„Crawford, wir haben ein Problem. Ich kann das unmöglich alleine hacken." Es war Samstagnachmittag und Schwarz waren gerade mitten in einer Missionsbesprechung.
„Was? Wieso das denn? Du hast es doch sonst auch immer alleine hinbekommen!"
„Ja schon, aber das hier ist anders. Das ist ein völlig neues System und die Sicherheitsstandards sind sehr viel höher."
„Und du meinst, du kriegst das wirklich nicht alleine hin?"
„Nein. Da bräuchte ich dann mehrere Stunden für und in der Zeit würden sie mich auf jeden Fall erwischen." Crawford überlegte einen Augenblick. Dann hatte er eine Idee.
„Keine Sorge, Nagi, ich besorge dir eine fähige Hilfe."
„Wer sollte mir bei so was schon… warte, du meinst doch nicht etwas den Weiss Jungen, oder?"
„Doch, genau den. Er ist, was PCs angeht, mindestens genau so gut wie du und er stellt keine dummen Fragen."
„Glaubst du, wir können ihm vertrauen?", hackte Nagi misstrauisch nach.
„Ja, ich denke schon. Und andernfalls haben wir genug Mittel und Wege, dafür zu sorgen, dass er die Klappe hält." Damit zog er sich in sein Büro zurück um ein weiteres Mal bei Omi anzurufen.
Diesmal hatte er gleich Omi am Apparat. Nachdem der sich erst einmal wieder darüber aufgeregt hatte, dass Crawford hier so einfach anrief, hörte er sich Crawfords Vorschlag dann doch mit Interesse an. Es reizte ihn schon, sich an einem solchen System zu schaffen zu machen. Nachdem was Crawford erzählt hatte, war das wirklich nicht von einem alleine zu bewältigen. So eine Chance würde er vielleicht nie wieder kriegen.
„Was kriege ich dafür?" Crawford grinste. Der Junge war ganz nach seinem Geschmack.
„Ich könnte dir Informationen zukommen lassen. Ich habe in letzter Zeit äußerst interessante Visionen über euch gehabt. Auch über die Mission nächsten Montag."
„Hm… das wäre schon nicht schlecht. Aber woher weiß ich, dass du dir nicht einfach irgendwas ausdenkst?"
„Na ja, das weißt du dann wohl erst hinterher. Aber ich könnte dir die Lotto Zahlen für morgen sagen, falls du Interesse hast."
„Nein danke, ich spiele kein Lotto. Und ich vertraue dir, dass du mich nicht bescheißt. Dumm, ich weiß, aber egal."
„Schön. Am besten wäre es, wenn du zu uns kommen würdest. Wenn's geht, noch heute Abend."
„Was? Noch heute?"
„Ja. Du hast doch mit Sicherheit einen Laptop, oder? Stell dich mit dem an die Kreuzung, in einer halben Stunde! Ich hole dich da ab."
„Na gut, meinetwegen… dann bis gleich"
„Bis gleich." Soweit so gut, aber was erzählte er den anderen?
„Yohji? Ken? Ich treffe mich gleich mit einem Freund von mir. Wir wollen ein bisschen hacken, kann spät werden. Ihr habt doch nichts dagegen, oder?"
„Nein, wir sind froh wenn du mal raus kommst. Ich hab gleich ein Date, wenn du willst setze ich dich bei deinem Freund ab."
„Ah, nein danke, ich werde abgeholt." Yohji zuckte gleichgültig mit den Schultern, er war mit seinen Gedanken bereits bei seinem Outfit und hakte deshalb auch nicht weiter nach, was Omi nur Recht sein konnte.
Mit seinem Laptop unter dem Arm stand Omi wie verabredet eine halbe Stunde später an der Kreuzung und wartete auf Crawford. Der kam auch pünktlich und sammelte Omi ein.
Zu Hause bei Schwarz angekommen führte Crawford ihn gleich in Nagis Zimmer. Der Raum wurde von einer monströsen PC Ecke dominiert, in der bestimmt fünf oder sechs PCs, dazu mehrere Bildschirme, Boxen, Drucker, Scanner, ein Fernseher und ähnliches standen. Ansonsten gab es im Raum noch ein sorgfältig gemachtes Bett, einen Kleiderschrank, einen ordentlich aufgeräumten Schreibtisch und ein Aquarium. Was allerdings nicht so gut ins Allgemeinbild passte, war ein großes Poster, welches neben der Tür an der Wand hing. Es zeigte eine halb nackte Frau.
„Das hat Schuldig aufgehängt", erklärte Nagi, als er Omis Blick bemerkte.
„Nett…"
„Crawford hat dir erklärt worum es geht?"
„Ja, im Groben."
„Gut, ich erzähle dir gleich mehr dazu. Setz dich!" Nagi deutete auf den Schreibtischstuhl. Omi setzte sich und klappte seinen Laptop auf. Nachdem sie seinen PC mit dem Netzwerk verbunden hatten, ging es auch schon los. Zuerst wollte Nagi wissen, was Omi so auf dem Kasten hatte und er sah ihm zu, wie er sich in den Zentral Computer einer Firma einhackte. Was er sah, stellte ihn zufrieden und so fingen sie danach mit ihrer eigentlichen Aufgabe an.
Es war bereits weit nach Mitternacht, als Crawford herein kam und fragte, wie weit sie seien.
„Im Großen und Ganzen sind wir fertig. Jetzt müssen wir die ganzen Daten aber alle noch auswerten", erklärte Nagi.
„Wie lange wird das noch in etwa dauern?"
„Also einige Stunden bestimmt."
„Dann schlage ich vor, Omi, du schläfst heute Nacht hier. Dann könnt ihr euch Zeit lassen."
„Ich will keine Umstände machen…"
„Jetzt fang nicht schon wieder damit an. Nagi zeigt dir nachher eines der Gästezimmer. Alles was du zum Schlafen brauchst findest du dort."
„Ok, danke. Dann muss ich aber zu Hause anrufen." Nagi reichte ihm sogleich sein Telefon und Crawford verschwand wieder.
Ken war nicht so glücklich, dass Omi die ganze Nacht wegbleiben wollte, er fühlte sich etwas einsam. Omi versprach ihm, dass er dafür mit ihm Fußball spielen gehen würde, sobald er wieder da war. Damit war Ken zufrieden und Omi legte auf.
„Gehst du oft mit Ken Fußball spielen?"
„Nein, eigentlich nicht. Ich mag Fußball nicht so…"
„Warum spielst du's dann?"
„Um Ken eine Freude zu machen. Außerdem kann mir ein bisschen Sport ab und zu ja nicht schaden." Nagi sah ihn zwar komisch an, sagte aber nichts mehr.
Eine Weile später machten sie eine kurze Pause um sich Tiefkühlpizzen in den Ofen zu schieben. Je später es wurde, desto besser verstanden sich die beiden. Irgendwann fingen sie auch an, sich über andere Dinge als den PC zu unterhalten. So fanden sie zum Beispiel auch heraus, dass sie den gleichen Lieblingsanime hatten – Yami no Matsuei – und dass sie oft im selben Chatroom chatteten und sogar schon einmal kurz miteinander gesprochen hatten.
So gegen sieben Uhr morgens, waren sie dann endlich mit allem fertig und hatten alle Daten gesichtet. Nagi zeigte Omi das Gästezimmer und Omi war so müde, dass er sofort einschlief.
Als Omi wieder aufwachte, musste er entsetzt feststellen, dass es bereits vier Uhr Nachmittags war. Und er hatte seit einer halben Stunde Schicht im Laden. Jetzt aber schnell. In Windeseile zog er sich an und lief die große Treppe hinunter. Unten in der Halle traf er auf Nagi, der ihm, mit einer Schüssel voll Cornflakes in der Hand, entgegen kam.
„Morgen. Hast du gut geschlafen?"
„Morgen, ja danke, sehr gut. Aber jetzt bin ich viel zu spät, ich muss doch arbeiten."
„Am Sonntag?"
„Ja, aber wir öffnen erst mittags."
„Ach so… wenn du was essen möchtest, du weißt ja wo die Küche ist. Ich bin oben", meinte Nagi und ging an Omi vorbei die Treppe hinauf.
„Tut mir Leid, aber für Frühstück habe ich keine Zeit, ich muss sofort weg."
„Wie du willst. Dann komm, dein Laptop ist noch bei mir. Ich sage eben Crawford Bescheid, dass er dich nach Hause fährt."
„Ah, nein danke. Ihr habt mich schon oft genug gefahren, ich kann den Bus nehmen. Nur keine Umstände." Nagi zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Ach ja, bevor ich es vergesse, Crawford hat gesagt, er will dich in seinem Büro sehen, sobald du aufgestanden bist."
„Ähm, ok…"
Unsicher stand Omi einige Zeit später, mit seinem Laptop unter dem Arm, vor Crawfords Bürotür. Nagi hatte sich bereits wieder nach oben in sein Zimmer verzogen. Etwas zögernd hob er dann aber doch den Arm und klopfte. Eine Weile lang geschah gar nichts und Omi wollte gerade erneut klopfen, als Crawford doch noch „Herein!" rief. Vorsichtig öffnete Omi die Tür und lugte ins Zimmer. In der Mitte des Raumes stand ein gigantischer Schreibtisch, hinter dem Crawford saß. Dieses Büro schien auch für Kundengespräche gedacht zu sein, denn es sah, fast wie der gesamte Rest des Hauses, aus wie geleckt. Kein Zettel lag lose herum, alles war schön säuberlich gestapelt, an den Wänden standen keine einfachen, offenen Regale sondern teure Schränke aus dem gleichen, dunkelbraunen Holz wie der Schreibtisch und auf dem Boden lag ein dicker, blauer Teppich. Passend dazu standen auf dem Fensterbrett einige blaue Blumen, was dem ganzen Raum wenigstens etwas Frische gab.
„Jetzt komm schon rein!", meinte Crawford und tippte ohne aufzublicken weiter auf seiner Tastatur herum.
„Ähm, ja, du wolltest mich sprechen?".
„Ja. Setz dich da hin, ich bin gleich fertig." Mit einem Wink deutete Crawford auf einen Stuhl ihm gegenüber. Sobald er sich gesetzt hatte, wandte Crawford seine Aufmerksamkeit auch schon von seinem PC ab und blickte Omi durchdringend an. Was? Hatte er etwas falsch gemacht?
„Schläfst du immer so lange? Ich warte schon seit Stunden auf dich!" Hä? Darum ging es nur?
„Nun ja… es war ziemlich spät gestern Abend und…"
„Ich weiß. Aber es ist nicht gut so lange zu schlafen. Aber darum geht es jetzt auch nicht."
„Sondern?"
„Um deine… Bezahlung". Omi blickte Crawford überrascht an. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht.
„Ich hatte dir Informationen versprochen und hier habe ich auch schon was für dich: Ihr habt Morgen eine Mission… blast die ab!", fuhr Crawford ungerührt fort.
„Was für eine Mission?"
„Das ist nicht von Belang. Sorg einfach dafür dass ihr sie verschiebt!"
„Warum weißt du eigentlich vor mir von unseren Missionen!"
Crawford warf Omi einen tadelnden Blick zu.
„Ok, ok, schon klar. Ich meine ja nur… Aber gut, wenn du sagst wir sollen sie verschieben, verschieben wir sie halt. Sonst noch irgendwas?"
„Nichts, was für dich von Bedeutung wäre."
Unruhig saß Omi wenig später im Bus, seinen Laptop auf dem Schoß. Was hatte Crawford wohl gesehen? Und wie würde Omi seine Freunde dazu bringen, eine Mission abzusagen, nur aufgrund eines ‚Gefühls'? Die Wahrheit konnte er ihnen ja schlecht erzählen. Na ja, ihm würde schon noch etwas einfallen. Zur Not würde er einfach behaupten die Zielperson hätte plötzlich ihren Terminplan geändert und sei verreist oder so.
Aber als Omi eine halbe Stunde später den Laden betrat, traute er seinen Augen nicht. Dort stand Ran und band in aller Ruhe Gestecke.
„Ran!", rief er freudig. Ran sah auf und warf Omi ein leichtes Lächeln zu.
„Hallo, Omi."
„Du bist wieder da! Wie geht es dir?"
„Ganz gut…"
„Warum bist du schon wieder hier? Wir haben Manx gesagt, dass du für mindestens einen Monat ausfällst."
„So ein Unfug. Hier wartet schließlich Arbeit", meinte Ran und deutete auf die Blumen.
„Das hätten wir schon alleine geschafft, Ran. Also wenn du willst…"
„Willst du mich wieder loswerden oder was?" Omi riss erschrocken die Augen auf.
„Nein, nein, um Himmelswillen nein. Das hast du falsch verstanden. Ich habe nur… ich wollte nur…"
„Omi, halt die Luft an. Das war ein Witz."
„Ran! Mach nicht solche blöden Witze! Ich bin froh, dass du wieder hier bist. Wir haben dich vermisst", rief Omi und umarmte Ran stürmisch.
Ran zog nur eine Augenbraue hoch, aber er widerstand dem Reflex den Jungen abzuschütteln. Es tat ihm gut, das zu hören, er hatte die drei ja auch vermisst – auch wenn er das nie zugeben würde. Das war auch einer der Gründe gewesen, warum er schon so früh wiedergekommen war. Außerdem glaubte er, dass er sich viel besser ablenken könne, wenn er arbeitete, als wenn er Tag und Nacht grübelte.
„Hier!", damit warf er dem verdutzten Omi seine Schürze zu.
„Du bist seit fast zwei Stunden überfällig, ich musste deine Schicht übernehmen." Omi rollte mit den Augen, musste aber lächeln. So kannte er Ran.
„Tut mir Leid, ist gestern sehr spät geworden und ich habe etwas verschlafen."
„Hallo Abyssinian. Wie ich sehe bist du wieder da", kam plötzlich eine Frauenstimme vom Eingang.
„Manx…"
„Hallo Jungs, Mission", lächelte Manx und schloss die Tür. Sofort war Ran in den Missionsmodus gewechselt und stieg mit versteinerter Miene die Wendeltreppe zu ihrem Missionsraum hinunter, während Omi noch schnell das Rollo herunter ließ. Ob er gleich sagen sollte, dass sie die Mission nicht nehmen würden? Nein, er würde lieber warten bis Manx wieder weg war.
„Ran, bist du sicher dass du mitmachen willst?", fragte Yohji mit einem unsichern Blick auf seinen Leader, nachdem Manx wieder verschwunden war.
„Hör zu, Kudou, ich bin nicht aus Glas. Wenn ich sage ich mache mit, dann mache ich auch mit, verstanden!"
Yohji hob abwehrend die Hände und ließ sich wieder in seinen Sessel plumpsen. Jetzt sah Omi seinen Einsatz gekommen. Manx war weg und Yohji würde ihn mit Sicherheit unterstützen, wenn auch nur um Ran zu schonen.
„Ähm, Jungs? Ich habe irgendwie ein ganz mieses Gefühl bei der Sache. Es ist doch keine Eile, vielleicht sollte ich erst einmal mehr Informationen über diesen Bankenchef suchen und wir verschieben die Mission auf später. Was wir bisher haben ist ziemlich dürftig…"
„Omi hat Recht!", stimmte Yohji ihm, wie erwartet, sofort zu.
„Nein, was wir haben reicht. Und wenn es dir auch nur darum geht, mich zu schonen, dann lass dir gesagt sein, dass ich diese Mission zur Not auch alleine mache, also spar dir die Mühe", meinte Ran kühl. Fieberhaft suchte Omi nach einer Möglichkeit, Ran davon zu überzeugen, die Mission zu verschieben. Aber als ihm nichts einfiel, versuchte er es mit betteln. Er setzte sein mitleiderregendstes Chibi Gesicht auf und sah Ran mit wässrigen Augen an.
„Ich habe wirklich, wirklich ein sehr schlechtes Gefühl, Ran. Ich weiß, dass etwas schief gehen wird, bitte lass sie uns doch verschieben. Nur um ein oder zwei Tage, meinetwegen. Aber lass mich noch ein paar mehr Informationen sammeln. Ist doch egal wann wir diesen Kerl ausschalten. Bitte, Ran!" Rans Augen verengten sich und er sah Omi prüfend an. Er kannte diesen Chibiblick und er fiel nicht mehr auf ihn herein. Aber Recht hatte Omi schon, sie wussten wirklich fast nichts über den Mann und ein Tag Aufschub würde nicht das Ende der Welt bedeuten. Als Omi sah, wie Ran tief Luft holte und seufzte wusste er, dass er gewonnen hatte.
„Na meinetwegen. Aber nur um ein paar Tage", meinte Ran mürrisch bevor er sich umdrehte und verschwand.
„Gut gemacht, Chibi", lobte Yohji. „Er soll sich noch etwas ausruhen." Omi nickte. Jetzt hatte er außerdem auch noch genug Zeit, ein letztes Mal für die Englisch Klausur zu üben, die er am nächsten Tag schreiben würde. Oh, wie er sich darauf freute. Die Lehrerin war zwar mit seinem Vortrag sehr zufrieden gewesen, aber das würde wohl nicht reichen um seine Klausur auszugleichen, die er morgen unter Garantie verhauen würde. Dieses verdammte Buch lag ihm einfach nicht, da konnte er nichts machen, es war einfach so furchtbar uninteressant.
Zwei Tage später: Es war ein ganz normaler Dienstag und Ran und Omi hatten Schicht im Laden. Da es Mittagszeit war, war nur ein einziger Kunde im Laden. Die Mädchen würden erst nach dem Mittagessen wieder kommen. Als dann auch dieser Kunde gegangen war, schaltete Omi das Radio ein und begann damit, einen Strauß Lilien zu binden. Aber mittendrin hielt er inne, drehte das Radio lauter und winkte Ran heran.
„… so sei es, nach Aussage eines Feuerwehrmannes, noch nicht möglich eine genaue Aussage über die Zahl der Opfer machen zu können. Auch über die Herkunft der Bombe und über den Verbleib der Attentäter sei noch nichts bekannt. Die Polizei vermutet, dass der Anschlag dem Chef der Bank, Herrn Yamakawa, gelten sollte, der an diesem Abend allerdings unerwartet verhindert war und sich daher nicht im Gebäude aufgehalten hatte. Die Polizei hat eine Sonderkommission gegründet und bittet die Bevölkerung um Mithilfe. Also, wenn sie am Montagabend zwischen 23 und 1 Uhr etwas Auffälliges bemerkt haben, dann melden sie sich bitte unter der folgenden Nummer…"
Omi drehte das Radio wieder leiser und sah Ran an, der ganz bleich geworden war.
„Wenn wir dort gestern hingegangen wären, dann hätte uns die Bombe voll erwischt…Omi, du hast uns allen das Leben gerettet", meinte er und sah Omi entsetzt an.
„Na ja… es war ja nur so ein Gefühl…", erwiderte Omi und knotete nervös an seiner Schürze herum. Er fühlte sich gar nicht wohl, wenn Ran ihn lobte und er es nicht einmal verdient hatte.
In dem Moment kamen Yohji und Ken die Treppe runter gepoltert.
„Hey Omi, Ran, habt ihr das auch gerade im Radio gehört?", rief Yohji schon von der Treppe.
„Ja, haben wir."
„Oh mein Gott, was sagt ihr? Stellt euch mal vor, wir wären da gewesen gestern. Wir wären voll drauf gegangen, das war genau zu der Zeit, zu der wir unsere Mission angesetzt hatten. Ich kann's gar nicht glauben, was wir für ein Riesenschwein gehabt haben!", keuchte Ken noch ganz außer Atem vor Aufregung. Oh Man, hoffentlich wollen die nicht wissen, woher ich das gewusst habe, betete Omi inständig.
„Oi, Omi, woher hast du das gewusst?" Na toll…
„Äh, ich weiß nicht, ich hatte irgendwie so ein Gefühl…"
„Man, wenn du das nächste Mal so ein Gefühl hast, dann sag uns bloß Bescheid, klar! Wir werden dein Gefühl nie wieder in Zweifel ziehen" Worauf du dich verlassen kannst, Yohji, dachte Omi. Wenn Crawford ihm weiterhin so gute Tipps gab, würde ihm gar nichts anderes übrig bleiben.
„Ich find das voll beängstigend, hast du vielleicht auch irgendwelche geheimen Fähigkeiten? Wie Schwarz?" Omi schluckte.
„Nein, natürlich nicht…"
Yohji wollte gerade etwas erwidern, aber da betrat eine Kundin den Laden. Ran scheuchte die anderen beiden wieder nach oben in die Wohnung, während Omi sich, dankbar für die Unterbrechung, um die Kundin kümmerte.
Etwa eine halbe Stunde später kamen Yohji und Ken wieder die Treppe hinunter, einen kleinen Karton unter dem Arm und von Ohr zu Ohr grinsend.
„Hier Omi, das hätten wir ja fast vergessen. Ken und ich waren vorhin in der Stadt und da haben wir dir was mitgebracht."
„Yohji, ich kann grad nicht… nein, das sind keine Chrysanthemen, die stehen hier drüben. Soll ich ihnen einen Strauß binden?"
„Komm schon, es wird dich freuen", meinte Yohji mit einem Grinsen, dass Omi sehr misstrauisch machte.
„Kudou! Du siehst, dass er arbeitet, also halt deine Klappe und warte da hinten!", befahl Ran mit lauter Stimme. Yohji warf seinem Leader einen ärgerlichen Blick zu, gehorchte dann aber und stellte sich hinter den Tresen. Sobald Omi der Frau ihr Wechselgeld raus gegeben und ihr einen Schönen Tag gewünscht hatte, stellte er ihm den Karton vor die Nase.
„Was ist das?", fragte Omi und sah seine Freunde fragend an. Aber die beiden grinsten nur ungeduldig und Yohji drängte ihn, endlich rein zu gucken. Auch Ran stellte sich nun dazu und beobachtete das Ganze aufmerksam. Wer weiß, was Yohji da wieder gekauft hatte. Wie er ihn kannte, war es etwas, was garantiert nicht in die Hände von 17 Jährigen gehörte. Aber er hatte gesagt, Ken sei mit gewesen. Das konnte entweder heißen es war noch schlimmer, als er befürchtete, oder es war ein Fußball. Aber als Omi den Karton öffnete wurden nicht nur seine, sondern auch Rans Augen ganz groß. Unter viel Plastik und Folien verborgen, befand sich ein Schnurloses Telefon mitsamt Aufladestation. Das hatte er jetzt nicht erwartet. Omi sah auf und warf seinen Freunden sein strahlendstes Lächeln zu.
„Jetzt kannst du stundenlang mit deinem kleinen Freund telefonieren ohne dass wir dich dabei stören. Aber falls ihr Telefonsex veranstalten wollt, sagt mir vorher Bescheid, dann schnapp ich mir das Telefon im Wohnzimmer und höre euch ein bisschen zu", zwinkerte der Playboy.
„YOHJI!", rief Omi und lief knallrot an. „Aber danke trotzdem, das ist echt cool." Er fiel seinen Freunden nacheinander um den Hals.
„Mir musst du nicht danken, ich hatte damit nichts zu tun. Mich hat man ja nicht eingeweiht", meinte Ran grimmig.
„Ach, komm schon Ran, es war eine spontane Idee als Ken und ich vorhin einkaufen waren. Jetzt mach nicht so ein Gesicht!"
„Komm, wir gehen es gleich anschließen", schlug Ken vor, aber Ran hielt ihn auf.
„Wir müssen arbeiten, das kann auch bis heute Abend warten."
„Och Raaaaan", weinte Omi, aber Ran blieb hart. Also gab er seufzend nach und hoffte nur, dass der Tag so schnell wie möglich vorbei gehen würde.
Es war Mittwochabend und Omi saß an seinem PC. Er hatte soeben seine Hausaufgaben beendet und wollte sich nun etwas beim chatten entspannen. Leider war keiner seiner Freunde online und er wollte den Chatroom gerade wieder verlassen, als er eine Message bekam.
Pinguin: Hey! Omi? Bist du da?
Indigo: Jepp, hey Nagi wink
Indigo: Ich kann einfach nicht glauben, dass du dich Pinguin nennst, Nagi!
Pinguin: Hey, sag nichts! Pinguine sind süß. Und ich hab mich bei meinem Namen halt etwas von Linux beeinflussen lassen g
Indigo: Nicht sehr originell, wirklich.
Pinguin: Aber selber…
Indigo: Ok grins hast ja Recht.
Pinguin: Ich soll dir übrigens von Crawford ausrichten, dass du deine Geschichtshausaufgabe vor 23:45 speichern sollst, wenn du sie nicht noch mal neu schreiben möchtest. Es sei denn du schreibst sie gleich auf Papier und nicht am PC…
Indigo: blink
Pinguin: … Stromausfall. Im Hause Weiß, um Punkt 23:45 grins
Indigo: Aaah : ) Danke für den Tipp.
Pinguin: Dank nicht mir, dank Crawford
Indigo: augen roll dann sag du ihm halt danke von mir
Pinguin: Du hast ihn morgen in Mathe, sag's ihm selber. Ach ja, da hätte ich jetzt noch einen Tipp für dich, aber ganz top secret…
Indigo: Spuck's aus!
Pinguin: flüster Er will eure Hausaufgaben einsammeln und ich weiß, dass er sich immer über deine Sauklaue aufregt, also solltest du deine Hausaufgabe noch einmal auf Lesbarkeit überprüfen…
Indigo: zurück flüster Danke für den Hinweis, ich werde mich sofort drum kümmern. Aber in dem Punkt übertreibt er echt, finde ich. Sooo schlimm schreibe ich auch nicht schmoll
Pinguin: grins Ich weiß genau was du meinst. Ich hab das Theater auch schon hinter mir.
Pinguin: Aber was anderes, hast du gestern Yami no Matsuei gesehen? Ich habs leider verpasst schnief - Mission.
Indigo: Ich habs aufgenommen, wenn du willst kann ich es dir ausleihen
Pinguin: Aww, das wäre echt nett von dir. Ich hab dummerweise vergessen meinen Timer anzumachen, war so ne Blitz Aktion. Ich hasse so was knurr
Indigo: Was, die Mission? Haben wir nie. Bei uns wird das immer akribisch geplant.
Pinguin: Na ja, wir sind ja Bodyguards und wenn irgend so ein reicher Schnösel sich plötzlich überlegt, dass er unbedingt an diesem Abend noch irgendwo hin will oder ein wichtiges Meeting mit zwielichtigen Leuten hat, dann müssen wir halt sofort hin.
Indigo: Hmm… Sag mal, kann ich dich mal was fragen?
Pinguin: Klar, aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich dir antworten werde…
Indigo: Ah, ok… Also gut, ich habe ja nun eure Villa gesehen und ich frage mich, warum ihr überhaupt noch Aufträge annehmt. Ihr habt doch sicherlich längst genug Geld für den Rest eures Lebens zusammen, oder nicht?
Pinguin: Das haben wir in der Tat. Und ob du's glaubst oder nicht, wir denken schon eine ganze Weile darüber nach, aufzuhören. Aber irgendwie finden wir keinen Anfang. Weißt du, wir kommen von einem Auftrag zum anderen und sind schon wieder für den Rest des Jahres ‚gebucht'. Da ist es nicht so einfach einen Schnitt zu machen.
Indigo: Cool… Ich wünschte wir könnten auch einfach so aufhören wann wir wollen.
Pinguin: Warum könnt ihr nicht? Angst vor Kritikers Rache?
Indigo: Nein, das ist nur ein kleiner Teil. Aber vergiss nicht, dass wir das ganze machen, weil wir Gerechtigkeit bringen wollen. Die Verbrecher zur Rechenschaft ziehen wollen, die genug Macht und Geld haben, um sich ihre Freiheit zu erkaufen. Aber wir merken das ja schon, wenn wir nur einmal ein paar Monate Pause machen, man fühlt sich unruhig und weiß, dass man in dem Moment vielleicht vielen Menschen das Leben retten könnte, statt hier faul herum zu sitzen.
Pinguin: Das Töten macht dir Spaß?
Indigo: Natürlich nicht! Ich würde alles dafür geben, wenn es ohne Blutvergießen ginge. Aber leider ist das die einzige Möglichkeit diese Verbrecher zu stoppen. Rein theoretisch könnten wir jederzeit aufhören und uns zur Ruhe setzen. Aber ich zumindest könnte das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.
Pinguin: Verstehe… ein Gewissen ist wirksameres Druckmittel, als Kritiker und EstE jemals entwickeln könnten. Darum haben wir bei Schwarz unser Gewissen auch schon vor langer Zeit hinter uns gelassen…
Indigo: Ach, Blödsinn. Jeder Mensch hat ein Gewissen. Ihr redet euch das nur ein.
Pinguin: Ich habt uns selber immer gewissenlose Killer genannt, oder etwa nicht!
Indigo: Ja schon… aber wenn du wirklich kein Gewissen hättest, dann würde dir das Töten auch nichts ausmachen.
Pinguin: Tut es nicht…
Indigo: Quatsch, natürlich tut es das!
Pinguin: Woher willst du das bitte wissen? Du kennst uns nicht, du hast keine Ahnung was wir durchgemacht haben! Du kannst dir nicht vorstellen wie befriedigend es sein kann, einen anderen Menschen leiden und sterben zu sehen während du daran denkst, was man dir alles angetan hat! Du hast einfach keine Ahnung!
Indigo: Du hast ja Recht, ich weiß nicht was ihr durchgemacht habt. Aber trotzdem habt ihr nicht das Recht, euch dafür an Unschuldigen zu rächen.
Pinguin: Pah, diese Menschen sind genauso wenig unschuldig wie die Leute, die du umbringst.
Pinguin: Aber tust du mir bitte einen Gefallen, können wir von etwas anderem reden?
Indigo: Ja… ich glaube du hast Recht. Wir sollten unsere Arbeit von jetzt an nicht mehr erwähnen, das wäre das Beste.
Pinguin: Ja
Indigo: Ok… was hast du heute so gemacht?
Pinguin: … dämlicher Anfang für ein Gespräch
Indigo: Na wenn dir was Besseres einfällt sag's ruhig schmoll
Pinguin: Ach jetzt stell dich nicht so an. Aber wie du willst, ich habe eigentlich nichts gemacht. Schule, Mittagessen, Hausaufgaben, ein bisschen Fernsehen gucken und nachher noch zu meiner Abendschule… und selber?
Indigo: Das gleiche… oh warte Mal, Ran ruft mich.
Pinguin: Klar….
einige Minuten später
Indigo: Nagi? Noch da?
Pinguin: Jepp. Was war?
Indigo: ….Ran hat gestern deine Klamotten in der Wäsche gefunden und wollte jetzt wissen wo ich die her habe sweatdrop Was Yohji daraufhin gesagt hat, will ich jetzt mal nicht wiederholen immer noch glüht wie eine Tomate
Pinguin: grins Na das kommt mir doch irgendwie bekannt vor. Schu hat auch immer einen Riesenspaß daran, mich in Verlegenheit zu bringen. Das geht einem voll auf die Nerven grummel
Indigo: Du sagst es!
Pinguin: Und? Was hast du ihnen gesagt?
Indigo: Das ich sie mir neu gekauft habe. Daraufhin war Yohji sauer weil er immer gerne mit kommt, wenn ich Klamotten kaufen gehe. Um mich modisch zu beraten, wie er sagt. Und Ran hat mir nicht geglaubt grummel Ich kann einfach nicht lügen Aber er hat mich in Ruhe gelassen – vorerst…
Pinguin: Hehe, Schu regt sich auch immer über meine Schuluniform auf. Aber ich find die halt schick und bequem, da kann er meinetwegen an die Decke gehen. Der Tag, an dem ich mit ihm Klamotten kaufen gehe, ist der Tag, an dem Crawford einen Jogging Anzug anzieht!
Indigo: Hahaha, was für eine Vorstellung gerade das Bild vor Augen hat Übel!
Pinguin: sich das lieber gar nicht erst vorstellen will
Indigo: Wie's aussieht haben unsere beiden Team Playboys einiges gemeinsam… erzähl mir doch mal mehr über ‚Schu' (du nennst ihn echt Schu! Wie süß ; )) vielleicht finden wir ja noch mehr Gemeinsamkeiten
Pinguin: grins klar, versuch du doch mal ‚Schuldich' auszusprechen ohne dir die Zunge zu brechen.
Indigo: Ich glaube, es heißt Schuldig. Ist Deutsch (hatte mal ein Paar Jahre Deutschunterricht in der Schule, weißt du)
Pinguin: Whatever ; ) Also gut, was könnte man über den so erzählen grübel
Die nächsten eineinhalb Stunden brachten die beiden Jungen damit zu, Gemeinsamkeiten zwischen Schuldig und Yohji zu finden. Und sie fanden eine ganze Menge. Die beiden mussten Seelenverwandte sein, wie Crawford gesagt hatte, es ging gar nicht anders. Leider musste Nagi dann weg zu seinem Unterricht. Omi fand das sehr bedauerlich, sie hatten gerade so viel Spaß. Nagi blühte richtig auf, wie es schien. Wenn Omi nicht sicher wüsste, dass hinter den Worten der kleine, schüchterne, verbitterte Junge aus dem Schwarzhaus stand, er hätte es nicht geglaubt.
Schnell machte Omi sich daran, seine Mathe Hausaufgabe zu überarbeiten und so sauber es ging abzuschreiben. Also wenn Crawford damit nicht zufrieden war, dann wusste er auch nicht weiter. Wie gut, dass Nagi ihn vorgewarnt hatte. Wenn Crawford ihm weiterhin so schlechte Noten gab, nur weil er ihm zu unsauber schrieb, dann würde er am Ende noch eine schlechte Note auf dem Zeugnis bekommen und das musste ja nun wirklich nicht sein.
„Geh doch schon mal vor, Nao. Ich komme gleich nach, ok?", meinte Omi am nächsten Tag und stellte sich neben Crawford ans Pult. Nao warf ihm einen komischen Blick zu. Es war ihm nicht entgangen, dass Omi in letzter Zeit sehr viel mit ihrem neuen Mathelehrer zu besprechen hatte. Er hatte Omi auch schon darauf angesprochen aber der hatte nur gesagt, dass Crawford und er sich von Früher kannten und er ein paar Informationen über die Stadt haben wollen, weil er gerade erst hergezogen sei. Das hatte Nao nicht wirklich überzeugt, vor allem wenn er daran dachte, wie die beiden sich gestritten hatten. Aber vielleicht machte Nao sich auch einfach zu viele Gedanken. Omi würde ihm schon alles erzählen, wenn es etwas zu erzählen gab, das war bisher immer so gewesen. Also ging er ohne Widerworte hinaus und wartete vor der Tür auf seinen Freund.
Nachdem Crawford und Omi alleine waren, öffnete Omi seine Schultasche und holte eine Videokassette hervor, die er Crawford auf den Tisch legte. Crawford zog die Augenbrauen hoch und sah erst die Kassette, dann Omi fragend an.
„Was ist das?"
„Eine Videokassette. Ein Anime, für Nagi. Ich habe versprochen, sie ihm auszuleihen. Kannst du sie ihm bitte von mir geben?"
„Meinetwegen. Aber ich bin nicht euer Postbote, klar?" Omi rollte mit den Augen.
„Jaja, schon verstanden. Das nächste Mal bitte ich Ran, sie bei euch vorbei zu bringen, wenn er Blumen ausliefert fährt."
„Nicht frech werden!" Crawford steckte die Kassette in seinen Aktenkoffer und stand auf. Aber als er gerade zur Tür gehen wollte, hielt Omi ihn auf.
„Was denn noch?", fragte Crawford ungeduldig. Er hatte gleich Unterricht.
„Ähm, ich wollte mich bei dir bedanken… Für die Sache mit dem Bombenanschlag. Du hast uns wieder das Leben gerettet. Und für die Warnung vor den Stromausfall, das hat mir eine Menge unnötiger Arbeit erspart. Woher wusstest du, dass ich immer vergesse meine Sachen zu speichern?"
„Wenn es nicht so wäre, hätte ich nicht gesehen, dass du den ganzen Text neu schreiben musst, oder? Und du sollst dich nicht dauernd bedanken, wir hatten schließlich eine Abmachung. Deine Hilfe gegen meine Informationen."
„Ja schon, aber ich wollte mich trotzdem bedanken. Ich könnte bis ans Ende meines Lebens für euch arbeiten und würde noch immer in deiner Schuld stehen. Du rettest uns schließlich das Leben, das kann ich nie wieder wiedergutmachen."
„Ja, ich frage mich auch wie ihr es bisher ohne mich geschafft habt am Leben zu bleiben", meinte Crawford und zog eine Augenbraue hoch.
Den Nachmittag verbrachte Omi mit Nao in der Stadt. Nao wollte sich neue Winterschuhe kaufen, jetzt wo es langsam immer kälter wurde. Auch Omi überlegte, dass er vielleicht mal ein paar neue Schuhe gebrauchen könnte, aber er fand keine, die ihm gefallen hätten. Nao hingegen hatte gleich zwei Paare gefunden und konnte sich nicht entscheiden, so dass er am Ende alle beide kaufte. Am Abend würde er sich wohl eine Predigt von seinem Vater anhören müssen, darüber dass man nicht zwei Paar Winterschuhe bräuchte und so weiter, aber das nahm er in kauf.
Danach gingen die beiden noch ins Kino, um sich den neusten Film mit Johnny Depp anzusehen. Es war schon sehr lange her, dass sie etwas zusammen unternommen hatten – Omi musste sehr viel für seine Klausuren lernen und Nao war gerade dabei, seinen Führerschein zu machen. Wie sehr Omi ihn dafür beneidete. Ran hatte ihm verboten, mit dem Führerschein anzufangen, bevor er 18 war. Omi wusste, dass Ran es am liebsten gesehen hätte, wenn er überhaupt keinen Führerschein machen würde. Doch das konnte er ihm nur verbieten, bis er Volljährig war und das hatte er auch eingesehen. Aber seit dem Unfall mit seiner Schwester hatte Ran ein schwieriges Verhältnis zum Autofahren. Er hatte große Angst, dass Omi etwas passieren könnte. Das war auch der Grund warum Ran niemals als Beifahrer mitfuhr. Entweder er fuhr selber oder gar nicht.
Am Abend saßen Nao und Omi dann gemeinsam vor Omis PC und chatteten ein wenig, als Nagi plötzlich online kam.
Pinguin: Hey Omi, danke für das Video : )
Indigo: Hi wink Ja, ist eine der besten Folgen, wäre ein Jammer wenn du die nicht gesehen hättest.
Pinguin: Ja aber wirklich. Aber Crawford war ziemlich sauer, dass du ihm die Kassette mitgegeben hast. „Bin doch nicht die Post, blabla" das Übliche ; )
Indigo: grins Hat er mir auch schon ne Standpauke drüber gehalten ; ) Ich werd's nie wieder tun
„Wer ist das? Ist der aus unserer Klasse?", fragte Nao neugierig.
„Ist ein Freund von mir. Der wohnt mit Crawford zusammen, weißt du."
„Mit Herrn Crawford? Unserem Mathelehrer?", fragte Nao ungläubig. „Wie alt ist der?"
„15, glaube ich."
„Sein Sohn?"
„Nein, ich weiß auch nicht so genau. Die wohnen nur zusammen…" Nao zog eine Augenbraue hoch.
„Na das hört sich aber sehr komisch an, findest du nicht?"
„Also das ist jetzt nicht so wie du vielleicht denkst", erwiderte Omi hastig.
Pinguin: Hm, sag mal, hast du schon den neuen Johnny Depp Film gesehen? Der soll echt gut sein…
Indigo: Jepp, war eben mit meinem Freund da. War wirklich cool : )
Pinguin: Dein Freund? Gibt es da vielleicht etwas, was ich wissen sollte? hentai grin
Indigo: Baka! Nicht so wie du denkst. Und im Übrigen sitzt der gerade neben mir, also pass auf was du sagst ; )
Pinguin: mund abschließ aber immer noch nicht aufhören kann zu kichern
Indigo: Na ja, du bist ja auch noch mitten in deiner Pubertät, da will ich dir das mal durchgehen lassen auf dich herab guck
Pinguin: schmoll Ich bin nicht mehr in der Pubertät. Und außerdem bist du grad mal ein paar Zentimeter größer als ich, also spiel dich nicht so auf!
Indigo: grins Punkt für dich.
Pinguin: Sag, guckt dein Freund auch Yami no Matsuei?
Indigo: Nee, leider nicht. Nervt ihn immer ohne Ende wenn ich anfange davon zu schwärmen hehe
Pinguin: Sag ihm, er hat keine Ahnung was er da verpasst.
Indigo: Sag ich ihm schon seit ewigen Zeiten aber er lässt sich nicht umstimmen…
Pinguin: Hat er überhaupt schon mal eine Folge gesehen?
Indigo: Nein, er weigert sich vehement
Pinguin: Weißt du was, du musst ihn einfach auf einen Stuhl fesseln, Stäbchen in die Augen und dann YnM zeigen, alle Folgen hintereinander. Dann wird er seine Meinung schon ändern ; )
Indigo: hm… Nao findet, dass du einen noch größeren Schaden hast als ich grins
Pinguin: Nao? Heißt dein Freund so? Süß… Aber richte ihm aus, dass ich lieber einen Schaden habe als Yami-no-Matsuei-los durchs Leben zu gehen und dass er mir wirklich Leid tut.
Indigo: ihm das ausricht
Indigo: Er sagt, er nimmt es zur Kenntnis ; )
So chatteten die drei noch bis spät in die Nacht weiter, bis Yohji irgendwann herein kam und Nao nach Hause schickte. Immerhin müssten sie am nächsten Tag früh raus und sie sollten das doch bitte am Wochenende machen und nicht während der Schulzeit. Anschließend schickte er Omi ins Bett, welcher sich nur ungern von Nagi verabschiedete. Aber sie versprachen, so bald wie möglich wieder miteinander zu chatten. Und da ja das Wochenende ins Haus stand, würde sie auch niemand unterbrechen, wenn sie bis tief in Nacht redeten.„Omi, ich habe Sie jetzt schon zum dritten Mal aufgefordert aufzupassen. Was ist nur los mit Ihnen?", fragte Crawford ärgerlich, als er sah, wie Omi missmutig auf sein Heft starrte.
„Nichts…" Mit schnellen Schritten war Crawford bei Omi angekommen und zog ihm das Heft unter der Nase weg.
„Hey!", rief Omi empört, während Crawford einen Blick in das Heft warf. Aha, daher wehte der Wind.
„Hören Sie, Omi, es ist ja sehr bedauerlich, dass Sie diese Englisch Klausur so verhauen haben, aber wir haben jetzt hier Mathe und ich würde mich freuen, wenn sie Ihre Aufmerksamkeit nach vorne richten könnten. Danke." Damit gab er Omi sein Heft wieder und ging zurück an die Tafel. Omi warf ihm einen bösen Blick nach und versuchte das leise Kichern seiner Klassenkammeraden zu ignorieren. Scheiß Klausur, scheiß Buch, scheiß Lehrerin. „Noch 4-", na wunderbar. Voll durchgefallen. Es war schon lange her, dass Omi so eine schlechte Note mit nach Hause gebracht hatte. Wenn die anderen das raus bekamen würde es wieder „ein Gespräch" geben.
Nao sah ihn mitleidig an, er wusste wie schlimm das für Omi war, der normalerweise immer gute Noten gewöhnt war. Endlich schellte es und heute war Omi einer der ersten, der die Klasse verließ.
Vom Lehrerzimmerfenster aus sah Crawford hinaus auf den Schulhof und entdeckte Omi, wie er alleine auf einer Bank lag. Er wusste nicht genau warum, aber irgendwie hatte er das Bedürfnis zu ihm zu gehen. So fand er sich also zwei Minuten später neben der Bank und sah auf den Jungen hinunter.
„Du erkältest dich, wenn du hier liegen bleibst", meinte er gelassen. Omi schrak auf. Er hatte die Augen geschlossen gehabt und nicht mitbekommen, dass Crawford zu ihm gekommen war.
„Ist mir egal", meinte er dann mürrisch und setzte sich anständig hin.
„Sollte es aber nicht."
„Ach, was weißt du denn schon…"
„Warum sitzt du hier so alleine in der Kälte und schmollst? Ist es wegen der Klausur?", fragte Crawford und setzte sich neben Omi auf die Bank.
Omi schnaubte verächtlich. Crawford nickte, das hatte er sich gedacht.
„Hast du schon einmal über Nachhilfe nachgedacht?"
„Keine Zeit und keine Lust."
„Ich, an deiner Stelle, würde das nicht so locker nehmen. Es geht schließlich um dein Abitur."
„Aber erst nächstes Jahr."
„Na und? Das ist doch kein Grund jetzt so schlechte Noten zu schreiben und sie einfach so hinzunehmen."
„Was kümmert dich das eigentlich!"
„Ja, das frage ich mich auch manchmal. Aber es kümmert mich halt und damit basta. Wenn du dich nur etwas reinhängst, etwas mehr liest, dann lernst du auch genug Vokabeln um dich vernünftig ausdrücken zu können und dann sind die Klausuren ein Kinderspiel."
„Sagst du…"
„Ja, sage ich. Was glaubst du, wie ich Japanisch gelernt habe?"
Omi stutzte. Er hatte ganz vergessen, dass Crawford nicht von hier war.
Eine Zeit lang saßen sie schweigend nebeneinander und Omi überlegte. Eigentlich hatte Crawford ja Recht. Und immerhin war er ja Amerikaner. Vielleicht konnte er ja…
„Weißt du, wo ich nen guten Nachhilfelehrer herkriege?", fragte Omi und sah Crawford forschend an.
„Sicher…"
„Und? Was meinst du, würde der mir helfen?"
„Ich denke schon. Wenn du ihn ganz lieb bittest…" Ein leises, leicht fies angehauchtes Grinsen legte sich auf sein Gesicht.
„Das würdest du echt für mich tun?"
„Ja. Aber ich sage dir gleich, ich dulde keine Faulheit!"
„Klar!", rief Omi freudig. „Wann können wir anfangen?"
„Meinetwegen gleich morgen."
„Gerne… soll ich dann zu dir kommen? Oder gehen wir irgendwo anders hin?"
„Komm zu uns, da haben wir mehr Ruhe. Aber wir haben morgen früh einen Auftrag, ich weiß nicht wie lange das dauert. Ich rufe dich an, wenn wir fertig sind."
Es war kurz nach 12 Uhr mittags am Samstag und Omi lag im Schlafanzug auf seinem Bett, ein Buch vor der Nase, als plötzlich das Telefon klingelte. Ah, das würde Crawford sein. Er beeilte sich dran zu gehen, bevor Yohji ihm wieder zuvor kam. Aber am anderen Ende war nicht Crawford.
„Hallo Kätzchen!"
„Eh?"
„Ich bin's, Schu. Sag nicht, du hast mich schon wieder vergessen, dann bin ich aber gekränkt!"
„Schu? Wieso rufst du hier an?"
„Ach, unser allseits geliebter Anführer muss Auto fahren und kann leider nicht telefonieren. Also hat man mich zum Telefonfräulein abkommandiert. Ich soll dir sagen, dass wir gerade auf dem Rückweg sind und dass wir dich abholen kommen. Und wenn du nicht willst, dass wir bei dir klingeln, dann solltest du in spätestens 10 Minuten an der Kreuzung stehen."
„Was? In zehn Minuten schon?"
„Ja, also beeil dich besser ein bisschen. Wir warten nämlich nicht ewig."
„Ah, ok danke… ich bin gleich da…"
„So ist brav. Bussi!" Damit legte Schuldig auf. Na jetzt aber schnell. In Windeseile zog Omi sich an, packte seine Federmappe und einen Block ein und rannte nach unten in die Küche.
„Oi, Yohji! Ich muss ganz schnell weg. Ich ruf nachher an, ja?"
„Wo willst du denn hin?"
„Erzähl ich dir später, hab's etwas eilig. Bis heute Abend!" Damit war er auch schon zur Tür hinaus. Yohji grinste. Na das sah doch sehr viel versprechend aus. Das mit diesem mysteriösen Anrufer schien ja doch etwas Ernstes zu sein…
„Hi, Kleiner", grüßte Schuldig fröhlich, als Omi die Tür von Crawfords schwarzem BMW öffnete.
„Tut mir Leid für dich, aber heute ist hinten sitzen angesagt, wie es sich für Kinder in deinem Alter gehört." So musste Omi sich neben Nagi und Farfarello auf die Rückbank quetschen – nicht dass er das nicht von Ran gewöhnt war.
„Ich sage dir gleich, dass es nur eine Ausnahme ist, dass ich dich abhole. Nur weil's zufällig auf unserem Weg liegt, verstanden? Also gewöhn dich nicht zu sehr daran!"
„Schon klar. Aber trotzdem danke für's mitnehmen."
„Klar kann ich das Radio anmachen, Omilein", meinte Schuldig plötzlich. Hä? Er hatte doch gar nichts gesagt, woher wusste er… Ach ja, genau. Die Sache mit der Telepathie… Die Vorstellung, dass Schuldig einfach so seine Gedanken lesen konnte, behagte Omi gar nicht. Es gab da einige Dinge, die er lieber geheim halten wollte. /Keine Angst, ich plapper schon nichts aus. Ich mach das nur zu meinem eigenen Vergnügen. Und ich kann verstehen, dass es dir hier zu still ist, geht mir auch immer so. Brad und die anderen sind halt ziemliche Langweiler/. Er wollte nach dem Radioknopf greifen, aber Crawford schlug ihm auf die Hand.
„Finger weg, du fasst hier nichts an!", knurrte er.
„Bla bla bla!", murrte Schuldig und streckte ihm die Zunge raus.
„Benimm dich, oder du läufst!" Schuldig schwieg beleidigt.
„Komm mit, wir gehen in mein Büro!"
„Viel Spaß Kleiner", grinste Schuldig schadenfroh, als er Omis verunsicherten Gesichtsausdruck sah. Der Junge fühlte sich gar nicht wohl im Moment. Irgendwie machte ihn die ganze Sache jetzt doch nervös. Was, wenn er sich zu dämlich anstellte? Was, wenn er einfach zu blöd war und gar nichts lernte? Crawford würde sehr böse werden und Omi wollte ihn wirklich nicht enttäuschen. Ach was, man konnte alles lernen, er musste sich nur Mühe geben. Bitte mach, dass er mich nicht gleich als Hoffnungslosen Fall aufgibt, flehte er.
„Also gut, fing Crawford sofort an, nachdem sie sich an seinen Schreibtisch gesetzt hatten, was liest du so?"
„Äh… weiß nicht, alles Mögliche…"
„Schon mal was von Stephen Fry gelesen?" Omi schüttelte den Kopf. Crawford verzog keine Miene. Stattdessen stand er auf, ging zu einem der Schränke und öffnete ihn. Er war voll gestopft mit Büchern. Crawford fuhr mit dem Finger einen kurzen Moment die Buchrücken entlang, bis er gefunden hatte was er suchte. Er zog ein ziemlich dickes Buch hervor und legte es vor Omi hin, bevor er sich wieder setzte.
„Na, worauf wartest du noch? Fang an! Wenn du etwas nicht verstehst, dann frag!" Damit holte Crawford einen Stapel Hefte aus seinem Aktenkoffer und fing in aller Ruhe an, Klausuren einer zwölften Klasse zu korrigieren. Omi sah Crawford mit großen Augen an. Der erwartete doch nicht allen ernstes von ihm, dass er diesen Schinken lesen würde! Aber als Crawford nicht aufsah und auch nichts weiter sagte, zuckte er mit den Schultern, schlug endlich das Buch auf der ersten Seite auf und fing an zu lesen.
Etwa eine Dreiviertelstunde später sah Crawford von seiner Arbeit auf. Omi hatte den Kopf auf seine linke Hand gestützt. Er konnte sich ein leises Grinsen nicht verkneifen, als er sah, wie Omi mit der anderen Hand mit einer kleinen, blonden Strähne spielte. Es war einfach zu süß – Nagi machte das auch immer mit seinen Haaren, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Omi war so vertieft, dass er zuerst gar nicht bemerkte, dass Crawford ihn aufmerksam studierte. Aber dann blickte er doch auf und nahm schnell die Hand runter.
„Wie weit bist du?", fragte Crawford.
„Ich habe das erste Kapitel fast durch – er blätterte ein bisschen – noch zwei Seiten", antwortete er.
„Gut, dann lies das noch zu Ende!"
Nachdem Omi zu Ende gelesen hatte, forderte Crawford ihn auf zu erzählen, was in dem Kapitel passiert war. Omi bekam von ihm einen ziemlichen Anschiss, weil er einige Teile überhaupt nicht verstanden, aber dennoch nicht gefragt hatte. Omi verteidigte sich, dass er Crawford nicht hatte stören wollen, aber der erwiderte nur, dass er Omi ja wohl kaum hergeholt hätte, wenn er in Ruhe Klausuren hätte berichtigen wollen. Wenn Omi Fragen hatte, sollte er sie gefälligst auch stellen. Omi grummelte ein bisschen, aber er sah ein, dass Crawford Recht hatte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Crawford mit Omis Zusammenfassung zufrieden war. Immer wieder stellte er neue Fragen die selbst dann schwer zu beantworten gewesen wären, wenn Omi nicht auf Englisch hätte antworten müssen. Anfangs war er sich komisch vorgekommen, mit Crawford Englisch zu reden, vor allem, wenn er Crawfords perfekte Aussprache mit seiner eigenen verglich. Aber auch das verging mit der Zeit.
Gegen 4 Uhr beschloss Crawford, dass sie eine Pause machen könnten und ging mit Omi zusammen in die Küche um Tee zu kochen. Er gab Omi auch eine Tüte Chips, die er Schuldig am Abend zuvor abgenommen hatte – der hatte damit extra laut im Hintergrund geknistert, während Crawford telefonierte und irgendwann war Crawford der Kragen geplatzt und er hatte sie ihm weggenommen. Als Schuldig einige Zeit später ins Wohnzimmer kam, in dem sich die beiden nieder gelassen hatten, und sah, dass sie seine Chips aßen, fing er an zu zetern und zu schimpfen, wie ungerecht und grausam das von Crawford doch sei. Als Crawford sich davon nicht beeindruckt zeigte, warf er seinem Boss einen vernichtenden Blick zu, nahm sich eine große Hand voll und zog beleidigt wieder von dannen, ohne einen Blick in die Fernsehzeitung zu werfen, weshalb er in erster Linie eigentlich gekommen war. Omi konnte nur den Kopf darüber schütteln, wie kindisch sich der Deutsche benahm. Omi hatte inzwischen auch sein letztes Bisschen Angst vor ihm verloren. Selbst Farfarello war, seit Omi ihn etwas näher kannte, nur noch halb so gruselig wie zuvor. Er hatte, seit ihrer ersten Begegnung in Crawfords Wagen, nie wieder versucht, Omi etwas anzutun oder ihn irgendwie zu verängstigen. Inzwischen zweifelte Omi sogar daran, dass der Ire ihm damals im Wagen überhaupt etwas hatte tun wollen, vermutlich war er nur neugierig gewesen.
Mittlerweile wurde es draußen langsam dunkel, aber die beiden kümmerten sich nicht darum. Sie waren –wie konnte es anders sein – in ein Gespräch über Mathematik vertieft. Je länger Omi Crawford zuhörte, desto überzeugter wurde er von seinem Plan, später ebenfalls Mathematik zu studieren. Was Crawford da so erzählte gefiel ihn sehr, vor allem, weil er sich ein Mathematik Studium ganz anders vorgestellt hatte. Das würde er heute Abend sofort den anderen erzählen müssen. Die drängten ihn nämlich schon seit langem, sich endlich konkrete Gedanken über seine Zukunft zu machen.
„Es wird schon dunkel, wo bleibt Omi nur?" Ken suchte die Straße immer wieder vergebens mit den Augen ab.
„Jetzt hör endlich auf, er wird schon noch kommen. Lass ihm doch seinen Spaß!", meinte Yohji grinsend und begann, mit einem eleganten Hüftschwung, den Boden im Laden zu wischen.
„Er hat nicht einmal angerufen, dass er später kommt." Yohji rollte mit den Augen. Da bemerkte Ken plötzlich eine Gestalt vor dem Laden und riss sofort die Tür auf. Aber herein kam nicht Omi, sondern Nao. Kens Mundwinkel sanken herab, noch bevor er Gelegenheit hatte, seine Enttäuschung zu verbergen. Nao sah ihn schief an. Er kam wohl ungelegen.
„Hallo… Ich wollte nicht lange stören, ist Omi da?"
„Nein, der hat ein Date", meinte Yohji unvermittelt und ohne von seiner Arbeit aufzusehen. So bemerkte er Naos, vor Erstaunen weit aufgerissene, Augen nicht. Aber Ken tat es und er hob schnell abwehrend die Hände.
„Hör nicht auf ihn, er erzählt Blödsinn! Omi ist nur bei einem Freund", erklärte er, wobei er heftig mit den Armen gestikulierte.
„So, ist er… bei wem denn?" Omi verabredete sich nie mit jemandem anderen als ihm. Hatte Omi etwa einen neuen Freund, von dem er nichts wusste? Vielleicht dieser Junge, mit dem sie neulich gechattet hatten? Ohne dass er es verhindern konnte, spürte Nao einen Stich Eifersucht.
„Ich habe keine Ahnung. Er hat nur gesagt, dass er anrufen würde und ist verschwunden. Er schien es sehr eilig zu haben", meinte Ken und sah Nao durchdringend an. „Wir dachten, du hättest vielleicht eine Idee…", fügte er hinzu. Aber Nao schüttelte den Kopf.
„Vielleicht muss er unserem Mathelehrer nur wieder die Stadt zeigen", meinte er mürrisch. Ken sah ihn verwirrt an und auch Yohji blickte auf.
„Wieso? Was ist denn mit Herrn Sato?"
„Nicht ihm, der ist doch krank. Wir haben einen neuen Lehrer, hat Omi das nicht erzählt? Er heißt Cr…"
Der Rest des Satzes ging im Klingeln des Telefons unter. Schnell nahm Ken den Hörer ab.
„Omi?... Wo bist du, verdammt! Wir machen uns Sorgen, du wolltest doch anrufen!... Ja, aber guck doch mal bitte auf die Uhr!… Was?... Ja…Nein, Nao ist hier… Ja, ist gut. Aber mach nicht mehr so lange, hörst du? Es gibt bald Essen… Gut, bis nachher."
„Und? Wo ist er?", wollte Nao wissen und sah Ken ungeduldig an. „Nun… er hat gemeint er sei bei irgendeinem… Pinguin? Er meinte, du wüsstest wer das ist?", antwortete Ken zögernd und sah Nao Stirn runzelnd an. Pinguin? Also doch der Typ vom chatten, dachte Nao. Na ja, wenigstens kein völlig unbekannter.
„Ähm, ja, ich war mal dabei, als Omi mit ihm gechattet hat. Ganz nett eigentlich…"
„Ah, ein online Freund also… interessant", meinte Yohji.
„Pinguin?", fragte Crawford und zog eine Augenbraue hoch.
„Na ja, irgendwas musste ich ihnen doch erzählen."
„Und du fandest das eine glaubwürdige Ausrede?" Sollte er Crawford erzählen, dass das Nagis Nick war? Er schien es ja nicht zu wissen und das hatte sicherlich seinen Grund…
„Nun, ich chatte mit jemandem, der sich Pinguin nennt. Da werden sie keinen Verdacht schöpfen."
„Also gut… Wo waren wir stehen geblieben?"
„Du wolltest mir erklären, warum ich da immer noch zwei Variablen habe, obwohl es laut Plan eigentlich nur noch eine sein sollte. Was hab ich denn jetzt wieder falsch gemacht?"
„Der Fehler sitzt in dieser Rechnung hier, wenn du genau hinguckst, findest du ihn selber".
Eine Stunde später betrat Omi das Wohnzimmer von Weiss. Ken stand mitten im Raum und drehte sich unaufhörlich im Kreis, während Yohji vor ihm hockte und ihn mit kritischem Blick musterte. Neben ihm lagen bergeweise Klamotten. Er hatte dem armen Ken ganz offensichtlich ein paar Sachen geliehen, darunter einige seiner freizügigsten. Was die wohl vor hatten? Ran saß in der Ecke in seinem Sessel und beobachtete die beiden missmutig.
„Komm schon Ken, du stehst da wie eine Ölgötze, zeig doch mal ein wenig Enthusiasmus!", murrte Yohji während er den Braunhaarigen so schwungvoll umdrehte, dass dieser beinahe gestürzt wäre.
„Nein, das sitzt hier gar nicht. Probier das mal an!" Er wühlte in einem der Wäscheberge herum und zog einen Stofffetzen hervor, der wohl ein Oberteil darstellen sollte. Das drückte er Ken in die Hand, welcher es auch sogleich gehorsam anzog. Das schien Yohji gleich viel besser zu gefallen. Und Omi musste zugeben, dass Ken damit wirklich sexy aussah.
„Darf ich fragen, was ihr vorhabt?"
„Oi, Omi, da bist du ja wieder. Ich hab dich gar nicht gehört", meinte Yohji und zuppelte an Kens Oberteil herum.
„Ken und ich haben gewettet und er hat verloren. Darum muss er jetzt zur Strafe mit mir ausgehen", erklärte er weiter.
„Yohji! Das kann man jetzt voll falsch verstehen!", meinte Ken und errötete.
„Woher weißt du, dass ich es nicht so gemeint habe?", fragte Yohji grinsend und gab dem Fußballer einen Klaps auf sein, spärlich mit einer zerrissenen Jeans bedecktes, Hinterteil, woraufhin Kens Gesicht noch eine Spur röter wurde.
„So, und jetzt zu dir Romeo, wo warst du? Wer ist dieser ominöse ‚Pinguin'?"
„Äh… da… ja…" Er merkte wie ihn drei Augenpaare gespannt anstarrten.
„Das ist nicht so wie ihr denkt!", rief er. Zwei der drei Gesichter fingen an zu grinsen und auch auf dem dritten glaubte Omi den leichtesten Anflug eines Lächelns sehen zu können.
„Jetzt komm schon!", drängte Yohji. „Nicht so schüchtern!"
„Er gibt mir nur Nachhilfe, kapiert? Nichts weiter!"
„Ah, Nachhilfe… in was?"
„YOHJI!"
„Aber wenn du's unbedingt wissen willst – in Englisch", fügte er hinzu.
„Und warum kommt er nicht mal her zum lernen? Wir würden ihn gerne mal kennen lernen…"
„Das, äh… geht nicht. Er hat… Hausarrest"
„Soso, Hausarrest..."
„Ja… seid ihr jetzt zufrieden?"
„Noch lange nicht, Chibi", meinte Ken fröhlich.
„Pech, ich sage nämlich nichts mehr", meinte Omi maulig und ging in die Küche, um sich etwas zu Essen zu holen.
„Och komm schon, sei nicht bockig!", rief Yohji ihm hinterher, aber Omi ignorierte ihn.
„Ihr habt mir ja fast gar nichts mehr übrig gelassen", rief er empört, als er in die fast restlos leeren Töpfe sah.
„Ich habe dir gesagt, dass wir gleich essen. Wenn du nicht kommst ist das nicht unser Problem… Man, Yohji, hör auf so an mir rumzuzerren!"
Nachdem er die letzten Reste zusammen gekratzt hatte, begab Omi sich wieder ins Wohnzimmer und breitete die Sachen auf dem Tisch aus.
„Wehe du machst mir Flecken auf meine Klamotten, dann gibt's Ärger, mein Freund!", warnte Yohji und brachte schnell einige Sachen in Sicherheit.
„Und pass auf's Sofa auf!", bemerkte Ran aus der Ecke. Omi rollte nur mit den Augen.
„So, darf ich fragen, warum ihr euch hier unten im Wohnzimmer umziehen müsst?", fragte Omi, nachdem er den beiden eine Weile schweigend zugesehen hatte.
„Auch Teil der Wette. Ran hat ebenfalls verloren. War schon immer mein Traum, mich hier unten mal ungestraft mit all meinen Sachen ausbreiten zu können", erklärte Yohji und warf Ran einen triumphierenden Blick zu, welcher ihn im Gegenzug mit einem deathglare à la Fujimiya bedachte.
„Was für eine Wette ist das?", fragte Omi misstrauisch.
„Top Secret. Aber glaub mir, du willst es gar nicht wissen." Na toll, dann konnte er sich ja ungefähr denken, worum es ging.
„Ihr seid unmöglich, wisst ihr das!", meinte er böse. Yohji lachte nur.
„Ok, Ken, du bist fertig. Jetzt lass uns losgehen und einen One-Night-Stand für dich finden." Er zwinkerte dem Fußballer viel sagend zu, welcher ihn dafür aber nur leicht in die Seite boxte.
„Yohji! Gibt es eigentlich einen Moment in deinem Leben, an dem du nicht an Sex denkst!", fragte Omi und sah Yohji vorwurfsvoll an.
„Hm, lass mich nachdenken…" Yohji setzte ein gespielt nachdenkliches Gesicht auf. „Nein, ich glaube nicht", entschied er dann und wuschelte ihrem Jüngsten zum Abschied noch einmal über den Kopf. Dann schnappte er sich Ken, der in Yohjis Stiefeln kaum laufen konnte, und verschwand mit ihm durch die Wohnungstür. Zurück blieben Ran, Omi und ein ganzes Wohnzimmer voller Klamotten. Das würde der Playboy auf jeden Fall noch wegräumen, bevor er ins Bett ging, dachte Ran grimmig. Er stand gleich auf um Yohji eine entsprechende Nachricht zu schreiben. Hoffentlich war der Kerl überhaupt noch in der Lage zu lesen, wenn er wiederkam. Er legte den Zettel gut sichtbar auf die Treppe, so das Yohji ihn auch auf jeden Fall sehen würde. Er hatte sogar extra groß geschrieben. Anschließend ging er hinauf in sein Zimmer und holte sich ein Buch. Mit einer Tasse Tee neben sich, setzte er sich wieder in seinen Sessel und sprach den Rest des Abends kein Wort mehr.
Omi hatte derweil Lust bekommen, mal wieder ein Puzzle zu machen. Früher hatte er sehr viel gepuzzled, aber in den letzten Jahren hatte er immer weniger Zeit dafür gefunden. Also rannte er hinunter in den Keller, suchte sich ein DBZ Puzzle raus und ging wieder nach Oben ins Wohnzimmer. Dort schüttete er alle Teile auf den Boden und fing an. Ran nahm das Ganze ohne jeglichen Kommentar zur Kenntnis.
Der Abend verlief sehr harmonisch und Omi hatte gerade sein drittes Puzzle angefangen, als das Telefon klingelte. Ob das wieder Crawford war? Was konnte er diesmal wollen? Zum Glück machte Ran keinerlei Anstalten abzuheben, also brauchte Omi sich nicht all zu sehr zu beeilen.
„Tsukiyono, Omi, hallo?"
„Omi? Ich bin's, Nagi."
„Na… ich meine, was gibt's?"
„Ich muss dir unbedingt was zeigen, kannst du schnell online kommen?"
„Ist was passiert?", fragte Omi beunruhigt. Ran zeigte zwar keinerlei Reaktion, aber Omi wusste, dass er genau zuhörte.
„Nein, nein, es geht um ein Spiel, dass ich gefunden habe. Aber alleine macht das keinen Spaß und ich dachte wir könnten es vielleicht zusammen spielen…"
„Sicher… ich komme gleich hoch, ich muss hier nur noch eben aufräumen."
„Das wäre cool. Also dann, bis gleich."
„Ja, bis gleich." Damit legte Omi auf und beeilte sich, die Puzzleteile wieder einzuräumen.
„Ich gehe hoch an den PC, was spielen", teilte er Ran mit bevor er verschwand. Er hatte es so eilig nach Oben zu kommen, dass er beinahe auf Rans Zettel ausgerutscht wäre.
Bis in die frühen Morgenstunden spielte er mit Nagi und es hatte den Anschein, als hätten die beiden eine neue Lieblingsbeschäftigung gefunden. Plötzlich hörte Omi einen lauten Rums auf der Treppe und dann mehr oder weniger unterdrücktes Fluchen. Er steckte den Kopf aus der Tür um nachzusehen, was los war und fand Yohji, der am Ende der Treppe auf dem Rücken lag, während Ken, leicht schwankend, versuchte, ihm wieder auf zu helfen, und dabei ununterbrochen dämlich kicherte. Wie gut, dass Ran den Zettel ganz unten hingelegt hatte. In dem Zustand hätte Yohji sich ernsthaft verletzen können, wenn er die ganze Treppe hinunter gefallen wäre.
„Soll ich euch helfen?", fragte er so leise es ging.
„Omi? Wwas machst du d…denn noch auf, Süße?", lallte Yohji und Ken kicherte. Omi ignorierte die Bemerkung.
„Warum macht ihr denn kein Licht an?"
„Argh", stöhnte Yohji und schlug die Arme über die Augen. „Mach's wieder aus!"
„Nein, sonst tut ihr euch noch weh. Wartet, ich helfe euch…" schnell lief er die Treppe hinunter, wobei er am Ende über Yohji hinüber steigen musste. Dummerweise gefiel Yohji das gar nicht und er fing an so wild mit den Beinen zu strampeln, dass Omi das Gleichgewicht verlor und mit voller Wucht auf ihn drauf fiel. Ken konnte sich kaum noch halten vor Lachen und Omi wusste, dass es nur noch Sekunden dauern würde, bis ein wutentbrannter, weil aus dem Schlaf gerissener, Ran oben an der Treppe erscheinen und sie zusammen scheißen würde. Nachdem er eine Weile regungslos gelegen und gewartet hatte, ohne dass etwas passierte, entschied er sich doch, aufzustehen. Aber leider ohne Erfolg. Yohji hatte nämlich inzwischen seine Arme um ihn geschlungen und hielt ihn fest umklammert.
„Yohji, lass los, bitte… wir können hier nicht liegen bleiben… Komm schon, lass mich los!" Mit aller Kraft versuchte er, sich aus Yohjis Griff zu befreien, aber er schaffte es nicht. „Ken, jetzt hilf mir doch mal!", fauchte er den Fußballer an, aber statt ihm zu helfen setzte dieser sich lieber auf die Treppe und sah die beiden mit seinem dämlichsten Grinsen an. Ok, jetzt hatte Omi nur noch eine Möglichkeit, er würde nach Ran rufen müssen. Aber der würde sauer sein, sehr sauer.
„Ken, jetzt hör auf so blöd zu glotzen und hilf mir lieber!", schimpfte er, als Ken nach mehreren Minuten immer noch regungslos da saß und sie anstarrte.
„Geh noch nicht!", murmelte Yohji und umklammerte Omi noch fester. Mein Gott, er war ein Killer verdammt noch mal, da würde er sich ja wohl aus der Umarmung eines Besoffenen winden können, dachte Omi verzweifelt. Aber wie sollte er das anstellen, ohne seinem Freund weh zu tun? Wieder versuchte er, von Yohji loszukommen, trat dabei jedoch aus Versehen gegen Kens Schienbein. Woraufhin dieser, sehr viel lauter als nötig, aufschrie.
„Man! Pass doch…"
„Was zum Donnerwetter ist hier los!" Oben an der Treppe stand Ran in seinem Pyjama und war, wie Omi es vermutet hatte, stink sauer.
„Kannst du mir bitte helfen? Er lässt mich nicht los!", jammerte Omi und wand sich in Yohjis Umklammerung, um zu verdeutlichen, was er meinte.
„Kudou, lass ihn los! Sofort!", befahl Ran aber Yohji gab nur ein unverständliches Nuscheln von sich. Also musste er Wohl oder Übel selber runter kommen und Omi befreien, indem er Yohji einen ordentlichen Tritt in die Seite versetzte. Schnell sprang Omi auf und trat ein paar Schritte zurück.
„Steh auf, Kudou!", befahl Ran ungeduldig und zog den Playboy ziemlich unsanft in die Höhe. Anschließend schubste er ihn ebenso wenig sanft die Treppe hinauf und Omi und Ken folgten. Ken hatte seinen Schmerz im Bein inzwischen überwunden und fing stattdessen wieder an zu kichern.
Oben angekommen brachten Ran und Omi die beiden anderen in ihre Zimmer, zogen ihnen noch die Schuhe aus und legten sie dann aufs Bett. Na die beiden würden morgen was zu hören bekommen. Ran würde für mindestens eine Woche ein Ausgehverbot verhängen – und dann hatten sie noch Glück gehabt. Ken würde das nicht ganz so schwer nehmen, aber Yohji würde es das Herz brechen. Auch Omi sah schwere Zeiten auf sich zukommen, denn ein mürrischer Yohji der mehr als zwei Tage in Folge nicht weg gehen durfte, konnte unerträglich sein. Sie hatten das ganze schon einmal durchgemacht, als Yohji eine besonders wilde Nacht hinter sich hatte und Weiss am nächsten Morgen plötzlich im ganzen Haus fremde Frauen vorgefunden hatten. Damals hatte Ran nach zehn Tagen Ausgehverbot aufgegeben und Yohji den Rest der Strafe erlassen.
Normalerweise hatte Ran nichts dagegen, wenn Yohji sich besoff. Er fand es nicht klasse, aber er tolerierte es, jedenfalls solange er einen gewissen Punkt nicht überschritt. Und den hatte er heute Nacht überschritten. Aber, darum würden sie sich morgen Nachmittag kümmern, wenn die beiden wieder wach waren. Jetzt musste Omi erst einmal wieder zurück an seinen PC, Nagi wartete schließlich auf ihn. Er hatte ihm gesagt, dass es nur ein paar Minuten dauern würde, und jetzt waren fast 20 Minuten vergangen.
Aber Nagi zeigte Verständnis. Er meinte, er hätte das mit Schuldig auch schon das eine oder andere Mal durchmachen müssen.
