Das Nachsitzen am Montag war doch gar nicht so schlimm, wie Omi erwartet hatte, zumal nicht Crawford, sondern ein anderer Lehrer die Aufsicht hatte. Zusammen mit den zwei Jungen, die die letzte Stunde geschwänzt hatten und dafür jetzt jeden Tag, bis zu den Ferien kommen durften, musste Omi ein paar Aufgaben rechnen und einen Vortrag vorbereiten. Das war zwar eine vergleichsweise einfache Aufgabe, aber Omi war doch froh, als es endlich schellte. Er hatte weiß Gott besseres zu tun. Gerade wollte er aufstehen, als die Tür geöffnet wurde und der Direktor höchstpersönlich im Türrahmen erschien. Der Lehrer, der die Aufsicht geführt hatte, stand sofort auf, weil er glaubte, der Direktor wollte etwas mit ihm besprechen, aber deshalb war der Direktor nicht gekommen.
„Entschuldigung, Tsukiyono Omi?", fragte er mit ausdrucksloser Miene und sah sich suchend in der Klasse um.
„Ja, ich, hier", sagte Omi und hob leicht die Hand. Der Direktor musterte ihn eine Weile nachdenklich, dann nickte er.
„Gut, man hat mir gesagt, dass ich Sie hier finde. Kommen Sie bitte einmal mit?"
„Sicher…" Schnell nahm Omi seine Tasche und stand auf. Was konnte der Direktor nur von ihm wollen? Es musste ja ziemlich wichtig sein, wenn er ihn jetzt noch holen kam. Hatte das keine Zeit bis morgen? Eigentlich wollte Omi nur so schnell wie möglich nach Hause, sein Magen knurrte wie verrückt. Hoffentlich dauerte das nicht zu lange…
Omi hatte erwartet, dass sie auf dem Flur bleiben würden, aber dem war nicht so. Während der Direktor voraus in Richtung seines Büros ging, begann Omi langsam, sich ernsthaft Gedanken zu machen. Was auch immer es zu bereden gab, es war wichtig genug, so dass man es nicht auf dem Flur besprechen konnte. Ob irgendetwas mit seinen Freunden passiert war? Vielleicht hatte es einen Unfall gegeben? Omi wollte gar nicht daran denken. Aber sein Unbehagen wuchs mit jedem Schritt.
Endlich hatten sie das Büro erreicht und der Direktor bat ihn Platz zu nehmen. Beinahe zitternd vor Nervosität ließ Omi sich auf den angebotenen Stuhl sinken und blickte den Direktor unruhig an. Er versuchte, in dessen Gesicht zu lesen, aber ohne viel Erfolg.
„Nun, Omi – ich darf Sie doch Omi nennen?" Omi nickte.
„Also, weshalb ich Sie sprechen wollte…"
„Ist etwas mit Ran oder den anderen passiert?", unterbrach Omi schnell, bevor er es nicht mehr aushielt. Er kannte den Direktor, wenn man keine präzisen Fragen stellte, schwafelte er stundenlang und man bekam dennoch keine konkrete Antwort. Aber der Direktor nahm ihm den Unterbrecher nicht übel. Dennoch legte sich seine Stirn in Falten. Beinahe mitleidig sah er Omi an.
„Stimmt, du lebst mit diesen drei jungen Männern zusammen, nicht wahr? Keine Sorge, ihnen ist nichts passiert, darum geht es nicht… nicht direkt". Erleichtert atmete Omi aus. Aber was konnte es dann sein? Und warum dieser besorgte Gesichtsausdruck?
„Worum geht es dann?"
„Dazu komme ich gleich. Erzählen Sie mir doch erst einmal, wie es ihnen geht. Keine Probleme mit der Schule? Oder… zu Hause?" Der lauernde Blick entging Omi keineswegs.
„Mir geht es gut, danke der Nachfrage. In der Schule ist alles gut und auch zu Hause ist alles in bester Ordnung."
„Ah, schön, schön. Ist sicher ganz nett, so unter Männern, nicht wahr? Da haben Sie sicher einige Freiheiten die ihre Mitschüler nicht haben, in so einer WG, nicht wahr?" Worauf zum Teufel wollte der hinaus?
„Ich weiß nicht genau, was sie damit meinen, ehrlich gesagt. Bei uns zu Hause ist es wie überall auch und ich versichere Ihnen, dass Ran mich nicht verwahrlosen lässt, wenn sie das meinen. Im Gegenteil, er ist immer sehr besorgt und kümmert sich sehr fürsorglich um mich. Nur weil wir eine… Männer WG sind, heißt das nicht, dass wir total unordentlich wären oder so, wenn sie das meinen…"
„Oh, keineswegs, keineswegs", der Direktor hob sofort beschwichtigend die Hände, „Ich meine nur, dass Ihnen vielleicht manchmal eine Art… Elternfigur fehlt… so unter gleichaltrigen, könnte ich mir vorstellen, was sagen Sie?" Omis Augen verengten sich. Wollte der Kerl etwa andeuten, die drei seien schlechte Eltern? Das ging definitiv zu weit!
„Ich bin ohne Eltern aufgewachsen, wie Sie wohl wissen. Ran und die anderen sind vielleicht nicht meine Eltern aber sie sind wunderbare Menschen und ich glaube es gibt nicht wenige Kinder, die mich um die drei beneiden würden. Ich kann mit ihnen über alles reden, sie kümmern sich vorbildlich und ich hatte noch NIE das Bedürfnis nach einer „Elternfigur", wie Sie es nennen!"
Der Direktor merkte, dass er Omi mit seinem Kommentar zu nahe getreten war und er begann sofort, sich überschwänglich zu entschuldigen. Er habe nie die Absicht gehabt, Omis Freunde zu kritisieren oder gar ihre Bemühungen bezüglich Omis Erziehung in Zweifel zu ziehen.
„Also wenn es das war, weshalb Sie mit mir sprechen wollten…", begann Omi, der wirklich langsam die Nase voll hatte.
„Nein, nein, das war nicht der Grund. Eigentlich ging es mir noch um etwas anderes. Nun… Sie sind sehr gut in Mathe, nicht wahr? Hervorragende Noten und Sie beschäftigen sich auch privat damit, habe ich gehört, richtig?" Omi nickte misstrauisch. Was hatte das jetzt damit zu tun?
„Und stimmt es, dass Sie sich gelegentlich mit Mr.Crawford zur Nachhilfe treffen?"
„Nicht zur Nachhilfe. Er rechnet mit mir Aufgaben neben dem Schulstoff. Es macht mir Spaß und er kann immer kontrollieren, ob ich richtig gerechnet habe. Früher musste ich das immer alleine machen, das ist schwer."
„Ah, verstehe… aber in Englisch gibt er Ihnen Nachhilfe, oder nicht?"
„Ja, er ist ja, wie sie sicher wissen, Amerikaner und ich habe schon immer meine Probleme mit Englisch gehabt. Aber dank ihm bin ich inzwischen schon viel besser geworden, fragen Sie Frau Sakai!"
„Ja, ich glaube Ihnen das gerne. Und… stimmt es auch, dass sie sich von früher kennen?" Woher wusste er das? Und warum wollte er das überhaupt wissen?
„Nun ja… ich weiß nicht genau, worauf sie hinaus wollen, aber ja, wir kennen uns schon einige Jahre".
„Nun ich denke, Sie können sich inzwischen denken, worauf ich hinaus will. Ich rede natürlich von den Gerüchten, die hier an der Schule kursieren". Omi blickte ihn nur verständnislos an. Für Gerüchte hatte er nie viel übrig gehabt und ihm war auch nichts ihn betreffendes zu Ohren gekommen.
„Nein, tut mir Leid, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Was für Gerüchte meinen Sie?"
„Nun, einige Leute denken, dass Mr.Crawford und Sie für einen Lehrer und einen Schüler ungewöhnlich viel Zeit miteinander verbringen… wenn Sie verstehen was ich meine", erklärte der Direktor und vermied es, Omi direkt anzusehen.
Im ersten Moment war Omi total geplättet. Die Idee war ihm nie gekommen, dass die Leute so etwas denken würden. Überhaupt hätte er nicht gedacht, dass sie es überhaupt mitbekamen. Aber, wenn man es sich länger durch den Kopf gehen ließ, hätte Omi von selbst dran denken können. Da reichte ein falscher Blick, ein falsches Wort um das Interesse zu wecken und dann dauerte es nicht mehr lange, bis die Leute anfingen, sich ihre Gedanken zu machen und das erste Gerücht in die Welt gesetzt wurde.
Und jetzt verstand Omi auch, was diese Anspielungen vorhin auf seine Männer WG und die „Elternfigur" zu bedeuten hatten.
„Ja, ich verstehe was sie meinen. Und jetzt haben Sie Angst, dass an den Gerüchten etwas dran ist". Der Direktor zuckte nur schwerfällig mit den Schultern, als wolle er Omi weismachen, dass er den Gerüchten keinerlei Glauben schenkte und es nur noch mal aus Omis Mund hören wollte, aber Omi wusste genau dass er innerlich sehr viel auf diese Gerüchte gab. Andernfalls hätte er ihn ja wohl auch nicht extra zu sich ins Büro bestellt und so eine lange Vorrede gehalten.
„Wirklich, wir machen nur Mathe und Englisch zusammen und das auch nur, weil wir uns, wie schon gesagt, von früher her, als er noch kein Lehrer war, kennen. Nicht mehr und nicht weniger".
„Ja, das habe ich mir auch schon gedacht und Mr.Crawford hat das ebenfalls gesagt. Ich glaube Ihnen, Omi. Jetzt gilt es nur, die anderen davon zu überzeugen", meinte er mit einem tiefen Seufzer.
„Wieso? Entschuldigen Sie, aber es ist, wie Sie selber sagten, nur ein Gerücht. Das ist in ein paar Tagen wieder vergangen".
„Nun, das sehe ich leider anders. Dieses Gerede hält sich hartnäckig schon seit einer geraumen Weile. Ich habe auch, wie Sie, zuerst gehofft, wir könnten einfach abwarten und es aussitzen, aber inzwischen haben sich bereits zwei Eltern gemeldet, die wissen wollten, ob etwas an der Geschichte dran sei. Und Sie sind ein intelligenter, junger Mann, sie wissen wie schlecht sich so etwas auf den Ruf der Schule auswirken kann. Immerhin sprechen wir hier von einer illegalen Handlung. Ich kann verstehen, dass die Eltern besorgt sind".
„Und was schlagen Sie vor soll ich tun, um dem ein Ende zu setzen?", fragte Omi und sah den Direktor mit einem Blick an, der eindeutig sagte, was er von seiner Besorgnis hielt.
„Nun, wie ich bereits Mr.Crawford sagte, wäre es besser, wenn Sie beide sich privat nicht mehr so oft träfen. Außerdem findet dieses Wochenende die Weihnachtsfeier in der Schule statt. Haben Sie nicht eine Freundin, mit der Sie kommen könnten? Das würde garantiert auch die letzten Zweifel ausräumen…"
„Tut mir Leid, ich habe keine Freundin. Und ich sehe auch nicht ein, warum wir wegen so etwas die Nachhilfe aufgeben sollten. Gerade jetzt wo die letzten Klausuren anstehen", antwortete Omi kühl. Erneut seufzte der Direktor.
„Ja, ich hatte schon befürchtet, dass Sie so etwas sagen würden. Sie sind anscheinend beide nicht sehr einsichtig. Und ich kann Sie natürlich auch nicht zwingen, die Nachhilfestunden aufzugeben. Aber ich bitte Sie doch inständig. Zum Wohl unserer Schule. Nur bis zu den Weihnachtsferien, danach haben es die Leute wieder vergessen. Aber bitte, tun Sie mir diesen Gefallen!"
„Also gut, ich werde darüber nachdenken. Vielleicht kann ich an einigen Stellen ja mal ein paar Kommentare fallen lassen, die diese Zweifel beseitigen. Aber was ich nach der Schule mache geht niemanden was an". Der Direktor nickte dankbar. Das war nicht ganz, was er gehofft hatte, aber besser als nichts.
„Vielen Dank. Und vielleicht reden Sie auch noch einmal mit Mr.Crawford. Ich wäre Ihnen wirklich sehr verbunden!"
Etwa eine halbe Stunde später kam Omi im Koneko no Sumue an, wo Ran gerade das „Geschlossen" Schild vor die Tür hängen wollte, um Mittag essen zu gehen. Als er Omi kommen sah hielt er inne und wartete, bis dieser seinen Roller abgestellt hatte und herein gekommen war. Sofort wollte er wissen, wo Omi so lange gewesen sei. Omi erzählte ihm, dass er von einem Lehrer aufgehalten worden sei, der sich erkundigen wollte, wie es ihm ginge. Das war nichts außergewöhnliches, denn alle Lehrer wussten über Omis Vergangenheit Bescheid und kümmerten sich daher besonders um den Jungen. Sobald er mal einen Tag lang schlechte Laune hatte, kam unter Garantie ein Lehrer an und fragte, ob mit ihm alles in Ordnung sei oder ob er Probleme habe. Ran fand das sehr beruhigend, denn er wusste, dass die Leute sich um Omi kümmerten. Eine seiner größten – und wie er fälschlicherweise annahm heimlichen – Sorgen war es, dass Omi eines Tages doch unter dem ganzen psychischen Druck zusammen brechen würde. Omi hingegen empfand es meistens einfach nur als übertrieben. Schließlich war er ja kein kleines Kind mehr, sondern bereits 17 Jahre alt.
„Hast du ihnen irgendeinen Anlass zur Sorge gegeben?", wollte Ran sogleich wissen, während er sich ans Gemüse putzen machte.
„Nein, nein, habe ich nicht. Aber, ob du es glaubst oder nicht, er war doch tatsächlich der Meinung, es würde mir nicht gut tun, hier bei euch zu wohnen. Er hat es zwar nicht gesagt, aber ich denke er glaubt, dass wir hier in einem totalen Saustall leben, nur weil wir alle Männer sind". Omi grinste und auch Rans Mundwinkel zuckte kurz. „Aber das Beste ist ja, dass er befürchtet, es habe einen schlechten Einfluss auf mich, nur mit Männern zusammen zu leben und in einem Blumenladen zu arbeiten, denn er glaubt, ich wäre nicht ganz… hetero, nur weil ich zur Zeit keine Freundin habe". Omi lachte laut und versuchte es so fröhlich und ehrlich klingen zu lassen wie möglich. In Wahrheit hatte er sich auch schon Gedanken darüber gemacht, ob seine Neigung vielleicht wirklich daher rühren mochten, dass er hier nur mit Jungs zusammen lebte. Aber wie auch immer, es war eigentlich unwichtig woher es kam.
Auch Ran warf Omi einen Blick zu, der sagen sollte, was für ein verrückter Gedanke das sei, aber Rans Blick war genauso wenig echt wie Omis. Wie Omi doch immer wieder versuchte, seine Freunde glauben zu lassen, er sei nicht schwul. Bei dem Kommentar „zur Zeit" hatte Ran wahrhaftig grinsen müssen, denn er wusste so gut wie Omi, dass er noch nie eine Freundin gehabt hatte.
„Ok… wo sind Yohji und Ken?", fragte Omi nach einer Weile, um das Thema zu wechseln.
„Einkaufen".
„Ah… ok… ich geh mich eben umziehen, dann helfe ich dir beim Essenmachen", damit verschwand Omi aus der Küche. Er stieß gerade seine Zimmertür auf, als er das Telefon klingeln hörte. Schnell beeilte er sich abzuheben, aber es dauerte eine Weile, bis er den Hörer zwischen den Büchern auf dem Schreibtisch gefunden hatte.
Omi wusste zwar nicht genau wen er eigentlich erwartet hatte, aber Crawford war es sicher nicht gewesen. Eigentlich war er davon ausgegangen, eine Zeit lang nichts mehr von dem Mann zu hören. Das war ihm auch ganz Recht, denn in den letzten Tagen war er ihm unheimlich geworden.
„Es ist Montag, treffen wir uns in der Stadt?"
„Aber… du willst heute Englisch machen? Mit mir?"
„Na sicher mit dir, mit wem denn sonst!"
„Na entschuldige mal, das letzte Mal als ich dich gesehen habe hast du mich zusammen geschissen und mich nachsitzen lassen, übrigens das erste Mal in meinem Leben. Und jetzt kommst du an als sei nichts gewesen?"
„Du weißt, wie sehr ich Unpünktlichkeit hasse"
„Verdammt, es war trotzdem nicht gerechtfertigt!"
„Ich bin der Lehrer und wenn ich sage es war gerechtfertigt, dann war es das auch".
„Aber…"
„Also was, kommst du oder nicht? Nur sag es mir jetzt, bevor ich losfahre und unnötig Benzin vergeude!"
„Ich… ja, meinetwegen. Ich muss dir sowieso was erzählen. Wieder im Café?"
„Gut, um fünf"
„Ok… Sagst du mir dann auch, warum du so verdammt schlecht drauf warst die letzte Zeit?"
„Natürlich nicht, das ist ja wohl meine Sache!"
„Ich will ja nur… oh, warte mal… Sorry, Ran ruft. Ich muss wieder runter. Wir klären das nachher, glaub ja nicht, dass ich das vergesse"
Crawford schnaubte und die beiden legten auf. Eilig rannte Omi die Treppen wieder hinunter. Dass er sich eigentlich hatte umziehen wollen, fiel ihm erst unten wieder ein.
„Himmel, Omi, wo bist du heute mit deinen Gedanken! Konzentrier dich mal!", meckerte Crawford als Omi ein Wort bereits zum dritten Mal nachfragte.
„Ja entschuldige bitte, dass man mir nicht alle Tage sagt, dass die ganze Schule glaubt ich sei schwul und hätte was mit meinem Mathelehrer", fuhr Omi ihn gereizt an.
„Lass die Leute reden und mach deine Aufgaben!"
„Wie schön, dass dich das alles so kalt lässt", knurrte Omi. „Sag mal, kann er dich eigentlich rausschmeißen deswegen? Rein theoretisch?"
„Nein, kann er nicht. Aber in solchen Fällen werden die Lehrer entweder versetzt oder gehen freiwillig. Aber dafür muss schon mehr vorliegen als ein lächerliches Gerücht".
„Gut".
Crawford grinste und meinte: „Gut zu wissen, dass du dich so um mich sorgst".
„Tu ich nicht! Ich denke nur daran, was die anderen von mir denken würden, wenn das rauskommt", meinte Omi rasch.
„Wenn was rauskommt?"
„Na …", Omi stockte. Crawford grinste triumphierend.
„Genug geredet. Mach weiter, ich will heute noch nach Hause kommen! Aber bei dem Tempo was du heute vorlegst kann ich das wohl vergessen…" Omi warf einen Stift nach Crawford, aber der fing ihn mit Leichtigkeit ab.
„Scheiße Ken, ich frier mir hier alles ab. Bitte lass uns endlich nach Hause gehen!", jammerte Yohji und wickelte sich noch enger in seinen Designer Wintermantel. Ganz im Gegensatz dazu Ken, dem die Kälte nicht das Geringste auszumachen schien. Er war durch sein Fußballtraining wohl abgehärtet.
„Stell dich nicht so an! Hier, nimm das mal eben, ich gehe kurz in den Teeladen da drüben, mein Teezucker ist alle!", erklärte der braunhaarige Fußballstar und drückte dem ohnehin schon mit 3 Tüten und einem kleinen Karton beladenen Yohji seine Einkaufstüten in die Hand. Sofort fing der Blonde wieder an zu jammern. Er sei doch kein Lastkamel und er fröre sich hier alles ab und warum sie nicht Internetshopping machen würden wie jeder andere vernünftige Mensch. Aber Ken zeigte sich nicht beeindruckt und ließ den zeternden Yohji auf dem verschneiten und beinahe menschenleeren Platz zurück.
Etwa zehn Minuten später kam er total aufgeregt und in vollem Tempo auf Yohji zugelaufen, der inzwischen alle Taschen abgestellt und die Arme um den schlotternden Körper geschlungen hatte. Dazu fing er, als er Ken ankommen sah, übertrieben laut an mit den Zähnen zu klappern.
„Du glaubst nicht was ich eben gesehen habe!", rief Ken schon von weitem. Keuchend blieb er vor dem Blonden stehen und begann sich die rote Nase zu reiben.
„Verdammt, hab ich gerade fast einen Herzinfarkt gekriegt, da hat echt nicht mehr viel gefehlt! Rate mal, wen ich gerade friedlich nebeneinander im Café hab sitzen sehen!"
„K…keine A…hnung… du wirst es mir s…sicher gleich sa…agen", schlotterte Yohji und blickte Ken mit vorwurfsvollem Blick an. Verdammt, er brauchte einen warmen Ofen! Vermutlich hatte Ken nur einen seiner Fußballidole gesehen oder die Mutter eines seiner Blagen.
„Rate!", befahl Ken aufgeregt, als Yohji keinerlei Interesse zeigte.
„Keine Ahnung, den Weihnachtsmann?", murmelte Yohji in seinen Schal.
„Blödsinn. Halt dich fest, Omi und Oracle!"
„WAS?"
Beinahe wäre Yohji auf eine der Taschen drauf getreten. Auf diesen Gesichtsausdruck hatte Ken gewartet. Mit großen, glänzenden Augen und einem triumphierenden Grinsen genoss er das pure Entsetzen, das in Yohjis Augen stand.
„Du verarschst mich!"
„Na ja ok, ich geb's zu, hast Recht. Natürlich waren sie es nicht. Aber ich schwöre dir, auf den ersten Blick… ich hätte echt alles verwettet dass sie es wirklich waren. Scheiße, stell dir das mal vor!" Für einen Augenblick lang vergaß Yohji die eisige Kälte und grölte mit Ken um die Wette. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatten. Tränen standen ihnen in den Augen und die wenigen Passanten, die vorüber gingen, warfen ihnen schon merkwürdige Blicke zu. Ununterbrochen weiter feixend schnappten sich die beiden ihre Einkaufstaschen und eilten zurück zum Wagen. Zuhause wartete eine heiße Tasse Kakao, bzw. Kaffee auf sie. Oh man, sie konnten es gar nicht abwarten Omi davon zu erzählen.
„Omi, wo warst du?"
„Ich war in der Stadt". Beinahe hätten Ken und Yohji ihren Tee synchron in hohem Bogen über den Tisch gespuckt. Ran warf ihnen sogleich vernichtende Blicke zu.
„Ja, Ken hat dich gesehen", fing Yohji grinsend an. Was? Er hatte ihn gesehen? Aber das hieß ja…
„Ja, dich und Crawford!" Diesmal war es an Ran seinen Tee über den Tisch zu spucken.
„WAS!", riefen er und Omi einstimmig. Yohji und Ken kugelten sich vor Lachen.
„Jungs, ihr müsstet mal eure Gesichter sehen!"
„A…aber das… das ist gar nicht möglich, ich meine, wieso… warum…" Oh mein Gott, es war alles vorbei. Omi stand kurz vor einer Panikattacke.
„Omi, reg dich ab, es war nur ein Scherz!", rief Yohji immer noch lachend und klopfte dem kreidebleichen Omi auf den Rücken.
„Ken hat zwei Typen gesehen, die müssen ausgesehen haben wie ihr beide. Ist das nicht zum schießen?" Wieder stimmten die beiden ein ohrenbetäubendes Gelächter an. Aber Omi konnte nicht mitlachen. Zwar war ihm soeben ein Felsblock vom Herzen gefallen, aber der Schock saß doch noch zu tief.
Auch Ran stimmte nicht in das Gelächter mit ein. Er war damit beschäftigt, Omis Reaktion zu beobachten und was er sah gefiel ihm ganz und gar nicht. Langsam war es nicht mehr zu leugnen. Immer wenn das Gespräch auf Crawford fiel, verhielt Omi sich merkwürdig. Inzwischen war er sich sicher, dass etwas nicht stimmte. Und es hatte etwas mit Schwarz und der Schule zu tun. Aber dem würde er auf den Grund gehen, gleich morgen.
Aber bevor es soweit war, dass Ran in die Schule gehen konnte, stand erst noch eine Mission an. Die Zielperson war eine junge Frau, die den Einfluss und die Position ihres Vaters dazu benutzte, um mit einem florierenden Drogenhandel Unsummen zu verdienen. Weiss zweifelten nicht daran, dass auch ihr Vater in die Geschäfte verwickelt war, aber die Beweise gegen ihn reichten vorerst nicht aus.
Der Hit sollte bereits in den frühen Abendstunden stattfinden, was den Jungs sehr Recht war. Alles war vorbereitet, die Wagen standen bereit, jeder wusste was er zu tun hatte. Nun standen die vier, jeder auf seiner Position und warteten darauf, dass die Frau von einem Besuch bei ihrer Freundin zurück nach Hause kam.
„Warum müssen Frauen immer zu spät kommen!", knurrte Ken mürrisch in sein Headset, nachdem sie bereits über eine Stunde in der Kälte gewartet hatten. Es dauerte eine Weile bis Omi antwortete: „Tut mir Leid, ich glaube meine Ohren sind zugefroren, was hast du gesagt?" Yohji begann leise zu lachen, während Ran sich wie immer in Schweigen hüllte.
„Tjaja, wenn ihr wüsstet, wie warm und mollig es hier oben im Schlafzimmer ist… Der Kamin prasselt… ich würde schätzen hier sind so an die 25°C drin", meinte Yohji vergnügt und weidete sich an dem Knurren, welches sofort von Omi und Ken kam.
„Mistkerl. Nächstes Mal stehst du dir hier draußen die Beine in den Bauch und wir machen es uns vor dem Kamin bequem!"
„Wenn ihr halt soviel Pech beim Losen habt ist das nicht meine Schuld", verteidigte sich Yohji. Gerade wollte Ken etwas erwidern, als Ran ihnen allen mit einem Zischen gebot still zu sein.
„Ich glaube hier ist noch jemand, Bombay überprüf das!" Mit fliegenden Fingern tippte Omi auf seinem Laptop herum, mit dem er die Überwachungskameras angezapft hatte. Aber er konnte nichts Ungewöhnliches feststellen.
„Ich kann nichts finden, vielleicht hast du dich geirrt", erklärte er nach einer Weile. Aber Ran schüttelte den Kopf.
„Nein, ich bin mir ganz sicher, ich habe jemanden gesehen. Siberian, er müsste in deine Richtung kommen. Halt die Augen auf!"
„Verstanden!"
„Ich glaube…"
„Achtung, sie kommt. Haltet euch bereit! Alles klar bei dir, Balinese?"
„Alles klar!"
Ran wartete auf dem Dach der Garage, bis der Wagen durch die große Einfahrt gefahren war und vor dem Garagentor anhielt. Während die junge Frau mit zwei Leibwächtern aus dem Wagen ausstieg und sich auf den Weg zur Vordertür machte, lenkte Ran den Chauffeur mit einem leisen Geräusch ab, und setzte ihn, gleich nachdem er um die Ecke gebogen war, geräuschlos außer Gefecht. Währenddessen übernahm Omi die beiden Leibwächter der Frau und streckte sie nacheinander lautlos mit einem Betäubungspfeil nieder, welche er mit seiner Armbrust von einer großen Eiche aus abschoss.
Die junge Frau war bereits im Haus verschwunden und bemerkte nichts. Leise vor sich hinsummend zog sie Mantel und Schuhe aus und übergab alles ihrem Hausmädchen, einem hübschen, rothaarigen Mädchen von höchstens 18 Jahren. Dann ging sie in ihr Büro um den Anrufbeantworter abzuhören und bestellte bei dem Hausmädchen einen Kaffee und etwas Toast. Anscheinend hatte sie noch vor zu arbeiten, aber daraus würde wohl, wenn alles glatt lief, nichts mehr werden.
Omi, der noch immer auf der alten Eiche hockte, beobachtete jeden ihrer Schritte durch sein Fernglas und behielt gleichzeitig die Überwachungskameras im Auge. Zwei hatte er mit seiner Schleuder ausschalten müssen, sonst hätten die vier nicht ungesehen aufs Gelände gelangen können.
„Bombay, wo bleibt sie so lange?", kam Yohjis Stimme aus Omis Headset und Omi antwortete sofort.
„Sie ist noch in ihrem Büro, anscheinend telefoniert sie mit irgendwem. Aber mit wem auch immer sie redet, es scheint sie sehr aufzuregen. Ich melde mich, sobald sie den Raum verlässt!"
Aber vorerst tat sie nichts dergleichen. Es dauerte noch geschlagene zehn Minuten, bevor sie den Hörer wutentbrannt auf die Gabel knallte und dann energisch nach dem Mädchen klingelte. Eine Weile lang beobachtete Omi, wie die Frau das arme Mädchen zusammen schrie, bis diese, den Tränen nahe, endlich den Raum wieder verließ. Omi konnte sie nun nicht mehr sehen aber plötzlich hörten sie einen lauten Schrei, der aus der Halle zu kommen schien. Sofort sprang die Frau auf und lief in die Halle hinaus und verschwand damit ebenfalls aus Omis Blickfeld. Ein zweiter Schrei.
„Verdammt, was ist da los?"
„Ich weiß es nicht. Bombay, geh nachsehen!", befahl Ran und sofort sprang Omi von dem Baum herunter und lief blitzschnell in geduckter Haltung zum Haus. Er versuchte, durch ein Fenster zu sehen, aber er konnte nichts erkennen.
„Ich geh rein. Balinese, ist bei dir alles klar? Geh nachgucken, was da los ist!"
Gerade wollte Omi die Tür öffnen, da ging im Haus der Alarm los.
„Ich kümmere mich um die Sicherheitsleute, kümmert ihr beide euch um die Frau. Siberian, wo bist du?", verkündete Ran und sprang vom Garagendach herunter.
„Siberian, antworte!" Aber Ken gab keinen Laut von sich. Ran fluchte leise.
Derweil war Omi in der großen Halle angekommen und noch bevor er etwas Genaueres erkennen konnte, bemerkte er bereits den Blutgeruch der in der Luft lag.
Dann sah er auch die beiden toten und über und über mit Blut verschmierten Körper, die an der Treppe und neben der Küchentür lagen. Eine der Leichen erkannte Omi sofort als das Hausmädchen und die andere dürfte wohl zwangsläufig die Frau sein.
Als er sich weiter in der Halle umsah, bemerkte er zwei weiß gekleidete Männer, die halb von einer Säule verdeckt wurden. Einer von ihnen hatte schwarze Haare, eine Brille und hielt eine Pistole in der Hand. Der andere hatte flammend rotes Haar und trug einen Aktenordner unter dem Arm.
„Schwarz!", entfuhr es ihm. Wütend blickte er abwechselnd zwischen den beiden Männern und dem Körper des Hausmädchens hin und her. Plötzlich war es ihm, als hätte das Mädchen sich bewegt und sofort lief Omi zu ihr hinüber, ohne sich um die beiden Männer zu kümmern.
„Was…", kam es jetzt von der Treppe und als Omi hinauf blickte, sah er Yohji. Mit nur wenigen Sprüngen war er am Fuß der Treppe angekommen und funkelte Crawford und Schuldig böse an.
„Bombay, Balinese, was ist passiert?", kam Rans Stimme aus dem Headset.
„Mastermind und Oracle sind hier. Sie haben die Frau umgebracht und das Mädchen. Ich weiß nicht, wo die anderen sind", erklärte Yohji und zog den blitzenden Draht aus seiner Uhr.
„Was wollt ihr hier?", knurrte er und machte einen drohenden Schritt auf die beiden zu. Aber die zeigten sich von Yohjis Auftreten kein bisschen beeindruckt. Schuldig grinste den blonden Playboy nur herausfordernd an und Crawford steckte in aller Ruhe seine Waffe wieder ein.
„Ihr Mörder, warum habt ihr das Mädchen umgebracht?", fragte Yohji, bevor er sich auf Schuldig stürzte. Aber der wich seinem Angriff gelassen aus und schlug ihm stattdessen die Faust in den Magen. Yohji stöhnte kurz auf vor Schmerz und startete dann einen weiteren Angriff, auch den ohne Erfolg.
„Balinese, ich glaube sie lebt noch!", rief Omi plötzlich aufgeregt und drehte sich zu seinem Freund um. Er hatte sich neben dem Mädchen auf den Boden sinken lassen und ihren Puls gefühlt. Aber sie blutete sehr stark, sie hatte einen Schuss in die rechte Schulter bekommen. Wenn sie schnell Hilfe bekam, würde sie es überleben. Plötzlich wurde Omi unsanft an der Schulter gepackt und beiseite gestoßen. Crawford, der seine Untersuchungen genau verfolgt hatte, hatte wieder seine Waffe gezogen und richtete sie nun auf den Kopf des Mädchens.
„Was zum… hör auf damit!", schrie Omi und wollte sich auf Crawford stürzen. Aber der sah seinen Angriff voraus und wich aus, so dass Omi mit der Nase voran auf die Fliesen fiel. Dann hörte er nur zwei Schüsse und sah, wie kleine Blutspritzer bis zu ihm herüber spritzten. Als er sich umdrehte, sah er wie Crawford seine Waffe wieder einsteckte und langsam auf ihn zuging. Ungläubig starrte Omi an ihm vorbei auf das nun endgültig tote Mädchen.
„Warum hast du das getan?", fragte er mit bebender Stimme. „Sie hat nichts getan, sie war unschuldig, sie hat noch gelebt!"
„Sie war eine Zeugin. Es musste sein", meinte Crawford kühl.
„Du Mörder!" Hinter Crawfords Brille blitzte es kurz böse auf.
„Erzähl mir nichts von Mörder. Ihr seid wohl kaum zum Kaffee trinken hergekommen!"
„Aber wir hätten das Mädchen nicht umgebracht! Sie hat nichts getan!", stieß Omi mit wuterstickter Stimme hervor.
„Und genau das ist der Unterschied zwischen uns beiden", erklärte Crawford kalt und gab einen kleinen Wink mit seiner Hand. Schuldig, der Yohji inzwischen bis auf die ersten Stufe der Treppe zurück gedrängt hatte und ihm nun seinen eigenen Draht um den Hals gewickelt hatte, ließ widerwillig von seinem Opfer ab und hob den Aktenordner auf, den er auf dem Boden abgelegt hatte.
„Ein Tipp, ihr solltet euch beeilen. Euer Freund da draußen hat einen der Sicherheitsleute entwischen lassen und der rückt bald mit einer Hundertschaft hier an. Man sieht sich!" Mit einem letzten Kopfnicken verschwanden die beiden durch die Küchentür und dann durch das eingeschlagene Fenster. Yohji zögerte nicht lange und rannte ihnen nach, aber er gab es schnell wieder auf. Stattdessen rief er Omi zu sich, der noch immer mit wutverzerrtem Gesicht in der Halle stand.
„Hier her, ich hab Siberian gefunden. Hilf mir ihn zu tragen und dann nichts wie weg hier! Abyssinian, kommst du alleine klar? Wir treffen uns dann zu Hause!"
„Fahrt! Ich komme gleich nach", keuchte Ran und schlug einem Sicherheitsmann seine Faust in den Nacken.
Zusammen mit Yohjis Hilfe schleppte Omi den bewusstlosen Ken zu Rans Wagen und legte ihn auf die Rückbank. Dann stiegen sie ein und brausten davon. Ran, dem es endlich gelungen war sich etwas Luft zu verschaffen, rannte zum Vorderausgang hinaus und verschwand um die nächste Straßenkreuzung. Einen Block weiter stand Yohjis Auto, mit dem er in die entgegengesetzte Richtung davon raste. Für genau diese Fälle hatten alle Schlüssel für beide Autos.
„Verdammt Yohji!", rief Omi auf einmal panisch als er sich an etwas erinnerte.
„Was?"
„Ich hab meinen Laptop auf dem Baum liegen gelassen!", meinte Omi und sah sich hektisch um.
„Halt an, ich lauf zurück und hole ihn. Bring du Ken nach Hause!", entschied er. Aber Yohji schüttelte den Kopf.
„Vergiss es, da kommst du jetzt nicht mehr ran. Du hattest doch den Missions PC oder nicht? Über den finden sie nichts über uns raus", versuchte Yohji den jüngeren zu beruhigen.
„Natürlich war das der Missions Laptop, aber trotzdem. Verflucht, so ein Amateurfehler ist mir ja noch nie unterlaufen", schimpfte Omi und schlug sich unablässig mit der Hand vor die Stirn.
„Vergiss ihn, es ist nicht mehr zu ändern. Aber Ran wird sauer sein… piep ihn mal an wo er ist…", meinte Yohji und warf einen flüchtigen Blick auf Ken.
„Verdammter Schnee, ich kann fast nichts sehen!", fluchte er, nachdem er sie fast in den Graben gesetzt hatte, weil er auf der glatten Fahrbahn den Halt verloren hatte.
„Jetzt bau noch mit Rans Wagen einen Unfall und du bist fällig…", meinte Omi und setzte sein Headset wieder auf.
„Ken? Ken, bist du wach?" Omi schüttelte seinen Freund vorsichtig an der Schulter. Mit einem lauten Stöhnen schlug Ken die Augen auf und fasste sich sogleich mit beiden Händen an den Kopf.
„Aua, das tut weh!"
„Hier ist ein Schmerzmittel, trink! Was ist passiert?"
„Danke… Was passiert ist? Mastermind ist passiert", knurrte Ken und schluckte gleich zwei der angebotenen Tabletten mit einem großen Schluck Wasser.
„Mein Kopf fühlt sich an, als sei er unter einen LKW geraten. Wenn ich den Kerl erwische…"
„Hat er wieder einen seiner mentalen Tricks angewendet?"
„Ja. Ich hab sie über die Mauer kommen gesehen, aber noch bevor ich euch warnen konnte, fühlte sich mein Kopf an, als würde er explodieren und dann wurde alles schwarz. Mehr weiß ich nicht. Wie ist die Mission gelaufen?"
„Schwarz haben uns die Arbeit abgenommen und die Frau getötet. Aber dabei haben sie auch ein unschuldiges Dienstmädchen ermordet", erzählte Omi grimmig. Kens Miene verdüsterte sich.
„Diese Schweine. Wenn es wirklich mal jemand verdient hat, von uns eliminiert zu werden, dann die!" Omi nickte.
In den letzten Wochen hatte er sich so gut mit Crawford verstanden, er hatte beinahe vergessen, was für ein gefühlsloser Mörder der Mann war. Dieser Gedanke verbitterte ihn. Er hatte wirklich gehofft, er hätte sich geändert. Er war doch immer so hilfsbereit gewesen und hatte sie bei ihren Missionen unterstützt und er hatte auch sonst viele gute Seiten, von denen Omi vorher niemals etwas geahnt hatte. Aber diese Gleichgültigkeit mit der er das Mädchen erschossen hatte… Sie hatte doch gar keine Chance gehabt.
Was war er nur für ein Narr gewesen! Warum sollte Crawford sich geändert haben? Vermutlich bedeutete er, Omi, ihm ebenso wenig wie dieses Mädchen und insgeheim lachte er sich über Omis Freundschaft – ja, er konnte es wohl Freundschaft nennen – kaputt. Er spielte mit ihm, wie er mit allen Menschen spielte und er benutzte ihn, wie er alle Menschen benutzte. Solange, bis er sie nicht mehr brauchte.
Nein, er würde diese Treffen mit dem Mann sofort beenden. Er war sein Feind und dabei würde es bleiben. Vermutlich war es so das Beste. Je früher er sich von Crawford abwendete, desto besser, so ersparte er sich eine große Enttäuschung.
Ken, der sich inzwischen aufgesetzt hatte, beobachtete Omi besorgt.
„Ist etwas nicht in Ordnung mit dir? Bist du verletzt?", fragte er und legte ihm behutsam die Hand auf den Arm.
„Nein, nein, alles in Ordnung. Ich war nur so in Sorge um dich und ich bin auch ziemlich müde. Am besten ich gehe gleich ins Bett…" Damit stand er auf und verließ eilig das Zimmer.
Am nächsten Morgen kam Omi nur sehr schwer aus dem Bett. Er hatte viel zu wenig und dazu noch schlecht geschlafen. Die Sache mit Crawford ließ ihn nicht mehr los. Warum verfolgte ihn dessen grausame Tat bis in seine Träume? Und warum war er so maßlos enttäuscht, nahezu traurig, dass Crawford sich nicht geändert hatte?
Auch in der Schule war Omi längst nicht so fröhlich wie gewöhnlich. Er blickte fast verbittert drein, nachdem er Crawford im Flur begegnet war. Das machte Nao zu schaffen und er fragte Omi danach. Aber wie bereits erwartet wollte der ihm nicht sagen, was los war. Es stimmte Nao traurig, dass Omi anscheinend nicht genug Vertrauen in ihn hatte. Gerade wollte er Omi diesbezüglich ansprechen, als plötzlich ein Klassenkammerad vorbei kam.
„Omi, hier bist du. Ich such dich schon. Dein Freund ist hier, er sucht nach dir". Omi sah ihn verwirrt an.
„Welcher Freund?"
„Dein Mitbewohner, der Rothaarige".
„Ran? Was will er hier?" Alarmiert sprang Omi auf. Was wollte Ran in der Schule? War etwas passiert?
„Weiß nicht, der wollte deinen Mathelehrer sprechen, soweit ich das verstanden habe. Ich hab ihn ins Lehrerzimmer geschickt, ich dachte… hey Omi? Alles in Ordnung mit dir?" besorgt sah der Junge Omi an. Er war weiß wie ein Laken. Plötzlich drehte er auf dem Absatz um und rannte davon, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Nao und der Junge warfen sich fragende Blicke zu, bevor Nao sich ebenfalls umwandte um Omi nachzugehen.
Dieser war inzwischen durch die große Halle gelaufen und rannte nun die Stufen zum Sekretariat hinauf. Seine Gedanken schrieen nur: Oh mein Gott! Es ist alles aus! Er wird es herausfinden! Was soll ich nur tun! Gerade war er um die letzte Ecke gestürzt, da sah er Ran, wie er vor der Tür des Sekretariats stand und mit einer Lehrerin sprach.
„Ran!", rief er, gerade als die Frau sich abwandte und im Lehrerzimmer verschwand.
„Da bist du ja. Ich hab dich gesucht".
„Was tust du hier!", rief Omi, leicht außer Atem. Ran sah ihn misstrauisch an.
„Ich will mit deinem Mathelehrer sprechen. Irgendwas stimmt nicht und du willst ja nicht mit mir darüber reden", erklärte Ran kühl.
„Aber… aber… ich…"
„Du benimmst dich auffällig. Glaub nicht, ich merke das nicht. Ich bin nicht blind. Und ich will wissen was los ist". Voller Horror starrte Omi Ran an. Es gab nichts mehr was er tun konnte… es war vorbei. Jeden Moment würde Crawford durch die Tür treten und Ran würde die Wahrheit erfahren. Für einen kurzen Augenblick dachte Omi ernsthaft daran, sich einfach umzudrehen und wegzulaufen. So weit und so schnell wie er konnte. Denn wenn Ran ihn nicht wegen Verrats auf der Stelle umbringen würde, so würde er ihn auf jeden Fall ausstoßen. Oder noch schlimmer, ihn Kritiker übergeben!
Aber Omi kam nicht mehr dazu, sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, denn in dem Augenblick ging die Tür ein weiteres Mal auf. Omi fühlte sich, als müsste er sich jeden Moment übergeben. Und dann hätte er fast vor Erleichterung laut aufgestöhnt, als nicht Crawford sondern sein alter Kunstlehrer heraus trat.
„Mr.Fujimiya?", fragte er und als Ran nickte streckte er ihm die Hand entgegen.
„Mein Name ist Crane, freut mich Sie kennen zu lernen".
Omi blieb fast das Herz stehen. Dieser Mann hieß nicht Crane. Crane gab es überhaupt nicht! Was ging hier vor! Omi verstand gar nichts mehr. So verdattert starrte er die beiden Männer an, dass er gar nicht bemerkte, dass sein Mund offen stand. Erst als Ran ihn, leicht in Sorge über sein blasses Gesicht, ansah, riss er sich zusammen und schloss wenigstens den Mund. Aber seine Augen blieben Suppentellergroß und seine Haut kreidebleich.
„Wie kann ich Ihnen helfen? Sie wollten mich sprechen?"
„Ja, ich wollte mit Ihnen über Omi sprechen", antwortete Ran, nachdem er den Mann kritisch von Oben bis Unten gemustert hatte.
„Gut, kommen Sie mit, dort drüben können wir ungestört sprechen. Kommen Sie auch mit, Omi?" Omi brachte ein schwaches Kopfschütteln zustande, woraufhin sich die beiden Männer umdrehten und davon gingen. Wie versteinert stand Omi im Flur und rührte sich nicht. Er begriff einfach nicht, was passiert war. Das war doch unmöglich!
/Nicht ganz unmöglich. Man muss nur wissen, wie man's anstellen muss, erklang plötzlich eine wohlbekannte und offensichtlich hoch amüsierte Stimme in Omis Kopf.
„SCHU!" Omi hatte sich so erschrocken, dass er schrie.
/Aua, kein Grund mich so anzubrüllen, meckerte der Telepath.
/Was zum Teufel…, fragte Omi in Gedanken.
/Überrascht, was? Hast gedacht es ist vorbei, stimmts? Man, du hättest dein Gesicht sehen sollen! Zum schießen! Ich dachte schon, du klappst mir da gleich weg vor Angst, lachte Schuldig telepathisch.
/DU steckst dahinter/
/Wer sonst, Blitzmerker/
/Aber wie hast du… woher wusstest du… warum…/
/Telepathie… Crawford… weil er es so wollte/ Omi blinzelte. Aber dann verstand er, was Schuldig meinte.
/Aber wie… ah schon klar, Vision… Aber warum sollte er mir helfen wollen/
/Ja, das frage ich mich in der Tat auch. Er selber sagt, er wolle kein Aufsehen erregen. Ich sage, er hat einen Narren an dir gefressen und will einfach nicht, dass der kleine Weiss Stress mit seinem Katana schwingenden Anführer bekommt… Und den hättest du bekommen, wenn ich die Gedanken deines rothaarigen Freundes richtig gedeutet habe. Ich will es gar nicht so genau wissen, aber ich würde meinen Arsch verwetten, dass er sein geliebtes Katana unten im Wagen hat und nur darauf wartet, es an einem von euch beiden auszuprobieren. Er ist beinahe enttäuscht, dass ‚Mr.Crane' nicht Crawford ist… er war sich so sicher, der arme Junge…/ Schuldig lachte laut auf.
/Du hast meinen Kunstlehrer dazu gebracht zu glauben, er sei mein Mathelehrer/
/Nicht nur ihn, auch dieses entzückende blonde Geschöpf das dein kleiner Freund losgeschickt hat um ihn zu holen… Gut nicht wahr/ Omi antwortete nicht. Er schüttelte nur ungläubig den Kopf. Er konnte noch immer nicht ganz fassen, was Schuldig gerade für ihn getan hatte.
/Oh, kein Problem. Ein einfaches ‚Danke' genügt schon, lachte der Rotschopf fröhlich.
/Ach, und ich würde mich beeilen, die beiden haben sich gleich nichts mehr zu sagen. Und Ran möchte gerne ein Wörtchen mit dir reden, meinte Schuldig mit einem dreckigen Grinsen.
/Schu… was hat ‚Mr. Crane' ihm genau über mich erzählt, fragte Omi mit einem warnenden Ton. Aber Schuldig schickte ihm nichts weiter, als ein hämisches Grinsen.
/Schu, warnte Omi.
/Wart's ab, meinte der Telepath fröhlich. /Ok, ich verzieh mich dann wieder, man verlangt nach mir/.
/Schu/
/Japp/
/Danke…/
/Keine Ursache, helf doch immer gerne/ und mit einem Zwinkern verschwand der Deutsche aus Omis Gedanken.
„Omi? Geht es dir gut?"
„Hm?" Irritiert blickte Omi sich um. Jemand hatte zu ihm gesprochen. Aber es war nicht Schuldig gewesen.
„Du stehst jetzt schon seit fast 5 Minuten regungslos da. Redest du mit dir selber?" Es war Nao.
„Ich…" Den Ausdruck in Naos Augen konnte man schon nicht mehr als Sorge bezeichnen. Beinahe furchtsam sah er Omi an.
„Omi, was ist hier los? Das war nicht Mr.Crane, das war unser Kunstlehrer… Was für ein Spiel treibst du hier?"
„Nao…"
„Jaja, ich weiß schon. Du kannst es mir nicht sagen. Aber weißt du, ich hab es satt, dass du mir nicht mehr vertraust. Warum sagst du mir nicht einfach was los ist? Aber nein, du tust es nicht. Stattdessen lügst du mich an. Mich und auch deine Mitbewohner. Was ist nur lost mit dir? Früher warst du nicht so. Habe ich irgendwas falsch gemacht, dass du mir nicht mehr vertrauen kannst?"
„Nao… das hat nichts mit dir zu tun, wirklich! Aber versteh doch, ich kann es dir nicht sagen…" Omi überlegte, ob er den berühmten „sonst müsste ich dich töten" Spruch anhängen sollte. Aber das klang dann doch zu kitschig. Obwohl es die Wahrheit wahr. Niemand durfte von seiner Tätigkeit als Killer erfahren. Und von der Existenz von Schwarz auch nicht und schon gar nicht von ihren übersinnlichen Kräften. Nao würde es eh nicht glauben und ihm nur unterstellen, er wäre ein Lügner. Aber irgendetwas musste er ihm sagen.
„Ok Nao, komm mit", entschied Omi schließlich und drängte Nao vor sich her die Treppe hinunter und aus dem Schulgebäude hinaus auf die Straße. Dort gingen sie ein Stück, bis sie an eine ruhige Stelle kamen.
„Also gut, hör zu. Ich kann dir nicht alles sagen. Bitte vertrau mir, es wäre nicht gut. Aber du weißt wohl inzwischen, dass wir in… illegale Sachen verstrickt waren. Was tut nichts zu Sache… jedenfalls ist es ungeheuer wichtig, dass Ran nichts von Crawford erfährt. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Leben davon abhängen!" Meins, zum Beispiel, fügte Omi in Gedanken grimmig hinzu.
„Wer ist wir?", fragte Nao ohne die geringste Regung zu zeigen.
„Das darf ich nicht……. Ok, also gut… du weißt es sowieso. Wir sind Ran, Yohji, Ken und ich".
„Und Crawford…"
„Ja… und Crawford".
„Habt ihr ihm etwas angetan? Ist er deshalb sauer auf euch?" Wir? Ihm? Wohl eher nicht.
„Nein… es ist etwas komplizierter. Aber dazu darf ich dir wirklich nichts mehr sagen. Ich hab schon zuviel gesagt. Du musst mir versprechen, dass du mit niemandem darüber redest! Ich habe es dir auch nur erzählt, weil ich weiß, dass du mein bester Freund bist und dass du mich nicht ins Messer laufen lässt…"
„Keine Angst Omi, ich verspreche es. Ich werde niemandem etwas sagen. Aber, was habt ihr denn so schlimmes getan?"
„Das kann ich nicht sagen. Wirklich, Nao…"
„Habt ihr jemanden ermordet?"
Omi starrte ihn eine Sekunde zu lange schweigend an. Das reichte Nao als Antwort.
„Verstehe… wen? Und warum?"
„Nao…", Omi knirschte mit den Zähnen. Er hatte schon viel zu viel erzählt. Ohne Nao die Chance zu geben, noch weitere Fragen zu stellen, drehte er sich um und ging zurück zur Schule. Nao lief ihm nach und hielt ihn auf.
„Omi… danke. Ich dachte schon es wäre meine Schuld, dass du nicht mehr mit mir sprechen kannst. Aber ich verstehe, dass es nicht geht. Wegen deiner Freunde. Ich wollte dir nur sagen, dass dein Geheimnis bei mir sicher ist. Und wenn du doch mal drüber reden möchtest, kannst du immer zu mir kommen. Ok?"
Omi nickte und warf Nao ein dankbares Lächeln zu. Dann gingen sie, fast eine halbe Stunde verspätet, zurück in den Unterricht.
An diesem Nachmittag freute Omi sich nicht wie sonst auf zu Hause. Denn das bedeutete einerseits, dass Ran mit ihm ein Gespräch über ‚Mr.Crane' führen würde und andererseits, dass er Ran und den anderen von seiner Unterhaltung mit Nao erzählen musste. Es behagte ihm gar nicht, ihnen davon berichten zu müssen, aber es ging nicht anders. Bei ihrem Job durften sie kein Risiko eingehen. Er hatte die Pflicht den anderen mitzuteilen, wie viel genau er Nao von ihrer Arbeit verraten hatte. Das war wichtig, falls einmal der Verdacht bestand, jemand hätte sie verraten. So wussten sie sofort, wer als möglicher Verräter in Frage kam und bei wem sie auf der Matte stehen mussten.
Aber irgendwann musste er Ran Wohl oder Übel entgegentreten und bevor er noch weiter in der Kälte stand und sich wohlmöglich noch eine Lungenentzündung holte, zog er es doch vor, hinein zu gehen und sich dem Unausweichlichen zu stellen. Sobald er das Haus betreten hatte, kam Ran auch schon aus der Küche und zitierte ihn zu sich. Seufzend zog Omi sich die Schuhe und den Mantel aus und schlurfte in die Küche.
„Du hättest es mir sagen können", kam Ran wie gewohnt ohne Umwege zum Thema.
„Was hätte ich dir sagen können?", fragte Omi leicht genervt. Er wollte gar nicht wissen, was der Telepath angestellt hatte.
„Dein Lehrer hat mir von deinem Brief erzählt".
„Brief… Was für einen Brief?"
„Du brauchst dich nicht mehr zu verstellen. Er hat mir alles erzählt. Es ist nicht schlimm… jeder hat diese Phase mal"
„Welche Phase?" Omi war nun ernsthaft verwirrt. Obwohl er insgeheim schon eine dunkle Ahnung hatte, worauf Ran da anspielte. Und seine Antwort bestätigte diese Befürchtung.
„Na ja, Schwärmereien für einen Lehrer… nur dass die meisten Leute nicht soweit gehen, demjenigen Briefe zu schreiben…"
„Aber ich…" /SCHU! Du verdammter Mistkerl! Warte nur, das zahle ich dir heim/ Omi war sich nicht sicher, aber er glaubte, leises Gelächter zu hören. Aber vielleicht war es auch nur Einbildung.
„Tut mir Leid, dass ich mein Liebesleben nicht vor euren Füßen ausbreite", knurrte Omi. Ein kurzer Funke huschte über Rans Gesicht. Schmerz?
„Ich bin vielleicht auch nicht der richtige Ansprechpartner für so was…", meinte Ran rasch und wandte sich wieder der Pfanne zu, die er gerade schrubbte.
„Das meinte ich nicht so... Es liegt nicht an dir. Es war mir peinlich… ich habe es niemandem erzählt. Ich bin halt nicht mehr in dem Alter, in dem ich euch alles erzähle…", versuchte Omi.
„Ich verstehe schon. Aus dem Alter bist du inzwischen raus…". Omi schlug sich mental mit der Hand vor die Stirn.
„Ran, du benimmst dich schlimmer als jede Mutter, weißt du das. Es gibt halt Dinge, die behält man lieber für sich". Omi wusste, dass er sensibel an das Thema heran gehen musste. Seit Aya-chan ins Koma gefallen war und Ran zu Weiss gekommen war, hatte er sich um Omi gekümmert wie der großer Bruder, der er eigentlich für Aya-chan hatte sein wollen. Es schmerzte ihn, zu sehen, dass Omi erwachsen wurde und ihn nicht mehr so nötig zu haben schien. Momente wie dieser machten es ihm immer wieder deutlich. Aber besonders jetzt, da Aya-chan tot war, konnte er diesen Gedanken nicht ertragen.
„Danke", sagte er, „dass du dir Sorgen gemacht hast. Auch wenn es überflüssig war. Aber du weißt, es bedeutet mir viel, dass du dich um mich kümmerst".
„Schon gut", murmelte Ran und warf Omi einen fast beschämten Blick zu. Damit war die Sache für beide geklärt und Omi grinste Ran glücklich an. Immerhin, ein großes ‚Alles ist gut und wir ham uns wieder lieb' Knuddeln wäre bei Ran wohl nicht gerade gut angekommen.
Nachdem das also geklärt war, holte Omi einmal tief Luft und gestand Ran, dass er Nao von Weiss erzählt hatte. Ran war darüber alles andere als erfreut. Zwar kannte auch er Nao schon eine ganze Weile und er wusste, dass er Omis bester Freund war, aber Freundschaften konnten zerbrechen. Und dann stellte alles, was er über Weiss und ihre Tätigkeit wusste, eine Gefahr für die vier dar.
