahre Liebe wachsen muss. Nicht aus Schwärmerei, sondern aus Interesse. aneinander. Achtung voreinander, Respekt. Das ist die Liebe, die ich suche.

Mittlerweile hat Harry es auch begriffen, denke ich.
Das er momentan bei mir nicht landen könnte – falls er es wollte.
Aber ich war ja sowieso immer nur eine Notlösung. Ich meine – ist ja auch egal, oder?"

Die letzten Worte kamen trotzig – fast aggressiv. Im Grunde ihres Herzens war Ginny noch immer verletzt über die Art, in der Harry damals über ihre Gefühle hinweggegangen war.

Professor Severus Snape musste lächeln: „Miss Weasley – ich wollte ihnen mit dieser Frage nicht zu nahe treten. Eigentlich wollte ich sie etwas ganz anderes fragen: ...sollten zur Zeit keine Plätze im Ausland frei sind, was haben sie dann vor?" – „Mich hier weiter zu bewerben. In London und in Oxford sollen recht gute Ausbildungsstätten für Zaubertränke sein." – „Ich könnte ihnen auch vorschlagen, die Ausbildung bei mir zu absolvieren, Miss Weasley."

„Aber sie haben noch NIE einen Studenten hier..." – „Miss Weasley, überlegen sie es sich. Und sagen sie mir morgen Bescheid."

Er verließ ohne ein weiteres Wort die Aussichtsplattform des Astronomieturms.


In seinen Räumen im Kerker von Hogwarts setzte Professor Snape sich in seinem Sessel zurück, schenkte sich ein Glas Rotwein ein und kraulte seine beiden Schleiereulen hinter den Ohren.

Die beiden Eulen hatten die letzten drei Tagen Hogwarts nicht verlassen.

Severus lächelte.

Vielleicht – würde er es ihr irgendwann erzählen.

Vielleicht.